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Zwischen Liebe zur Musik und Komplizenschaft mit Unterdrückung: Der Fall Justus Frantz

Es ist ein Bild, das verstört: Ein 81-jähriger queerer Musiker steht im Moskauer Kreml und nimmt aus den Händen von Wladimir Putin einen Freundschaftsorden entgegen – in einem Land, in dem seit Januar 2024 die "internationale LGBT-Bewegung" als extremistische Organisation eingestuft ist und Beschuldigten bis zu zwölf Jahren Gefängnis drohen. Wie queer.de berichtet, wurde der bekannte deutsche Pianist und Dirigent Justus Frantz am russischen Tag der nationalen Einheit im Kreml ausgezeichnet – eine Entscheidung, die für viele queere Menschen wie ein Schlag ins Gesicht wirkt.

Ein spätes Coming-out – und eine fragwürdige Entscheidung

Justus Frantz bezeichnete sich in der Vergangenheit selbst als "Putin-Versteher" und verteidigte sogar die russische Annexion der Krim als "Wiedergutmachung historischen Unrechts". Erst im vergangenen Jahr, kurz vor seinem 80. Geburtstag, hatte sich Frantz öffentlich geoutet – zunächst in seiner Biografie, später mit der Bekanntgabe seiner Beziehung zu seinem 53 Jahre jüngeren Manager Sebastian Kunzler. Ein mutiger Schritt, sollte man meinen. Doch seine Entscheidung, trotz westlicher Sanktionen nach Russland zu reisen und dort eine Auszeichnung entgegenzunehmen, wirft die Frage auf: Wo endet die Liebe zur Musik, und wo beginnt die Komplizenschaft mit einem unterdrückenden Regime?

"Das ist für mich eine große Ehre, dass ich heute hier sein kann und ich so einen wichtigen Orden habe", sagte Frantz auf Russisch zu Putin und betonte seine lebenslange Liebe zur russischen Musik, insbesondere zu den Werken von Tschaikowsky und Rachmaninow. Diese Worte fallen in einem Land, in dem der Oberste Gerichtshof die internationale LGBTQ+-Community als "extremistische Organisation" einstufte und damit Tür und Tor für die willkürliche Verfolgung und Inhaftierung von LGBTQ+-Personen öffnete.

Die brutale Realität für queere Menschen in Russland

Während Frantz im Kreml gefeiert wurde, leben queere Menschen in Russland in ständiger Angst. Das 2013 verabschiedete "Schwulen-Propaganda-Gesetz" führte Beschränkungen für Rollenmodelle von LGBTQ-Personen unter Minderjährigen ein und bestrafte die Verbreitung von Materialien, die "nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen" darstellen. Das Gesetz wurde 2022 zusätzlich verschärft und gilt nun auch gegenüber Erwachsenen.

Das neue Gesetz verbietet Werbung, Medien- und Online-Inhalte, Bücher, Filme und Theateraufführungen, die "LGBTQ-Propaganda" enthalten – in der Praxis reicht dafür oft die Darstellung eines Regenbogens als LGBTQ-Symbol. Bereits unmittelbar nach Verkündung des Gesetzes kam es zu ersten Razzien an Community-Orten, und es häufen sich Berichte über Erpressungen, Kündigungen, Drohungen und Angriffe, die die Betroffenen nicht anzeigen können.

Menschen könnten aufgrund unbegründeter Extremismusvorwürfe ins Gefängnis kommen, wenn die Behörden sie als Teil der sogenannten "internationalen LGBTI-Bewegung" ansehen. Selbst Symbole wie die Regenbogenflagge könnten als extremistisch verboten werden.

Parallelen in Deutschland: Wenn Exil die einzige Option ist

Die Situation in Russland ist auch für Deutschland relevant. Eine zunehmende Zahl an LGBT-Personen migriert aufgrund der beschriebenen Entwicklungen ins Ausland und auch nach Deutschland, wo sich der Verein Quarteera, ein Zusammenschluss russischsprachiger queerer Menschen, unter anderem für sie einsetzt. Wie queer.de bereits 2022 berichtete, kennt ein Berliner Kunsthistoriker Hunderte Russinnen und Russen, die wie er selbst wegen politischen Drucks oder eines vergifteten Klimas unter Präsident Wladimir Putin nach Deutschland zogen, vor allem nach Berlin.

Ein Fünftel der Russinnen und Russen möchte laut Umfragen im Ausland leben, darunter auch viele Homosexuelle, die es im intoleranten Heimatland nicht mehr aushalten. Diese Menschen fliehen vor genau jenem System, das Justus Frantz nun mit seiner Anwesenheit und seinen lobenden Worten legitimiert.

Ein Signal mit verheerender Wirkung

In Deutschland sorgt Frantz' Auszeichnung für Kopfschütteln. Seine Entscheidung sendet ein verheerendes Signal an queere Menschen in Russland, die täglich um ihre Sicherheit und Freiheit kämpfen. Als stellvertretendes Symbol für den "Westen" und seine Werte wird die LSBTIQ-Community zur Zielscheibe von Politik und Justiz Russlands gemacht. In diesem Kontext wirkt Frantz' Auftritt im Kreml wie ein Verrat an der eigenen Community.

Es stellt sich die Frage: Kann kultureller Austausch jemals unpolitisch sein, wenn er in einem autoritären Regime stattfindet, das systematisch Minderheiten verfolgt? Queere Identitäten in autoritären Systemen sind nie sicher – selbst dann nicht, wenn sie scheinbar akzeptiert werden. Diese historische Lektion scheint Frantz ignoriert zu haben.

Die Verantwortung prominenter queerer Personen

Justus Frantz mag ein großartiger Musiker sein, dessen Liebe zur russischen Kultur tief und authentisch ist. Doch in Zeiten, in denen alle, die sich für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzen und bislang eingesetzt hatten, potenzielle "Extremisten" sind, denen jahrelange Haftstrafen drohen, wiegt die Symbolkraft seiner Entscheidung schwer. Seine Anwesenheit im Kreml und seine dankbaren Worte an Putin verleihen einem Regime Legitimität, das queere Menschen systematisch unterdrückt, verfolgt und zum Schweigen bringt.

Verfolgte und besonders schutzbedürftige LSBTIQ-Personen aus Russland benötigen dringend Aufnahme in Deutschland – gemäß dem Aktionsplan "Queer leben" der Bundesregierung und den Leitlinien für eine feministische Außenpolitik. Während deutsche queere Aktivistinnen und Aktivisten für genau diese Solidarität kämpfen, steht ein prominenter queerer Musiker im Kreml und lässt sich feiern.

Der Fall Justus Frantz zeigt schmerzlich, dass Sichtbarkeit und ein spätes Coming-out allein noch keine politische Verantwortung bedeuten. Wahre Solidarität mit der queeren Community erfordert mehr als nur das eigene Outing – sie erfordert den Mut, nicht mit jenen zu paktieren, die andere queere Menschen verfolgen, einsperren und ihrer grundlegendsten Rechte berauben.


Nach 22 Jahren: Mord aus Schwulenhass vor Gericht in Paderborn

Es ist ein Fall, der die Wunden queerfeindlicher Gewalt in Deutschland schmerzhaft aufzeigt: Seit Mittwoch verhandelt das Landgericht Paderborn über den mutmaßlichen Mord an Tino Werner, einem 29-jährigen schwulen Kellner aus Bad Driburg. Die Tat liegt 22 Jahre zurück – doch durch moderne DNA-Analysen konnte der Fall wieder aufgerollt werden. Der ursprüngliche Bericht stammt von queer.de.

DNA-Reihenanalyse führt zum Durchbruch

Im Herbst 2003 wurde Tino Werner in seiner Kellerwohnung in Bad Driburg ermordet. Der Täter soll aus Hass auf Homosexuelle und akuter Geldnot gehandelt haben. Die Ermittlungsgruppe „Cold Case Ostwestfalen" nahm den Fall nach Jahren wieder auf und bewertete ihn mit modernen kriminaltechnischen Methoden neu. Grundlage für den Durchbruch war eine aktuelle DNA-Reihenuntersuchung, an der über 120 Personen aus dem damaligen Umfeld des Opfers teilnahmen. Unter den ersten zehn Proben wurde das gesuchte DNA-Profil gefunden.

Erst durch eine erneute Analyse des Spurenmaterials mit aktuellen forensischen Methoden sei ein klareres DNA-Profil erstellt worden. Die Auswertung übernahm ein privates Institut für forensische Molekulargenetik aus Emsdetten. Im Mai 2025 wurde der heute 57-jährige Tatverdächtige an seinem Arbeitsplatz im Bergischen Land festgenommen.

Gewalt aus Hass: Ein gesellschaftliches Problem

Der Fall ist kein Einzelfall. Im Jahr 2023 richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Die aktuellsten Zahlen für 2024 zeigen eine weitere dramatische Entwicklung: 1.765 Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung (+17,75 %) sowie 1.152 aufgrund geschlechtsbezogener Diversität (+34,89 %) wurden registriert.

Besonders besorgniserregend: Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an. Trotz des Anstiegs der gemeldeten Fälle legen Erhebungen nahe, dass die Dunkelziffer weiterhin hoch ist. Laut der Umfrage der EU-Grundrechteagentur FRA von 2024 meldeten nur zehn Prozent der Polizei einen queerfeindlichen Vorfall.

Cold Cases: Wenn moderne Technik alte Fälle löst

Der Fall Tino Werner zeigt, wie wichtig spezialisierte Cold-Case-Einheiten sind. Als Cold-Case-Ermittlungen werden neue polizeiliche Ermittlungen in einem bisher ungeklärten Kriminalfall bezeichnet. Da Mord oder andere schwere Straftaten in zahlreichen Ländern nicht oder erst nach mehreren Jahrzehnten verjähren und sich die Kriminaltechnik ständig weiterentwickelt, beispielsweise die DNA-Analyse, können ungeklärte Mordfälle mitunter auch nach Jahrzehnten noch aufgeklärt und die Täter verurteilt werden.

In Deutschland gibt es seit 2015/2016 verstärkt Cold-Case-Einheiten in verschiedenen Bundesländern. Die vier Ermittler der Hamburger Cold Case Unit rollen ungelöste Fälle mit neuen Methoden noch einmal auf: So nutzen sie unter anderem neueste Kriminaltechnik wie die DNA-Analyse oder die 3D-Tatortrekonstruktion. Schätzungsweise 3.000 dieser Altfälle existieren deutschlandweit – etwa 1.000 davon allein in Nordrhein-Westfalen.

Die Angehörigen leiden bis heute

Für die Familie von Tino Werner ist der Schmerz auch nach mehr als zwei Jahrzehnten präsent. Sein Neffe Marcel Rehermann erklärte gegenüber Radio Hochstift: "Die Verstorbenen unserer Familie liegen hier alle in Dringenberg auf dem Friedhof. Und so macht man natürlich regelmäßig seine Rundgänge. Und natürlich kommt dann immer die Tat wieder hoch, wenn man an dem Grab steht, ganz klar."

Der Tatverdächtige soll damals in die Kellerwohnung seines Opfers eingedrungen sein, dieses niedergeschlagen und anschließend ein Verreisen des Getöteten vorgetäuscht haben, um die Entdeckung der Tat zu verzögern. Dabei soll er dem Kellner auch dessen Portemonnaie mit etwa 100 bis 150 Euro Bargeld gestohlen haben.

Eine Gesellschaft muss hinschauen

Der Prozess in Paderborn, für den Verhandlungstage bis Mitte Januar angesetzt sind, ist mehr als die Aufarbeitung eines einzelnen Verbrechens. Er zeigt, wie wichtig es ist, queerfeindliche Gewalt konsequent zu verfolgen – auch Jahrzehnte später. Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Dezember 2024.

Für queere Menschen in Deutschland bleibt die Botschaft zwiespältig: Einerseits zeigt der Fall, dass Mord nicht verjährt und Gerechtigkeit auch nach Jahrzehnten noch möglich ist. Andererseits macht er deutlich, dass queere Menschen in Deutschland jedes Mal darüber nachdenken müssen, ob sie beispielsweise in der Öffentlichkeit Händchen halten oder anders als queer sichtbar sind. Das ist ein deutlicher Einschnitt in die persönliche Freiheit und das Sicherheitsempfinden von Millionen Menschen in diesem Land.

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Tino Werner ist ein wichtiger Schritt – aber er darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass queerfeindliche Gewalt ein aktuelles und wachsendes Problem bleibt, das entschlossenes Handeln erfordert.


„Sie zerstören Kinderleben": Eltern von trans Jugendlichen prangern Pubertätsblocker-Verbot in Großbritannien an

Während in Deutschland das Selbstbestimmungsgesetz seit November 2024 trans Menschen mehr Rechte bei der Änderung ihres Geschlechtseintrags gewährt, kämpfen Familien in Großbritannien gegen ein rigides Verbot, das die Leben ihrer Kinder bedroht. Eltern von Kindern, die geschlechtsangleichende Versorgung bei Hausarztpraxen in East Sussex erhalten, haben das Leben als „grauenhaft" und „unmenschlich" bezeichnet, nachdem Gesundheitsminister Wes Streeting im Dezember 2024 ein unbefristetes Verbot neuer NHS-Verschreibungen von Pubertätsblockern für alle unter 18 Jahren verhängt hatte, wie Pink News berichtet.

Der Fall WellBN: Wenn medizinische Versorgung zur politischen Schachfigur wird

Die WellBN-Hausarztpraxis in Brighton und Hove, wo etwa 26.000 Patient*innen an drei Standorten behandelt werden, wurde vom NHS Sussex Integrated Care Board (ICB) untersucht, weil sie weiterhin Medikamente an trans Jugendliche verschrieb. Die Tragik: Dies geschah, obwohl die Regierungswebsite klarstellt, dass „NHS-Patient*innen, die diese Medikamente bereits wegen Geschlechtsinkongruenz und/oder Geschlechtsdysphorie erhalten, weiterhin Zugang zu ihnen haben können".

Eine Mutter, die nur als „Laura" bekannt ist, beschrieb die Situation ihrer Tochter: Ihre Tochter begann im Alter von 12 Jahren mit Pubertätsblockern und durchlief in den letzten vier Jahren die weibliche Pubertät vollständig, einschließlich Brustwachstum. Sie bezeichnete das Verbot als „erzwungene Detransition" und „unmenschlich". Mit verzweifelten Worten fügte sie hinzu: „Man kann Kinder nicht einfach nach Jahren der Transition von diesen Medikamenten abreißen. Meine Tochter hat nie die männliche Pubertät durchlaufen. Sie wissen, dass dies wahrscheinlich zu Suiziden führen wird. Es ist ihnen egal. Wir haben jahrelang alle Hürden genommen und das getan, was die Regierung von uns verlangte".

Wissenschaftliche Beweise für den Schaden

Eine Studie der University of London, durchgeführt von der trans Wissenschaftlerin Dr. Natacha Kennedy, zeigte, dass die Entscheidung der Regierung, die physisch reversible geschlechtsangleichende Behandlung zu verbieten, „erheblich, umfassend und unerbittlich trans Kinder und Jugendliche schädigt". Die im Journal of Gender Studies veröffentlichte Forschung ergab sehr ernsthafte negative Auswirkungen, einschließlich stark rückläufiger mentaler Gesundheit, zunehmender Depression, sozialer Isolation, Angst, Stress, Selbstverletzung, Schulverweigerung und Suizidgedanken.

Ein wiederkehrendes Thema war die „überwältigende Verzweiflung" von transgender Jugendlichen, denen die Behandlung verweigert wurde, was in „starkem Kontrast" zu der Beschreibung ihrer Eltern oder Betreuer vor Inkrafttreten des Verbots stand. Es gab auch einen bemerkenswerten Unterschied zwischen der mentalen Gesundheit von trans Teenagern, denen Pubertätsblocker verweigert wurden, und jenen, die bereits in Behandlung waren.

Deutschland: Ein anderer Weg ist möglich

Während Großbritannien trans Jugendliche und ihre Familien im Stich lässt, geht Deutschland einen progressiveren Weg. Das neue Selbstbestimmungsgesetz erleichtert es trans- und intergeschlechtlichen Menschen, das eingetragene Geschlecht und den Vornamen zu ändern. Die Regelungen, die für medizinische Maßnahmen wie Operationen gelten, ändern sich mit dem Selbstbestimmungsgesetz nicht. Wichtig zu verstehen: Das SBGG trifft keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen. Das Gesetz regelt ausschließlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Personenstandsregister möglich ist. Für geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen gelten weiterhin die einschlägigen medizinischen Regelungen und Leitlinien.

Dennoch gibt es auch in Deutschland kontroverse Diskussionen. Der Deutsche Ärztetag forderte die Bundesregierung auf, dass Pubertätsblocker, geschlechtsumwandelnde Hormontherapien oder entsprechende Operationen bei unter 18-jährigen mit Geschlechtsinkongruenz nur im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien zugelassen werden sollten. Diese Position steht jedoch im Widerspruch zu medizinischen Fachgesellschaften, die die Versorgung trans Jugendlicher befürworten.

Ärzt*innen unter Druck: Das Beispiel Dr. Sam Hall

Dr. Sam Hall, der früher an einer der Praxen arbeitete, sagte: „NHS Sussex hat WellBN zweimal mit dem Entzug des GMS-Vertrags gedroht. WellBN kümmert sich seit über fünf Jahren um trans Jugendliche mit vollem Wissen von NHS Sussex und NHS England. Warum ist dies plötzlich ein Problem? Dies ist eine Mobbing-Taktik, die darauf abzielt, sie einzuschüchtern, lebensrettende Versorgung zurückzuziehen, trotz Warnungen von Gerichtsmedizinern über das Lebensrisiko für trans Jugendliche".

Was können wir aus Großbritannien lernen?

Die Situation in Großbritannien sollte als Warnung dienen. Pubertätsblocker für unter-18-Jährige mit Geschlechtsdysphorie wurden unbefristet im Vereinigten Königreich verboten wegen eines angeblichen „unannehmbaren Sicherheitsrisikos", obwohl die NHS beschrieben hat, dass die Effekte reversibel sind, und es keine definitiven Beweise dafür gibt, dass sie schädlich sind. Eine unabhängige Studie fand im September 2024, dass sie im Allgemeinen sicher für die Anwendung bei transgender Jugendlichen sind.

In Deutschland müssen wir wachsam bleiben. Die medizinische Versorgung von trans Jugendlichen darf nicht zum Spielball politischer Ideologien werden. Die Bundesregierung empfiehlt nicht die Einnahme von Pubertätsblockern. Die Entscheidung über die Verschreibung von Pubertätsblockern liegt ausschließlich im Ermessen der behandelnden Fachärztinnen und -ärzte – und genau so sollte es bleiben: als medizinische Entscheidung zwischen Patient*in, Eltern und Ärzt*innen.

Die menschliche Dimension nicht vergessen

Hinter jeder Statistik, jedem Gesetz und jeder politischen Debatte stehen echte Menschen – Kinder, die einfach nur sie selbst sein wollen, und Eltern, die verzweifelt versuchen, ihre Kinder zu schützen. Eine weitere Mutter aus dem Artikel beschrieb, wie sich die Situation ihres Kindes „so viel verschlimmert" habe und klagte an: „Der ICB hat gesagt, dass sie keine Pubertätsblocker mehr an unter-16-Jährige verschreiben dürfen, unabhängig davon, dass diese Kinder vor dem Verbot verschrieben wurden. Sie werden nicht mit uns oder unserem Kind sprechen, ein anonymes medizinisches Team wird ihre Akten überprüfen und einen medizinischen Plan erstellen, ohne jemals ein Gespräch mit uns zu führen".

Die britische Erfahrung zeigt uns eindringlich: Wenn wir die Selbstbestimmung und medizinische Versorgung von trans Menschen einschränken, schützen wir keine Kinder – wir gefährden sie. In Deutschland haben wir mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Jetzt gilt es, diesen Weg konsequent weiterzugehen und sicherzustellen, dass trans Jugendliche auch weiterhin Zugang zu der medizinischen Versorgung haben, die sie brauchen.


Saarbrücken bekommt "Goldenen Kitt": Stadtrat beschließt einzigartigen Gedenkort für queere Verfolgungsopfer

In der Faßstraße am St. Johanner Markt entsteht etwas Besonderes: Der Saarbrücker Stadtrat hat die Umsetzung des queeren Gedenkorts "Saarbrückens Goldener Kitt" beschlossen. Das Kunstwerk verbindet dabei queere Erinnerungskultur mit einem innovativen Konzept, das Wunden sichtbar macht und zugleich heilt – Erinnerungskultur als Instrument, um das Ende gesellschaftlicher Unterdrückung zu erreichen. Der Beschluss vom Dienstag stellt rund 200.000 Euro für das Projekt zur Verfügung, wie queer.de berichtet.

Kintsugi: Die Kunst, Brüche wertvoll zu machen

Der Entwurf der Münchner Landschaftsarchitektin und Künstlerin Jutta Treichel, der sich im Juni gegen acht andere Vorschläge durchsetzte, greift eine tiefe kulturelle Metapher auf: Kintsugi, was wörtlich "mit Gold zusammenfügen" bedeutet, ist eine Mischung aus traditionsreicher Handwerkskunst und Philosophie, bei der die Klebestellen von zerbrochenen Scherben nicht versteckt, sondern mithilfe von Gold, Silber oder Platin stolz zur Schau gestellt werden.

Diese mit dem Zen-Buddhismus verwobene Philosophie findet Schönheit in Einfachheit, Vergänglichkeit und Unvollkommenheit und lehrt die Wertschätzung des Unvollständigen sowie die Anerkennung der Zeit und Geschichte, die in den Rissen und Reparaturen eines Objekts gespeichert sind. Ein goldener Riss im Pflaster soll als Symbol für die Brüche durch jahrzehntelange Verfolgung queerer Menschen dienen – und zugleich für Heilung, Sichtbarkeit und Zusammenhalt stehen.

Ein Standort mit Geschichte

Der St. Johanner Markt mit seinen Boutiquen, exzellenten Restaurants, angesagten Kneipen und Bistros bildet das Herzstück des Saarbrücker Lebens. Die Faßstraße, unweit früherer queerer Szenelokale, soll eine Brücke zwischen der Geschichte und der Gegenwart der queeren Community in Saarbrücken schlagen. Nur wenige hundert Meter entfernt befand sich das "History", das von 1993 bis 2022 zu den ikonischen queeren Treffpunkten der Stadt gehörte.

Treichel erklärt, dass der Entwurf bewusst den bestehenden städtebaulichen Kontext integriert und auf ortsspezifische Elemente zurückgreift, wie die markante Pflastergestaltung des Künstlers Paul Schneider und die prägnanten Gingko-biloba-Bäume, die sich im Herbst golden färben. An dem Kunstwerk angebrachte QR-Codes sollen später auf weitergehende Info-Seiten zur Verfolgung des queeren Lebens verweisen.

123 Jahre strafrechtliche Verfolgung

123 Jahre war Homosexualität mit § 175 in Deutschland strafbar – das gesetzliche Verbot wurde erst 1994 endgültig abgeschafft. Etwa 53.000 Männer wurden auf Basis von Paragraph 175 von der NS-Justiz verurteilt, und es wird davon ausgegangen, dass etwa 10.000 als homosexuell verfolgte Männer in Konzentrationslagern inhaftiert waren. In der Bundesrepublik kam es zwischen 1949 und 1969 zu etwa 50.000 Verurteilungen.

Nach 1935, nach der Rückgliederung des Saargebietes an Hitler-Deutschland, steht die Geschichte der Homosexuellen in dieser Region im Kontext von systematischer Diskriminierung, Verfolgung, Verhaftung und Ermordung. Die Geschichte der Homosexuellen in der Saar-Region ist bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet.

Teil einer wachsenden Erinnerungskultur

Der Gedenkort in Saarbrücken reiht sich ein in eine wachsende queere Erinnerungskultur in Deutschland. In Berlin wurde das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen am 27. Mai 2008 der Öffentlichkeit übergeben, nachdem sich die Initiative und der LSVD sechzehn Jahre für solch einen Gedenkort eingesetzt hatten. In Mainz wurde am Ernst-Ludwig-Platz eine Gedenkstele für alle errichtet, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung in der Nazi-Zeit und auch danach verfolgt wurden – die erste Stele in Deutschland, mit der allen Opfern mit LSBTIQ-Hintergrund gleichzeitig gedacht wird.

Am 27. Januar 2023, dem "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus", gedachte der Deutsche Bundestag erstmals der queeren Opfer des Nationalsozialismus und verschwieg dabei nicht, dass auch die Bundesrepublik in ihrer Geschichte queere Menschen diskriminiert und verfolgt hat – eine Premiere in der Erinnerungskultur.

"Starkes Zeichen gegen Diskriminierung"

Der Gedenkort geht auf einen Antrag der Grünen-Fraktion im Stadtrat aus dem Jahr 2019 zurück. Thomas Brass, kulturpolitischer Sprecher der grünen Stadtratsfraktion und Mitglied der Jury zur Findung des Siegerentwurfs, betont: "Damit setzen wir ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung und für gesellschaftliche Vielfalt in Saarbrücken."

"Die Verfolgung queerer Menschen über mehr als ein Jahrhundert hinweg ist ein tiefes Unrecht, das uns verpflichtet, aktiv daran zu erinnern", so Brass weiter. "Über 123 Jahre lang wurden schwule Männer aufgrund des Paragrafen 175 StGB strafrechtlich verfolgt. Mit diesem Gedenkort schaffen wir nicht nur einen Platz der Würdigung, sondern auch ein Zeichen der Solidarität, das Mut macht, für Akzeptanz und Vielfalt einzustehen."

Mit dem "Goldenen Kitt" setzt Saarbrücken damit ein innovatives Zeichen in der deutschen Erinnerungslandschaft – ein Kunstwerk, das die Narben der Verfolgung nicht verbirgt, sondern in goldenem Licht erstrahlen lässt.


Brutaler Reizgas-Angriff in Kreuzberg: Wenn Homophobie zur nächtlichen Bedrohung wird

Ein Sonntagmorgen, der eigentlich friedlich hätte enden sollen: Ein 20-jähriger Mann verlässt gegen 6 Uhr eine Bar in der Kreuzberger Ritterstraße – und wird zum Opfer eines homophoben Angriffs. Vier Unbekannte sprühten ihm Reizgas ins Gesicht, woraufhin er zu Boden ging und die Angreifer auf ihn eintraten, wie die Berliner Polizei berichtet. Seine Begleiterin musste miterleben, wie die Täter nach homophoben Beleidigungen auf ihren Freund losgingen, bevor sie in unbekannte Richtung flüchteten.

Berlin als Brennpunkt queerfeindlicher Gewalt

Der Vorfall reiht sich ein in eine erschreckende Entwicklung: Die Zahl queerfeindlicher Straftaten in Berlin erreichte mit 588 Vorfällen im Jahr 2023 einen neuen Höchststand. Noch alarmierender: Die Zahl der Gewaltdelikte lag 2022 mit 148 Gewalttaten höher als je zuvor, 2023 mit 127 Fällen weiterhin auf einem deutlich erhöhten Niveau. Der dritte Monitoringbericht zu queerfeindlicher Gewalt, der im Dezember 2024 erschien, zeichnet ein düsteres Bild der Sicherheitslage für LGBTQ+-Menschen in der selbsternannten "Regenbogenhauptstadt".

Die geografische Verteilung der Übergriffe zeigt ein klares Muster: Ein besonders großer Teil der Fälle wird in Mitte (24,8 %), Tempelhof-Schöneberg (17,6 %) und Friedrichshain-Kreuzberg (17,4 %) angezeigt. Ausgerechnet dort, wo queeres Leben am sichtbarsten ist, lauert auch die größte Gefahr.

Deutschland: Dramatischer Anstieg bundesweit

Was in Berlin geschieht, spiegelt einen besorgniserregenden bundesweiten Trend wider. 1.765 Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung (+17,75 %) sowie 1.152 aufgrund geschlechtsbezogener Diversität (+34,89 %) wurden 2023 deutschlandweit registriert. Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht, wie das Bundeskriminalamt mitteilt.

Jeden Tag gibt es mindestens drei Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen – so die offiziellen Zahlen. Doch Expert*innen warnen: Laut Albrecht Lüter ist davon auszugehen, dass „neun von zehn Fällen in polizeilichen Statistiken gar nicht auftauchen". Die Dunkelziffer ist erschreckend hoch.

Die Täter: Männlich, gewaltbereit, oft vorbestraft

Das Profil der Täter ist eindeutig: Die polizeilich ermittelten Tatverdächtigen sind fast ausnahmslos männlich, insbesondere bei Gewaltdelikten. Das Alter der Tatverdächtigen verteilt sich auf die gesamte Altersspanne von Minderjährigen unter 18 Jahren (12,7 %) bis zu über 60-Jährigen (12,1 %), die Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren wird am stärksten auffällig (21,7 %).

Besonders beunruhigend: Zur großen Mehrheit (78,0 %) verfügt die Polizei vielmehr über Vorerkenntnisse zu den ermittelten Personen. Es handelt sich also nicht um Einzeltäter, die einmal die Kontrolle verlieren, sondern oft um Menschen mit krimineller Vergangenheit.

Staatsschutz ermittelt – Berlins Vorreiterrolle

Im aktuellen Fall von Kreuzberg hat wie üblich der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts die Ermittlungen übernommen. Berlin gilt bundesweit als Vorreiter im Umgang mit queerfeindlicher Hasskriminalität. Seit 2012 verfügt die Staatsanwaltschaft Berlin als europaweit einzige Strafverfolgungsbehörde über eine Sonderzuständigkeit für die spezialisierte, konzentrierte und opferorientierte Verfolgung homophober und transphober Hasskriminalität.

Diese konsequente Haltung führt dazu, dass spezielle Ansprechpersonen bei Polizei und Staatsanwaltschaft existieren und queerfeindliche Übergriffe gezielt publik gemacht werden. Das erklärt auch, warum aus Berlin überproportional viele Fälle gemeldet werden – nicht weil es hier gefährlicher ist, sondern weil die Sensibilität höher ist.

Wenn die Nacht zur Gefahrenzone wird

Der Angriff ereignete sich in den frühen Morgenstunden – keine Seltenheit. Mehr als die Hälfte aller Vorfälle fand zudem in den Abend- und Nachtstunden statt. Die Hälfte der erfassten queerfeindlichen Straftaten spielten sich 2023 im öffentlichen Raum (44,6 %) und ÖPNV (11,2 %) ab.

Für viele queere Menschen bedeutet das: Deswegen würden viele Transpersonen es meiden, nachts vor die Tür zu gehen. Die Angst vor Gewalt schränkt die Bewegungsfreiheit ein – ein Grundrecht, das für viele zur Verhandlungssache geworden ist.

Politische Forderungen und gesellschaftliche Verantwortung

Als LSVD+ kritisieren wir, dass das Bundesinnenministerium kein Wort zur verschärften Bedrohungslage für LSBTIQ+ verloren hat, trotz der massiv gestiegenen dokumentierten Straftaten gegen queere Menschen. Diese Ignoranz ist brandgefährlich, insbesondere im Vorfeld der kommenden CSD-Saison, mahnt der Lesben- und Schwulenverband Deutschland.

Doch es geht nicht nur um Polizeiarbeit. „Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung und/oder sexuelle Identität ist gesellschaftlich breiter verankert und geht nur zu einem kleineren Teil auf ein politisch organisiertes Spektrum zurück", stellen die Autor*innen des Monitoringberichts fest. Homophobie ist kein Randphänomen extremistischer Gruppen – sie ist in der Mitte der Gesellschaft verankert.

Der 20-Jährige aus Kreuzberg wurde ambulant behandelt. Seine körperlichen Verletzungen werden heilen. Doch die Narben solcher Übergriffe bleiben oft unsichtbar – und erinnern daran, dass Gleichberechtigung auf dem Papier noch lange nicht Sicherheit im Alltag bedeutet.


Vandalismus bei EHRC: Trans-Aktivist*innen attackieren Menschenrechts-Watchdog

In den frühen Morgenstunden des 31. Oktober 2025 attackierte die trans-geführte Aktionsgruppe BASH BACK die Zentrale der britischen Equality and Human Rights Commission (EHRC) in London mit Sachbeschädigung: Fensterscheiben wurden zertrümmert und rosafarbene Farbe versprüht. Die Gruppe beschreibt sich selbst als "trans-led direct action project focused on total transgender liberation" und reagiert damit auf die umstrittene Interim-Richtlinie der EHRC zu geschlechtergetrennten Räumen, die im April 2025 nach einem wegweisenden Urteil des britischen Supreme Courts veröffentlicht wurde. Der Vorfall wurde von PinkNews dokumentiert.

Ein Gerichtsurteil mit weitreichenden Folgen

Im April 2025 entschied der UK Supreme Court einstimmig im Fall For Women Scotland vs Scottish Ministers, dass die Begriffe "Mann", "Frau" und "Geschlecht" im Equality Act 2010 ausschließlich das biologische Geschlecht meinen und nicht das durch ein Gender Recognition Certificate (GRC) bescheinigte Geschlecht. Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf trans Personen in Großbritannien.

Die darauffolgende Interim-Richtlinie der EHRC empfahl Organisationen und Dienstleistern, trans Frauen und trans Männern den Zugang zu geschlechtergetrennten Einrichtungen wie Umkleideräumen und Toiletten zu verwehren, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Noch drastischer: In manchen Fällen könnten trans Personen auch von Räumen ausgeschlossen werden, die ihrem "biologischen Geschlecht" entsprechen, etwa wenn ein trans Mann durch seine geschlechtsangleichende Transition ein "maskulines Erscheinungsbild" entwickelt hat.

Scharfe Kritik aus der Zivilgesellschaft

Die Richtlinien wurden seit ihrer Veröffentlichung von trans, LGBTQ+ und Menschenrechtsorganisationen sowie Abgeordneten heftig kritisiert. Michael O'Flaherty, Kommissar für Menschenrechte des Europarates, warnte in einem Schreiben, dass der "Null-Summen-Ansatz" des Vereinigten Königreichs bei trans Rechten zu einem "weitreichenden Ausschluss von trans Personen aus vielen öffentlichen Räumen" führen würde.

Sechs Organisationen, darunter TransActual, Amnesty International und die Trans+ Solidarity Alliance, haben formelle Verfahren eingeleitet, um der EHRC ihren A-Status als nationale Menschenrechtsinstitution zu entziehen, und bezeichneten die Behörde als "nicht zweckdienlich".

BASH BACK: Eine Geschichte des Widerstands

BASH BACK ist keine neue Erscheinung. Dies ist nicht der erste Vandalismus-Akt der Gruppe: Im September attackierte sie das Brighton Centre vor der FiLiA-Konferenz, im August vandalisierte sie das Büro des Gesundheitsministers Wes Streeting in Ost-London. Streeting hatte die Entscheidung getroffen, Pubertätsblocker für trans Minderjährige zu verbieten.

Ein Sprecher von BASH BACK erklärte: "Trotz intensivem rechtlichem und politischem Druck beabsichtigen sie immer noch, ihre Richtlinie - die trans Personen aus allen geschlechtergetrennten Räumen ausschließt - der Regierung vorzulegen, in einem zynischen Versuch, uns aus dem öffentlichen Leben zu löschen".

Parallelen zur deutschen Debatte

Die Entwicklungen in Großbritannien werfen auch ein Schlaglicht auf die Situation in Deutschland. Während das Vereinigte Königreich mit den restriktiven EHRC-Richtlinien kämpft, hat Deutschland im April 2024 einen anderen Weg eingeschlagen: Der Bundestag verabschiedete das Selbstbestimmungsgesetz, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren anzupassen.

Dennoch bleibt auch in Deutschland die Debatte um geschlechtergetrennte Räume kontrovers. Nach dem Selbstbestimmungsgesetz muss trans Personen nach der Änderung des Geschlechtseintrags der Zugang zu geschlechtsspezifischen Einrichtungen wie Umkleideräumen oder Sanitäreinrichtungen gewährt werden. Für Ausnahmen genügt jedoch nicht allein das subjektive Angstempfinden anderer Personen, denn Vorurteile zeigen sich häufig gerade in subjektiven Ängsten. Hinsichtlich trans Personen lassen sich diese in aller Regel nicht statistisch belegen.

Ein eskalierender Kulturkampf

Die Aktion von BASH BACK ist symptomatisch für einen sich verschärfenden Kulturkampf um trans Rechte in Europa. Während trans, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen noch immer mit weit verbreiteten Vorurteilen zu kämpfen haben, die zu Diskriminierungen und Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen führen, stehen sie zugleich im Kreuzfeuer einer polarisierten öffentlichen Debatte.

Die aktuelle Debatte stigmatisiert transgeschlechtliche Menschen erneut als vermutliche sexuelle Gewalttäter, dabei erleben gerade sie vielfach und alltäglich Diskriminierung und Gewalt. Die Vandalismusakte werfen wichtige Fragen auf: Wann wird ziviler Ungehorsam zu Vandalismus? Und wie können marginalisierte Communities ihre Rechte effektiv verteidigen, wenn institutionelle Wege versperrt scheinen?

BASH BACK macht deutlich: "Wir werden nicht aufhören, bis wir frei sind". Die EHRC hat bislang keinen Kommentar zu dem Vorfall abgegeben.


NRW macht Geschichte: Erstes Flächenland führt Antidiskriminierungsgesetz für staatliche Stellen ein

Nordrhein-Westfalen setzt ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung: Das Bundesland will in der zweiten Jahreshälfte 2026 als erstes deutsches Flächenland ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft setzen, wie queer.de berichtet. Die grüne Gleichstellungsministerin Josefine Paul stellte den Gesetzentwurf vor, der queeren Menschen und anderen marginalisierten Gruppen mehr Schutz vor Diskriminierung durch Behörden bieten soll.

Schutzlücke wird geschlossen

Demnach soll es allen Landesstellen verboten sein, jemanden etwa aufgrund von antisemitischen oder rassistischen Zuschreibungen, Nationalität, Herkunft, Religion, Geschlecht, Sexualität oder Alter zu diskriminieren. Mit dem Gesetz soll eine Schutzlücke, die bisher bei Diskriminierung durch öffentliche Stellen besteht, geschlossen werden, erklärte Paul. Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umfasse nur den privatrechtlichen Bereich, unter anderem Fragen des Wohnungsmarktes oder des Arbeitsplatzes in der Privatwirtschaft.

Für die LGBTQ+-Community in Deutschland ist dies ein bedeutender Schritt. Trotz Fortschritten in Bezug auf die rechtliche Gleichstellung in den vergangenen Jahrzehnten erleben Lesben, Schwule und Bisexuelle nach wie vor Diskriminierung – ob in der Schule, im Beruf oder in anderen Lebensbereichen. Das neue Gesetz könnte künftig auch queeren Menschen helfen, die etwa bei Schulen, Hochschulen oder Finanzämtern diskriminiert werden.

Berliner Vorbild zeigt: Klagewelle blieb aus

NRW ist das erste Flächenland, das eine solche Novelle einführt. Das am 21.06.2020 in Kraft getretene Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Berlin ist bislang einmalig in der Bundesrepublik Deutschland. Die Erfahrungen aus der Hauptstadt sind ermutigend: Die ersten Erfahrungen aus Berlin zeigen: die Klageflut bleibt aus. Bei der Ombudsstelle waren nach knapp einem Jahr rund 300 Beschwerden eingegangen.

Als das Berliner Gesetz 2020 eingeführt wurde, warnten konservative Kritiker vor einer Klagewelle. Die CDU äußerte damals sogar die Befürchtung, dass sich "kriminelle Menschen erkennbar afrikanischen Ursprungs" auf das Gesetz berufen könnten, wie queer.de berichtete. Diese rassistisch gefärbten Vorbehalte haben sich als unbegründet erwiesen. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) loben Berliner Verbände und Beratungsstellen das Gesetz als „wichtige Errungenschaft".

Erleichterte Beweisführung und Unterstützung für Betroffene

Das NRW-Gesetz wird nach Aussage von Ministerin Paul eine erleichterte Beweisführung vorsehen, allerdings keine Beweislastumkehr. Betroffene, die Diskriminierung geltend machen wollen, benötigen Indizien, die nahelegen, dass es sich tatsächlich um eine Benachteiligung handelt. Eine Ombudsstelle des Landes kann Betroffene beraten, in Streitfällen vermitteln und Gutachten einholen. Zudem können die 42 Beratungsstellen der Freien Wohlfahrt für Antidiskriminierung in NRW unterstützen.

Wichtig für Behördenmitarbeiter: Der Gesetzentwurf normiere deutlich, dass Abhilfe vor eventuellen Schadensersatzansprüchen stehe, so Paul. Schadenersatzansprüche richten sich stets gegen das Land, nicht gegen einzelne Behördenmitarbeiter. Diese sollen durch Fortbildungen sensibilisiert werden.

Queere Ministerin als Vorreiterin

Josefine Paul ist seit dem 29. Juni 2022 Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Die grüne Politikerin sorgte im Sommer für Schlagzeilen, als sie die ehemalige sächsische Justizministerin und heutige Landtagsabgeordnete Katja Meier heiratete, die ebenfalls den Grünen angehört, wie queer.de berichtete. Als offen lesbische Ministerin ist Paul selbst ein sichtbares Zeichen für Vielfalt in der Landespolitik.

Bedeutung für die LGBTQ+-Community

Für queere Menschen in NRW könnte das neue Gesetz einen echten Unterschied machen. „Über 20 Prozent der Diskriminierungsfälle, die Beratungsstellen erreichen, sind auf das Handeln staatlicher Behörden zurückzuführen, darunter Bezirks-, Bürger-, Standes- und Jugendämter, BVG, Polizei und öffentliche (Hoch-)Schulen", zeigen Berliner Erfahrungen. Ob es um die Anerkennung der Geschlechtsidentität auf Behörden geht, um diskriminierende Behandlung in Schulen oder um Polizeikontakte – das LADG schafft erstmals klare Rechtsansprüche.

Der Entwurf wird nun zunächst von Verbänden beraten. Das im schwarz-grünen Koalitionsvertrag verankerte Gesetzesvorhaben zeigt, dass auch eine CDU-geführte Landesregierung – Ministerpräsident ist Hendrik Wüst (CDU) – bereit ist, beim Diskriminierungsschutz voranzugehen. Ein ermutigendes Signal in Zeiten, in denen LGBTQ+-Rechte zunehmend unter Druck geraten.

Es liege auf der Hand, dass es angesichts zunehmender Diskriminierungserfahrungen bundes- wie landesweit weiteren Handlungsbedarf gebe, betonte Ministerin Paul. Mit dem LADG geht NRW diesen wichtigen Schritt – und könnte damit Vorbild für andere Bundesländer werden.


Evaluation des SBGG: Wenn Vorurteile die Bewertung prägen

Pünktlich zum ersten Geburtstag des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) flatterte sie ins Haus: die Ausschreibung für dessen Evaluierung. Veröffentlicht aus dem Hause von Familienministerin Karin Prien (CDU), kam die Ausschreibung rechtzeitig zum einjährigen Geburtstag des SBGG, dessen Endbericht im Sommer 2029 vorgelegt werden soll – berichtet queer.de. Doch bereits jetzt zeigt sich: Die Bewertung des historischen Gesetzes ist von Beginn an von konservativen Vorurteilen überschattet.

Von der Abschaffung zur Evaluierung: Ein politisches Täuschungsmanöver

Eines der wichtigsten Punkte im letzten Wahlprogramm der CDU war die vollmundige und rechtspopulistische Forderung nach Abschaffung des SBGG. In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD wurde daraus eine vorgezogene Evaluierung. Viel Lärm um nichts, könnte man meinen – eine umfassende Bewertung des SBGG hätte es ohnehin gegeben, denn die hatte bereits die Ampelregierung für spätestens 2029 im Gesetz festgeschrieben.

Dennoch bleibt eine beunruhigende Schieflage. Der politische Diskurs hat sich als gefährliche Realitätsverweigerung der Union in Sachen trans, inter und nichtbinär erwiesen – als gefährliche Verdrehung der Wirklichkeit, gespeist aus Vorurteilen, Misstrauen und Unterstellungen.

Ein Gesetz, das funktioniert – trotz gegenteiliger Behauptungen

Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Im ersten Jahr haben über 22.000 trans, inter und nichtbinäre Menschen das Selbstbestimmungsgesetz genutzt. Deutschlandweit wurden im Jahr 2024 insgesamt 10.589 Änderungen des Geschlechtseintrags im Geburtenregister übermittelt. Von Januar bis Oktober 2024 galt noch das Transsexuellengesetz und es wurden nur 596 Fälle gemeldet. Mit Inkrafttreten des SBGG stieg die Zahl im November 2024 auf 7.057 Fälle an.

Das Gesetz funktioniert – die Erfahrungsberichte von Personen zeigen, dass die Umsetzung in weiten Teilen unbürokratisch, respektvoll und verlässlich verläuft, wie der Deutsche Frauenrat betont.

Die konstruierte Gefahr: Trans Menschen als vermeintliches Risiko

In der Debatte wird ständig vom Schutz der Kinder und Frauen gesprochen, als ob diese vom SBGG bedroht würden. Doch diese Argumentation kehrt die reale Bedrohungslage um: In Deutschland berichteten 65 Prozent der trans Frauen von Diskriminierung in den letzten zwölf Monaten, dokumentiert die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Trans, inter und nichtbinäre Menschen sind Hass und Gewalt ausgeliefert – mit steigender Tendenz.

Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre, bestätigt das Bundesinnenministerium. Nicht trans Menschen sind eine Gefahr für die Gesellschaft – sondern die Gesellschaft stellt eine reale Bedrohung für trans Menschen dar.

Frauenverbände: Klare Unterstützung statt konstruierter Konflikte

Frauenverbände haben kein Problem mit dem SBGG – ihnen muss man nicht erklären, wo die wahren Probleme in Sachen Frauen- und Kinderschutz liegen. Der Deutsche Frauenrat hat das Selbstbestimmungsgesetz immer unterstützt und öffentlich dafür geworben – es ist ein historischer Schritt hin zu mehr Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt, erklärt Deutschlands größter Frauenverband.

Frauenverbände wie der Deutsche Frauenrat, die evangelischen Frauen und die Frauenhauskoordinierung haben deutlich gemacht, dass auch trans Frauen Anspruch auf Schutz vor Gewalt haben, betont das Institut für Menschenrechte.

Eine Evaluation mit eingebautem Diskriminierungspotenzial

Die Ausschreibung offenbart problematische Schwerpunkte: Bis zum 31. Juli 2026 soll evaluiert werden, mit Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche sowie den wirksamen Schutz von Frauen. Diese Schwerpunktsetzung orientiert sich stark an der gesellschaftlich polarisierten Debatte, in der das Selbstbestimmungsgesetz fälschlicherweise als Risiko für Frauen oder Kinder dargestellt wurde, kritisiert der Bundesverband Trans*.

Eine Evaluation muss sich jedoch an den Menschenrechten und Grundfreiheiten orientieren, die dem Gesetz zugrunde liegen, wie auch im Gesetz selbst als Ziel festgelegt. Stattdessen wird die Validität der Geschlechtsidentität von trans Menschen weiterhin als verhandelbar angesehen – der geänderte Personenstand ist offenbar nur zweitklassig und kann beispielsweise durch Vertrags- und Hausrecht oder im Verteidigungsfall einfach ignoriert werden.

Geheimes Rechtsgutachten und intransparenter Prozess

Besorgniserregend ist auch, was nebenbei bekannt wurde: Das Familienministerium hat ein „spezifisches Rechtsgutachten" zum SBGG in Auftrag gegeben, und zwar zu den Aspekten Minderjährigenschutz und Frauenschutzräume. Wer damit beauftragt wurde und welche Ergebnisse vorliegen, bleibt im Dunkeln. Die Community fragt zu Recht: Geht es darum, politische Vorurteile bestätigt zu bekommen?

Auch die Beteiligung der Community am Evaluationsprozess bleibt vage. Ersichtlich ist lediglich, dass im dritten Quartal 2026 das Forschungsdesign vorgestellt werden soll – geforscht wird bis dahin hinter verschlossenen Türen.

Internationale Erfahrungen werden ignoriert

In keinem der 16 Länder weltweit, die seit 2012 Selbstbestimmungsgesetze umgesetzt haben, ist es zu entsprechenden systematischen Problemen gekommen, stellt der Deutsche Frauenrat fest. Die Erfahrungen anderer Länder wie Dänemark, Portugal und der Schweiz zeigen: Kein Fall einer Änderung des Geschlechtseintrags aus betrügerischen oder kriminellen Absichten ist bekannt geworden.

Diese empirischen Belege werden im deutschen Diskurs systematisch ausgeblendet – zugunsten konstruierter Bedrohungsszenarien, die jeder faktischen Grundlage entbehren.

Was jetzt nötig wäre

LSVD+ und der Bundesverband Trans* haben es in ihrem gemeinsamen Offenen Brief klar benannt: Das SBGG ist ein wichtiger Fortschritt, aber nicht das Ende der Arbeit für echte Selbstbestimmung. Das Gesetz ist verbesserungsbedürftig – man muss nur den Anteil an Vorurteilen und Misstrauen gegen trans, inter und nichtbinäre Menschen herausstreichen.

Eine seriöse Evaluation müsste untersuchen, wo das Gesetz echte Selbstbestimmung noch einschränkt: Die Ausschlüsse für Menschen ohne deutschen Pass, die Hürden für Minderjährige, die Sonderregelungen im Verteidigungsfall. Sie müsste erforschen, wie der Diskriminierungsschutz für trans Menschen verbessert werden kann. Und sie müsste anerkennen, was die Realität ist: Das Selbstbestimmungsgesetz hat einen diskriminierenden Zustand beendet und erstmals gesetzlich verankert, dass jeder Mensch über den eigenen Geschlechtseintrag nur selbst bestimmen kann. Es stärkt damit nicht nur trans, inter und nichtbinäre Menschen – es stärkt uns alle.

Statt dessen droht eine Evaluation, die von Anfang an mit falschen Fragen operiert und die wahren Probleme – Diskriminierung, Gewalt und mangelnde Akzeptanz gegenüber trans Menschen – ausblendet. Die Community bleibt wachsam. Die Bewerbungsfrist für die Evaluation endet am 24. November 2025. Bis dahin und darüber hinaus gilt es, für eine menschenrechtsbasierte Bewertung dieses historischen Gesetzes zu kämpfen.


"Als ob trans sein eine Beleidigung wäre": Hailey Bieber kontert Trolle mit starker Botschaft

Model und Unternehmerin Hailey Bieber hat mit einer bemerkenswerten Reaktion auf transfeindliche Online-Trolle für Begeisterung in der LGBTQ+-Community gesorgt. Die 28-jährige Frau von Popstar Justin Bieber erklärte in einem Podcast, dass Menschen versuchen würden, "gemein zu sein" und sagen: "Sie sieht trans aus." Darauf antwortete sie: "Warum denkt ihr, dass das eine Beleidigung ist? Als ob trans sein eine Beleidigung wäre?" Der Originallink zur Meldung findet sich bei PinkNews.

Klare Haltung im Podcast mit Owen Thiele

Das Model und die Geschäftsfrau trat Ende letzter Woche im Podcast "In Your Dreams" mit Owen Thiele auf, als ein kleines Kleidungsmissgeschick die beiden Freunde dazu brachte, über die Kritik zu sprechen, der Bieber manchmal wegen ihres Aussehens ausgesetzt ist. Bieber erklärte: "Wenn Leute versuchen, gemein zu sein, sagen sie: 'Sie sieht trans aus', und ich denke mir: 'Warum denkst du, dass das eine Beleidigung ist? Einige der schönsten Frauen und Männer der Welt sind trans, also nehme ich das überhaupt nicht als Beleidigung auf.'"

Ihre Äußerungen wurden online weithin gefeiert, wobei Fans sie dafür lobten, mit Anmut und Empathie auf Hass zu reagieren. Ein YouTube-Kommentator nannte es "Königinnen-Verhalten", während ein anderer sie dafür lobte, "Leute zu durchschauen, die 'trans' als Beleidigung benutzen."

Das gefährliche Phänomen des "Transvestigating"

"Transvestigating" bedeutet zu "untersuchen", ob eine cisgender Berühmtheit heimlich transgender ist, indem man ihre körperlichen Merkmale, Körpersprache und Pseudowissenschaften wie Phrenologie und Physiognomie betrachtet. Es ist in den letzten Jahren zunehmend populär geworden, da trans-ausschließender radikaler Feminismus und Anti-Trans-Hexenjagden zunehmen. Dieses Phänomen betrifft nicht nur Hailey Bieber – auch der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron reichten im Sommer eine Verleumdungsklage gegen die rechtsgerichtete Kommentatorin Candace Owens ein, nachdem diese angeblich Gerüchte verbreitet hatte, die First Lady sei transgender.

Transfeindlichkeit in Deutschland: Ein alarmierendes Problem

Biebers klare Haltung ist besonders relevant für die Situation in Deutschland, wo Transfeindlichkeit ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem darstellt. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 sind 37 % der Befragten in Deutschland transfeindlich – eine alarmierend hohe Zahl. In den vergangenen Jahren lässt sich eine deutliche Zunahme von Trans- und Queerfeindlichkeit in Mitteldeutschland und weltweit beobachten. Ob in den Parlamenten, auf der Straße oder im gesellschaftlichen Diskurs – der Wind gegen trans Personen und Queers ist rauer geworden.

2021 registrierte das Bundeskriminalamt in seiner Statistik zu Politisch motivierter Kriminalität 1.210 Fälle von Hassverbrechen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung. 2020 waren es noch 782 - ein Anstieg um knapp 54 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig öffentliche Statements wie das von Hailey Bieber sind.

Engagement für LGBTQ+-Rechte

Biebers Statement kommt nicht aus dem Nichts. Im Jahr 2023 schloss sie sich anderen Berühmtheiten und LGBTQ+-Verbündeten an, um einen offenen Brief an Meta-CEO Mark Zuckerberg zu unterzeichnen, in dem sie zu stärkeren Maßnahmen gegen Anti-Trans-Rhetorik auf Social-Media-Plattformen aufrief. Ihr aktuelles Statement könnte in der Tradition anderer mutiger Promi-Reaktionen stehen: Bereits 2009 wurde Lady Gaga mit Gerüchten konfrontiert, sie habe einen Penis. Als sie vom Journalisten Anderson Cooper gefragt wurde, ob das wahr sei, antwortete sie: "Vielleicht habe ich einen. Wäre das so schrecklich? Warum zum Teufel sollte ich meine Zeit damit verschwenden, eine Pressemitteilung darüber abzugeben, ob ich einen Penis habe oder nicht?"

Vorbilder in Deutschland und weltweit

Es gibt zahlreiche erfolgreiche trans Personen im deutschsprachigen Raum, die als Vorbilder dienen. Dazu gehören etwa Felicia Ewert, Model, Speakerin und Aktivistin, sowie Kim Petras, die als Sängerin international erfolgreich ist, und Balian Buschbaum, der ehemalige Stabhochspringer.

Trans Personen gehen üblicherweise aus den LSBT-Zielgruppen gewidmeten Studien als die vulnerabelste und am meisten diskriminierte Gruppe hervor. Umso wichtiger sind Statements wie das von Hailey Bieber, die zeigen, dass trans zu sein nichts ist, wofür man sich schämen muss – sondern etwas, das gefeiert werden sollte.

Ein Zeichen der Solidarität

Bieber hat bewiesen, wie einfach es ist, ein Verbündeter zu sein. Ihre Worte senden eine kraftvolle Botschaft an trans Menschen weltweit: Ihr seid schön, ihr seid wertvoll, und eure Identität ist keine Beleidigung. In einer Zeit, in der die feindliche Stimmung von rechten bis rechtsextremen, bürgerlich-konservativen, religiösen und teils sogar von "feministischen" Milieus getragen und befeuert wird, sind solche Statements von Personen des öffentlichen Lebens wichtiger denn je.

Die Reaktionen auf Social Media zeigen, dass Biebers Botschaft angekommen ist. Viele User*innen feiern ihre Antwort als "ikonisch" und fordern mehr dieser Energie in der öffentlichen Diskussion. Denn am Ende geht es darum, eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität – respektvoll und gleichberechtigt behandelt werden.


Wie HIV-positive Menschen von Sport profitieren können – Bewegung als Schlüssel zu mehr Lebensqualität

Sport ist mehr als nur Muskelaufbau und Fitness – er ist ein kraftvolles Werkzeug für Gesundheit und Wohlbefinden. Dies gilt besonders für Menschen mit HIV. Ein aktueller Beitrag auf queer.de zeigt eindrücklich, wie regelmäßige Bewegung nicht nur das Immunsystem stärkt, sondern auch die Langzeit-Lebensqualität von HIV-positiven Menschen erheblich verbessern kann.

Warum Sport für Menschen mit HIV besonders wichtig ist

Menschen mit HIV können durch regelmäßige Bewegung das Immunsystem stärken und ihre Lebensqualität verbessern. Das ist keine bloße Behauptung, sondern wissenschaftlich belegt. Studien zeigen, dass Sport das Immunsystem HIV-positiver Menschen stärken kann und körperliches Training bei HIV-positiven Menschen eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem haben kann.

Doch warum ist das so entscheidend? Eine antiretrovirale Therapie kann etwa in einigen Fällen zu einer Gewichtszunahme führen und auch Veränderungen des Stoffwechsels, wie beispielsweise erhöhte Blutfettwerte, können als Langzeitfolgen einer HIV-Therapie auftreten. Auch Langzeitnebenwirkungen wie Stoffwechselstörungen wie ein Diabetes mellitus oder hohe Blutfettwerte können nach Monaten oder Jahren auftreten, und auch die Nierenleistung und der Knochenaufbau können beeinträchtigt werden.

Sport als natürlicher Schutz vor Begleiterkrankungen

Hier kommt Bewegung ins Spiel: Mit einer gesunden und aktiven Lebensweise lässt sich präventiv das Risiko für Begleiterkrankungen senken und gleichzeitig auch möglichen körperlichen Veränderungen, die durch die HIV-Therapie auftreten können, entgegenwirken. Besonders Ausdauersportarten wie Joggen, Schwimmen und Radfahren sind ideal, um den Körper fit zu halten und das Herz-Kreislauf-System zu stärken.

Auch in Deutschland kennt man dieses Phänomen: Sport kann HIV nicht heilen, aber er verbessert vieles, denn Sport hat eine allgemein positive Wirkung auf das Immunsystem, und die Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten wie Grippe lässt sich durch die Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte steigern. Eine Studie der Universitätsklinik Bonn unter Leitung von Dr. Jan-Christian Wasmuth zeigt, dass sich Sport und HIV nicht ausschließen, sondern im Gegenteil auch Infizierte vom Sport profitieren, wobei die Wissenschaftler eine Gruppe von 21 HIV-positiven Frauen und Männern untersuchten, die sich auf einen Marathon vorbereiteten.

Wie Sport das Immunsystem auf zellulärer Ebene stärkt

Die Mechanismen sind faszinierend: Sportliche Aktivität bei mittlerer Intensität kann das Immunsystem stärken – und das in jedem Alter, wie Forscher*innen herausfanden, denn regelmäßiges Training senkt Entzündungen im Körper, unterstützt den Abbau von Wassereinlagerungen, reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen und verbessert den Schlaf, und außerdem führt regelmäßige Bewegung zu einer besseren Zusammensetzung von „älteren" und „jüngeren" Immunzellen und zu einer besseren Immunantwort des Körpers.

Der kontrahierende Muskel produziert hormonartige Botenstoffe, die immunregulatorisch wirken und ein aktiviertes Immunsystem antientzündlich beeinflussen, wodurch die Immunfunktion gegen Bakterien und Viren gestärkt wird. Das ist besonders für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie HIV von großer Bedeutung.

Das richtige Maß finden – Übertraining vermeiden

Doch Vorsicht: Zu viel des Guten kann kontraproduktiv sein. Das Immunsystem kann bei einer Überanstrengung des eigenen Körpers durch zu intensives oder übertriebenes Training auch geschwächt werden, und es ist ratsam, zunächst den/die Schwerpunktärzt*in zu konsultieren, bevor es voll an die eigenen körperlichen Grenzen geht.

Moderat-intensive körperliche Aktivität führt zu einer Stärkung des Immunsystems mit konsekutiv verminderter Infektanfälligkeit sowie eher anti-inflammatorischen Effekten, wohingegen langandauernde und höher intensive Belastungen zu einer Schwächung der Abwehrfunktion sowie einem pro-inflammatorischen Effekt führen.

Krafttraining für gesunde Knochen und Muskeln

Neben Ausdauersport ist auch Krafttraining wichtig. Manche HIV-Medikamente können den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen, und mit Anfang 30 beginnt der natürliche Muskelabbau im Körper. Kraftsport mit Hanteln, Widerstandsbändern oder dem eigenen Körpergewicht hilft, diesem Prozess entgegenzuwirken und schützt vor altersbedingtem Knochenabbau.

Wichtig dabei: Für Muskelaufbau und -erhalt ist eine ausreichende Proteinzufuhr entscheidend – etwa 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht täglich. Wer zu Proteinpulvern greift, sollte jedoch vorsichtig sein: Viele dieser Präparate enthalten hoch dosierte Mineralstoffe wie Eisen, Kalzium und Magnesium, die unter Umständen die Wirkung von HIV-Medikamenten beeinflussen können, und deswegen nimmt man sie am besten nur in Absprache mit der/dem Schwerpunktärzt*in ein.

Sport als Teil der Therapiestrategie

Wenn ausreichend Bewegung und eine HIV-Therapie, die möglichst wenig Einfluss auf den Körper hat, Hand in Hand gehen, kann das nicht nur Begleiterkrankungen vorbeugen und die eigene Gesundheit langfristig erhalten, sondern auch eine hohe Langzeit-Lebensqualität sicherstellen. Es lohnt sich daher, gemeinsam mit dem/der HIV-Schwerpunktärzt*in auch einen Blick auf die aktuelle HIV-Therapie zu werfen, um eine Behandlung zu wählen, die möglichst wenig Einfluss auf Stoffwechsel und Organfunktionen hat.

In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche Sportgruppen speziell für Menschen mit HIV. In der Laufgruppe der Berliner Aids-Hilfe wird für den Marathon trainiert, und in gut vier Stunden schaffte ein HIV-positiver Läufer kürzlich souverän die Strecke von gut 42 Kilometern. Solche Initiativen zeigen eindrücklich: Bewegung tut auch diesen Menschen gut und verbessert eindeutig die Lebensqualität der Infizierten, denn dank moderner antiretroviraler Therapien führen HIV-Patienten ein nahezu normales Leben.

Praktische Empfehlungen für den Einstieg

Wer als HIV-positiver Mensch mit Sport beginnen möchte, sollte folgende Punkte beachten:

  • Beginnen Sie mit moderatem Training – etwa 150 Minuten pro Woche bei mittlerer Intensität
  • Kombinieren Sie Ausdauer- und Krafttraining für optimale Ergebnisse
  • Sprechen Sie vorab mit Ihrem/r HIV-Schwerpunktärzt*in über Ihr Trainingsvorhaben
  • Achten Sie auf ausreichende Regenerationsphasen zwischen den Trainingseinheiten
  • Seien Sie vorsichtig bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und besprechen Sie diese mit Ihrem Arzt
  • Hören Sie auf Ihren Körper und überfordern Sie sich nicht

Generell gilt: Alles, was dein Immunsystem stärker macht, unterstützt dich auch in deinem Leben mit HIV und der Therapie, und die Möglichkeiten, sich fit zu halten, basieren vor allem auf drei grundlegenden Bausteinen: ausreichend Schlaf, regelmäßige Bewegung – zum Beispiel in Form von Spaziergängen oder Sport – und einer ausgewogenen, gesunden Ernährung.

Sport ist damit weit mehr als ein Hobby – er ist ein wichtiger Baustein für ein gesundes, erfülltes Leben mit HIV. Wer sich regelmäßig bewegt, investiert in seine Gesundheit und kann so aktiv zu einer hohen Lebensqualität über viele Jahre hinweg beitragen.


Das Ende einer Ära: SchwuZ schließt nach 48 Jahren – Ein Verlust für die queere Geschichte Berlins

Die Lichter gehen aus in einem der bedeutendsten queeren Clubs Europas. Unter dem Motto „The Last Cheers, Queers!" fand am Freitagabend im Berliner Kultclub SchwuZ die letzte Party statt – nach 48 Jahren voller Aktivismus, Utopie und unzähliger Nächte verabschiedet sich die Institution in Rosa, nicht in Schwarz. Wie queer.de berichtet, ist damit ein Kapitel queerer Geschichte zu Ende gegangen, das weit über die Grenzen Berlins hinaus Bedeutung hatte.

Von der Schwulenbewegung zur queeren Institution

Das SchwuZ wurde 1977 aus der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW) heraus gegründet und wurde zum ersten alternativen Schwulenclub West-Berlins. Im Unterschied zur umfangreichen, teils elitären Schwulenszene Berlins vor 1977 versteckte sich das neugegründete Zentrum nicht und war allen Interessierten frei zugänglich. Motto der Anfangszeit war „Raus aus den Klappen, rein in die Straße" aus Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt", der den Anstoß für die Gründung des SchwuZ gab.

Das Schwuz, eine Abkürzung für Schwulenzentrum, wurde 1977 gegründet. Zunächst befand es sich in einer Fabriketage in der Kulmer Straße in Schöneberg, später zog der Club an die Hasenheide in Kreuzberg, dann weiter an den Mehringdamm. Seit 2013 befindet sich das Schwuz in der ehemaligen Kindl-Brauerei im Rollbergkiez in Neukölln. Das Schwuz gilt als einer der ältesten und größten queeren Clubs Europas.

Mehr als nur ein Club: Ein kulturelles Erbe

Viele queere Projekte, wie die Schwulenberatung, der erste Berliner CSD oder das Stadtmagazin Siegessäule fanden im SchwuZ ihren Anfang. Der Club war damit nicht nur ein Ort zum Feiern, sondern ein Kristallisationspunkt queerer Emanzipation und politischen Aktivismus. Das SchwuZ ist damit nicht einfach nur ein Club, sondern ein wesentlicher Bestandteil queerer Geschichte.

In persönlichen Kommentaren auf Instagram wird deutlich, was der Club für Generationen bedeutete: „Es war für mich ein sehr wichtiger Ort, um das erste Mal auf der Tanzfläche ungeniert mit Frauen zu knutschen", „Das SchwuZ war der erste Ort, an dem mein Gewicht keine Rolle gespielt hat", oder „Ich habe meinen Mann bei euch vor 11 Jahren kennengelernt" – solche Geschichten verdeutlichen die immense Bedeutung des Clubs als Schutzraum.

Das „Clubsterben" als gesamtstädtisches Phänomen

Katja Jaeger, SchwuZ's director, attributed the financial woes to a sharp decline in attendance and spending. Rising living costs and shifting nightlife habits have left Berliners partying less and spending more cautiously. Die finanziellen Schwierigkeiten wurden erst im Mai vollständig deutlich, nachdem bekannt wurde, dass der Club monatlich zwischen 30.000 und 60.000 Euro Verlust machte. Dies führte dazu, dass 33 Mitarbeiter entlassen werden mussten, von denen einige jahrelang im SchwuZ gearbeitet hatten.

Das SchwuZ ist Teil eines breiteren Trends. Ikonische Locations wie Griessmuehle, Remise und Watergate haben in den letzten Jahren ebenfalls geschlossen. Ende 2024 warnte die Berliner Clubcommission, dass fast die Hälfte ihrer Mitgliedsclubs eine Schließung innerhalb eines Jahres in Erwägung ziehen. The Berliner berichtet, dass dieses „Clubsterben" die gesamte Berliner Nachtlebensszene erfasst hat.

Politische Kontroverse: Grüne kritisieren den Senat

Die Schließung des SchwuZ hat auch eine politische Debatte entfacht. „Mit dem SchwuZ verliert Berlin mehr als nur einen Club, wir verlieren ein Stück queere Geschichte, einen sicheren Ort, ein Zuhause für Generationen", so der Grünen-Fraktionschef Werner Graf. Der Senat von Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) habe „auf ganzer Linie versagt" und nur zugesehen, statt zu unterstützen.

Graf kritisierte scharf: „Mit dem Senat von Kai Wegner wird Berlin jeden Tag ein Stück grauer. Diese Politik, die queere Projekte in Schulen kürzt und queere Clubs sterben lässt, ist Gift für unsere Stadt. Lieber Kai Wegner, einmal im Jahr vom CSD-Wagen zu winken ist keine queere Politik, sondern Show." Graf forderte eine dauerhafte Strukturförderung für queere Orte und Clubkultur in Berlin und betonte: „Berlin ist die Stadt der Freiheit und der Vielfalt, es liegt am Senat dafür zu sorgen, dass dies auch so bleibt."

Die Bedeutung von queeren Schutzräumen heute

Mit dem SchwuZ verliert die LGBTQIA+-Community einen wichtigen Safer Space, den sie im aktuellen politischen Klima eigentlich gut gebrauchen könnte. In aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl liegt die queerfeindliche AfD bei 25 Prozent auf dem zweiten Platz. Wenn wir queeren Menschen also eines nicht brauchen, dann sind es weniger Safer Spaces.

Die Frage nach der Zukunft solcher Orte stellt sich auch für andere Städte in Deutschland. Große Homo-Szenen mit einer Menge Lokalitäten befinden sich fast nur noch in Köln und Berlin. Das Sterben queerer Clubs ist dabei nicht nur ein Berliner, sondern ein gesamtdeutsches Phänomen, das die Frage aufwirft: Wie sichern wir diese wichtigen Schutzräume für künftige Generationen?

Ein Hoffnungsschimmer?

Ganz aufgeben will der Verein noch nicht. „Unabhängig vom Scheitern der Verhandlungen wollen wir ausloten, ob sich der Grundstein legen lässt, damit „unser Schwuz" eine weitere Zukunft in der Berliner Club- und Kulturlandschaft haben kann", heißt es in einer Mail an die Vereinsmitglieder. Eine Spendenkampagne brachte über 50.000 Euro zusammen. Der Verein kündigte an, „mit dem Geld einen Neuanfang zu versuchen" oder falls dies nicht gelingen sollte, „mit den Spenden verschiedene queere Projekte in Berlin zu unterstützen."

Die letzte Party im SchwuZ war mehr als nur ein Abschied – sie war ein Zeichen dafür, dass die queere Community nicht aufgibt. Das SchwuZ hat die Aidskrise, den Mauerfall, die Corona-Pandemie und vieles mehr überlebt. Nun ist Schluss. Doch die Geschichte, die hier geschrieben wurde, die Kämpfe, die hier ausgefochten wurden, und die Liebe, die hier gefeiert wurde, bleiben unvergessen – als mahnendes Beispiel dafür, wie fragil queere Räume sind und wie wichtig es ist, für ihren Erhalt zu kämpfen.


"Teetasse statt Toleranz": Florida-Mann demoliert Pride-Flagge in Starbucks – Was uns das über den Zustand der LGBTQ+-Rechte verrät

Es ist eine Szene, die symptomatisch für unsere Zeit ist: Ein 31-jähriger Mann betritt am 22. Oktober ein Starbucks in St. Petersburg, Florida, verlangt mit dem Manager zu sprechen und fordert, die dort ausgehängte Pride-Flagge durch eine amerikanische Flagge zu ersetzen. Als Tucker Alden Kemp aus Clearwater am Morgen das Café betrat, nahm er Anstoß an der Pride-Flagge und bestand darauf, dass diese beleidigend sei und durch eine amerikanische Flagge ersetzt werden müsse. Als der Manager Kemp mitteilte, dass es zur Geschäftspolitik gehöre, die Pride-Flagge zu zeigen, überschoss Kemp angeblich Tee über die Flagge, riss sie von der Wand und warf sie in einen Mülleimer. Der Vorfall, über den ursprünglich Pink News berichtete, verursachte Schäden in Höhe von rund 210 US-Dollar.

Wenn Symbole zum Schlachtfeld werden

Die Gewalttat gegen eine Regenbogenflagge mag auf den ersten Blick banal erscheinen – ein beschädigtes Stück Stoff, ein paar hundert Dollar Sachschaden. Doch die symbolische Dimension ist immens. Laut Festnahmeprotokoll beharrte Kemp auf seinem Standpunkt und betonte, dass die Pride-Flagge „beleidigend" sei, und sagte dem Filialleiter, sie solle durch eine amerikanische Flagge ersetzt werden. Hier zeigt sich ein fundamentaler Konflikt: die Vorstellung, dass LGBTQ+-Identitäten und amerikanische Werte einander ausschließen würden – eine Idee, die von rechten Politikern systematisch geschürt wird.

Kemp wurde wegen Sachbeschädigung, eines Vergehens, angeklagt und verursachte etwa 210 Dollar Schaden an der Wand und der Flagge. Er wurde ins Pinellas County Jail gebracht, wo er laut Akten etwa sechs Stunden verbrachte, bevor er gegen eine Kaution von 500 Dollar freigelassen wurde. Laut Nachrichtenquellen ist Kemp registrierter Republikaner, verheiratet, hat eine Tochter und arbeitet als Vertriebsleiter bei Dignity Memorial, einer Bestattungshauskette in Tampa Bay.

Florida: Epizentrum des anti-LGBTQ+-Kulturkampfs

Der Vorfall ereignete sich nicht zufällig in Florida. Unter Gouverneur Ron DeSantis hat sich der Sunshine State zu einem Brennpunkt anti-LGBTQ+-Politik entwickelt. Florida erlässt in diesem Jahr rekordverdächtige sechs ausdrücklich anti-LGBTQ+-Gesetze – mehr als in den letzten sieben Jahren zusammen. Die Gesetzgebung umfasst drastische Einschränkungen: Heute unterzeichnete Gouverneur DeSantis HB 1069, das Lehrkräfte zum Schweigen bringt, indem es jeglichen Unterricht über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von der Vorschule bis zur 8. Klasse verbietet, SB 254, ein extremes Verbot geschlechtsangleichender Versorgung, und HB 1521, ein Anti-Trans-Toilettengesetz.

Diese Politik hat reale Konsequenzen für die Sicherheit von LGBTQ+-Menschen. Das Florida Department of Transportation entfernte in den vergangenen Monaten mehrere Regenbogen-Zebrastreifen in Miami Beach, Fort Lauderdale, Boynton Beach und Key West unter dem Vorwand, sie würden "soziale, politische oder ideologische Botschaften" darstellen. Besonders perfide: Selbst ein Zebrastreifen, der den Opfern des Pulse-Massakers 2016 gewidmet war, wurde von staatlichen Behörden entfernt. Mit „Don't Say Gay" inspirierte DeSantis und die Legislative Floridas ähnliche Gesetze im ganzen Land – mehr als ein Dutzend Bundesstaaten führten ihre eigenen Nachahmerversionen ein, noch bevor das Florida-Gesetz überhaupt in Kraft getreten war.

Erschreckende Statistiken: Die Gewalt nimmt zu

Der Fall in St. Petersburg ist kein Einzelfall, sondern Teil eines besorgniserregenden Trends. Zwischen dem 1. Mai 2024 und dem 1. Mai 2025 verzeichnete das ALERT Desk von GLAAD 932 anti-LGBTQ-Vorfälle in 49 US-Bundesstaaten und dem District of Columbia – das entspricht 2,5 Vorfällen pro Tag. Gewalttätige Angriffe, die in die diesjährige Zählung einflossen, führten zu 84 Verletzungen und 10 Todesfällen.

Forschungsergebnisse zeigen, dass LGBTQ-Menschen 106,4 Viktimisierungen pro 1.000 Personen erlebten, verglichen mit 21,1 Viktimisierungen pro 1.000 Personen bei Nicht-LGBTQ-Menschen. Darüber hinaus waren LGBTQ-Menschen neunmal häufiger von gewalttätigen Hassverbrechen betroffen als Nicht-LGBTQ-Menschen. Im Jahr 2024 verfolgte das FBI 2.413 anti-LGBTQ-Hassverbrechen mit Einzelmotiv in den USA, darunter 1.950 Vorfälle, die auf die sexuelle Orientierung der Opfer abzielten, und 463, die auf ihre Geschlechtsidentität abzielten.

Deutschland: Parallelen und eigene Herausforderungen

Die Entwicklungen in Florida mögen weit entfernt erscheinen, doch auch in Deutschland nehmen queerfeindliche Angriffe dramatisch zu. Während Deutschlands LGBTQ+-Bevölkerung in fünf Jahren um etwa 50 Prozent wuchs, stiegen die Hassverbrechen allein in einem Jahr um 50 Prozent. Seit 2013, als nur 50 Angriffe registriert wurden, beträgt der Anstieg fast das 30-fache. Laut aktuellem Bericht des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamts ist die Zahl der Straftaten gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen im Jahr 2023 in Deutschland um etwa 30 Prozent gestiegen.

Auch hierzulande werden Regenbogenflaggen zum Ziel von Hass. Das Symbol vieler queerer Menschen – die Regenbogenflagge – wird zudem immer wieder gestohlen, mancherorts verbrannt oder gar als „Wischmopp" missbraucht. In Neubrandenburg führte der Streit um die Fahne zum Rücktritt des Oberbürgermeisters, nachdem sie fünfmal gestohlen wurde. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss im Oktober 2024 trotzdem, die Regenbogenflagge gänzlich abzuhängen – zu oft sei sie gestohlen worden.

Besonders beunruhigend: CSDs und Feste für Vielfalt werden immer öfter Ziel von Drohungen und Gewalt. In Bad Freienwalde in Brandenburg hatte eine Gruppe Vermummter ein Fest für Vielfalt gestürmt und zwei Männer verletzt, einem wurde die Augenhöhle gebrochen. Selbst im Bundestag tobt ein Streit um Regenbogenflaggen in Abgeordnetenbüros.

Was bedeutet das für uns?

Der Mann, der in einem Starbucks in Florida eine Pride-Flagge heruntergerissen hat, ist mehr als ein wütender Einzeltäter. Er ist das Produkt eines politischen Klimas, das LGBTQ+-Menschen systematisch entmenschlicht und ihre bloße Existenz als "Ideologie" brandmarkt. „Die Einschränkung des Bürgerrechtsschutzes für LGBTQ-Menschen in den Vereinigten Staaten durch die Trump-Administration und die eskalierenden anti-LGBTQ- und insbesondere anti-trans-Aktionen und Rhetorik setzen LGBTQ-Menschen einem erhöhten Risiko für Viktimisierung und Hassverbrechen aus", sagte Hauptautor Ilan Meyer.

Die Parallelen zwischen den USA und Deutschland sind unübersehbar. In beiden Ländern werden rechtliche Fortschritte von einer Welle der Gewalt begleitet. Deutschland klettert auf der Rainbow Map 2025 auf Platz 8 von 49 Ländern. Deutschland 2025 ist rechtlich weiter als je zuvor, mit neuen Gesetzen, politischen Maßnahmen und wachsender Sichtbarkeit. Gleichzeitig steigen die gemeldeten queerfeindlichen Straftaten, und viele Betroffene berichten von Unsicherheit im Alltag.

Die zentrale Frage bleibt: Wie schaffen wir es, aus rechtlicher Gleichstellung auch reale Sicherheit zu machen? Ein Starbucks-Vorfall in Florida mag klein erscheinen – aber er zeigt, wohin die Normalisierung von Hass führt. Wenn eine Pride-Flagge als "beleidigend" empfunden wird, wenn ihre bloße Existenz als Provokation gilt, dann haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Die Geschichte lehrt uns: Rechte, die nicht verteidigt werden, sind Rechte, die verloren gehen können.

Der Kampf um die Regenbogenflagge ist deshalb mehr als Symbolpolitik. Er ist ein Kampf um Sichtbarkeit, um Anerkennung, um das Recht, einfach zu existieren – 365 Tage im Jahr, nicht nur im Pride Month.


Bisexueller Schiedsrichter wirft DFB Pinkwashing vor: „Es ist komplettes Pinkwashing, was dort betrieben wird"

Der offen bisexuelle Fußballschiedsrichter Pascal Kaiser hat dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) scharfe Kritik an dessen Diversitätspolitik vorgeworfen. Im Interview mit dem „Tagesspiegel" bezeichnete Kaiser das Engagement des Verbands als „komplettes Pinkwashing": „Der DFB marschiert beim CSD in Frankfurt mit, stimmt aber für eine WM in Saudi-Arabien", so der 27-Jährige. In dem vorderasiatischen Land steht auf Homosexualität die Todesstrafe.

Kritik an WM-Vergabe nach Saudi-Arabien

Die FIFA vergab im Dezember 2024 die Weltmeisterschaft 2034 an Saudi-Arabien – mit der Zustimmung des DFB. Kaiser kritisierte, dass der DFB seine Entscheidung damit rechtfertige, dass eine Stimme dagegen ohnehin nicht gezählt hätte, weil die WM auch dann nach Saudi-Arabien vergeben worden wäre. „Das mag sein, aber was sendet man damit für ein Zeichen?", fragte der Kölner Referee.

Die Vergabe an Saudi-Arabien ist besonders brisant: In Saudi-Arabien sind homosexuelle Handlungen strafbar und im Höchstmaß mit der Todesstrafe bedroht. Die Gerichte verhängen auch Peitschenhiebe und Gefängnisstrafen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International warnten, dass die FIFA mit dieser Entscheidung menschenrechtliche Bedenken ignoriert und damit Einwohner*innen, Wanderarbeiter*innen und Fans in Gefahr bringt.

„Der DFB unterstützt Coming-outs nicht"

Kaiser warf dem DFB vor, Coming-outs von Schiedsrichtern nicht zu unterstützen, „auch wenn er das gerne nach außen hin behauptet". Die Entwicklung im Bereich Vielfalt stagniere derzeit: „Ich habe einen Schiri-Kollegen, der in der Ersten und Zweiten Bundesliga pfeift, mit einem Mann verheiratet ist, sich aber nicht öffentlich outet. Er sagt, dass der DFB darüber Bescheid wisse und alles gut sei, das Thema laut des Verbandes aber nichts auf dem Platz zu suchen habe".

Allerdings herrsche hier eine Doppelmoral: „Wenn ein Spieler seine Freundin am Spielfeldrand küsst, ist das in Ordnung. Wenn ich meinen Freund küsse, ist es noch immer ein Aufreger", so Kaiser.

Coming-out hat Karriere geschadet

Pascal Kaiser outete sich 2022 als bisexuell. Der heute 27-jährige Schiedsrichter pfeift Spiele auf Regional- und Verbandsliga-Ebene. Sein öffentliches Bekenntnis zur Bisexualität habe ihm jedoch in seiner Karriere geschadet, berichtete er im Interview: „Ich kriege Spiele in der Regionalliga, die mir zugesagt werden, doch nicht – obwohl ich ein sehr guter Schiedsrichter bin. Mir werden auch mal Beobachtungen zugesprochen, um in die nächsthöhere Liga aufzusteigen, aber es bleiben alles leere Versprechen".

Dabei sei er etwa einem Sprinttest zufolge der schnellste Schiedsrichter im Landesverband: „Es ist daher offensichtlich, dass ich aufgrund meines Auftretens in der Öffentlichkeit benachteiligt werde."

Reaktionen auf Kritik an Ex-Nationaltorwart

Im Juli 2024 machte Kaiser darauf aufmerksam, dass der ehemalige deutsche Nationaltorwart Bernd Leno ein queerfeindliches Video gelikt habe. Kaiser forderte eine öffentliche Entschuldigung Lenos und ein klares Signal gegen Hass im Fußball. Dies habe Konsequenzen gehabt, berichtete er jetzt: „Die Folge war sehr viel Hass mir gegenüber von seinen Anhängern."

Pinkwashing – Ein weit verbreitetes Problem

Der Begriff Pinkwashing ist in Deutschland zunehmend in der Diskussion. Er bezeichnet Werbe- und Imagekampagnen, die queere Symbolik oder Unterstützung der Community verwenden, ohne ein echtes Engagement für die Rechte queerer Menschen zu zeigen – oder gar Verhalten im Widerspruch dazu. Viele Kritiker*innen bemängeln, dass Organisationen und Unternehmen im Pride-Monat Regenbogensymbole nutzen, während sie gleichzeitig in Ländern mit queerfeindlicher Gesetzgebung geschäftlich aktiv sind oder diese unterstützen.

Der Vorwurf des Pinkwashing geht oft einher mit der Tatsache, dass zwischen 50 und 100 Milliarden Euro Umsatz pro Pride-Saison durch buntes Marketing generiert werden. Der Vorwurf rein monetärer Antriebe ist mit einer erheblichen Gefahr für die Reputation verbunden. Hierunter leiden unter anderem auch Unternehmen, die es mit ihrer Unterstützung tatsächlich ernst meinen.

Die Situation im deutschen Fußball

In Deutschland hat sich bislang noch kein aktiver Fußballprofi als homosexuell geoutet. Wenn sich homosexuelle Sportler outen, kommt es von den Seiten der Fans und anderen Mitspielern immer wieder zu Pöbeleien, Beschimpfungen und übler Nachrede. Das Mobbing ist dann an der Tagesordnung, und der Karriere des entsprechenden Sportlers werden große Steine in den Weg gelegt.

Expert*innen berichten, dass Jugendspieler ihre Liebe aus Angst verstecken, Benachteiligung zu erfahren und es beispielsweise nicht in den Leistungskader zu schaffen. Im schlimmsten Fall hören sie mit dem Sport auf. Die Angst vor Diskriminierung und die fehlende Unterstützung durch Verbände bleiben zentrale Hindernisse für queere Menschen im Profisport.

Was kann sich ändern?

Pascal Kaiser und andere Aktivist*innen fordern klare Positionierungen der Verbände und konkrete Maßnahmen statt symbolischer Gesten. „Es reicht nicht, nur während des Pride-Months das Logo in Regenbogenfarben zu schmücken und einen Instagram-Post zu machen. Solche symbolischen Gesten sind bedeutungslos, wenn sie nicht von echten Taten begleitet werden", sagte Kaiser in einem früheren Interview.

Der Fall zeigt exemplarisch, wie groß die Kluft zwischen öffentlichen Diversitätsbekenntnissen und tatsächlichem Handeln im deutschen Fußball weiterhin ist. Für queere Sportler*innen wie Pascal Kaiser bedeutet dies: Der Kampf um Akzeptanz und echte Gleichberechtigung geht weiter – auf und neben dem Platz.


Kulturkampf um die Regenbogenfahne: Dobrindts Ministerium will queeres Symbol von Bundesgebäuden verbannen

Ein besorgniserregender Bericht des Tagesspiegels offenbart: Beamte im Haus von Alexander Dobrindt (CSU) wollen das Hissen des LGBTIQ-Symbols an Bundesgebäuden beenden. Der CSU-Innenminister hatte eine "Unterrichtung" angefordert, in der sich die Beamten über "fortwährend unterschiedliche Erscheinungsbilder" und "bewusste und öffentlich wahrnehmbare Zuwiderhandlungen" beschweren – gemeint sind SPD-Minister wie Lars Klingbeil, die Dobrindts Einschränkungen beim Hissen der Regenbogenfahne schlicht ignorierten.

Von Faesers Öffnung zu Dobrindts Rollback

Die Geschichte der Regenbogenfahne an deutschen Bundesgebäuden ist eine Geschichte von Fortschritt und Rückschritt. Im April 2022 unterzeichnete die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen historischen Erlass: "Wir sind ein modernes und vielfältiges Land. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir das auch als staatliche Institutionen deutlicher zeigen." Damit erlaubte sie erstmals offiziell das Hissen der Regenbogenfahne zu besonderen Anlässen wie dem Christopher Street Day oder dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT).

Doch nach dem Regierungswechsel änderte sich der Ton radikal. Bereits im April 2025 verschickte das Innenministerium unter Alexander Dobrindt ein Schreiben, das klarstellte: Die Regenbogenfahne darf nur noch einmal im Jahr gehisst werden. Diese Einschränkung erfolgte noch unter der Amtszeit von Nancy Faeser, doch interessanterweise hatte man es offenbar nicht für nötig befunden, die damals noch amtierende Innenministerin überhaupt zu unterrichten – ein möglicher Fall von "vorauseilendem Gehorsam" gegenüber der kommenden neuen Führung, wie der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, kritisierte.

Was die Beamten wirklich fordern

Das nun bekannt gewordene interne Dokument geht noch deutlich weiter. Die Ministerialbeamten fordern darin eine "grundsätzliche Überarbeitung" der geltenden Vorschriften. "Logo-Flaggen" wie die Regenbogenfahne sollen künftig prinzipiell nicht mehr zugelassen werden, mit Ausnahmen nur bei "besonderem bundes-/gesamtstaatlichen Bezug" wie der EU-Ratspräsidentschaft oder der Weltausstellung Expo.

Die Begründung offenbart eine bemerkenswerte Haltung: Die Bundesflagge habe Verfassungsrang und stehe "für Einheitlichkeit und Kontinuität staatlichen Handelns". Die "Wirkmächtigkeit der staatlichen Symbolik" durch Bundes- und EU-Flagge solle "uneingeschränkt erhalten werden", heißt es weiter. Besonders deutlich wird die Stoßrichtung in dieser Passage: "Insoweit wird die Regenbogenflagge privilegiert behandelt." Die Beamten warnen zudem vor "Forderungen anderer gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen".

Breiter Widerstand innerhalb der Regierung

Sollte Dobrindt versuchen, die Regenbogenfahne vollständig zu verbannen, dürfte er auf erheblichen Widerstand treffen. Ein solcher Schritt würde einen Kabinettsbeschluss erfordern – und SPD-Finanzminister Lars Klingbeil hatte sich bereits über Dobrindts Anordnung hinweggesetzt und die Regenbogenfahne zum zweiten Mal in diesem Jahr gehisst. Sein Ministerium teilte damals kämpferisch mit: "Wir wollen eine Gesellschaft des Respekts für jeden und jede sein, ganz gleich, wie man lebt und wen man liebt."

Auch Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas kündigte nach anfänglichem Zögern und Protesten aus der Community an, die Regenbogenfahne zum CSD Berlin zu hissen: "Wir werden auch ganz normal beflaggen." Die Beamten wiesen in ihrem Bericht selbst auf einen "Dissens innerhalb der Bundesregierung" hin.

Auch der Bundestag unter Beschuss

Der Kulturkampf um die Regenbogenfahne tobt nicht nur in den Ministerien. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verbot das Hissen der Regenbogenfahne zum CSD und erlaubt es nur noch zum IDAHOBIT am 17. Mai. Zudem untersagte sie es den Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung, künftig als solche am CSD teilzunehmen.

Noch drastischer: Die Bundestagspolizei erhielt den Auftrag, alle sichtbar angebrachten Regenbogenfahnen auf dem Gelände des Bundestags zu entfernen – also Regenbogenfahnen, die an Türen und Fenstern der Abgeordnetenbüros gezeigt werden. Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano sprach von einem "beispiellosen Angriff auf Sichtbarkeit, Vielfalt und die Freiheit".

Ein gefährliches Signal in Zeiten steigender Gewalt

Die Debatte um die Regenbogenfahne ist mehr als nur ein Symbolstreit. Der LSVD+ warnte, dass dieser symbolische Akt in Zeiten steigender LGBTI-feindlicher Übergriffe ein "fatales politisches Signal" an queere Menschen sei. Während Alexander Dobrindt als erbitterter Gegner von LGBTI-Rechten gilt und Schwule und Lesben in der Vergangenheit als "schrille Minderheit" diffamierte, verschärft sich die Lage für queere Menschen in Deutschland.

Kanzler Friedrich Merz unterstützte das Vorgehen seiner Parteikollegin Klöckner mit der umstrittenen Bemerkung, der Bundestag sei "nicht ein Zirkuszelt" – eine Aussage, die in der queeren Community für Empörung sorgte. Die Botschaft ist klar: Was als Neutralitätsgebot verkauft wird, empfinden viele als gezielten Ausschluss.

Parallelen in Europa – und ein Hoffnungsschimmer

Deutschland steht mit dieser Debatte nicht allein. Während Spaniens Oberster Gerichtshof 2024 entschied, dass die Regenbogenfahne an Regierungsgebäuden nicht gegen Neutralitätsgebote verstößt und ein Symbol der Inklusivität sei, gibt es auch in anderen europäischen Ländern ähnliche Kontroversen. Doch die deutsche Entwicklung besorgt besonders: Nach Jahren des Fortschritts droht nun ein massiver Rückschritt.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Als Reaktion auf Klöckners Verbot dekorierte Berlins Verkehrsbetrieb die Bundestags-U-Bahn-Station in Regenbogenfarben und schrieb auf Instagram: "So, unser Bundestag ist bereit für Pride." Zivilgesellschaftlicher Widerstand formiert sich, und es bleibt abzuwarten, ob Dobrindt und die Union ihren Kulturkampf gegen die Sichtbarkeit queeren Lebens durchsetzen können.

Die Auseinandersetzung um ein Stück bunten Stoff offenbart am Ende eine grundsätzliche Frage: Welches Deutschland wollen wir sein? Eines, das Vielfalt als Teil seiner Identität sichtbar macht – oder eines, das queeres Leben wieder aus der Öffentlichkeit verdrängen will?


Frankreich führt "Nur Ja heißt Ja" ins Gesetz ein – Ein Meilenstein für sexuelle Selbstbestimmung

In einem historischen Schritt hat Frankreich am Mittwoch ein neues Zustimmungsgesetz verabschiedet, das explizite Einwilligung zu sexuellen Handlungen im Strafrecht verankert. Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem auch Deutschland seine eigenen Wege zur Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung beschreitet – wenn auch in anderen Bereichen.

Das französische Parlament hat damit auf einen der schockierendsten Kriminalfälle der jüngeren Geschichte reagiert: Den Fall von Gisèle Pelicot, die über neun Jahre hinweg von ihrem Ehemann betäubt und etwa 200 Mal von ihm und mehr als 80 weiteren Männern vergewaltigt wurde. Der Prozess um die Massenvergewaltigungen hatte die Debatte um das Sexualstrafrecht in Frankreich neu entfacht, und 51 Männer wurden zu Strafen zwischen 3 und 20 Jahren Haft verurteilt. Die vollständige Meldung findet sich auf queer.de.

Was ändert sich konkret in Frankreich?

Nach dem neuen Gesetz wird jede sexuelle Handlung ohne ausdrückliche Zustimmung als Vergewaltigung definiert, wobei Schweigen oder das Fehlen einer Reaktion nicht als Zustimmung gelten und es ein ausdrückliches Ja braucht. Die Zustimmung muss frei, konkret und widerrufbar sein.

Das Prinzip "Nur Ja heißt Ja" (französisch: "Seul oui signifie oui") ist damit strenger als das in Deutschland seit 2016 geltende "Nein heißt Nein"-Prinzip. In Deutschland sind sexuelle Handlungen als Vergewaltigung strafbar, wenn sie gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person vollzogen werden. Der Unterschied ist fein, aber bedeutsam: Während in Deutschland ein erkennbarer Widerstand vorausgesetzt wird, verlangt Frankreich nun eine aktive Zustimmung.

Eine mutige Frau verändert ein Land

Gisèle Pelicot bestand darauf, dass ihr Prozess öffentlich stattfindet, mit den Worten "damit das Schamgefühl die Seite wechselt" – eine Wendung, die zur Parole der MeToo-Bewegung wurde. In nur wenigen Wochen wurde Pelicot zum Vorbild und zur feministischen Ikone, die sagte, sie wolle, dass andere missbrauchte Frauen durch sie Mut bekämen.

Zahlreiche Angeklagte hatten ausgesagt, sie hätten nicht den Eindruck gehabt, das Opfer zu vergewaltigen, weil die Frau sich ihrer Ansicht nach schlafend gestellt habe. Diese Verteidigungsstrategie – die trotz eindeutiger Videobeweise von der Betäubung vorgebracht wurde – zeigt die erschreckende Realität einer Vergewaltigungskultur, in der fehlender Widerstand als Zustimmung interpretiert wird.

Bedeutung für die LGBTQ+ Community

Auch wenn das Gesetz alle Menschen schützt, hat es besondere Bedeutung für vulnerable Gruppen – darunter auch LGBTQ+ Personen. Queere Menschen erfahren überproportional häufig sexualisierte Gewalt, und die Hemmschwelle, Übergriffe anzuzeigen, ist oft noch höher als in der Gesamtbevölkerung. Ein klares rechtliches Rahmenwerk, das explizite Zustimmung verlangt, kann helfen, diese Schutzlücke zu schließen.

Das Gesetz sendet zudem ein wichtiges Signal: Konsens ist nicht verhandelbar – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Identität der beteiligten Personen. In einer Zeit, in der in einigen europäischen Ländern LGBTQ+ Rechte wieder unter Druck geraten, setzt Frankreich ein Zeichen für die körperliche Selbstbestimmung aller Menschen.

Deutschland auf einem anderen, aber wichtigen Weg

Während Frankreich sein Sexualstrafrecht reformiert, hat Deutschland in jüngster Zeit andere Fortschritte gemacht. Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen haben seit dem 1. November 2024 die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das jahrzehntelang kritisierte Transsexuellengesetz und stärkt die Autonomie trans*, inter* und nichtbinärer Personen erheblich.

Beide Entwicklungen – in Frankreich wie in Deutschland – zeigen, dass der Kampf für körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung auf unterschiedlichen Ebenen geführt werden muss. Während Frankreich mit dem neuen Zustimmungsgesetz den Schutz vor sexualisierter Gewalt stärkt, erweitert Deutschland die Rechte von trans* und inter* Personen auf geschlechtliche Selbstbestimmung.

Europäischer Kontext und Ausblick

Frankreich reiht sich mit der Reform in eine Gruppe europäischer Länder ein, die das Prinzip der aktiven Zustimmung bereits verankert haben. Frankreich hatte bereits 2011 die Istanbul-Konvention unterzeichnet, die genau das vorsieht, jedoch erfolgte im Gegensatz zu Ländern wie Spanien bisher keine Änderung des Strafrechts.

Für Deutschland stellt sich die Frage, ob das seit 2016 geltende "Nein heißt Nein" ausreichend ist oder ob auch hier eine Weiterentwicklung zum "Nur Ja heißt Ja"-Prinzip notwendig wäre. Feministische Organisationen und Opferschutzverbände fordern dies schon seit Jahren. Eine Debatte, die auch die LGBTQ+ Community betrifft, denn sexuelle Selbstbestimmung ist universell – sie schützt alle Menschen, unabhängig von ihrer Identität.

Der Fall Pelicot und die daraus resultierende Gesetzesänderung zeigen: Wenn mutige Menschen ihre Geschichten öffentlich machen, können sie gesellschaftliche Debatten anstoßen und Rechtssysteme verändern. "Die Scham muss die Seite wechseln" – dieser Satz gilt für alle Formen sexualisierter Gewalt und für alle Betroffenen, auch und gerade in der LGBTQ+ Community.


Nigeria: 25 Festnahmen bei vermeintlicher "Schwulenhochzeit" – Wenn Liebe zum Verbrechen wird

Am Samstag, dem 25. Oktober 2025, stürmte die religiöse Polizei Hisbah ein Veranstaltungszentrum in der nordnigerianischen Stadt Kano und verhaftete 25 Menschen, die einer vermeintlichen gleichgeschlechtlichen Hochzeit beiwohnten. Die Hisbah durchsuchte das Fatima Event Centre, nachdem sie einen Hinweis von einem „besorgten Bürger" erhalten hatte, der die Behörden über die geplante Zeremonie informiert hatte. Wie GCN berichtet, wurden 18 Männer und sieben Frauen festgenommen – darunter auch das Paar, das sich angeblich das Ja-Wort geben wollte.

Ein Muster staatlicher Verfolgung

Diese Razzia ist kein Einzelfall. Die Hisbah hat im Laufe der Jahre Dutzende Menschen bei angeblichen gleichgeschlechtlichen Hochzeiten verhaftet, darunter in den Jahren 2022, 2018, 2015 und 2007 – doch bisher wurde niemand verurteilt. Trotzdem wiederholt sich das brutale Schauspiel immer wieder: Im Jahr 2023 fanden zwei Massenverhaftungen bei privaten Veranstaltungen statt, am 27. August wurden in der südlichen Stadt Ekpan 67 Menschen festgenommen, nur wenige Wochen später wurden weitere 76 Menschen bei einer Geburtstagsfeier verhaftet.

Die aktuellen Berichte von Menschenrechtsorganisationen zeichnen ein erschreckendes Bild: Während der Haft wurde den Festgenommenen der Zugang zu Medikamenten und rechtlicher Vertretung verweigert, willkürliche Verhaftungen, Belästigung, Erpressung und Misshandlungen in Gewahrsam wurden dokumentiert.

Die Hisbah: Religiöse Polizei mit umstrittener Macht

Die Kano State Hisbah Corps ist eine religiöse Polizeitruppe, die für die Durchsetzung der Scharia für Muslime im Bundesstaat Kano und anderen Teilen Nordnigerias zuständig ist. Die Organisation wurde im Jahr 2000 von der Landesregierung gegründet und 2003 durch die Institutionalisierung zuvor lokaler und privat organisierter Hisbah-Einheiten erweitert. Offiziell hat die Hisbah keine Befugnis, Verhaftungen durchzuführen, und ihre Beamten sind nur mit nicht-tödlichen Waffen zur Selbstverteidigung bewaffnet – sie sollen Verstöße gegen die Scharia der nigerianischen Polizei melden.

Doch die Realität sieht oft anders aus. Berichte aus dem Jahr 2022 zeigen potenzielle Menschenrechtsverletzungen durch die Behörde, darunter erzwungene HIV- und Schwangerschaftstests, brutale Schläge von Insassen und verlängerte Haftzeiten für Minderjährige. Laut BBC soll die Hisbah nur für Muslime gelten, „aber in der Realität stehen auch Nicht-Muslime unter Druck, sich den Entscheidungen der Hisbah zu unterwerfen".

Drakonische Gesetze und gesellschaftliche Ablehnung

Die Förderung gleichgeschlechtlicher Verbindungen wurde 2014 in Nigeria zu einer Straftat erklärt, Personen, die gegen das Gesetz verstoßen, drohen bis zu 14 Jahre Gefängnis. In zwölf der 36 nigerianischen Bundesstaaten gilt seit 1999 die Scharia parallel zum staatlichen Rechtssystem – unter dieser Gesetzgebung kann Homosexualität theoretisch mit der Todesstrafe geahndet werden, auch wenn diese Strafe nie vollstreckt wurde. Im Rest Nigerias können Personen, die wegen homosexueller Handlungen verurteilt werden, mit lebenslanger Haft bestraft werden.

Die gesellschaftliche Stimmung ist ebenso bedrückend: Eine Studie des Pew Research Centre aus dem Jahr 2023 zeigt, dass 97% der Nigerianer gegen die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen sind. Diese Zahlen spiegeln nicht nur religiöse Überzeugungen wider, sondern auch die Wirkung jahrzehntelanger staatlicher Propaganda und kolonialer Gesetzgebung, die Homosexualität als "unafrikanisch" stigmatisiert.

Deutschland als Zufluchtsort – mit Hürden

Für queere Menschen aus Nigeria, die vor Verfolgung fliehen, ist Deutschland theoretisch ein sicheres Ziel. LGBTIQ+-Personen, die verfolgt werden, haben Anspruch auf Asyl in Deutschland – Verfolgung bedeutet, dass ihnen im Herkunftsland extreme Gewalt, Tod, Gefängnis oder andere Formen unmenschlicher Behandlung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität drohen.

Doch der Weg ist steinig. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als auch die Verwaltungsgerichte glauben manchmal nicht, dass Antragsteller tatsächlich LGBTIQ+ sind, wenn sie keinen „lückenlosen Bericht über ihre Erfahrungen" liefern können, was zur Ablehnung von Asylanträgen führt. Eine lesbische Asylsuchende aus Uganda berichtete, dass sie in Sammelunterkünften mit Menschen untergebracht wurde, die homophobe Ansichten vertreten könnten, was sie zwang, sich selbst zu isolieren.

Besonders problematisch: Der LSVD nennt konkrete Fälle aus Kamerun, Tansania, Nigeria und Pakistan, in denen deutsche Behörden die sexuelle Identität von schwulen oder bisexuellen Männern versehentlich an ihre Herkunftsländer weitergegeben haben. Trotz dieser Herausforderungen bleibt Deutschland für viele verfolgte LGBTIQ+-Menschen aus Nigeria eine der wenigen Hoffnungen auf ein Leben in Sicherheit und Würde.

Ein globales Problem – auch in Deutschland spürbar

In zwölf afrikanischen Ländern werden Gesetze verstärkt als Unterdrückungsinstrumente gegen LGBTI+ eingesetzt – insgesamt kriminalisieren 31 afrikanische Länder einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen, wie eine Analyse von Amnesty International zeigt. Diese Entwicklung betrifft auch Deutschland direkt: Immer mehr Menschen fliehen vor dieser Verfolgung und suchen hier Schutz.

Die Ereignisse in Kano erinnern uns daran, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind – weder in Nigeria noch anderswo. Während wir in Deutschland über die weitere Verbesserung von LGBTIQ+-Rechten diskutieren, kämpfen Menschen in Nigeria täglich ums Überleben, nur weil sie lieben, wen sie lieben. Ihre Geschichten verdienen unsere Aufmerksamkeit, unsere Solidarität und unser Handeln.


Texas erlaubt Richtern Verweigerung gleichgeschlechtlicher Trauungen – Ein Rückschlag für LGBTQ+-Rechte

In einem erschütternden Urteil hat der Oberste Gerichtshof von Texas am Freitag, den 25. Oktober 2024, entschieden, dass Richter:innen im Bundesstaat gleichgeschlechtliche Eheschließungen aus "aufrichtig vertretenen religiösen Überzeugungen" ablehnen dürfen. Diese Entscheidung markiert einen dramatischen Rückschritt für die Gleichstellung queerer Menschen und steht im krassen Gegensatz zu den Rechtsstandards in Deutschland. Die vollständige Berichterstattung über diesen Fall findet sich auf Pink News.

Die Entscheidung und ihre Tragweite

Der Oberste Gerichtshof von Texas änderte am Freitag den richterlichen Verhaltenskodex, um klarzustellen, dass "es keine Verletzung dieser Regeln darstellt, wenn ein Richter öffentlich davon absieht, eine Trauungszeremonie aufgrund einer aufrichtig vertretenen religiösen Überzeugung durchzuführen". Die Änderung wurde von allen neun Richtern des vollständig republikanisch besetzten Gerichts unterzeichnet und trat sofort in Kraft.

Diese Entscheidung folgt einem jahrelangen Rechtsstreit um Dianne Hensley, eine Richterin aus McLennan County, die den Bundesstaat verklagte, nachdem sie öffentlich sanktioniert wurde, weil sie sich weigerte, gleichgeschlechtliche Hochzeiten aus dem durchzuführen, was sie als "bibeltreues" Gewissen beschrieb. Die Kommission erklärte in ihrer Warnung, Hensleys ungleiche Art der Amtsführung verstoße gegen den texanischen Verhaltenskodex für Richter, indem sie "Zweifel an ihrer Fähigkeit wecke, unparteiisch gegenüber Personen zu handeln, die wegen ihrer sexuellen Orientierung vor ihr als Richterin erscheinen".

Der Fall Kim Davis und seine Parallelen

Der texanische Fall erinnert stark an die bundesweite rechtliche Auseinandersetzung mit Kim Davis, die von 2015 bis 2019 als Bezirksangestellte von Rowan County in Kentucky tätig war und sich weigerte, kurz nach dem Obergefell-Urteil des Supreme Court im Jahr 2015 Heiratsurkunden an gleichgeschlechtliche Paare auszustellen. Das Gericht wird am 7. November in einer nichtöffentlichen Konferenz darüber beraten, ob es Kim Davis' Anfechtung der gleichgeschlechtlichen Ehe anhören wird, und eine Entscheidung könnte bereits am Montag, dem 10. November, bekannt gegeben werden.

Das Ergebnis könnte erhebliche Auswirkungen auf den landesweiten Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe durch Obergefell haben, der ein verfassungsmäßiges Recht auf Eheschließung umfasst. Jedoch betonen Rechtsanalytiker, dass das Gericht den Fall möglicherweise auf engeren Grundlagen entscheiden könnte, wie etwa qualifizierte Immunität oder dem Unterschied zwischen Davis' persönlicher und beruflicher Eigenschaft.

Ein Blick nach Deutschland: Solide Rechtslage für LGBTQ+-Rechte

Im Gegensatz zu Texas steht die Rechtslage in Deutschland auf einem völlig anderen Fundament. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist in Deutschland seit dem 1. Oktober 2017 legal. Der Bundestag beschloss, im Bürgerlichen Gesetzbuch festzuschreiben, dass eine Ehe von "zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit" geschlossen wird.

Besonders wichtig ist: In Deutschland kann eine Ehe nur vor einem Standesbeamten geschlossen werden, religiöse Zeremonien haben keine rechtliche Wirkung. Ein Szenario wie in Texas, in dem Amtsträger aus religiösen Gründen gleichgeschlechtliche Paare diskriminieren dürfen, wäre in Deutschland undenkbar. Der Standesbeamte muss seine Mitwirkung verweigern, wenn gesetzliche Hindernisse vorliegen – religiöse Überzeugungen gehören jedoch nicht dazu.

Eine Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2019 ergab, dass 84% der Deutschen glaubten, die gleichgeschlechtliche Ehe sollte in ganz Europa erlaubt sein. Eine Pew-Umfrage zwischen Februar und Mai 2023 zeigte, dass 80% der Deutschen die gleichgeschlechtliche Ehe unterstützen. Diese breite gesellschaftliche Unterstützung bildet ein starkes Fundament für die Rechtssicherheit queerer Paare in Deutschland.

Kritik an der texanischen Entscheidung

Für Bürgerrechtsanwälte stellt die Entscheidung einen besorgniserregenden Präzedenzfall dar. Sie legt nahe, dass Richter, die schwören, die Verfassung zu wahren und das Gesetz gleich anzuwenden, sich selektiv weigern können, bestimmten Bürgern aufgrund ihres persönlichen Glaubens zu dienen.

Jason Mazzone, ein Rechtsprofessor an der University of Illinois, sagte, dass die Umgehung des Verhaltenskodex durch den Obersten Gerichtshof von Texas die Möglichkeit offenlässt, dass ein schwules Paar mit Klageberechtigung die Entscheidung eines Richters, sie nicht zu trauen, auf verfassungsrechtlichen Grundlagen der Gleichbehandlung anfechten kann. "Das ist natürlich nicht, wie Gleichbehandlung funktioniert, und es ist nicht, wie wir erwarten, dass Regierungsbeamte arbeiten".

Was bedeutet das für LGBTQ+-Rechte in den USA?

Die Entscheidung trägt zu wachsenden landesweiten Spannungen über LGBTQ+-Rechte und jüngste Gesetze bei, die die Geschlechtsidentität betreffen. Während die rechtliche Lage in einzelnen US-Bundesstaaten zunehmend unsicherer wird, bietet Deutschland seinen LGBTQ+-Bürger:innen einen robusten Rechtsschutz. Die Entwicklungen in Texas zeigen, wie wichtig es ist, errungene Rechte kontinuierlich zu verteidigen und internationale Solidarität mit queeren Menschen in weniger geschützten Rechtssystemen zu zeigen.

Die kommenden Wochen werden entscheidend sein – insbesondere die Entscheidung des Supreme Court am 7. November über den Fall Kim Davis könnte weitreichende Folgen für die Gleichberechtigung in den USA haben. Für queere Menschen in Deutschland bleibt die Botschaft klar: Die "Ehe für alle" ist nicht nur ein Symbol, sondern ein durch das Grundgesetz geschütztes Recht, das Diskriminierung durch staatliche Amtsträger unmöglich macht.


Tom Daley über Bulimie und Körperdruck in der schwulen Community: "Unrealistische Körpererwartungen"

Der britische Wasserspringer und fünffache Olympiamedaillengewinner Tom Daley hat sich in einem Interview mit der Radio Times erneut über seine jahrelangen Kämpfe mit Körperdysmorphie und Bulimie geäußert. Der 31-Jährige, der kürzlich in der britischen TV-Show "The Celebrity Traitors" zu sehen war, sprach offen über die "unrealistischen Körpererwartungen" in der schwulen Community und die Herausforderungen, die Social Media und Gay-Kultur mit sich bringen. (Quelle: PinkNews)

Der Beginn einer dunklen Zeit

Die Wurzeln von Daleys Essstörung reichen zurück bis Ende 2011, als ihm sein Leistungsdirektor beim britischen Wasserspringen sagte, er sei übergewichtig und müsse schlanker und magerer aussehen wie 2008 – als Daley gerade einmal 14 Jahre alt war. "Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, nach meinem Aussehen beurteilt zu werden und nicht nach meiner Leistung im Sprungbecken", erinnert sich der Sportler.

"Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich damals tat, also habe ich einfach das Essen gestrichen", gestand Daley. "Männer sollten keine Essstörungen haben, Männer sollten keine Probleme mit der psychischen Gesundheit haben. Männer sollten macho sein", so die damalige gesellschaftliche Erwartung, die ihn in die Isolation trieb.

Unterstützung durch Ehemann Dustin Lance Black

Heute findet Daley Kraft in seiner Familie. Er ist seit 2017 mit dem Oscar-prämierten Drehbuchautor Dustin Lance Black verheiratet, mit dem er zwei Söhne – Robbie (6) und Phoenix (2) – hat. "Mein Ehemann war eine große Unterstützung dabei", erklärt Daley über seinen Umgang mit den Körperbildproblemen. Auch über die 19-jährige Altersdifferenz zwischen ihm und seinem Mann sagte Daley, dass sie sich "zu hundert Prozent" weniger anfühle, je länger sie zusammen seien: "Die Leute, die uns kennen, wissen, dass ich die reifere Person bin, die zu Hause die Show leitet".

Ein Problem der gesamten LGBTQ+-Community

Daleys Offenheit lenkt den Blick auf ein weitverbreitetes Problem: Schwule und bisexuelle Männer haben eine deutlich höhere Prävalenz von Essstörungen als heterosexuelle Männer. Während nur etwa 6 Prozent der männlichen Bevölkerung schwul sind, machen sie bis zu 42 Prozent der Männer mit Essstörungen aus.

Auch in Deutschland ist das Thema hochaktuell. Bei 54 Prozent von amerikanischen Schwulen, Lesben, Bisexuellen und transgeschlechtlichen Personen zwischen 13 und 24 Jahren wurden bereits Essstörungen diagnostiziert. Insgesamt glauben sogar drei Viertel aller jungen LGBT, an Essstörungen zu leiden. Eine österreichische Studie zeigte, dass jeder fünfte LGBTI*-Mensch eine Essstörung hat (19%).

Körperkult und Druck in der schwulen Szene

Die Gründe für diese erschreckenden Zahlen sind vielfältig. Schwule Männer zeigen eine größere Diskrepanz zwischen aktuellem und idealem Körperfett, höheres Schlankheitsstreben, mehr körperbezogenes Vermeidungsverhalten und insgesamt stärkere Körperbildstörungen sowie höhere Essstörungs- und körperdysmorphe Störungssymptome als heterosexuelle Männer.

Bei Schwulen komme hinzu, dass der gesellschaftliche Druck, einen perfekten Körper zu haben, höher sei als bei heterosexuellen Männern. Viele beschreiben diesen idealen Körper als sowohl muskulös als auch dünn – eine Kombination, die einzigartig für die schwule männliche Community ist. Dieser Druck wird durch Dating-Apps und soziale Medien zusätzlich verstärkt, wie deutsche Experten betonen.

Deutsche Perspektive: Forschung und Hilfsangebote

In Deutschland gibt es bislang wenige geoutete schwule Spitzensportler – im Fußball hat sich noch kein aktiver Profi als homosexuell geoutet. Umso wichtiger sind Vorbilder wie Tom Daley, die ihre Geschichten teilen. Homosexuelle Männer zeigen im Selbstbericht eine höhere Ausprägung in Körperunzufriedenheit und Schlankheitsstreben als heterosexuelle Männer, und bei ihnen liegt tendenziell eine schwerere Essstörungs-Symptomatik vor.

Es ist wichtig, der Stigmatisierung von Männern mit Essstörungen entgegenzuwirken und Hürden in Diagnostik und Behandlung abzubauen. Die gängigen Screening- und Diagnoseverfahren sollten angepasst werden, um den Besonderheiten essgestörten Verhaltens bei Männern gerecht zu werden, fordern deutsche Mediziner im Deutschen Ärzteblatt.

Hilfe ist möglich

Tom Daley betont heute: "Jetzt muss ich einfach eine gesunde Beziehung zu meinem Körper haben". Seine Botschaft an Betroffene ist klar: "Sucht euch früher Hilfe, fangt jetzt an, darüber zu sprechen, auf jede erdenkliche Weise, mit jedem, dem ihr vertraut. Ich wünschte, ich hätte das getan".

Für Menschen in Deutschland, die mit Essstörungen kämpfen, bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) umfassende Informationen und Hilfsangebote. Auch die Community selbst kann eine wichtige Rolle spielen: Soziale Kontakte in der Szene können massiv entgegenwirken, auch und gerade in Bereichen wie dem Burn-out oder bei Essstörungen. Stress lässt sich dabei innerhalb der Community auch jenseits von Bars und Clubs abbauen, beispielsweise bei schwulen Sportvereinen, Gay-Workshops oder Kulturverbänden.

Daleys Mut, über seine Kämpfe zu sprechen, ist ein wichtiger Schritt, um das Bewusstsein für diese oft verschwiegene Problematik zu schärfen – sowohl in der LGBTQ+-Community als auch darüber hinaus. In einer Zeit, in der vor allem während der Pandemie ein massiver Anstieg von Essstörungen zu verzeichnen war – bei 10- bis 14-Jährigen um 33 Prozent, bei den 15- bis 17-Jährigen um 54 Prozent, braucht es mehr Vorbilder wie ihn, die zeigen: Man ist nicht allein, und es gibt einen Weg zurück ins Licht.


"Als ob trans sein eine Beleidigung wäre": Hailey Bieber kontert Trolle mit starker Botschaft

Model und Unternehmerin Hailey Bieber hat mit einer bemerkenswerten Reaktion auf transfeindliche Online-Trolle für Begeisterung in der LGBTQ+-Community gesorgt. Die 28-jährige Frau von Popstar Justin Bieber erklärte in einem Podcast, dass Menschen versuchen würden, "gemein zu sein" und sagen: "Sie sieht trans aus." Darauf antwortete sie: "Warum denkt ihr, dass das eine Beleidigung ist? Als ob trans sein eine Beleidigung wäre?" Der Originallink zur Meldung findet sich bei PinkNews.

Klare Haltung im Podcast mit Owen Thiele

Das Model und die Geschäftsfrau trat Ende letzter Woche im Podcast "In Your Dreams" mit Owen Thiele auf, als ein kleines Kleidungsmissgeschick die beiden Freunde dazu brachte, über die Kritik zu sprechen, der Bieber manchmal wegen ihres Aussehens ausgesetzt ist. Bieber erklärte: "Wenn Leute versuchen, gemein zu sein, sagen sie: 'Sie sieht trans aus', und ich denke mir: 'Warum denkst du, dass das eine Beleidigung ist? Einige der schönsten Frauen und Männer der Welt sind trans, also nehme ich das überhaupt nicht als Beleidigung auf.'"

Ihre Äußerungen wurden online weithin gefeiert, wobei Fans sie dafür lobten, mit Anmut und Empathie auf Hass zu reagieren. Ein YouTube-Kommentator nannte es "Königinnen-Verhalten", während ein anderer sie dafür lobte, "Leute zu durchschauen, die 'trans' als Beleidigung benutzen."

Das gefährliche Phänomen des "Transvestigating"

"Transvestigating" bedeutet zu "untersuchen", ob eine cisgender Berühmtheit heimlich transgender ist, indem man ihre körperlichen Merkmale, Körpersprache und Pseudowissenschaften wie Phrenologie und Physiognomie betrachtet. Es ist in den letzten Jahren zunehmend populär geworden, da trans-ausschließender radikaler Feminismus und Anti-Trans-Hexenjagden zunehmen. Dieses Phänomen betrifft nicht nur Hailey Bieber – auch der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron reichten im Sommer eine Verleumdungsklage gegen die rechtsgerichtete Kommentatorin Candace Owens ein, nachdem diese angeblich Gerüchte verbreitet hatte, die First Lady sei transgender.

Transfeindlichkeit in Deutschland: Ein alarmierendes Problem

Biebers klare Haltung ist besonders relevant für die Situation in Deutschland, wo Transfeindlichkeit ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem darstellt. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 sind 37 % der Befragten in Deutschland transfeindlich – eine alarmierend hohe Zahl. In den vergangenen Jahren lässt sich eine deutliche Zunahme von Trans- und Queerfeindlichkeit in Mitteldeutschland und weltweit beobachten. Ob in den Parlamenten, auf der Straße oder im gesellschaftlichen Diskurs – der Wind gegen trans Personen und Queers ist rauer geworden.

2021 registrierte das Bundeskriminalamt in seiner Statistik zu Politisch motivierter Kriminalität 1.210 Fälle von Hassverbrechen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung. 2020 waren es noch 782 - ein Anstieg um knapp 54 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig öffentliche Statements wie das von Hailey Bieber sind.

Engagement für LGBTQ+-Rechte

Biebers Statement kommt nicht aus dem Nichts. Im Jahr 2023 schloss sie sich anderen Berühmtheiten und LGBTQ+-Verbündeten an, um einen offenen Brief an Meta-CEO Mark Zuckerberg zu unterzeichnen, in dem sie zu stärkeren Maßnahmen gegen Anti-Trans-Rhetorik auf Social-Media-Plattformen aufrief. Ihr aktuelles Statement könnte in der Tradition anderer mutiger Promi-Reaktionen stehen: Bereits 2009 wurde Lady Gaga mit Gerüchten konfrontiert, sie habe einen Penis. Als sie vom Journalisten Anderson Cooper gefragt wurde, ob das wahr sei, antwortete sie: "Vielleicht habe ich einen. Wäre das so schrecklich? Warum zum Teufel sollte ich meine Zeit damit verschwenden, eine Pressemitteilung darüber abzugeben, ob ich einen Penis habe oder nicht?"

Vorbilder in Deutschland und weltweit

Es gibt zahlreiche erfolgreiche trans Personen im deutschsprachigen Raum, die als Vorbilder dienen. Dazu gehören etwa Felicia Ewert, Model, Speakerin und Aktivistin, sowie Kim Petras, die als Sängerin international erfolgreich ist, und Balian Buschbaum, der ehemalige Stabhochspringer.

Trans Personen gehen üblicherweise aus den LSBT-Zielgruppen gewidmeten Studien als die vulnerabelste und am meisten diskriminierte Gruppe hervor. Umso wichtiger sind Statements wie das von Hailey Bieber, die zeigen, dass trans zu sein nichts ist, wofür man sich schämen muss – sondern etwas, das gefeiert werden sollte.

Ein Zeichen der Solidarität

Bieber hat bewiesen, wie einfach es ist, ein Verbündeter zu sein. Ihre Worte senden eine kraftvolle Botschaft an trans Menschen weltweit: Ihr seid schön, ihr seid wertvoll, und eure Identität ist keine Beleidigung. In einer Zeit, in der die feindliche Stimmung von rechten bis rechtsextremen, bürgerlich-konservativen, religiösen und teils sogar von "feministischen" Milieus getragen und befeuert wird, sind solche Statements von Personen des öffentlichen Lebens wichtiger denn je.

Die Reaktionen auf Social Media zeigen, dass Biebers Botschaft angekommen ist. Viele User*innen feiern ihre Antwort als "ikonisch" und fordern mehr dieser Energie in der öffentlichen Diskussion. Denn am Ende geht es darum, eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität – respektvoll und gleichberechtigt behandelt werden.


Ein Jahr Selbstbestimmungsgesetz: Über 22.000 Menschen in Deutschland haben ihren Geschlechtseintrag geändert

Es ist ein historischer Meilenstein für trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen in Deutschland: Seit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes vor knapp einem Jahr haben mehr als 22.000 Menschen in Deutschland ihren Geschlechtseintrag im Geburtenregister ändern lassen, wie eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt. Die Zahlen belegen eindrucksvoll, wie groß der Bedarf nach einem würdevollen Verfahren zur Änderung des Personenstands war – und wie problematisch das vorherige System über Jahrzehnte hinweg gewesen ist. Die ursprüngliche Meldung auf queer.de zeigt die Bedeutung dieser Entwicklung für die LGBTQ+-Community auf.

Ein überwältigender Start: 7.000 Anträge im ersten Monat

Vor allem im ersten Monat des neu geltenden Gesetzes, im November 2024, ergriffen viele Menschen die Möglichkeit: 7.057 Personen änderten in dem Monat ihren bestehenden Eintrag. Diese beeindruckende Zahl im ersten Monat zeigt deutlich, wie viele Menschen jahrelang auf diesen Moment gewartet haben. Der vorübergehende Anstieg der Änderungszahlen lässt sich auch mit einem Nachholeffekt erklären – viele Menschen haben mit der Änderung ihres Geschlechtseintrags teilweise jahrelang gewartet, um nicht das grund- und menschenrechtswidrige Transsexuellengesetz nutzen zu müssen.

In den Folgemonaten gingen die Zahlen leicht, aber kontinuierlich zurück, von 2.936 im Dezember 2024 auf 1.244 im Juli 2025. Diese Normalisierung war zu erwarten und entspricht ähnlichen Entwicklungen in anderen Ländern, die vergleichbare Reformen eingeführt haben.

Der dramatische Unterschied zum alten System

Der Kontrast zum vorherigen Verfahren könnte kaum größer sein: In den zehn Monaten vor Inkrafttreten des Gesetzes – Januar bis Oktober 2024 – nahmen bundesweit insgesamt nur 596 Menschen eine solche Änderung vor. Das bedeutet, dass allein im November 2024 mehr als elfmal so viele Menschen ihren Geschlechtseintrag änderten wie in den gesamten zehn Monaten zuvor zusammen.

Mit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes zum 1. November 2024 trat das Transsexuellengesetz außer Kraft, das für die Änderung des Geschlechtseintrags und Namens ein aufwendiges Gutachterverfahren und die gerichtliche Anerkennung der Änderungen vorschrieb. Diese Vorgaben empfanden viele Betroffene als entwürdigend. Das Verfahren war außerdem langwierig und kostspielig.

Die dunkle Geschichte des Transsexuellengesetzes

Das nun abgelöste Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1981 steht für eines der dunkelsten Kapitel deutscher Rechtsprechung im Bereich der Menschenrechte. In den Fragebögen für die Begutachtung tauchten unter anderem solche Fragen auf: Wie oft masturbieren Sie durchschnittlich innerhalb eines Monats? Diese intimen und entwürdigenden Fragen mussten trans Menschen beantworten, nur um ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen zu können.

Die Geschichte des TSG ist auch eine Geschichte der Menschenrechtsverletzungen: So mussten transgeschlechtliche Menschen noch bis 2008 die Scheidung einreichen und waren bis 2011 gezwungen, sich sterilisieren und geschlechtsangleichende Operationen vornehmen zu lassen, damit ihr falscher Geschlechtseintrag korrigiert werden konnte. Laut Bundesverband Trans* e.V. betraf das in Deutschland mehr als 10.000 Menschen.

Das neue Verfahren: Einfach und würdevoll

Seit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes können Menschen relativ einfach über eine Erklärung beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen ändern lassen. Anmelden müssen sie dies drei Monate im Voraus. Erlaubt sind die Ausprägungen männlich, weiblich, divers und ohne Angabe.

Das neue Verfahren basiert auf dem Prinzip der Selbstbestimmung und verzichtet auf die psychiatrische Begutachtung, die viele Betroffene als pathologisierend und diskriminierend empfanden. Das Bundesfamilienministerium bietet umfassende Informationen zum Verfahren und beantwortet häufig gestellte Fragen.

Wer ändert in welche Richtung?

Interessant sind auch die Daten zur Änderungsrichtung: 33 Prozent der vorliegenden Erklärungen in 2024 betreffen Änderungen des Eintrags von männlich zu weiblich und 45 Prozent von weiblich zu männlich, was mehr als drei Viertel aller Änderungen umfasst. Diese Zahlen widerlegen die in der öffentlichen Debatte oft geäußerte Behauptung, das Gesetz würde primär von trans Frauen genutzt werden.

Deutschland folgt internationalem Trend

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz reiht sich Deutschland in eine wachsende Gruppe von Ländern ein, die die Menschenrechte von trans Personen respektieren. Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay, Spanien, Finnland, Schweiz, Brasilien, Kolumbien und Ecuador respektieren in entsprechenden Gesetzen die Grundrechte und Selbstbestimmung von trans* Personen bei der Änderung des Geschlechtseintrags. Auch Deutschland hat seit 1. November ein Selbstbestimmungsgesetz.

Immer mehr Länder haben die belastenden Anforderungen für eine rechtliche Geschlechtsanerkennung abgeschafft, einschließlich medizinischer oder psychologischer Gutachten. In Ländern wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay gibt es einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts auf Grundlage der Selbstbestimmung.

Persönliche Geschichten: Wenn endlich die Papiere stimmen

Hinter jeder dieser Zahlen steht eine persönliche Geschichte, ein individueller Weg zur Selbstfindung und oft jahrelanger Leidensdruck. Erfahrungsberichte wie der aus Nürnberg zeigen, welche emotionale Bedeutung die Änderung des Personenstands für die Betroffenen hat. Die amtliche Dokumentierung des selbstgewählten Namens macht Menschen "zu einem richtig glücklichen Menschen", wie eine Betroffene beschreibt.

Aktuelle Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Trotz dieses historischen Fortschritts gibt es auch kritische Stimmen und neue Herausforderungen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant ein neues Gesetzesvorhaben, das die Übermittlung der personenbezogenen Daten beim Personenstandwechsel an alle maßgeblichen Behörden vorsieht, um so "Missbrauch" vorzubeugen. Queere Vereine wie der LSVD+ kritisieren das Vorgehen scharf, die Linksfraktion spricht von der Wiedereinführung „Rosa Listen".

Die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch, betonte, dass die Evaluation des Selbstbestimmungsgesetzes „Positives bringen" könne und wünscht sich zudem mehr Sachlichkeit in der Debatte. Es bleibt zu hoffen, dass die Rechte von trans Menschen nicht wieder eingeschränkt werden und dass die gesellschaftliche Debatte sachlicher wird.

Ein Meilenstein für Menschenrechte

Die über 22.000 Änderungen des Geschlechtseintrags in den ersten neun Monaten des Selbstbestimmungsgesetzes sind mehr als nur eine Statistik. Sie repräsentieren 22.000 Menschen, die endlich in ihrer wahren Identität rechtlich anerkannt werden. Sie stehen für ein Ende von Jahrzehnten der Diskriminierung und Pathologisierung. Und sie sind ein Zeichen dafür, dass Deutschland – wenn auch spät – einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung und Menschenwürde für alle gemacht hat.

Das Selbstbestimmungsgesetz zeigt: Wenn man trans Menschen die Möglichkeit gibt, ihr Leben selbstbestimmt und würdevoll zu gestalten, werden sie dieses Recht wahrnehmen. Die hohen Zahlen zu Beginn belegen den jahrelangen Aufstau unter dem diskriminierenden alten System. Die sich normalisierende Entwicklung danach zeigt, dass ein unkompliziertes Verfahren funktioniert – ohne die von Kritikern befürchteten "Missbräuche".


"Menschen zweiter Klasse": Württembergs evangelische Kirche verweigert Schwulen und Lesben weiter die Gleichstellung

Die Enttäuschung unter queeren Gläubigen in Württemberg sitzt tief: Am 29. November 2024 sprach sich die Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mit knapper Mehrheit gegen die Öffnung des Trauungsrechts für gleichgeschlechtliche Paare aus (die ursprüngliche Meldung auf queer.de hier). Für den Beschluss des Gesetzes hätte es mindestens 60 Ja-Stimmen gebraucht, es gab aber lediglich 56 bei 31 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. Ein Moment, der zeigt: Auch im Jahr 2024 kämpfen LGBTQ+-Menschen in Deutschland noch um volle Anerkennung – selbst in Institutionen, die Nächstenliebe predigen.

LSVD+ kritisiert Kirche scharf: "Signal der Ausgrenzung"

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg schafft es wieder nicht, eine Gleichstellung für ihre lesbischen und schwulen Mitglieder zu schaffen – und deren Diskriminierung in dieser Landeskirche geht weiter, so der LSVD+ Baden-Württemberg. Die Kritik ist deutlich: In Zeiten zunehmender Hasskriminalität gegen queere Menschen fehlt ein starkes Signal der Kirche. Stattdessen sollen sich queere Gläubige "in ihren Gemeinden weiterhin hinten anstellen", wie der Landesverband betont.

Die Zahlen sprechen eine beunruhigende Sprache: Laut Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium wurden 2024 im Unterthemenfeld "sexuelle Orientierung" 1.765 Straftaten erfasst, was einer Steigerung von etwa 18% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre, die Zunahme ist erschreckend. In diesem Klima bräuchten queere Menschen Unterstützung – auch von der Kirche.

Der Kompromiss, der keiner ist

Was bedeutet die Entscheidung konkret? Stattdessen soll es bei einem besonderen Gottesdienst zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare bleiben – ohne die rechtliche und liturgische Gleichstellung mit der klassischen Trauung. Seit März 2019 gilt: In bis zu einem Viertel der Gemeinden können Segnungsgottesdienste nach einer zivilen Eheschließung angeboten werden, wobei im Gemeinderat drei Viertel der Mitglieder und unter den Pfarrern einer Gemeinde ebenfalls drei Viertel einwilligen müssen.

Ein bürokratisches Hindernis-Labyrinth, das vielen Paaren den Zugang zur kirchlichen Segnung faktisch verwehrt. Während heterosexuelle Paare einfach beim Pfarramt ihrer Gemeinde vorbeigehen können, müssen homosexuelle Paare hoffen, dass ihre Gemeinde überhaupt zu den wenigen gehört, die Segnungsgottesdienste anbieten dürfen – und dass genügend Kirchenvertreter zustimmen.

Bayern zeigt: Es geht auch anders

Dass es besser geht, beweist das Nachbarland: Die evangelische Landeskirche in Bayern führte im April 2025 die "Trauung für alle" ein – auch homosexuelle Paare können nun den Bund der Ehe schließen, wie die Landessynode beschlossen hat. Ein historischer Schritt, der zeigt, dass theologische Bedenken überwunden werden können, wenn der Wille zur Gleichstellung vorhanden ist.

Bei der Mehrzahl der 20 evangelischen Landeskirchen sind gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Paare inzwischen komplett gleichgestellt, auch für gleichgeschlechtliche Paare werden dort Traugottesdienste angeboten. Dazu zählen: die Evangelische Kirche im Rheinland, die Lippische Landeskirche, die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, die Evangelische Kirche der Pfalz, die Evangelische Landeskirche Baden, die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, die Bremische Evangelische Kirche, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, die Evangelisch-reformierte Kirche, die Nordkirche, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland.

Württemberg: Das Schlusslicht der EKD

Württemberg steht damit zunehmend isoliert da. In fünf Landeskirchen sind Segnungen in Gottesdiensten möglich, sie werden jedoch nicht als Trauungen bezeichnet – dazu gehören die Evangelische Landeskirche Anhalts, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe.

Der Sprecher des theologisch konservativen Gesprächskreises "Lebendige Gemeinde", Pfarrer Matthias Hanßmann, sieht sich mit dem württembergischen Pietismus, einem großen Teil der theologisch konservativen Christen und der weltweiten Christenheit verbunden. Die Synodalen des theologisch konservativen Gesprächskreises "Lebendige Gemeinde" hatten bei der Abstimmung zur ersten Lesung alle gegen das Gesetz gestimmt oder sich enthalten.

Gewissensvorbehalte: Diskriminierung mit Ansage

Doch selbst in Landeskirchen, die Trauungen erlauben, gibt es sogenannte "Gewissensvorbehalte". Das bedeutet: Fast jede Landeskirche sieht vor, dass Gemeinden und Pfarrer nicht dazu gezwungen werden können, gleichgeschlechtlichen Paaren ihren Segen zu geben. Diese Regelungen gibt es in rund zwei Drittel der Landeskirchen – eine Diskriminierung, die institutionell abgesichert ist.

Wie würde es sich anfühlen, wenn Pfarrer*innen aufgrund der Hautfarbe oder der ethnischen Herkunft eines Paares die Trauung verweigern könnten? Der Aufschrei wäre zurecht groß. Doch bei der sexuellen Orientierung wird diese Ungleichbehandlung noch immer toleriert und als "Gewissensfreiheit" verteidigt.

Ein toxisches Klima: Wenn Kirche Hass schürt

Besonders besorgniserregend: Immer noch erleben queere Menschen Kränkungen, Verletzungen und Diskriminierungen innerhalb und außerhalb der Kirche – mehr noch: Überwunden geglaubte Vorurteile nehmen wieder zu, autoritäre Machtstrukturen und extremistische Parteien mit homophoben Einstellungen sind im Aufwind.

Die Kirche trägt eine Mitverantwortung für dieses Klima. Wenn eine Institution, die moralische Autorität beansprucht, Homosexuelle offen als "Menschen zweiter Klasse" behandelt, sendet das ein Signal: Es ist okay, queere Menschen anders zu behandeln. Es ist okay, sie auszugrenzen.

Was bedeutet das für queere Gläubige in Deutschland?

Für viele queere Christ*innen ist die Entscheidung der württembergischen Landeskirche mehr als eine politische Niederlage – sie ist eine persönliche Kränkung. Die Botschaft ist klar: Eure Liebe ist weniger wert. Eure Beziehungen verdienen nicht dieselbe Anerkennung wie die heterosexueller Paare.

In Zeiten, in denen Kirchen in Deutschland mit sinkenden Mitgliederzahlen kämpfen, ist diese Haltung nicht nur moralisch fragwürdig – sie ist auch strategisch kurzsichtig. Junge Menschen verlassen die Kirche auch deshalb, weil sie eine Institution erleben, die an überholten Vorstellungen festhält und Ausgrenzung praktiziert.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Trotz der Enttäuschung gibt es Lichtblicke. Pfarrer Burkhard Frauer von der Mitte-Gruppierung "Evangelium und Kirche" erklärte, dass für ihn und die anderen Befürworter der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare nur deren Einführung genügen werde, die bisherige Regelung sei ein "fauler Kompromiss". Synodale wie Anja Faisst wiesen darauf hin, dass seit 2017 die Ehe für alle nach staatlichem Recht möglich sei, die aktuelle kirchliche Regelung nehme die Gesetzeslage nicht gut wahr.

Die Abstimmung war knapp – nur vier Stimmen fehlten zur nötigen Zweidrittelmehrheit. Das zeigt: Die Mehrheit der Synodalen steht für Gleichstellung. Am 30. November 2025 wird in Württemberg eine neue Landessynode gewählt. Die nächste Chance kommt also schon bald.

Ein Aufruf zum Handeln

Queere Christ*innen und ihre Verbündeten müssen jetzt aktiv werden. Es braucht Druck von unten – durch Petitionen, öffentliche Stellungnahmen, Präsenz bei Kirchentagen. Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) setzt sich seit Jahren für Gleichstellung ein und bietet eine Plattform für Vernetzung und Aktivismus.

Auch der politische Kontext ist wichtig: Wenn sich Parteien und gesellschaftliche Gruppen klar gegen LGBTQ+-Rechte positionieren, ermutigt das auch kirchliche Hardliner. Umso wichtiger ist es, dass progressive Kräfte in Kirche und Gesellschaft zusammenstehen.

Die Entscheidung der württembergischen Synode ist ein Rückschlag – aber nicht das Ende des Kampfes. Die Geschichte zeigt: Fortschritt ist möglich, wenn Menschen nicht aufgeben. Bayern ist das beste Beispiel dafür. Württemberg wird nachziehen müssen – wenn nicht aus Überzeugung, dann aus Notwendigkeit. Denn eine Kirche, die Menschen aufgrund ihrer Liebe ausgrenzt, hat ihre Zukunft verspielt.


US-Supreme Court erwägt Überprüfung der Ehe für alle: Was auf dem Spiel steht

Am 7. November 2025 wird der US-Supreme Court in einer privaten Sitzung darüber entscheiden, ob er einen Fall annimmt, der die gleichgeschlechtliche Ehe im ganzen Land bedrohen könnte. Die Richter werden beraten, ob sie die rechtliche Herausforderung der ehemaligen County-Beamtin Kim Davis aus Kentucky anhören, die 2015 internationale Schlagzeilen machte, als sie sich weigerte, gleichgeschlechtlichen Paaren Eheurkunden auszustellen.

Für LGBTQ+-Paare in den USA – und für Beobachter weltweit – sind die kommenden Wochen von erheblicher Bedeutung. Die Entscheidung könnte weitreichende Auswirkungen auf den Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe haben, der durch Obergefell v. Hodges garantiert wird, einschließlich des verfassungsmäßigen Rechts auf Ehe. Die vollständige Meldung finden Sie hier.

Der Fall Kim Davis: Von der Verweigerung zur Supreme Court-Petition

Im Jahr 2015, kurz nachdem der Supreme Court das verfassungsmäßige Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe durch sein Urteil Obergefell v. Hodges anerkannt hatte, verweigerte Davis gleichgeschlechtlichen Paaren aus religiösen Gründen die Ausstellung von Eheurkunden. Davis, deren Aufgabe die Ausstellung von Lizenzen an Einwohner des Bezirks umfasste, missachtete einen Bundesgerichtsbeschluss, nachdem sie sich weigerte, dem schwulen Paar David Moore und David Ermold eine Lizenz auszustellen, und berief sich dabei auf ihre religiösen Überzeugungen.

Nach einem Jahrzehnt juristischer Auseinandersetzungen reichte Davis im Juli 2025 eine Petition beim Supreme Court ein. Das Berufungsgericht stellte fest, dass Davis zwar als Privatperson durch den First Amendment geschützt ist, aber nicht, wenn sie im Namen der Regierung handelt – eine Handlung, die nicht vom First Amendment geschützt wird. Davis argumentiert nun, dass sie als Einzelperson und nicht als Regierungsbeamtin mit Immunität vor dem Gericht erschienen sei.

Was bedeutet die Konferenz am 7. November?

In der Regel nimmt das Gericht einen Fall erst nach mindestens zwei aufeinanderfolgenden Konferenzen an; dies ist die erste Konferenz, bei der Davis' Herausforderung betrachtet wird. Um eine Überprüfung zu gewähren, benötigt das Gericht mindestens vier oder mehr Stimmen für die Annahme des Falls. Eine Entscheidung darüber, ob das Gericht den Fall in seinen Terminkalender aufnimmt, könnte bereits am Montag, dem 10. November, bekannt gegeben werden.

Rechtsexperten sind sich weitgehend einig: Die Frage, ob das Gericht eine Überprüfung gewährt, läuft darauf hinaus, ob es vier Stimmen gibt, um die Frage aufzugreifen. Selbst wenn es vier Richter gäbe, die dazu neigen könnten, wollen sie keine Überprüfung gewähren, es sei denn, sie sind zuversichtlich, dass es eine fünfte Stimme gibt, um Obergefell zu kippen.

Die Bedrohung für Obergefell v. Hodges

Das am 26. Juni 2015 entschiedene Urteil Obergefell hob Baker auf und verlangt von Staaten, Eheurkunden für gleichgeschlechtliche Paare auszustellen und gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen, die in anderen Rechtsgebieten rechtmäßig vollzogen wurden. Dies etablierte die gleichgeschlechtliche Ehe in den gesamten Vereinigten Staaten und ihren Territorien.

Angesichts der Tatsache, dass die Richter 2022 das wegweisende Urteil Roe v. Wade kippten, hat dies bei der LGBTQ+-Gemeinschaft und ihren Unterstützern die Sorge geweckt, dass die Richter die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe rückgängig machen könnten. Richter Clarence Thomas forderte in seiner Zustimmung zu diesem Fall ausdrücklich dazu auf, Obergefell zu überdenken, indem er schrieb, dass die Richter "alle Präzedenzfälle dieses Gerichts zum substantiellen ordentlichen Verfahren überdenken sollten, einschließlich Griswold, Lawrence und Obergefell".

Der Respect for Marriage Act: Ein Sicherheitsnetz?

Als Reaktion auf diese Bedrohung verabschiedete der US-Kongress 2022 den Respect for Marriage Act. Das Gesetz ersetzt Bestimmungen, die von Staaten nicht verlangen, gleichgeschlechtliche Ehen aus anderen Staaten anzuerkennen, durch Bestimmungen, die die Verweigerung von Anerkennung oder Ansprüchen im Zusammenhang mit auswärtigen Ehen aufgrund von Geschlecht, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit oder nationaler Herkunft verbieten. (Der Supreme Court entschied in Obergefell v. Hodges 2015, dass staatliche Verbote gleichgeschlechtlicher Ehen verfassungswidrig sind; das Gericht entschied in Loving v. Virginia 1967, dass staatliche Verbote interrassischer Ehen verfassungswidrig sind.)

Allerdings: Wenn das Gericht Obergefell kippen würde, würde die Rechtmäßigkeit gleichgeschlechtlicher Ehen auf das Landesrecht zurückfallen – und die Mehrheit der Staaten würde sie verbieten. Der Respect for Marriage Act würde das nicht ändern, aber er verpflichtet alle Staaten, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen, die in anderen Staaten geschlossen wurden, und erkennt diese Ehen auf Bundesebene an.

Die Situation in Deutschland: Ein Kontrastbild

Während die USA mit der möglichen Rücknahme der Ehe-Gleichstellung ringen, bietet Deutschland ein anderes Bild. In Deutschland haben gleichgeschlechtliche Paare das Recht auf Eheschließung; am 1. Oktober 2017 ist ein Gesetz in Kraft getreten, das ihnen die Eheschließung ermöglicht. Am 30. Juni 2017 hatte der Bundestag mit großer Mehrheit den Gesetzesentwurf des Bundesrats beschlossen. § 1353 BGB wurde infolgedessen um 7 Wörter ergänzt. Anstelle von: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen" heißt es von nun an: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen."

Seitdem wurden in Deutschland bis Ende 2021 über 65.500 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen. Anders als in den USA, wo die Gleichstellung durch ein Gerichtsurteil kam und nun wieder bedroht ist, wurde die deutsche "Ehe für alle" durch demokratischen Parlamentsbeschluss etabliert.

Ein wichtiger Unterschied: Der Gesetzgeber könnte die Rechte der schon bestehenden zahlreichen gleichgeschlechtlichen Ehen nicht beschneiden. Er könnte deshalb höchstens - mit verfassungsändernder Mehrheit! - bestimmen, dass gleichgeschlechtliche Ehepaare in Zukunft nicht mehr "Ehen", sondern nur noch "Lebenspartnerschaften" genannt werden dürfen. Die rechtlichen Hürden für eine Rücknahme sind in Deutschland deutlich höher als in den USA.

Was bedeutet das für die LGBTQ+-Gemeinschaft?

Für Millionen verheirateter gleichgeschlechtlicher Paare in den USA ist die Unsicherheit belastend. Zum Zeitpunkt der Entscheidung von Obergefell im Jahr 2015 hatten 35 Staaten gesetzliche oder verfassungsmäßige Verbote gleichgeschlechtlicher Ehen. Bisher im Jahr 2025 haben mindestens neun Staaten entweder Gesetze eingeführt, die darauf abzielen, neue Eheurkunden für LGBTQ+-Personen zu blockieren, oder Resolutionen verabschiedet, die den Supreme Court auffordern, Obergefell bei der frühesten Gelegenheit rückgängig zu machen.

Dennoch gibt es Hoffnung: Die öffentliche Meinung zur gleichgeschlechtlichen Ehe bleibt weitgehend positiv, wobei Gallup im Jahr 2025 eine Zustimmung von 70 Prozent zeigt, gegenüber 60 Prozent im Jahr 2015. Viele Rechtsexperten glauben, dass das Gericht die Petition von Davis ablehnen wird – zumindest diesmal.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die hart erkämpften Rechte von LGBTQ+-Paaren in den USA einer erneuten rechtlichen Prüfung standhalten müssen. Für Beobachter in Deutschland, wo die Ehe für alle fest im Gesetz verankert ist, dient die Situation als Mahnung: Errungenschaften im Bereich der Menschenrechte können fragil sein und erfordern ständige Wachsamkeit und Verteidigung.


Ein Jahr Selbstbestimmungsgesetz: Über 11.000 Anträge, sinkende Tendenz – und kein „Trend" bei Jugendlichen

Ein Jahr nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes in Deutschland zeigt sich: Mehr als 11.000 Personen in den größten deutschen Städten haben ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes unter den 20 größten Städten und Landeshauptstädten zeigt. Doch die oft beschworenen Horrorszenarien sind ausgeblieben – die Zahlen normalisieren sich bereits, und besonders interessant: Es gibt keinen massenhaften „Trend" unter Jugendlichen.

Das Gesetz: Ein längst überfälliger Schritt zur Würde

Das Selbstbestimmungsgesetz vereinfacht es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Das Gesetz löste am 1. November 2024 das Transsexuellengesetz von 1980 ab, das zum Teil als diskriminierend empfunden wurde. Unter dem alten System mussten Betroffene teure, oft als entwürdigend empfundene psychologische Gutachten über sich ergehen lassen. Unter dem alten Transsexuellengesetz gab es im Durchschnitt 2.000 bis 3.000 Geschlechtsänderungen pro Jahr.

Das neue Gesetz ermöglicht die Änderung des Geschlechtseintrags durch eine einfache Erklärung beim Standesamt – nach einer dreimonatigen Bedenkzeit. Das TSG ist über 40 Jahre alt. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen wesentliche Teile des TSG für verfassungswidrig erklärt. Schon deshalb war eine Ersetzung angezeigt.

Die Zahlen: Anfangshoch normalisiert sich

Die meisten Anträge wurden in Berlin beurkundet, hier ließen rund 2.400 Menschen ihren Geschlechtseintrag ändern. In Hamburg wurden insgesamt rund 900 Änderungen wirksam, in München und Köln je knapp 700. Besonders bemerkenswert: Im Verhältnis zur Einwohnerzahl wurden in Leipzig die meisten Änderungen vollzogen. Hier gab es mit gut 900 wirksamen Anträgen 151 Änderungen pro 100.000 Einwohner, gefolgt von Hannover (98) und Bonn (86).

Doch die Entwicklung zeigt: Mehrere tausend Menschen haben bundesweit vor allem in den größeren Städten ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, zuletzt ging die Nachfrage indes stark zurück. Allein in Berlin gab es den größten Andrang direkt nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im November letzten Jahres mit 1.476 Anmeldungen. Die Bundesregierung schätzt die Zahl der Anträge auf durchschnittlich 4.000 pro Jahr. Es sei von einem anfänglichen Anmeldungshoch auszugehen, weil viele Menschen auf das Inkrafttreten des Gesetzes gewartet hätten.

Die Statistischen Landesämter erfassten nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes am 1. November 2024 allein für den November 2024 über 7.000 Änderungen des Geschlechtseintrags im Geburtenregister. Im Dezember 2024 waren es etwas weniger als 3.000 – die Tendenz ist also bereits deutlich sinkend.

Kein „Trend" bei Jugendlichen: Die Fakten sprechen eine klare Sprache

Besonders die Kritiker*innen des Gesetzes befürchteten einen massenhaften „Trend" unter Kindern und Jugendlichen. Die Realität sieht anders aus: Die meisten Betroffenen waren volljährig, doch auch 162 Jugendliche und 31 Kinder änderten ihren Eintrag – darunter ein Kind unter fünf Jahren in Berlin. Bei insgesamt 2.407 Änderungen in der Hauptstadt entspricht das gerade einmal 8 Prozent Minderjährigen.

Diese Zahlen widerlegen eindeutig die oft wiederholte Behauptung, Kinder und Jugendliche würden vorschnell und in Massen ihr Geschlecht ändern. Im Gegenteil: Die überwiegende Mehrheit der Antragsteller*innen sind Erwachsene, die oft jahrelang auf diese Möglichkeit gewartet haben. Das Bundesfamilienministerium betont zudem: "Vielfältige geschlechtliche Identitäten gab es schon immer. In vielen Gesellschaften - auch in Deutschland - wurde geschlechtliche Vielfalt jedoch über Jahrhunderte ignoriert beziehungsweise als krankhaft angesehen und unterdrückt. Die Tatsache, dass sich transgeschlechtliche Personen vermehrt outen, bedeutet nicht, dass es eine 'Modeerscheinung' sei".

Internationale Perspektive: Deutschland im europäischen Kontext

Deutschland folgt mit dem Selbstbestimmungsgesetz einem internationalen Trend zur Anerkennung geschlechtlicher Selbstbestimmung. Bisher gibt es in 12 Ländern ein Selbstbestimmungsgesetz: Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay und die Schweiz. Die Erfahrungen aus diesen Ländern zeigen keine der befürchteten negativen Entwicklungen. Die Erfahrungen anderer Länder zeigen keine derartige Entwicklung. Auch machen nur 1% aller Betroffenen die Änderung wieder rückgängig.

Diese internationale Perspektive ist besonders für die deutsche Debatte wichtig: Sie zeigt, dass Selbstbestimmung funktioniert und nicht zu den oft beschworenen „Missbrauchsfällen" führt. Die Ängste waren unbegründet.

Politische Angriffe und die Zukunft des Gesetzes

Trotz der positiven Bilanz steht das Gesetz unter politischem Beschuss. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant ein neues Gesetzesvorhaben, das die Übermittlung der personenbezogenen Daten beim Personenstandwechsel an alle maßgeblichen Behörden vorsieht, um so "Missbrauch" vorzubeugen. Kritiker*innen warnen vor einem faktischen „Zwangsouting" durch Sonderregister.

Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) und andere queere Verbände wehren sich vehement gegen diese Pläne. Es steht zu befürchten, dass im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsgesetz auf Dokumentationspraktiken zurückgegriffen werden soll, die an „Rosa Listen" und damit an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte erinnern. Es geht um hochsensible persönliche Daten - ihre zusätzliche Speicherung in einem eigenen Datenblatt ist weder notwendig noch gerechtfertigt.

Fazit: Ein Gesetz, das Menschenrechte stärkt

Die Bundesregierung will das SBGG generell 2026 evaluieren lassen und möglicherweise weitere Änderungen vornehmen. Die bisherigen Zahlen sprechen jedoch eine deutliche Sprache: Das Selbstbestimmungsgesetz erfüllt seinen Zweck, ohne die gesellschaftliche Ordnung durcheinander zu bringen. Es ermöglicht Menschen endlich ein Leben in Würde und reduziert psychisches Leid.

Die anfangs hohen Zahlen waren erwartbar – viele trans*, inter* und nichtbinäre Menschen haben jahrelang auf diese rechtliche Anerkennung gewartet. Dass die Zahlen nun sinken, zeigt: Es handelt sich nicht um einen „Hype", sondern um Menschen, die endlich ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen können. Und die Zahlen bei Jugendlichen bleiben verschwindend gering – ein deutliches Zeichen dafür, dass verantwortungsvoll mit dieser neuen Freiheit umgegangen wird.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Schritt für die Menschenrechte in Deutschland. Es ist an der Zeit, dass Politik und Gesellschaft dies anerkennen – und das Gesetz schützen, statt es zu verwässern.


Queensland setzt Pubertätsblocker-Verbot nur Stunden nach Gerichtsaufhebung erneut in Kraft

Ein rechtliches Wechselbad der Gefühle für trans Jugendliche in Australien: Nur wenige Stunden nachdem der Oberste Gerichtshof von Queensland ein Verbot von Pubertätsblockern für unter 18-Jährige aufgehoben hatte, setzte Gesundheitsminister Tim Nicholls die restriktive Maßnahme am Dienstag (28. Oktober) per Ministerialerlass erneut in Kraft. Das Verbot für Pubertätsblocker für trans Personen unter 18 Jahren im australischen Bundesstaat Queensland wurde nur Stunden nach der Aufhebung durch einen Richter am Obersten Gerichtshof wieder eingesetzt, wie PinkNews berichtet.

Gerichtsentscheidung: Mangelnde Konsultation führte zur Aufhebung

In einer Entscheidung am Dienstag (28. Oktober) erklärte Richter Peter Callaghan, dass Regierungsbeamte von Queensland es versäumt hätten, relevante Beamte vor der Ankündigung der ursprünglichen Direktive im Januar ordnungsgemäß zu konsultieren. Das Gericht hörte, dass die einzige Konsultation, die stattgefunden hatte, ein 22 Minuten langes Meeting über die Online-Anwendung Teams war, das genau zur selben Zeit stattfand, als der Minister vor die Presse trat, um das Verbot anzukündigen. Diese Vorgehensweise wurde vom Gericht als rechtswidrig eingestuft – ein kurzzeitiger Sieg für die klagende Mutter eines trans Teenagers.

Queensland war der erste australische Bundesstaat, der Hormonbehandlungen für Kinder mit Geschlechtsdysphorie verbot, nachdem Behauptungen aufkamen, dass Pubertätsblocker Kindern ab 12 Jahren ohne autorisierte Versorgung verabreicht worden seien. Die Maßnahme wurde als Teil einer Überprüfung der Sicherheit der Hormonblocker eingeführt, wobei die Überprüfung der Hormonbehandlung für Kinder mit Geschlechtsdysphorie bis Ende November einen Abschlussbericht vorlegen sollte.

Sofortige Wiedereinführung des Verbots

Doch die Freude über den Gerichtserfolg währte nur kurz. Queenslands Gesundheitsminister Tim Nicholls bestätigte Stunden später, dass er eine Ministerialerklärung erlassen würde, die die Pause bei Pubertätsblockern in Queensland wiederherstellen würde. Der Oberste Gerichtshof befasste sich mit den Umständen der Erstellung der Direktive, nicht damit, ob eine Pause angemessen war, sagte er dem Parlament. Er sei überzeugt, dass es angemessen und im öffentlichen Interesse sei, eine schriftliche Ministerialerklärung an alle Krankenhaus- und Gesundheitsdienste mit sofortiger Wirkung zu erlassen.

Unter dem Verbot können 491 Kinder auf einer Warteliste keine Behandlung mehr erhalten, während fast 600 Kinder, die bereits einen Behandlungsplan haben, weiterhin von Ärzten betreut werden können. Die betroffenen Familien und ihre Unterstützer:innen zeigten sich verzweifelt und kündigten an, ihre rechtlichen Optionen zu prüfen.

Medizinische Kritik an politischem Eingriff

Die Entscheidung stößt auf massive Kritik aus der Medizin. Die Entscheidung wurde von der Australian Medical Association – Queensland kritisiert. Präsident Dr. Nick Yim sagte, Entscheidungen über die Patientenversorgung sollten von Ärzten getroffen werden und auf wissenschaftlicher Forschung basieren. Ärzte hätten darauf hingewiesen, dass das Verbot Stress und Schaden bei dieser bereits vulnerablen Patientengruppe, ihren Familien und behandelnden Klinikern verursacht habe, so Dr. Yim in einer Stellungnahme.

Matilda Alexander, Anwältin beim LGBTI Legal Service, die die Mutter vertrat, kritisierte, dass das Ministerium die Rechte von Unter-18-Jährigen untergrabe, Zugang zu sicherer und wirksamer medizinischer Versorgung zu erhalten, die in jedem anderen Bundesstaat und Territorium zugänglich sei.

Deutschland: Eine andere Debatte um trans Gesundheitsversorgung

Die Entwicklungen in Queensland werfen auch Fragen für Deutschland auf, wo die Debatte um trans Gesundheitsversorgung für Minderjährige einen anderen Verlauf nimmt. Die 128. Deutsche Ärztetagsversammlung, die 250 Delegierte aus 17 deutschen medizinischen Verbänden umfasst, verabschiedete zwei wichtige Resolutionen: Pubertätsblocker, Kreuzgeschlechtshormone und Operationen für geschlechtsdysphorische Jugendliche unter 18 Jahren auf kontrollierte klinische Studien zu beschränken; und Selbstbestimmungsgesetze auf über 18-Jährige zu beschränken.

In Deutschland gilt: Geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen oder die Einnahme von Pubertätsblockern bei Kindern/Jugendlichen sind weder eine Voraussetzung für den Personenstandswechsel noch werden sie dadurch erleichtert oder beschleunigt. Zur Durchführung derartiger Maßnahmen sind weiterhin ärztliche und psychologische Gutachten nötig. Das 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz regelt ausschließlich die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen – nicht aber medizinische Behandlungen.

In sieben EU-Mitgliedstaaten – Belgien, Tschechien, Estland, Finnland, Deutschland, Luxemburg und Schweden – hängt der Zugang von der Reife des Kindes ab. Anders als in Queensland gibt es in Deutschland kein pauschales Verbot, doch die Hürden sind bewusst hoch: Es ist für trans Jugendliche enorm schwer, Pubertätsblocker zu bekommen. Ärzt:innen verschreiben Pubertätsblocker erst nach einer Diagnose und ausführlicher Beratung. Oftmals vergehen Monate oder Jahre, bis es überhaupt zu einem Termin für ein Erstgespräch kommt.

Wissenschaftliche Evidenz und ethische Fragen

Die Debatte dreht sich um die Frage der Evidenz und des Kindeswohls. Es gibt keine expliziten Beweise dafür, dass die physisch reversible Medikation, die unerwünschte körperliche Veränderungen durch Unterdrückung von Sexualhormonen stoppt, schädlich ist. Einige Studien legen nahe, dass sie für transgender Jugendliche lebensrettend sind.

Gleichzeitig warnen kritische Stimmen vor vorschnellen Entscheidungen. Die kontroverse Cass-Review aus Großbritannien kam 2024 zu dem Schluss, dass die Evidenz zur Unterstützung von Geschlechtsbehandlungen für Kinder bemerkenswert schwach sei. Für die meisten jungen Menschen sei ein medizinischer Weg nicht der beste Weg nach vorne, um geschlechtsbezogene Belastung zu bewältigen.

Ein Kampf um Selbstbestimmung und Gesundheitsversorgung

Der Fall in Queensland zeigt exemplarisch, wie politisch aufgeladen die Debatte um trans Gesundheitsversorgung für Minderjährige weltweit geworden ist. Eine Sprecherin der Gruppe Magandjin People's Pride, Piper Valkyrie, sagte gegenüber dem Star Observer, dass Nicholls mit dem Leben von Kindern spiele, indem er das Verbot verhänge, das sie als einen verheerenden und diskriminierenden Akt staatlicher Übergriffigkeit beschrieb. 491 Kinder, die monatelang oder sogar jahrelang auf eine Behandlung gewartet hatten, verloren plötzlich den Zugang, und für trans Jugendliche könne das so verheerend sein, wenn die Raten von Selbstverletzung und Suizid hoch seien.

Während in Queensland Jugendliche und ihre Familien zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwanken, wird auch in Deutschland intensiv über den richtigen Weg diskutiert – zwischen Selbstbestimmung, medizinischer Sorgfaltspflicht und dem Schutz vulnerabler Jugendlicher. Die Frage, wer über die medizinische Versorgung trans Jugendlicher entscheiden soll – Politiker:innen, Ärzt:innen, Eltern oder die Jugendlichen selbst – bleibt in beiden Ländern hochaktuell und emotional aufgeladen.


Wenn Lügen zur Waffe werden: Brigitte Macrons Kampf gegen transphobe Hetze

Die Worte ihrer Tochter vor Gericht sind eindringlich: "Es vergeht nicht eine Woche, ohne dass jemand sie auf diese Gerüchte anspricht", beschreibt Tiphaine Auzière die Folgen der jahrelangen Cybermobbing-Kampagne gegen ihre Mutter Brigitte Macron. In Paris müssen sich derzeit zehn Personen wegen systematischen Cybermobbings verantworten, weil sie die transphobe Verschwörungstheorie verbreitet haben, Frankreichs First Lady sei als Mann geboren worden. Was zunächst absurd klingt, offenbart bei genauerer Betrachtung ein gefährliches Muster, das Frauen in Machtpositionen weltweit trifft – und das auch in Deutschland nicht unbekannt ist.

Die Pariser Staatsanwaltschaft klagt die Angeklagten an, zahlreiche bösartige Bemerkungen über Macrons Geschlecht und Sexualität gemacht und den Altersunterschied von 24 Jahren zu ihrem Ehemann Emmanuel mit "Pädophilie" gleichgesetzt zu haben. Im Gerichtssaal bezeichnen mehrere Angeklagte ihre Äußerungen als "Satire" oder von der Meinungsfreiheit gedeckt – eine Verteidigungsstrategie, die an die Charlie-Hebdo-Tradition erinnern soll. Doch Auzière beschreibt, wie ihre Mutter systematisch darauf achten müsse, wie sie sich kleide, welche Gesten sie mache, um die Verdrehungen und Verleumdungen nicht anzuheizen.

Die Anatomie einer Verschwörungstheorie

Die ursprüngliche Quelle der Verschwörungserzählung lässt sich zurückverfolgen: Die selbsternannte "Journalistin und Whistleblowerin" Delphine J. verbreitete das Gerücht, dass Brigitte Macron nie existiert habe und ihr Bruder Jean-Michel diese Identität nach seiner "Geschlechtsumwandlung" angenommen habe. Eine groteske Behauptung, die leicht zu widerlegen ist – Auzière kommentierte vor Gericht trocken: "Ich habe meinen Onkel vor ein paar Wochen gesehen, ihm geht es sehr gut" (Quelle: queer.de).

Dennoch gewann die Falschinformation an Fahrt. Die transphoben Gerüchte verbreiteten sich in den USA wie ein Lauffeuer, wo das französische Präsidentenpaar im Sommer ein Gerichtsverfahren gegen die rechtsextreme Influencerin Candace Owens einleitete. Diese transphobe Desinformation hat sich seit der Wahl von Emmanuel Macron 2017 international verbreitet, besonders in den USA.

"Transvestigations": Ein globales Muster frauenfeindlicher Hetze

Brigitte Macron steht nicht allein. Viele andere Frauen des öffentlichen Lebens, wie die ehemalige First Lady der USA Michelle Obama, die ehemalige Premierministerin Neuseelands Jacinda Ardern, und die ehemalige Vizepräsidentin der USA Kamala Harris, sind ebenfalls Opfer ähnlicher transphober Kampagnen in den sozialen Medien geworden, die von Wissenschaftlern als "Transvestigations" bezeichnet werden.

Laut Lexi Webster, außerordentliche Professorin für digitale Kultur an der Universität Southampton, sind Transvestigations in den sozialen Medien entstanden, weil Einzelpersonen versuchen, eine Art versteckte Transgender-Identität bei Prominenten aufzudecken. Die Nutzer posten Bilder, auf denen sie "die Größe und Form der Schultern, des Schädels und des Kiefers, aber auch den Gang und die Genitalien einer Person untersuchen".

Falsche Behauptungen über die Geschlechtsidentität von starken Frauen in Machtpositionen dienen dazu, sie zu diffamieren und zu entmenschlichen. Diese Angriffe basieren auf tief verwurzelten trans- und frauenfeindlichen Vorurteilen. Auch in Deutschland sind solche Mechanismen nicht unbekannt: Sogar Britta Ernst, Ehefrau von Olaf Scholz, wurde bei Telegram transvestigiert, wie eine Analyse der Friedrich-Naumann-Stiftung aufzeigt.

Rechtliche Grauzone in Deutschland

Während in Frankreich nun ein Präzedenzfall geschaffen werden könnte – den Angeklagten drohen bis zu drei Jahre Haft und eine Geldstrafe von 45.000 Euro – stellt sich die Frage: Wie würde Deutschland mit solchen Fällen umgehen?

In Deutschland existiert bis dato kein eigenständiger Straftatbestand für Cybermobbing. Trotzdem können viele zum Cybermobbing gehörige Handlungen nach geltendem Recht strafbar sein, da sie das im Grundgesetz verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht betreffen. Transgender Personen sind in Deutschland durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt, das Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität verbietet. Dies schließt auch diffamierende Aussagen oder Hassreden im Internet ein.

Dennoch besteht eine Schutzlücke. Fast zwei Drittel finden, dass die aktuellen strafrechtlichen Regelungen nicht ausreichen, um Betroffene effektiv zu schützen. Rund 64 Prozent halten die Einführung eines eigenen Straftatbestands für Cybermobbing für die wirksamste Maßnahme. Queere Menschen sind online vermehrt Gewaltandrohungen und Beleidigungen ausgesetzt.

Die tieferen Motive hinter der Hetze

Was treibt Menschen an, solche Verschwörungstheorien zu verbreiten? Die gefälschten Behauptungen haben sich zum Teil deshalb so sehr verbreitet, weil sie auf der Wahrnehmung aufbauen, dass Politiker von Natur aus betrügerisch sind. Weitere Faktoren sind "das verschwörerische Element, das transphobisch ist und von Diskursen untermauert wird, dass es eine Art Trans-Kabale gibt, die versucht, die Macht über bestimmte Branchen zu übernehmen".

Gender- und Sexualitätsforscher sagen, die Verschwörungstheorie über Michelle Obama als trans Frau gedeiht seit mehr als einem Jahrzehnt und wurzelt in Rassismus, Transphobie und Misogynie sowie in den Vorstellungen einiger Amerikaner darüber, wie eine First Lady Rasse-, Klassen- und Geschlechternormen verkörpern sollte.

Ein Signal für die Zukunft

Der Prozess in Paris ist mehr als nur eine juristische Auseinandersetzung. Er ist ein Kampf darum, welche Grenzen die Meinungsfreiheit hat, wenn sie zur Waffe gegen Einzelne wird. Die jahrelangen Verleumdungen "verschlechtern die Lebensbedingungen und die Gesundheit" von Brigitte Macron.

Für die LGBTQ+-Community hat dieser Fall eine zusätzliche Dimension: Die transphoben Verschwörungstheorien perpetuieren die gefährliche Vorstellung, dass trans-Identitäten etwas Täuschendes, Betrügerisches seien. Laut Forschenden des RESIST-Projekts ist Transfeindlichkeit "in allen untersuchten Kontexten eine etablierte Form sozialer Gewalt", die durch einen medialen und politischen Fokus in den letzten Jahren verstärkt wurde.

Während das Pariser Gericht noch berät, bleibt eine zentrale Erkenntnis: Die Behauptungen über Brigitte Macron und Michelle Obama sind unbegründete Verschwörungstheorien, die darauf abzielen, Frauen in Machtpositionen zu diskreditieren. Sie basieren auf keinerlei Fakten und wurden mehrfach widerlegt. Und doch zeigen sie, wie wirksam digitale Desinformation sein kann – und wie dringend wir in Deutschland und Europa einheitliche rechtliche Instrumente brauchen, um Betroffene zu schützen.


Influencerin flieht vor Regenbogenfahne: Wenn Toleranz an Grenzen stößt

Eine Geschichte, die nachdenklich macht: Die syrische Influencerin Salma Naddaf mit Millionen Followern verlässt Dänemark, weil sie mit den Regenbogenfahnen an den Schulen ihrer Kinder nicht leben kann. Die 36-Jährige kehrt nach Syrien zurück – in ein Land, in dem nach wie vor instabile Verhältnisse herrschen und Homosexualität illegal ist und mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden kann. Wie die schwedische Boulevardzeitung Expressen zuerst berichtete, begründet Naddaf ihre Entscheidung mit der Sichtbarkeit queerer Symbole im dänischen Bildungssystem (queer.de berichtete).

Ein Paradox der Toleranz

In einem emotionalen Abschiedsvideo erklärt Naddaf, sie halte die Präsenz der Pride-Flagge an Schulen für ein Signal, das nicht zu ihren Wertvorstellungen passt, betont aber gleichzeitig, sie respektiere andere Lebensentwürfe – wolle ihre Kinder jedoch „anders erziehen". Bemerkenswert: Im gleichen Atemzug, in dem sie von ihrer erlernten „Toleranz" in Europa spricht, offenbart sich die Grenze dieser Toleranz. Für queere Menschen reichte ihr neu gewonnenes Verständnis offensichtlich nicht.

Die Ironie der Situation ist bitter: Dänemark gehört laut dem aktuellen LGBTQ+ Rechte-Ranking von ILGA Europe zu den fünf bestplatzierten Ländern in Europa und steht für rechtliche Sicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz. Homosexualität ist in Dänemark heute gesetzlich und gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, und das Land war 1989 weltweit das erste, in dem die Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften möglich war. Genau diese Fortschrittlichkeit, die vielen queeren Menschen Sicherheit bietet, wird nun zum Fluchtgrund – allerdings in die entgegengesetzte Richtung.

Die Realität in Syrien

Was erwartet Naddaf und ihre Kinder in Syrien? Homosexualität wird im Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1949, Artikel 520, als „widernatürliche sexuelle Beziehung" mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet. Homosexuelle konnten sich in Damaskus vor dem Krieg nur in privaten Häusern treffen, und selbst dort waren sie in Gefahr: Die Sittenpolizei konnte jederzeit eingreifen. Für queere Syrer*innen bedeutet das Leben in ihrer Heimat Angst, Verstecken und die permanente Gefahr von Verfolgung.

Als der sogenannte Islamische Staat Ende 2013 die Stadt Rakka besetzte, wurden dort Homosexuelle – oder vermeintliche Homosexuelle – hingerichtet, indem sie von den Dächern hoher Häuser in den Tod gestoßen wurden. Auch wenn das Assad-Regime mittlerweile gestürzt ist, bleibt die Situation für LGBTQ+-Personen lebensbedrohlich. Eine Aufhebung des Anti-Homosexualitäts-Gesetzes durch die neuen islamischen Machthaber ist nicht zu erwarten, denn es waren gerade islamistische Gruppierungen, die zuletzt in vielen Ländern des Nahen Ostens die Verfolgung von queeren Menschen verschärft haben.

Deutschland: Ähnliche Debatten, andere Dimensionen

Auch in Deutschland gibt es Diskussionen um Regenbogenfahnen an Schulen – allerdings in einem völlig anderen Kontext. Im Landtag von Sachsen-Anhalt scheiterte die AfD im März 2025 mit einem Antrag, Regenbogenfahnen von Schulen zu verbannen – alle anderen Fraktionen lehnten den Vorstoß ab. Die rechte Fraktion behauptete, die Fahne sei ein „politisches Bekenntnis zur LGBTQ-Bewegung" und für Heranwachsende „in höchstem Maße schädlich", angeblich mit dem Ziel, das „natürliche und traditionelle Familienbild der Mehrheit" zu dekonstruieren.

Die demokratischen Parteien widersprechen dieser Sichtweise entschieden. Landesbildungsministerin Eva Feußner (CDU) erklärte, dass Schulen Kinder und Jugendliche zur „Achtung der Würde des Menschen" erziehen sollten und gehalten seien, „Kenntnisse und Fähigkeiten und Werthaltungen zu vermitteln, welche die Gleichachtung und Gleichberechtigung der Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Identität fördern."

Interessant ist: Niemand verpflichtet Schulen dazu, Regenbogenfahnen aufzuhängen – dem muss also ein Entscheidungsprozess vor Ort vorausgegangen sein, im Idealfall eingebettet in die Wertevermittlung der Schule, während eine verordnete Flagge kein Diskussionsgegenstand ist. Die Sichtbarkeit queerer Symbole ist das Ergebnis bewusster pädagogischer Entscheidungen, keine staatliche Zwangsmaßnahme.

Queere Geflüchtete: Die andere Fluchtrichtung

Während Naddaf vor Regenbogenfahnen aus Dänemark flieht, gibt es zahlreiche Menschen, die genau in die entgegengesetzte Richtung fliehen müssen. In Sammelunterkünften sind queere Geflüchtete häufig Anfeindungen ausgesetzt – nicht selten durch Mitbewohner*innen, deren Sozialisation von Intoleranz gegenüber LGBTQI geprägt ist. Experten zufolge kommen besonders viele LGBT-Geflüchtete nach Berlin, die Schwulenberatung Berlin schätzt ihre Zahl auf 3.500 bis 7.000.

In Deutschland hat sich die Situation für queere Asylsuchende in den letzten Jahren verbessert: Im Asylverfahren ist bei der Prüfung der Gefährdung von queeren Geflüchteten in ihren Herkunftsstaaten seit Oktober 2022 immer davon auszugehen, dass die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offen gelebt wird, und es werden Schulungen durchgeführt, um Entscheider*innen für die Schicksale queerer Schutzsuchender zu sensibilisieren. Diese Schutzmaßnahmen sind notwendig, weil Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung ein anerkannter Asylgrund ist.

Was sagt uns diese Geschichte?

Der Fall Salma Naddaf wirft grundlegende Fragen auf: Was bedeutet Integration? Wo sind die Grenzen der Toleranz – und wessen Grenzen müssen respektiert werden? Die Influencerin, die in ihrem Video von „Toleranz" spricht, zeigt gleichzeitig, dass diese Toleranz enden kann, sobald es um die Sichtbarkeit queeren Lebens geht. Sie nutzt ihre Freiheit, Dänemark zu verlassen – eine Freiheit, die queere Menschen in Syrien nicht haben.

Die Geschichte macht auch deutlich, wie privilegiert die Position ist, aus der heraus sie handelt. Mit über 10 Millionen Followern auf verschiedenen Social-Media-Plattformen hat Naddaf Ressourcen und Reichweite, die den meisten Menschen nicht zur Verfügung stehen. Ihre Entscheidung ist eine bewusste Ablehnung der Werte, für die Dänemark und andere nordeuropäische Länder jahrzehntelang gekämpft haben: Gleichberechtigung, Sichtbarkeit und Schutz von Minderheiten.

Während Naddaf zurück nach Syrien geht, sitzen zur gleichen Zeit in Deutschland, Österreich und anderen europäischen Ländern queere Geflüchtete aus Syrien in Angst und hoffen auf Schutz – Menschen, die genau vor der Gesellschaft fliehen, in die Naddaf nun „für die Zukunft ihrer Kinder" zurückkehrt. Diese Gleichzeitigkeit zeigt die Absurdität und Tragik der Situation.

Für die queere Community in Dänemark und Europa ist diese Geschichte ein Weckruf: Die Sichtbarkeit, die durch Regenbogenfahnen an Schulen symbolisiert wird, ist nicht selbstverständlich. Sie ist hart erkämpft und muss verteidigt werden – nicht nur gegen politische Angriffe von rechts, sondern auch gegen gesellschaftliche Strömungen, die Vielfalt und Akzeptanz ablehnen, unabhängig von ihrer Herkunft.


Historischer Moment: Queerer Gottesdienst im ZDF erreicht fast 700.000 Zuschauer*innen

Am vergangenen Sonntag schrieb das deutsche Fernsehen Geschichte: Erstmals übertrug das ZDF einen queeren katholischen Gottesdienst – aus der katholischen St.-Anna-Kirche in Münster. Fast 700.000 Menschen verfolgten die Live-Übertragung, eine Zuschauerzahl, die laut ZDF etwas höher ausfiel als üblich. Die Originalquelle zu diesem bemerkenswerten Ereignis findet sich auf queer.de. Für die queere Community in Deutschland bedeutet diese Ausstrahlung weit mehr als nur eine Fernsehsendung – sie ist ein kraftvolles Signal der Sichtbarkeit und Akzeptanz.

Eine Premiere mit historischer Bedeutung

Der Gottesdienst wurde von der Queergemeinde Münster vorbereitet, die zu den ältesten ihrer Art in Deutschland gehört. Die Queergemeinde Münster wurde 1999 von einer Gruppe schwuler Theologen gegründet. Seit über 25 Jahren bietet sie Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer oder inter sind, einen sicheren Raum, ihren Glauben zu leben.

"Für uns als Queergemeinde Münster ist das ein riesiger Moment: Zum ersten Mal wird ein Queergottesdienst im Fernsehen gezeigt! Seit über 25 Jahren schaffen wir Raum für queeren Glauben, Akzeptanz und Gemeinschaft - und jetzt dürfen wir diese Botschaft mit ganz Deutschland teilen", schrieb die Gemeinde auf Instagram. Die Feier fand unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen statt, was die gesellschaftliche Brisanz des Themas unterstreicht.

"Wer bin ich – für dich?" – Eine Botschaft der Annahme

Unter dem Motto "Wer bin ich – für dich?" wurde der Gottesdienst mit Pfarrer Karsten Weidisch gefeiert. Das Motto nahm eine Aussage des verstorbenen Papsts Franziskus auf. Auf die Frage zum Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen hatte er geantwortet: "Wer bin ich, ihn zu verurteilen?" Diese berühmten Worte aus dem Jahr 2013 hatten damals weltweit für Aufsehen gesorgt und vielen queeren Katholik*innen Hoffnung gegeben.

In seiner Predigt bezog sich Pfarrer Weidisch auf das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner aus dem Lukasevangelium, das die klare Botschaft habe: "Sei du selbst, stehe zu Dir!" Er lobte die Queergemeinde Münster als einen Ort, an dem queere Menschen "mit Freude, ohne Anfeindung in aller Öffentlichkeit und ohne Diskriminierung den befreienden Glauben leben können".

Bewegende Glaubenszeugnisse und persönliche Geschichten

Der Gottesdienst beinhaltete Glaubenszeugnisse von queeren Christen*innen, die sehr persönlich und sehr bewegend waren. Ein Gemeinde-Mitglied berichtete, dass ihn der christliche Glauben von Kindesbeinen an begleitet habe. Es sei ein wunderbares Gefühl, "wenn dich dein Glaube trägt im Leben". Eine "einseitige kirchliche Entscheidung" habe dann jedoch dazu geführt, dass er die Ausbildung als Diakon nicht habe fortführen können. In der Queergemeinde habe er Ermutigung erlebt.

Jan Diekmann von der Queergemeinde kam zum Ende des Gottesdienstes zu Wort und erklärte: "Viele, gerade queere Menschen, haben in unserer Kirche ein schweres Kreuz tragen – Anfeindung, Ablehnung, Ausgrenzung." Gott wolle nicht, "dass wir unter der Last des Kreuzes zerbrechen". Das Kreuz zu tragen bedeute Solidarität, gegenseitige Hilfe und Unterstützung.

Deutschland als Vorreiter für queere Akzeptanz in der Kirche

Diese TV-Premiere ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer bemerkenswerten Entwicklung. Während Deutschland 2020 laut dem "Rainbow Index of Churches in Europe" noch Rang 10 belegte, liegt es in diesem Jahr auf Platz 1. In keinem anderen europäischen Land ist die katholische Kirche so offen gegenüber queeren Menschen wie in Deutschland. Die katholische Kirche in Deutschland erreicht 25 von 47 möglichen Punkten und kann als eine Kirche betrachtet werden, "die gute Beispiele für eine Bewegung hin zu mehr Inklusion darstellen".

Als Gründe für das verhältnismäßig gute Abschneiden führt das Ranking die besondere Struktur an: "Die duale Struktur der Kirche, in der zur klerikalen Hierarchie auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken als Vertretung der Laien und die Verbände kommen, bewirken eine lebendige Diskussion darüber, wie die Kirche auf Schwule und Lesben einladender und positiver zugehen kann".

Ähnliche Entwicklungen auch in anderen deutschen Städten

Die Queergemeinde Münster steht nicht allein: In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche queere Gottesdienstangebote. In München feiert eine LGBTI*-queere Gemeinde kontinuierlich seit März 2002 römisch-katholische Gottesdienste. Auch in Stuttgart gibt es seit 1996 katholische Gottesdienste für queere Menschen. Diese Gemeinden bieten sichere Räume, in denen queere Gläubige ihren Glauben ohne Diskriminierung leben können.

Die Entwicklung erinnert an die lange Geschichte queerer Emanzipation in Deutschland, die auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen Fortschritte gemacht hat – von der Einführung der Ehe für alle bis hin zu verbesserten Antidiskriminierungsgesetzen.

Polarisierung und Debatten

Das Ereignis sorgte für Begeisterung und heftige Debatten zugleich – zwischen Regenbogen-Emojis und Bibelzitaten. Der Gottesdienst hat auf jeden Fall erreicht, dass er polarisiert, aufmerksam macht und dazu auffordert, sich mit dem Thema "LGBTQ und katholische Kirche" aktiv auseinanderzusetzen.

Während viele Menschen in sozialen Medien mit Regenbogen-Emojis und positiven Kommentaren reagierten, gab es auch ablehnende Stimmen. Gegenstimmen wiesen jedoch auf Doppelmoral hin, wenn in den Kommentaren so viel Hass statt Nächstenliebe verbreitet wird.

Ein langer Weg mit Hindernissen

Der Weg der Queergemeinde Münster war nicht immer einfach. Im Jahr 2000 hatte die Bistumsleitung ein Eucharistieverbot für die "queeren" Gottesdienste ausgesprochen. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Hälfte der Gläubigen weggebrochen sei. Nach fünf Monaten hätten sich jedoch erneut Priester bereit erklärt, mit der Gemeinde die Eucharistie zu feiern. Heute sei die "Queergemeinde" im Bistum Münster voll akzeptiert.

Der emeritierte Münsteraner Weihbischof Dieter Geerlings sagte bei einem ökumenischen Gottesdienst: "Die Herabwürdigung queerer Menschen, auch durch die offizielle Kirche in ihrer Lehre, war menschenverachtend." Inzwischen hätten die Bischöfe Veränderungen, etwa im kirchlichen Arbeitsrecht, in Kraft gesetzt; "aber das heißt nicht, dass alles im Lot ist – es braucht revolutionäre Geduld".

Bedeutung für die LGBTQ+-Community

Für viele queere Gläubige bedeutet diese Fernsehübertragung einen Wendepunkt. "Wir wollen niemanden provozieren, sondern zeigen, dass wir als queere Christinnen und Christen ebenso gläubig sind und unseren Glauben ausleben möchten", betont Jan Diekmann. Für ihn und die Gemeinde sei die Live-Übertragung "eine große Chance und ein Zeichen für mehr Akzeptanz innerhalb der Kirche".

Der Gottesdienst ist weiterhin in der ZDF-Mediathek abrufbar und bietet damit auch nachträglich die Möglichkeit, diesen historischen Moment nachzuerleben. Der Queer-Gottesdienst Münster ist Teil der Reihe katholischer Fernsehgottesdienste, die das ZDF seit 1979 sonntags im Wechsel mit evangelischen Feiern überträgt.

Diese TV-Premiere sendet eine klare Botschaft: Queere Menschen sind ein selbstverständlicher Teil der Kirche und der Gesellschaft. Ihr Glaube, ihre Liebe und ihre Identität verdienen Respekt und Anerkennung – nicht trotz, sondern genau so, wie sie sind.


Rechtsextreme Gewalt gegen CSDs erreicht neuen Höchststand in Deutschland

Die Bedrohung gegen queere Sichtbarkeit in Deutschland hat eine neue, alarmierende Dimension erreicht. Im Jahr 2024 dokumentierte die Amadeu Antonio Stiftung insgesamt 55 gezielte Störungen, Bedrohungen und Angriffe auf CSDs – so viele wie nie zuvor. Ein neuer Sicherheitsreport der Amadeu Antonio Stiftung, der kürzlich veröffentlicht wurde, offenbart das erschreckende Ausmaß rechtsextremer Queerfeindlichkeit bei Christopher-Street-Day-Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet.

Systematische Dokumentation der Bedrohungslage

Der umfassende Report beleuchtet erstmals systematisch, wie organisierte rechte Gruppen gezielt Veranstaltungen der queeren Community angreifen. Diese erschreckende Bilanz betrifft Veranstaltungen in Städten wie Berlin, Leipzig, Köln, Dresden, Magdeburg, Görlitz oder Essen – mit einem Schwerpunkt auf Ostdeutschland und ländlichen Regionen im Westen. Die 20-seitige Publikation "Queerfeindlichkeit sichtbar machen – Sicherheitsreport zu rechtsextremen Angriffen auf CSDs" basiert auf Medien- und Social-Media-Monitoring, einer Umfrage unter CSD-Veranstalter*innen sowie Analysen der Forschungsstellen CeMAS und democ.

Die Täter agierten häufig organisiert, traten aggressiv auf, skandierten queerfeindliche und rassistische Parolen und verübten körperliche Gewalt. Die Forschung zeigt ein beunruhigendes Muster: Zwischen Juni und September 2024 verzeichnete CeMAS deutschlandweit in 27 Städten rechtsextreme Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen. In Bautzen konnten circa 700 Teilnehmende mobilisiert werden.

Eine neue Generation von Neonazis

Besonders alarmierend ist die Rolle junger Rechtsextremer. „Antifeministische und queerfeindliche Kampagnen bilden zunehmend das ideologische Rückgrat rechtsextremer Mobilisierung. Junge, brutale und extrem gewaltorientierte Jugendliche sozialisieren sich über diese gezielte Ansprache in rechtsextremen Kontexten und sammeln erste Gewalterfahrungen", erklärt Selina Alin, die das Monitoring der Angriffe auf CSDs bei der Amadeu Antonio Stiftung betreut.

Insgesamt steigt die Zahl queerfeindlicher Straftaten seit Jahren an – aktuell von etwa 1.785 Fällen im Jahr 2023 auf 2.917 Fälle im Jahr 2024. Noch drastischer zeigt sich die Entwicklung bei queer- und transfeindlichen Gewalttaten: Besonders gravierend ist auch der Anstieg queer- und transfeindlicher Gewalttaten um 40% im Vergleich zum Vorjahr: (2024: 354 / 2023: 245).

Besonders bedrohlich: Ländliche Regionen im Fokus

Die Amadeu Antonio Stiftung betont, dass CSDs gerade in ländlichen Regionen wichtige Orte der demokratischen Zivilgesellschaft sind. Von den queeren Hochburgen Berlin und Köln bis hin zu kleinen Dörfern wie Ketsch in Baden-Württemberg oder Stollberg in Sachsen verbrannten Rechtsextreme Flaggen, versprühten Buttersäure und organisierten Aufmärsche. Knapp ein Drittel aller CSDs wurde 2024 Ziel rechtsextremer Angriffe.

Die regionale Verteilung der Angriffe zeigt ein klares Muster: Bei rund zwei Dritteln der 62 in Ostdeutschland stattgefundenen CSD-Demonstrationen gab es Störungen wie körperliche Angriffe, Sachbeschädigungen, Einschüchterungen und Anfeindungen vor, nach und während der Veranstaltungen. In Westdeutschland habe die Quote bei 37 Prozent gelegen.

Parallelen zu Deutschland: Internationale Bedrohungslage

Die Entwicklung in Deutschland ist Teil eines besorgniserregenden internationalen Trends. Auch in anderen europäischen Ländern nehmen rechtsextreme und queerfeindliche Mobilisierungen zu. Die Forschungsorganisation CeMAS dokumentiert, dass sich die etablierte rechtsextreme Szene und junge Neonazi-Gruppen nun verbünden: „Dieser Schulterschluss ist jetzt offenkundig vollzogen worden."

Die ideologischen Grundlagen dieser Angriffe sind tief verwurzelt: Antisemitische Verschwörungsmythen wie der sogenannte „Kulturmarxismus" oder der „große Austausch" behaupten, dass eine globale Elite – oft als jüdisch markiert – durch Feminismus und Einwanderungspolitik gezielt unsere Gesellschaft, unsere Kinder und die traditionelle Familie unterwandern wolle.

Solidarität trotz Bedrohung

Trotz der massiven Bedrohungslage zeigt sich eine beeindruckende Gegenbewegung: Über 180 CSDs fanden 2024 bundesweit statt – so viele wie nie zuvor. Vera Ohlendorf, Leiter*in der Projektförderung bei der Amadeu Antonio Stiftung, erklärt: „CSDs sind heute nicht nur Orte queerer Sichtbarkeit, sondern auch zentrale Schauplätze im Kampf um demokratische Räume."

Die Stiftung hat konkrete Unterstützung geschaffen: Seit Jahren unterstützt die Amadeu Antonio Stiftung CSDs in besonders gefährdeten Regionen durch Beratung, Begleitung und gezielte Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen. Schon 2024 wurden CSDs in Städten wie Zwickau, Altenburg, Sonneberg, Itzehoe und Görlitz mit Sicherheitsberatung und finanzieller Hilfe unterstützt. Über den Regenbogenschutzfonds können CSD-Organisator*innen Unterstützung für Sicherheitsmaßnahmen beantragen.

Forderungen an die Politik

Der Sicherheitsreport enthält klare Handlungsempfehlungen für Politik und Zivilgesellschaft. Die Stiftung fordert: Sicherheitskonzepte und Schutzmaßnahmen bei Pride-Veranstaltungen – auch für An- und Abreisende. Ordnungsbehörden und Verwaltungen müssen für queerfeindliche und rechtsextreme Bedrohungslagen geschult werden. Politische Rückendeckung durch Kommunen und Landesregierungen sowie gezielte Förderungen für Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Zudem sei konsequente Strafverfolgung bei queerfeindlichen Angriffen, auch im digitalen Raum, sowie Erhalt und Ausbau von Beratungsstellen für Betroffene rechtsextremer Gewalt notwendig.

Der vollständige Sicherheitsreport ist als kostenloses PDF verfügbar und bietet eine umfassende Chronik der Angriffe sowie konkrete Empfehlungen für CSD-Veranstalter*innen. Die Dokumentation macht deutlich: Queere Sichtbarkeit und demokratische Räume müssen entschlossen verteidigt werden – gegen eine rechtsextreme Bedrohung, die systematischer und gefährlicher geworden ist als je zuvor.


Manchester Pride in der Insolvenz: Wenn einer der größten Prides Europas zusammenbricht

Die Nachricht traf die LGBTQ+ Community wie ein Schock: Manchester Pride Ltd ist mit „enormer Traurigkeit" in die freiwillige Liquidation gegangen, nachdem die Organisation als finanziell nicht mehr tragfähig eingestuft wurde. Künstler*innen und Lieferant*innen schuldet die Organisation noch „Tausende" an unbezahlten Honoraren, während die ursprüngliche Meldung von Pink News die Zukunft eines der größten Pride-Events im Vereinigten Königreich in Frage stellt.

Wenn Künstler*innen auf ihr Geld warten

Die Probleme zeichneten sich bereits im September ab. Künstler*innen, darunter RuPaul's Drag Race UK Staffel-6-Star Zahirah Zapanta, meldeten sich in den sozialen Medien zu Wort, weil sie für ihre Auftritte im August nicht bezahlt wurden. Das Festival, bei dem Stars wie Nelly Furtado, Olly Alexander und Billy Porter auftraten und das Tausende von Besucher*innen anzog, hatte sein 40-jähriges Jubiläum gefeiert – doch hinter den Kulissen brach die finanzielle Struktur zusammen.

Karen Lockney von der Gewerkschaft Equity North West berichtete, dass einige Performer*innen um Tausende betrogen wurden. „Wir hörten beunruhigende Geschichten von Menschen, die unsicher sind, ob sie ihre Miete, medizinische Rezepte und andere lebensnotwendige Dinge bezahlen können", erklärte sie in einer Stellungnahme. Eine freiberufliche Eventmanagerin, Abbie Ashall, schuldet die Organisation £2.000, nachdem ihr Zahltag im September verpasst wurde.

Die perfekte Sturm: Steigende Kosten, sinkende Einnahmen

Eine Kombination aus steigenden Kosten, rückläufigen Ticketverkäufen und einer erfolglosen Bewerbung um die Ausrichtung der EuroPride führte dazu, dass das gesamte Personal von Manchester Pride entlassen wird. Die öffentlichen Konten zeigen, dass Manchester Pride Ltd im Jahr 2023 einen Verlust von £467.000 verzeichnete. Historisch gesehen sind solche Probleme nicht neu: Als Amsterdam 1994 die EuroPride ausrichtete, wurde es zu einem finanziellen Desaster mit Schulden von etwa 450.000 Euro.

Auch in Deutschland stehen Pride-Veranstaltungen unter zunehmendem finanziellen Druck. Der Berliner CSD berichtete, dass etwa 200.000 Euro an geplanten Einnahmen fehlen, weil viele Sponsoren die Veranstaltung in diesem Jahr nicht unterstützen. US-amerikanische Unternehmen haben ihre Aktivitäten im Bereich Diversity, Equity & Inclusion (DEI) nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland massiv zurückgefahren, erklärte CSD-Vorstand Thomas Hoffmann gegenüber dem Tagesspiegel.

Deutschland spürt den Gegenwind

Die Parallelen zur deutschen Pride-Landschaft sind besorgniserregend. Den CSDs brechen wichtige Einnahmen weg – aus den Beiträgen, die Firmen bisher zahlten, damit ihre queeren Mitarbeiter*innennetzwerke mit eigenen Wagen beim CSD präsent waren, sowie aus indirektem und direktem Sponsoring. Gleichzeitig sind die Kosten für den CSD stark gestiegen, was unter anderem Kosten für Infrastruktur, sanitäre Einrichtungen, Technik, den Bühnenbau, das Personal und vor allem auch die Sicherheit betrifft.

Der Berliner CSD stand kurz vor der Pride-Saison vor einer existenziellen Herausforderung, nachdem mehrere (internationale) Unternehmen ihre Unterstützung deutlich reduziert hatten. Die Amadeu Antonio Stiftung, die gegen Rechtsextremismus kämpft, startete im Mai einen „Regenbogenschutzfonds" von 100.000 Euro, um Sicherheitsmaßnahmen bei den diesjährigen Pride-Märschen zu finanzieren, die auch mit einem Verlust an Unternehmensunterstützung konfrontiert sind.

Die Zukunft: Hoffnung trotz Unsicherheit

Trotz der düsteren Aussichten gibt es Hoffnung. Die Leiterin des Stadtrats von Manchester, Bev Craig, hat versprochen, lokale Unternehmen und Manchesters queere Community zu unterstützen und versichert, dass die Veranstaltung im nächsten Jahr stattfinden wird: „Pride ist viel mehr als die Organisation, die es betreibt". Andrew Underwood, Miteigentümer mehrerer Lokale im Gay Village, sagte: „Die Village-Unternehmen werden zusammen mit LGBT-Wohltätigkeitsorganisationen dafür sorgen, dass es im nächsten Jahr eine Form von Veranstaltung gibt, um die Community zu feiern und zu unterstützen".

Die Geschichte von Manchester Pride ist eine Warnung für die gesamte europäische Pride-Bewegung. In Zeiten, in denen kriminelle Straftaten gegen LGBTQ+-Personen 2023 mit 1.785 gemeldeten Vorfällen einen neuen Höchststand erreichten und Pride-Märsche zunehmend von Rechtsextremen und Neonazi-Demonstranten in Deutschland ins Visier genommen werden, sind finanzielle Stabilität und Community-Unterstützung wichtiger denn je.

Die Insolvenz von Manchester Pride zeigt deutlich: Pride ist kein selbstverständliches Gut. Es braucht nachhaltige Finanzierung, gesellschaftliche Solidarität und das Engagement aller – von der Politik über die Wirtschaft bis zur Community selbst. Nur so können wir sicherstellen, dass die Regenbogenfahnen auch in Zukunft wehen.


ESC 2026: Österreichs Kanzler steht klar zu Israel – Europas größtes Musikfest vor historischer Zerreißprobe

Der Eurovision Song Contest 2026 in Wien droht zur größten politischen Krise in der fast 70-jährigen Geschichte des Wettbewerbs zu werden. Österreichs Kanzler Christian Stocker (ÖVP) hat sich klar für die Teilnahme Israels am Eurovision Song Contest (ESC) im Mai 2026 in Wien ausgesprochen, wie er in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erklärte. "Ich würde es für einen fatalen Fehler halten, Israel auszuschließen. Schon aufgrund unserer Geschichte würde ich das niemals befürworten", betonte Stocker mit Blick auf Österreichs historische Mitverantwortung am Holocaust.

Ein Streit, der Europa spaltet

Die Debatte um Israels Teilnahme am ESC 2026 hat eine internationale Dimension erreicht, die an die Grundfeste des Wettbewerbs rührt. Der Streit um die Teilnahme von Israel beim Eurovision Song Contest 2026 in Wien eskaliert weiter – mehrere Länder drohten einen Boykott an, wenn dem Land die Teilnahme nicht verweigert wird. Länder wie Spanien, Irland, die Niederlande, Slowenien und Island betonten die „anhaltenden und entsetzlichen Verluste an Menschenleben in Gaza" und drohten mit einem Boykott des internationalen Musikwettbewerbs.

Für deutsche Leser*innen ist diese Entwicklung besonders relevant: Bundeskanzler Merz machte klare Kante: Israel müsse beim ESC 2026 mitmachen, anderenfalls solle Deutschland den Musikwettbewerb boykottieren. Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend spricht sich inzwischen eine Mehrheit von 65 Prozent der Bundesbürger dafür aus, Israel teilnehmen zu lassen, was die öffentliche Meinung in Deutschland widerspiegelt.

Die queere Community in der Zwickmühle

Besonders schmerzhaft ist diese Debatte für die LGBTQ+-Community, die seit Jahrzehnten eine besondere Verbindung zum ESC pflegt. Der Wettbewerb wurde nach dem Sieg der Transgender-Künstlerin Dana International 1998 für Israel und spätestens nach Conchita Wursts Triumph 2014 zu einem Symbol queerer Sichtbarkeit. Ein Jahr nach dem Sieg von Nemo für die Schweiz und elf Jahre nach dem Triumph von Conchita Wurst hat Österreich mit dem Countertenor Johannes Pietsch alias JJ erneut einen queeren ESC-Sieger.

Doch genau dieser Sieger, JJ, der sich selbst als queer bezeichnet und sich freut, "die Community zu repräsentieren und ihr eine Stimme zu geben", als "die Stimme der queeren Community aus Österreich", sorgte für zusätzliche Kontroversen. Der diesjährige ESC-Gewinner sprach sich gegen die Teilnahme des jüdischen Staates aus, was in Österreich breite Kritik hervorrief, auch vom Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.

Die EBU vor einer historischen Entscheidung

Die Europäische Rundfunkunion (EBU) steht vor einer Zerreißprobe. Die EBU informierte ihre Mitglieder, "dass eine Abstimmung über die Teilnahme am Eurovision Song Contest 2026 im Rahmen einer außerordentlichen Sitzung der EBU-Generalversammlung stattfinden wird, die Anfang November online abgehalten wird". Darin wird auf die "beispiellose Meinungsvielfalt" der EBU-Mitglieder bezüglich der Teilnahme Israels Bezug genommen. Weil keine einvernehmliche Position zu erreichen sei, setze man auf eine breitere, demokratische Entscheidungsgrundlage in einer Abstimmung.

Der historische Kontext ist dabei entscheidend: Länder argumentieren meist damit, dass auch Russland 2022 nach dem Überfall auf die Ukraine ausgeschlossen wurde. Damals ging es allerdings vor allem um die Rolle der russischen Partnermedien, die sich der Kreml-Propaganda unterworfen hatten – was dem israelischen Sender Kan nicht vorgeworfen wird.

Ein queeres Dilemma: Zwischen Solidarität und Realität

Die Debatte berührt einen wunden Punkt innerhalb der LGBTQ+-Community. Einerseits gibt es die Bewegung "Queers for Palestine", andererseits ist die Situation für queere Menschen in den palästinensischen Gebieten dramatisch. Israel hingegen gilt als eines der LGBTQ+-freundlichsten Länder im Nahen Osten – Tel Aviv richtet eine der größten Pride-Paraden der Welt aus.

Diese Komplexität spiegelt sich auch in Deutschland wider. Während queere Aktivist*innen unterschiedliche Positionen vertreten, bleibt unstrittig, dass LGBTQ+-Personen in Gaza und im Westjordanland systematischer Verfolgung ausgesetzt sind. In einem offenen Brief rufen unter anderem mehrere Bundestagsabgeordnete und LGBTI-Aktivist*innen die Bundesregierung dazu auf, sich mehr um das Schicksal von queeren Menschen im Westjordanland und im Gaza-Streifen zu kümmern. "In Palästina ist die Situation für Schwule, Lesben und Transgender bedrückend, die Region belegt weltweit einen der letzten Plätze bei den Menschenrechten von Schwulen, Lesben und Transgender", heißt es in dem Papier.

Wien 2026: Mehr als nur ein Musikwettbewerb

Nach dem Sieg des österreichischen Countertenors JJ mit seinem Song „Wasted Love" im vergangenen Jahr beim ESC in Basel findet der 70. ESC in Wien statt. Der öffentlich-rechtliche Österreichische Rundfunk (ORF) organisiert das größte Musikevent der Welt. Kanzler Stocker betont: "Wir werden uns gerne als ein weltoffenes Gastgeberland präsentieren".

Doch die Frage bleibt: Kann ein Wettbewerb, der unter dem Motto "united in music" steht, dieser Vision noch gerecht werden? Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger argumentiert, ein Boykott würde "die Möglichkeiten für einen wichtigen Dialog zwischen Künstlern und der Bevölkerung verunmöglichen - ohne die Lage vor Ort in Israel und Gaza zu verbessern".

Die Entscheidung, die im Dezember fallen soll, wird weitreichende Konsequenzen haben – nicht nur für den ESC 2026, sondern für die Zukunft eines der größten Kulturevents Europas. Für die queere Community in Deutschland und Europa bedeutet sie eine schmerzhafte Gratwanderung zwischen unterschiedlichen Formen der Solidarität, zwischen historischer Verantwortung und aktuellen humanitären Anliegen. Der ESC, einst als verbindendes Element nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, steht vor seiner größten Bewährungsprobe.


München: Nazi-Parolen und queerfeindliche Schmierereien an Zentren der LGBTIQ*-Community

In München haben Unbekannte zwischen dem 19. und 22. Oktober 2025 queere Einrichtungen mit Nazi-Symbolen und queerfeindlichen Schmierereien attackiert. Bei queerfeindlichen Schmierereien in München entstand in der vergangenen Woche ein Sachschaden von mehreren tausend Euro. Die Polizei München ermittelt nun wegen Sachbeschädigung und bittet die Öffentlichkeit um Mithilfe. (Quelle: queer.de)

Angriff auf das Herz der Community

Betroffen von den Angriffen sind zentrale Anlaufstellen der Münchner LGBTIQ*-Community im Glockenbachviertel, dem historischen Zentrum queeren Lebens in der bayerischen Landeshauptstadt. Die Täter sprühten nicht nur queerfeindliche Parolen, sondern auch "Zeichen mit Bezug zum Nationalsozialismus" an die Außenfassade eines Zentrums für queere Personen in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt.

Zusätzlich wurden an einem Stromkasten und einer Taxirufsäule vor einem weiteren LGBTIQ*-Treffpunkt ähnliche Schmierereien entdeckt. Die betroffenen Standorte – die Blumen- und Müllerstraße – beherbergen wichtige Community-Einrichtungen wie das Sub (Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum) in der Müllerstraße 14 und das Diversity Café in der Blumenstraße, das als Begegnungsort für junge queere Menschen dient.

Teil eines besorgniserregenden Trends

Diese Attacke ist kein Einzelfall. Bereits an mehreren Orten in München sind über einen längeren Zeitraum Schmierereien in gleicher Handschrift aufgetaucht. Erst im Jahr 2024 wurden queere Kulturzentren in München Ziel von Hassangriffen, darunter Mordaufrufe gegen trans Menschen, die an Einrichtungen gesprüht wurden.

Die jüngsten Vorfälle in München fügen sich in einen bundesweiten Trend zunehmender queerfeindlicher Gewalt ein. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 17.007 Fälle von Hasskriminalität erfasst. Davon richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ*. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.

In diesem Jahr wurden vermehrt Angriffe gewaltorientierter Rechtsextremist/-innen auf queere Veranstaltungen verzeichnet, insbesondere in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Kombination von Nazi-Symbolen mit queerfeindlichen Parolen in München zeigt, dass rechtsextreme Akteure queere Menschen zunehmend ins Visier nehmen.

Zwischen Fortschritt und Gefahr

Die Situation in Deutschland ist paradox: Während rechtliche Gleichstellung voranschreitet, steigt die Gewalt gegen LGBTIQ*-Menschen drastisch an. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend. Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an.

Wenn sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzt, werden die Angriffe auf Pride-Demonstrationen weiter zunehmen. Besonders alarmierend: Zunehmend gibt es auch Übergriffe im Rahmen von CSDs. Angeheizt von gezielten Kampagnen richtet sich Gewalt gegen sichtbares queeres Leben und soll LSBTIQ* einschüchtern.

Polizei sucht Zeugen

Die Münchner Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen und sucht dringend nach Zeugen, die im Zeitraum vom Sonntag, 19. Oktober, gegen 23:55 Uhr bis Mittwoch, 22. Oktober, gegen 22 Uhr im Bereich der Blumen- und Müllerstraße verdächtige Beobachtungen gemacht haben. Hinweise nimmt das Polizeipräsidium München, Kommissariat 45, unter der Telefonnummer (089) 2910-0 oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.

Die betroffenen Community-Zentren sind nicht nur Treffpunkte, sondern auch wichtige Beratungsstellen und sichere Räume für LGBTIQ*-Menschen in München. Gerade in Zeiten zunehmender Anfeindungen erfüllen sie eine unverzichtbare Funktion – als Orte der Solidarität, des Empowerments und der gegenseitigen Unterstützung.

Solidarität statt Einschüchterung

Die Schmierereien zielen darauf ab, queere Menschen einzuschüchtern und aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Doch die Münchner Community lässt sich nicht zum Schweigen bringen. Die Stadt, die einst als "eine der wichtigsten Schwulenmetropolen weltweit" galt, verfügt über eine starke und vernetzte LGBTIQ*-Szene, die sich gemeinsam gegen Hass und Hetze stellt.

Der Vorfall unterstreicht die Notwendigkeit, queerfeindliche Gewalt konsequent zu benennen, zu verfolgen und präventiv zu bekämpfen. Nur durch Solidarität, Aufklärung und das entschlossene Handeln von Zivilgesellschaft, Politik und Sicherheitsbehörden kann der besorgniserregenden Entwicklung Einhalt geboten werden.


Rekord-Teilnahme trotz rechtsextremer Gewalt: CSD Cottbus trotzt den Nazis

Über 800 Menschen setzten am Samstag in Cottbus ein kraftvolles Zeichen für queere Sichtbarkeit und Vielfalt – so viele wie noch nie beim Christopher Street Day der südbrandenburgischen Stadt (queer.de berichtete). Doch die bunte, friedliche Demonstration fand unter massivem Polizeischutz statt, nachdem die queere Community in den Tagen zuvor mit Einschüchterungsversuchen und einem mutmaßlichen Brandanschlag auf das Regenbogenkombinat konfrontiert worden war.

Wenn Hass auf Solidarität trifft

Die Bilder aus Cottbus sprechen eine deutliche Sprache: Die Polizei sprach nach einer ersten vorsichtigen Schätzung von rund 90 Teilnehmern bei der rechtsextremen Gegendemonstration – weit übertroffen von den über 800 CSD-Teilnehmenden. Mit Transparenten wie "Kein Bock auf Nazis" und "Sei ein Mensch" zogen die Demonstrierenden unter dem Motto "Vereint in Frieden und Vielfalt" durch die Stadt. Auf der Gegenseite zeigten Rechtsextreme ihre Verachtung mit Fahnen und Bannern, auf denen "Nein zum CSD! Unsere Stadt bleibt hetero!" zu lesen war.

Die verstärkten Polizeikräfte mussten mehrfach eingreifen: Zwei Personen wurden aus der Anti-CSD-Kundgebung ausgeschlossen, weil sie im Verdacht standen, zu Straftaten aufgerufen zu haben. Zudem wurde ein Platzverweis erteilt. Mit Fahnen der rechtsextremen Jugendorganisation „Junge Nationalisten": Die rechte Szene protestiert gegen den Christopher Street Day in Cottbus.

Brandanschlag als Eskalation der Gewalt

Am Montagnachmittag stand plötzlich die Papiertonne im Hinterhof in Flammen und brannte ein beachtliches Loch in die hellblaue Fassade des Gebäudes, berichtet die taz über den Vorfall beim Regenbogenkombinat. Jetzt hat der Polizeiliche Staatsschutz Ermittlungen zu dem Vorfall aufgenommen. Die Behörden halten eine rechtsextrem motivierte Brandstiftung für möglich.

Für Christian Müller, Vorstandsmitglied des CSD Cottbus e.V., ist die Botschaft klar: "Das ist kein Zufall." Bereits seit Monaten stünden Aktivitäten des Cottbuser Pride-Teams unter massiven verbalen Angriffen, auch habe es in der Vergangenheit bereits Vandalismus-Vorfälle am RKB gegeben. Besonders erschreckend: Der Brand am Tag stattfand, während sich Menschen im Gebäude aufhielten.

Brandenburg: Ein Brennpunkt queerfeindlicher Gewalt

Die Ereignisse in Cottbus sind kein Einzelfall. Laut der für Cottbus verantwortlichen Polizeidirektion sei Südbrandenburg ein „Hotspot des Rechtsextremismus". Die Zahlen sind alarmierend: Im Jahr 2024 seien 75 Straftaten gegenüber Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung und 43 Straftaten wegen geschlechtlicher Identität festgestellt worden.

In letzter Zeit kam es vermehrt zu rechten Angriffen auf links-alternative Orte und queere Veranstaltungen in Brandenburg. Nachdem bereits 2024 eine neue Generation junger, militanter Neonazis besonders bei CSDs in Ostdeutschland beobachtet werden konnte, spitzen sich die rechten Anfeindungen dieses Jahr weiter zu. Im Frühjahr wurden Jugendklubs in Senftenberg und Spremberg attackiert, im Mai griff eine Neonazi-Gruppe das Hausprojekt Zelle79 in Cottbus mit Steinen und Brandsätzen an.

Ein bundesweites Phänomen erreicht neuen Höhepunkt

Mit dem CSD in Cottbus und dem CSD in Weimar endete die Pride-Saison 2025 – ein Jahr, das als das gewaltsamste in die Geschichte der deutschen LGBTQ+-Bewegung eingehen könnte. Deutschlandweit gab es noch nie so viele Gegendemonstrationen und Störversuche aus der rechtsextremen Szene wie in diesem Jahr.

Im Jahr 2024 registrierte die Amadeu Antonio Stiftung 55 Angriffe von rechtsextremen Gruppen auf CSDs. Eine Studie des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) dokumentiert, dass zwischen Juni und September 2024 deutschlandweit in 27 Städten rechtsextreme Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen verzeichnet wurden. Dabei kam es zu Einschüchterungen, Schikanen und Gewalt.

Besonders besorgniserregend: In Bautzen konnten circa 700 Teilnehmende mobilisiert werden. Nachfolgende Proteste konnten teilweise 200 bis 460 Teilnehmende mobilisieren. Diese Zahlen markieren einen Wendepunkt. Noch nie zuvor gab es so viele Pride-Kundgebungen wie in diesem Jahr und nie gab es so viele rechtsextreme Gegenproteste.

Sicherheit als zentrales Thema

Die CSD-Organisator*innen in Cottbus mussten auf die Bedrohungslage reagieren. Um rechte Gewalt gegen die Teil­neh­me­r*in­nen des am Samstag stattfindenden CSD zu vermeiden, habe man in Cottbus die „Sicherheitsvorkehrungen hochgeschraubt", sagt Christian Müller zur taz. Es würden Shuttle-Busse bereitstehen, um den De­mons­tran­t*in­nen eine sichere Abreise zu ermöglichen und Konfrontationen mit den Neonazis zu vermeiden.

Die Amadeu Antonio Stiftung und Expert*innen fordern dringend Maßnahmen zum Schutz der Community: Zudem müsse die Sicherheit von CSD-Veranstaltungen gewährleistet werden. Das könne durch eine stärkere Polizeipräsenz bei der An- und Abreise rechtsextremer Gruppen, Schulungen von Sicherheitsbehörden und Kommunen über Queerfeindlichkeit und mögliche rechtsextreme Mobilisierungen sowie einen weiteren Ausbau von Betroffenenberatungsstellen gewährleistet werden.

Ein Zeichen der Hoffnung

Trotz aller Widrigkeiten bleibt die Botschaft aus Cottbus klar: Die queere Community lässt sich nicht einschüchtern. Die Rekord-Teilnahme beim CSD zeigt, dass Solidarität und Zivilcourage stärker sind als Hass. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Hochschulen und zivilgesellschaftlichen Initiativen stellte sich demonstrativ hinter die queere Community und setzte ein Zeichen gegen Rechtsextremismus in der Lausitz.

Doch die Situation bleibt angespannt. Mit dem Erstarken antidemokratischer Phänomene im gesellschaftlichen und politischen Raum steigt zunehmend das Risiko für queere Menschen, Opfer von Mobbing, Ausgrenzung und Gewalt zu werden. Der CSD Cottbus 2025 wird als Symbol für Widerstandskraft in Erinnerung bleiben – aber auch als Mahnung, dass der Kampf für Akzeptanz und Sicherheit queerer Menschen in Deutschland noch lange nicht gewonnen ist.


Homofeindlicher Angriff in Frankfurt: "Es ist erschreckend, dass Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung Gewalt erfahren"

In der Nacht zu Samstag wurde Frankfurt erneut Schauplatz eines queerfeindlichen Angriffs. Vor einem Kiosk in der Großen Friedberger Straße schlug ein 21-Jähriger gegen 01:55 Uhr zwei Personen mit der Faust ins Gesicht, nachdem er sie zuvor homophob beleidigt hatte. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung und Beleidigung – ein weiterer Fall in einer alarmierenden Serie von Angriffen auf queere Menschen in der Mainmetropole.

Frankfurt: Brennpunkt queerfeindlicher Gewalt

Die jüngste Attacke reiht sich ein in eine besorgniserregende Entwicklung. Die Zahl queerfeindlicher Strafverfahren in Frankfurt ist dramatisch gestiegen: Von 26 Verfahren im Jahr 2022 auf 88 im Jahr 2024 – allein im ersten Quartal 2025 kamen 25 neue Fälle hinzu. Bei der Polizei selbst wurden 2023 insgesamt 45 queerfeindliche Straftaten registriert, 2024 waren es bereits 56.

Doch was steckt hinter diesem Anstieg? Carsten Gehrig von der Aidshilfe Frankfurt erklärt: "Die Leute trauen sich mehr, selbst bei verbalen Sachen". Die erhöhte Anzeigebereitschaft zeigt einerseits wachsendes Vertrauen in die Behörden, andererseits aber auch: Die Polizei geht von einem großen Dunkelfeld aus, da viele Betroffene solche Taten noch immer nicht anzeigen.

Hessen und Deutschland: Ein alarmierender Trend

Die Situation in Frankfurt spiegelt einen bundesweiten Trend wider. In ganz Hessen wurde 2023 eine Steigerung um 33 Fälle auf 83 queerfeindliche Straftaten im Vergleich zum Vorjahr festgestellt – ein Anstieg von 66 Prozent innerhalb eines Jahres. Besonders erschreckend: Unter den 83 Fällen waren 25 Körperverletzungen, darunter auch 10 schwere Körperverletzungen.

Bundesweit ist die Lage noch dramatischer. Im Jahr 2023 richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen – gegenüber 1.188 im Jahr 2022. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Zu den häufigsten Straftaten gehören Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen.

Das Dunkelfeld: Viele Fälle bleiben ungemeldet

Die offiziellen Zahlen zeigen nur einen Bruchteil der Realität. Lediglich 13% der Befragten gingen zur Polizei, um einen physischen Angriff oder sexualisierte Gewalt anzuzeigen, so eine EU-weite Erhebung. Die Gründe sind vielfältig: 40% denken nicht, dass eine Anzeige etwas bringen würde, 37% fanden den Vorfall nicht schlimm genug, und 23% hatten Angst vor Homo- und Transphobie bei der Polizei.

Ein weiteres Problem: Selbst wenn Anzeige erstattet wird, wird das queerfeindliche Motiv nicht immer erkannt oder dokumentiert. Die Polizei hat erst ab 2023 begonnen, solche Vorfälle gezielt zu erfassen.

Politische Reaktionen: Zwischen Worten und Taten

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) spricht von einem "deutlichen Warnsignal" und betont: "Es darf nicht sein, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Ziel von Hass, Hetze und Gewalt werden". Das Land Hessen hat reagiert: Seit Juli verfolgt ein spezieller Beauftragter bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main queerfeindliche Angriffe.

Doch reicht das aus? Projekte wie die Polizeisprechstunde im Switchboard, einem Treffpunkt für queere Menschen in Frankfurt, sorgen dafür, dass sich mehr Betroffene trauen, Anzeige zu erstatten und direkte Hilfe zu bekommen. Dennoch mahnt die Community: Mehr Präventionsarbeit, bessere Schulungen für Polizei und Justiz sowie konsequente Strafverfolgung sind dringend nötig.

Was queere Menschen jetzt wissen müssen

Wer Opfer oder Zeuge eines queerfeindlichen Angriffs wird, sollte nicht zögern, Anzeige zu erstatten. Seit 2010 gibt es Ansprechpersonen für LSBTIQ in allen hessischen Polizeipräsidien. Zusätzlich bieten Organisationen wie die Aidshilfe Frankfurt und das Switchboard Unterstützung und Beratung.

Der Fall in der Großen Friedberger Straße ist kein Einzelfall – er ist Teil eines gefährlichen Musters. In mehreren Fällen lockten Täter queere Männer über Dating-Apps zu Treffen und überfielen sie anschließend, unter anderem vergangenes Jahr in Darmstadt und Anfang dieses Jahres im Main-Taunus-Kreis. Wachsamkeit und gegenseitige Solidarität in der Community sind wichtiger denn je.

Die Ermittlungen im aktuellen Fall dauern an. Doch eines ist klar: Jeder einzelne Angriff ist einer zu viel. Die Zahlen mögen steigen – das Schweigen darüber darf nicht länger hingenommen werden.


Irland setzt Zeichen für Inklusion: Neuer Leitfaden für trans und inter Menschen im Sport

Am 23. Oktober präsentierte TENI (Trans Equality Network Ireland) im Outhouse LGBTQ+ Centre in Dublin einen bahnbrechenden Leitfaden zur Inklusion von trans und intergeschlechtlichen Menschen im Sport. Die Veranstaltung, moderiert von James Curry, Sports Inclusion Coordinator bei TENI, brachte Athlet*innen, Trainer*innen und Aktivist*innen zusammen – und inspirierte mit einer klaren Botschaft: Sport ist für alle da.

Ein Werkzeug gegen Desinformation und Ausschluss

Sport Ireland veröffentlichte bereits im März 2024 ein eigenes Guidance-Dokument, doch TENIs neuer Policy Guide geht noch einen Schritt weiter. Der Leitfaden soll der trans Community in Irland den Zugang zu Informationen über die Teilnahme am Sport erleichtern und die Community ermutigen, sich mehr im Sport zu engagieren. Daire Dempsey, Geschäftsführer*in von TENI, erklärt die Notwendigkeit deutlich: „Wir haben in den letzten Jahren eine Zunahme von Desinformation über trans Menschen im Sport erlebt, und dieser Leitfaden, der auf internationaler Evidenz, Forschung und Best Practice basiert, arbeitet daran, dies zu korrigieren."

Der Leitfaden ist Teil eines umfassenden Sports Digital Toolkit, das auch spezifische Anleitungen für Schulen und Sportvereine sowie einen Policy Tracker für die Regelungen irischer Sportverbände enthält. TENI betont, dass Community-Engagement ein wesentlicher Teil ihrer Identität ist.

Die menschliche Seite: Wenn Sport zum Zufluchtsort wird

Die emotionalsten Momente der Veranstaltung kamen von den Betroffenen selbst. Jenny Behan, ehemalige Trainerin bei den Special Olympics und aktuelle Trainerin bei Shamrock Síoga, beschrieb eindrücklich, was Ausschluss bedeutet: „Sie verstehen nicht, welche Auswirkungen es auf uns hat." Bei Shamrock Síoga könne sie endlich „einfach hingehen und ich selbst sein, einfach Jenny sein".

Die Panelist*innen waren sich einig: Sport ist weit mehr als körperliche Betätigung. Es geht um psychische Gesundheit, um Zugehörigkeit, um Gemeinschaft. Fionn Collins von Sporting Pride wies darauf hin, dass trans Jugendliche besonders häufig mit Beginn der Pubertät den Sport aufgeben – ein Zeitpunkt, an dem Sport für das Wohlbefinden besonders wichtig wäre.

Inter* Perspektiven: Über Würde und echte Wege zur Teilhabe

Sorcha Ní Fhaolín von Intersex Ireland brachte eine oft übersehene Perspektive ein: „Ich weiß aus erster Hand, wie viel Sport gibt – und wie schnell sich Türen schließen können, wenn Richtlinien uns nicht sehen. Dieser Leitfaden ist wichtig, weil er Würde, Evidenz und gelebte Erfahrung in den Mittelpunkt stellt und echte Wege von der Basis bis zum Wettkampf aufbaut, anstatt bei ‚Willkommen' zu stoppen."

Tatsächlich hatte Intersex Ireland bemängelt, dass bei der Konsultation zu Sport Irelands Leitfaden im März 2024 ihre Organisation nicht einbezogen wurde, obwohl LGBTQIA+ NGOs generell konsultiert wurden. TENIs neuer Leitfaden versucht, diese Lücke zu schließen.

Die Wurzeln der Diskriminierung: Misogynie im Sportsystem

Deborah Madden, Equality, Diversity and Inclusion Managerin bei Golf Ireland, brachte eine radikale Perspektive in die Diskussion: Der Ausschluss von trans Menschen im Sport scheine in Misogynie verwurzelt zu sein. Sie hinterfragte die Logik strikter Geschlechterbinarität im Sport und schlug sogar vor, die Geschlechtertrennung gänzlich abzuschaffen.

Die Panelist*innen stimmten überein: Die Vorstellung, dass Frauen mit Männern konkurrieren könnten, bedrohe männliche Identität und Dominanz. Paradoxerweise führten die jüngsten Versuche, trans Menschen vom Sport auszuschließen, auch zur Diskriminierung von cis Frauen. Erzwungene Hormon- und Geschlechtstests zielen darauf ab, alle auszuschließen, die nicht in patriarchale und unwissenschaftliche Geschlechterbinaritäten passen.

Parallelen zu Deutschland: Zwischen Fortschritt und Herausforderungen

Die irische Initiative kommt zu einem Zeitpunkt, an dem auch in Deutschland die Debatte um trans Menschen im Sport intensiv geführt wird. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz, das am 1. November 2024 in Kraft trat, wurde ein „Paradigmenwechsel" eingeleitet, der es trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen erleichtert, ihren Geschlechtseintrag zu ändern.

Aktivist*innen betonen, dass es bei der Inklusion von trans Menschen vor allem um die Basis geht, und dass der Jugend- und Breitensport offen für alle sein muss. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt bei Breitensportwettbewerben, dass inter* und trans* Teilnehmende die jeweilige Startklasse selbst wählen sollten.

Auch deutsche Verbände haben Schritte unternommen: Der Deutsche Fußball-Bund führte eine Regelung ein, die es Spieler*innen mit dem Geschlechtsstatus 'divers' oder trans* Spieler*innen ermöglicht, selbst zu entscheiden, ob sie für eine Frauen- oder Männermannschaft spielen möchten. Dennoch bleibt die Situation komplex: Eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln ergab, dass 16% der aktiven LSBT*-Sportler*innen in den letzten 12 Monaten persönlich negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gemacht haben – bei trans* Personen waren es sogar 40%.

Hoffnung für die Zukunft

Tara Hewitt, ehemalige Universitätsathletin, fasste die Bedeutung des Leitfadens zusammen: „Es gibt mir Hoffnung, dass mehr Menschen in der Lage sein werden, die Freude zu teilen, die mir Sport über mein ganzes Leben hinweg gebracht hat." Jenny Behan fügte hinzu: „Diese Richtlinie wird einen langen Weg gehen und ein brillanter Start sein [...], um Menschen zu bilden, dass wir einfach normale Menschen sind."

An der Veranstaltung nahmen Vertreter*innen zahlreicher Organisationen teil, darunter Sporting Pride, Intersex Ireland, Sport Ireland, Emerald Warriors und Mammies for Trans Rights. Ihre Präsenz unterstrich: Inklusion im Sport ist keine Randnotiz, sondern eine gemeinsame Verantwortung – besonders auf Amateur- und Community-Ebene, wo Sport für die meisten Menschen stattfindet.

Der vollständige Transgender & Intersex Sports Inclusion Policy Guide ist nun online verfügbar und bietet Verbänden, Vereinen und Schulen praktische Anleitungen für eine inklusivere Sportkultur. Ein Schritt in die richtige Richtung – nicht nur für Irland, sondern als Inspiration für ganz Europa.


Fünf Jahre Sperre: Schwimmerin Hannah Caldas verweigert Geschlechtstest – „Meine Privatsphäre wurde genug verletzt"

Die 48-jährige US-Schwimmerin Hannah Caldas wurde von World Aquatics für fünf Jahre gesperrt, nachdem sie sich weigerte, sich einem chromosomalen Geschlechtstest zu unterziehen. Caldas sagt, wenn die Sperre der Preis sei, den sie zahlen müsse, um ihre "intimsten medizinischen Informationen zu schützen", dann sei sie "glücklich, diesen Preis zu zahlen".

Der Fall wirft grundlegende Fragen über medizinische Privatsphäre, Menschenrechte und die Teilnahme von trans Personen im Sport auf – Themen, die auch in Deutschland intensiv diskutiert werden.

Der Fall Hannah Caldas: Zwischen Hobbysport und politischem Kampf

Caldas, die auch als Ana bekannt ist, nahm 2024 an den World Aquatics Masters Championships in Doha teil, wo sie in ihrer Altersklasse den ersten Platz im 100-Meter-Freistil der Frauen belegte. Sie trat auch bei den Spring Nationals der US Masters Swimming (USMS) in San Antonio, Texas, im April an und gewann mehrere Wettbewerbe.

Die Situation eskalierte, als der republikanische Gouverneur Ken Paxton eine Untersuchung gegen die Organisation startete und in einer Klage behauptete, sie habe gegen das Deceptive Trade Practices Act von Texas verstoßen, indem sie trans Teilnahme erlaubte. Paxtons Büro startete die Untersuchung im Mai, nachdem zwei trans Frauen an einem Schwimmwettbewerb in San Antonio im April teilnehmen durften und einige der Wettbewerbe gewannen.

Besonders bemerkenswert: Im August erklärte USMS Caldas für die weibliche Kategorie berechtigt, wobei ein Bericht zu ihrer Berechtigung feststellte, dass "die von der Schwimmerin eingereichten Dokumente alle belegen, dass ihr bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde und dass sie sich als weiblich identifiziert, obwohl sie bei USMS-Veranstaltungen 2002-2004 in der männlichen Kategorie schwamm".

„Chromosomale Tests sind invasiv und teuer"

World Aquatics entschied jedoch, die 48-Jährige bis Oktober 2030 für fünf Jahre zu sperren, nachdem sie es ablehnte, einen Geschlechtsverifikationstest durchzuführen, und ihre Schwimmergebnisse der letzten drei Jahre – zwischen Juni 2022 und Oktober 2024 – zu disqualifizieren.

Caldas begründete ihre Weigerung damit, dass "chromosomale Tests invasive und teure Verfahren sind". "Meine Versicherung weigert sich, einen solchen Test zu übernehmen, weil er medizinisch nicht notwendig ist. Kein US-Bundesstaat verlangt Gentests für Freizeitsportveranstaltungen wie diese", erklärte sie.

"Aber wenn eine fünfjährige Sperre der Preis ist, den ich zahlen muss, um meine intimsten medizinischen Informationen zu schützen, dann ist es ein Preis, den ich gerne zahle – für mich selbst und für jede andere Frau, die sich nicht hochinvasiven medizinischen Tests unterziehen möchte, nur um in einem Wettbewerb für ältere Erwachsene zu schwimmen", so Caldas weiter.

"Mein Leben und meine Privatsphäre wurden genug verletzt", erklärte sie. "Es ist Zeit, meine Gesundheit und persönliche Sicherheit zu priorisieren".

Die umstrittene World Aquatics-Politik

2022 stimmte World Aquatics für die Einführung von Regeln, die trans Frauen vom Wettbewerb in Elite-Rennen ausschließen, wenn sie irgendeine männliche Pubertät durchlaufen haben. Der Internationale Schwimmverband World Aquatics beschloss 2023, dass Transfrauen nur dann an Frauenwettbewerben teilnehmen dürfen, wenn sie nachweisen können, dass sie keinen Teil der männlichen Pubertät über das Tanner-Stadium 2 hinaus oder vor dem Alter von 12 Jahren durchlaufen haben, je nachdem, was später eintritt.

Die Entscheidung von World Aquatics betrifft auch den Masters-Bereich – eine Kategorie für Hobbyschwimmer über 25 Jahren, bei der es keine Preisgelder gibt und die Teilnehmer ihre Reisen selbst finanzieren.

Die Debatte in Deutschland: Zwischen Inklusion und Fairness

Die Diskussion um trans Personen im Sport ist auch in Deutschland hochaktuell. Die Vorschriften zu sogenannten "Geschlechtsüberprüfungen" verletzen die Rechte von meist aus dem Globalen Süden kommenden Athletinnen und schaden ihnen, so Human Rights Watch. Die Vorschriften zielen auf Athletinnen bei Laufwettbewerben ab und zwingen die betroffenen Frauen, sich medizinischen Eingriffen zu unterziehen oder andernfalls von Wettkämpfen ausgeschlossen zu werden.

Auf internationaler Ebene (International Olympic Committee und World Athletics) sind "Transgender"-Richtlinien geschaffen worden. Diese Richtlinien knüpfen die Teilnahme von transgeschlechtlichen Menschen in der Geschlechterkategorie der Frauen nicht an geschlechtsangleichende Operationen, sondern maßgeblich an ihre Testosteronwerte.

Im deutschen Sport gibt es verschiedene Ansätze: Der Westdeutsche Fußballverband (WDFV) ermöglicht die geregelte Teilhabe von trans und inter Menschen seit Beginn der Saison 2021/2022 durch eine Änderung der WDFV-Spielordnung. Durch diese Regelungen setzt der WDFV ein wichtiges Zeichen für den Fußball und zur Unterstützung der betroffenen Spieler*innen in NRW.

LSBTIQ+ im deutschen Sport: Diskriminierung bleibt ein Problem

Studien zeigen, dass queere Menschen im Sport weiterhin Diskriminierung erfahren. Die Studie Outsport der Sporthochschule Köln von 2019 kam zu dem Ergebnis, dass 16% der aktiven Sportler*innen in den letzten 12 Monaten persönliche negative Erfahrungen im Sport aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gemacht haben. Trans Personen fühlen sich insgesamt deutlich häufiger ausgeschlossen (56%).

In einem Sportsystem, das geprägt ist von einer binären Geschlechterordnung und Geschlechterstereotypen, fühlen sich LGBTI*-Personen verunsichert und teilweise diskriminiert, sodass sie an der aktiven Teilnahme am Sport oftmals gehindert werden.

Deutsche Sportorganisationen arbeiten an Lösungen: In der sogenannten "Bremer Erklärung" beschließen die Sportminister, dass der Sport in Deutschland inklusiv sein soll und die Teilhabe aller Menschen am aktiven Sport und sportlichen Veranstaltungen gewährleisten soll. Der Beschluss regt an, dass Vereine und Verbände ihre Regelwerke so fassen sollen, dass ein diskriminierungsfreier Umgang mit Sporttreibenden gefördert wird.

Der Fall Lia Thomas und die internationale Dimension

Unter dieser Politik wurde die trans ehemalige University of Pennsylvania-Schwimmerin Lia Thomas, die 2022 als erste trans Frau eine National Collegiate Athletic Association-Schwimmmeisterschaft gewann, vom Schwimmverband verbannt.

Thomas reichte im September 2023 eine rechtliche Auseinandersetzung gegen die World Aquatics-Politik beim International Court of Arbitration for Sport (CAS) in der Schweiz ein. Das Gericht wies jedoch ihre Behauptung zurück, dass die Politik diskriminierend sei.

Eine Frage der Menschenwürde

Der Fall Hannah Caldas zeigt die Komplexität der Debatte: Auf der einen Seite stehen Forderungen nach Fairness im Sport, auf der anderen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und Schutz der Privatsphäre. Diese Praktiken verletzen grundlegende Rechte auf Privatsphäre, Gesundheit und Nichtdiskriminierung, so Human Rights Watch.

Caldas' Entscheidung, ihre medizinische Privatsphäre über ihre Karriere im Schwimmsport zu stellen, wirft wichtige Fragen auf: Wie weit dürfen Sportorganisationen gehen, um "Fairness" zu garantieren? Und zu welchem Preis für die betroffenen Personen?

Die Diskussion wird weitergehen – in den USA, in Deutschland und weltweit. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass einfache Lösungen in einem Bereich, der Menschenwürde, medizinische Ethik und sportliche Integrität berührt, nicht zu finden sind.


Britische Gleichstellungsbehörde steht vor Abstufung: Trans-Organisationen fordern internationale Untersuchung wegen "alarmierender" Menschenrechtsverletzungen

Eine Koalition aus Trans- und Menschenrechtsorganisationen hat die oberste britische Gleichstellungsbehörde wegen ihrer Haltung zu Trans-Rechten zur Herabstufung aufgerufen. In Eingaben an die Global Alliance of National Human Rights Institutions (GANHRI) forderten LGBTQ+- und Menschenrechtsorganisationen TransActual, Amnesty International, Trans+ Solidarity Alliance, Equality Network, Scottish Trans und das Trans Advocacy & Complaints Collective (TACC) eine sofortige Untersuchung der Behörde, die sie als "nicht geeignet" bezeichneten. Die ursprüngliche Berichterstattung von PinkNews wirft ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die auch für Deutschland relevant ist.

Was genau wirft man der EHRC vor?

Nach dem Urteil des britischen Supreme Court im April – das entschied, dass die Definition von "Frau" im Gleichstellungsgesetz 2010 auf biologischem Geschlecht basiert – begann die EHRC mit der Überarbeitung ihres Verhaltenskodex. Die Revisionen würden, wenn umgesetzt, Trans-Personen den Zugang zu Einrichtungen wie Toiletten und Umkleideräumen entsprechend ihrer Geschlechtsidentität verbieten. Eine ursprüngliche Version ihrer Interimsleitlinien, die die EHRC inzwischen zurückgezogen hat, verbot Trans-Personen komplett den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen.

Tammy Hymas, Policy-Leiterin von TransActual, erklärte: "Die sogenannte Menschenrechtsaufsicht des Vereinigten Königreichs versagt bei ihren Pflichten, die Rechte aller Menschen in unserem Land zu wahren. Nach Jahren politisierter Ernennungen und einer obsessiven Kampagne, um Trans-Personen unsere Grundrechte zu entziehen, versucht die EHRC nun, eine gewählte Regierung zur Umsetzung eines Toilettenverbots für Trans-Personen zu drängen."

Internationale Kritik nimmt zu

Die Koalition der Menschenrechtsgruppen wies darauf hin, dass mehrere nationale und internationale Menschenrechtsgremien, darunter 18 unabhängige UN-Experten, der Menschenrechtskommissar des Europarats und die Schottische Menschenrechtskommission, die Handlungen der EHRC kritisiert haben. Selbst Gleichstellungsministerin Bridget Phillipson kritisierte das Vorgehen der EHRC, nachdem deren Vorsitzende Kishwer Falkner die Regierung drängte, die Leitlinien "mit Geschwindigkeit" umzusetzen. Die Ministerin sagte, es sei "enttäuschend zu sehen, wie die EHRC öffentlich dazu Stellung nimmt".

GANHRI hat bereits früher die Herabstufung von nationalen Menschenrechtsinstitutionen in Ägypten und im Irak wegen Verstößen gegen die Pariser Prinzipien empfohlen. Der "A-Status" bedeutet vollständige Einhaltung der Pariser Prinzipien – internationale Standards, die die Mindestanforderungen an Unabhängigkeit, Pluralismus und effektives Funktionieren von Menschenrechtsgremien definieren. Institutionen mit A-Status können vollständig an UN-Menschenrechtsmechanismen teilnehmen, einschließlich Rederechten im UN-Menschenrechtsrat.

Was bedeutet das für Deutschland?

Die Situation im Vereinigten Königreich steht im krassen Gegensatz zur jüngsten Entwicklung in Deutschland. Während die EHRC Trans-Personen systematisch ausgrenzen will, hat Deutschland 2024 mit dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) einen progressiven Weg eingeschlagen.

Das SBGG, das am 1. November 2024 in Kraft trat, erleichtert es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Die Änderung erfolgt durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt. Das Gesetz ersetzt das diskriminierende Transsexuellengesetz von 1980.

Auch bei der Frage öffentlicher Toiletten unterscheiden sich die Ansätze fundamental. Während die EHRC Trans-Personen von geschlechtsspezifischen Räumen ausschließen will, betont die Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Anbieter wie Schwimmbäder oder Saunen entscheiden unabhängig vom Geschlechtseintrag weiterhin selbst über den Eintritt, dürfen aber wie bisher nicht diskriminieren. Es kann gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen, Menschen nur aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität pauschal den Zugang zu verweigern – ob im Schwimmbad, im Fitnessstudio oder in der Sauna.

Deutsche Gleichstellungsbeauftragte setzen auf Inklusion

In Deutschland spielen Gleichstellungsbeauftragte eine wichtige Rolle beim Schutz aller Geschlechter. Eine Gleichstellungsbeauftragte ist eine Funktion innerhalb einer Behörde, einer sozialen Einrichtung, einer Gemeinde oder eines Unternehmens, die sich mit der Förderung und Durchsetzung der Chancengleichheit, Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen, Männern und Diversen befasst.

Expert*innen warnen deutsche Gleichstellungsbeauftragte davor, sich instrumentalisieren zu lassen, wenn Arbeitgeber Frauenrechte und die Rechte von diversen Personen in Opposition stellen, als ob sich nur das eine oder das andere verwirklichen ließe. Es geht nicht darum, einer marginalisierten Gruppe etwas wegzunehmen, um es der anderen zu geben. Vielmehr sollte es gemeinsam darum gehen, die ungleichen Strukturen aufzubrechen.

Was steht auf dem Spiel?

Der Verlust des A-Status würde die Autorität der EHRC sowohl in Großbritannien als auch international massiv untergraben. Vic Valentine, Manager von Scottish Trans, erklärte: "Gerade jetzt stehen wir vor der realen Möglichkeit, dass Trans-Personen täglich von Dienstleistungen und Arbeitsplätzen ausgeschlossen und segregiert werden. Anstatt dass die EHRC versucht, dies zu verhindern, drängt sie aktiv darauf, dass es geschieht."

Chiara Capraro, Direktorin des Programms für Geschlechtergerechtigkeit bei Amnesty International UK, warnte: "Dies ist eindeutig ein Notfall für Trans-Personen, aber die Pflichtverletzung der EHRC könnte sich auf andere marginalisierte Gruppen ausweiten. Zu einer Zeit, in der menschenrechtsfeindliche Kräfte in Großbritannien und weltweit zunehmen, können wir uns keine nationale Menschenrechtsinstitution leisten, die nicht zweckmäßig ist."

Die Entwicklung zeigt: Während Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz internationale Anerkennung für den Schutz von Trans-Rechten erhält, droht Großbritannien genau das Gegenteil – eine Herabstufung seiner wichtigsten Menschenrechtsbehörde wegen systematischer Diskriminierung. Die Entscheidung von GANHRI wird weitreichende Folgen haben, nicht nur für Trans-Personen in Großbritannien, sondern für Menschenrechtsstandards weltweit.


Württemberg bleibt hart: Keine Trauung für gleichgeschlechtliche Paare

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat sich erneut gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare entschieden. Mit knapper Mehrheit – 56 Ja-Stimmen bei notwendigen 60 – scheiterte am Freitag der Gesetzesentwurf, der Segnungsgottesdienste künftig als "Trauungen" bezeichnen wollte. Es gab 31 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen, sodass der Kompromiss aus dem Jahr 2019 bestehen bleibt, der lediglich Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare vorsieht – ohne die rechtliche und liturgische Gleichstellung mit der klassischen Trauung.

Eine konservative Ausnahme in Deutschland

Die Entscheidung macht Württemberg zu einer der letzten evangelischen Landeskirchen in Deutschland, die queeren Paaren die volle Gleichstellung verweigert. Bei der Mehrzahl der 20 evangelischen Landeskirchen sind gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Paare inzwischen komplett gleichgestellt, darunter die Evangelische Kirche im Rheinland, Baden, Hannover, die Pfalz und Berlin-Brandenburg. Erst im April 2025 beschloss die bayerische Landeskirche nach jahrelangem Ringen die "Trauung für alle" – ein symbolischer Meilenstein für queere Christ*innen in Bayern.

Für viele queere Menschen in Württemberg ist das Abstimmungsergebnis eine schmerzhafte Enttäuschung. Synodale des liberalen Gesprächskreises "Offene Kirche" forderten die begriffliche Gleichstellung, um queere Paare endlich als gleichwertig anzuerkennen. Synodalpräsidentin Sabine Foth appellierte: "Als Christinnen und Christen haben wir ein gemeinsames Fundament. Lassen Sie uns das bei aller Enttäuschung nicht vergessen."

Der Kompromiss von 2019: Segen nur in ausgewählten Gemeinden

Laut dem Kompromiss von 2019 entscheiden Kirchengemeinden selbst, ob sie Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare anbieten wollen. Dafür müssen im Gemeinderat drei Viertel der Mitglieder und unter den Pfarrern einer Gemeinde ebenfalls drei Viertel zustimmen. Maximal ein Viertel aller württembergischen Kirchengemeinden dürfen solche Feiern anbieten. Aktuell bieten lediglich 147 der 1039 Kirchengemeinden in Württemberg Segnungsgottesdienste an – weit unter der erlaubten Quote.

Matthias Hanßmann vom theologisch konservativen Gesprächskreis "Lebendige Gemeinde" verteidigte den Status quo: "Wir haben uns bewegt, wir haben einen Kompromiss", sagte er. Doch für queere Paare bedeutet dieser "Kompromiss" weiterhin Ausgrenzung und die Botschaft, ihre Liebe sei nicht gleichwertig.

Ein Blick nach Deutschland und darüber hinaus

Während Württemberg zögert, zeigen andere Landeskirchen, wie es anders geht. Die Evangelische Landeskirche in Baden war 2016 die erste, die die "Gleichwertigkeit gleichgeschlechtlicher Liebe, Sexualität und Partnerschaft" anerkannte und gleichgeschlechtliche Paare in einem öffentlichen Gottesdienst trauen lässt. In der Evangelischen Kirche im Rheinland ist seit 2016 die kirchliche Trauung für homo- und heterosexuelle Paare gleichermaßen möglich – auch für Menschen mit diversen Geschlechteridentitäten.

Eine aktuelle Studie des European Forum of LGBTI+ Christian Groups zeigt, dass die Evangelische Kirche in Deutschland mit 44 von 52 Punkten auf Platz sechs der queerfreundlichsten Kirchen in Europa liegt – ein deutliches Zeichen, dass die evangelische Kirche nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der gelebten Realität vielfach offen für queere Menschen geworden ist.

Warum diese Entscheidung schmerzt

Für queere Menschen in Württemberg bedeutet die Ablehnung mehr als nur einen bürokratischen Akt. Es geht um Anerkennung, um Würde, um das Gefühl, in der eigenen Kirche willkommen zu sein. Pfarrer Christoph Doll, der 2020 den ersten Segnungsgottesdienst für ein schwules Paar in Stuttgart hielt, sagte damals: "Ich bin sehr froh, dass ich künftig lesbische und schwule Ehepaare nicht mehr wegschicken muss. Für die bisher sehr hartherzige Linie der Landeskirche habe ich mich oft geschämt."

Die theologischen Argumente der Konservativen klingen für viele queere Christ*innen hohl. Aus evangelischer Sicht gibt es keinen theologischen Unterschied zwischen der Trauung eines heterosexuellen Paares und der Segnung eines homosexuellen Paares – bei beiden Feiern empfangen sie den gleichen Segen des einen Gottes, wie die bayerische Landeskirche betont. Warum dann die Unterscheidung?

Ausblick: Der Kampf geht weiter

Die Abstimmung zeigt, dass die württembergische Landeskirche tief gespalten ist. Die Synodalen des konservativen Gesprächskreises "Lebendige Gemeinde" hatten geschlossen gegen das Gesetz gestimmt oder sich enthalten, bei der zweiten Lesung wurde geheim abgestimmt. Mit nur vier fehlenden Stimmen zur notwendigen Zweidrittelmehrheit ist die Hoffnung auf Veränderung jedoch nicht verloren.

Die Kirche steht vor einer grundlegenden Frage: Will sie ein Ort sein, an dem alle Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung – gleichwertig willkommen sind? Oder bleibt sie eine Institution, die queeren Menschen sagt: "Ihr seid anders, ihr seid weniger"? Für die 147 Gemeinden, die bereits Segnungsgottesdienste anbieten, ist die Antwort klar. Für den Rest Württembergs bleibt der Kampf um Gleichberechtigung weitergehen.

Andere Landeskirchen wie die EKHN haben bereits ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen ausgesprochen: "Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle haben in Gemeinden und Einrichtungen Diskriminierung erfahren", heißt es dort. "Die Kirche habe die Würde von Gottes Geschöpfen verletzt". Wann wird Württemberg diesem Beispiel folgen?


Brandenburg: Homophobie und Rassismus – Zwei Polizeianwärter vor Entlassung

An der Polizeihochschule Brandenburg in Oranienburg droht zwei Kommissaranwärtern wegen homofeindlicher, rassistischer und staatsfeindlicher Äußerungen die Entlassung. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf ein Problem, das weit über Brandenburg hinausgeht: Diskriminierung und Extremismus in den Reihen der Polizei, wie die Originalquelle auf queer.de berichtet.

Die Vorwürfe: Volksverhetzung während der Ausbildung

Die beiden 21-jährigen Anwärter im Vorbereitungsdienst für den gehobenen Polizeivollzugsdienst sollen sich in Lehrveranstaltungen abfällig über dunkelhäutige Menschen, homosexuelle Personen und den Verfassungsschutz geäußert haben. Mitschüler*innen protokollierten die Vorfälle. Im Juli 2024 leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung ein, im August wurde das Entlassungsverfahren eingeleitet. Die Anhörungen dauern derzeit noch an.

Zunächst wurden die beiden Auszubildenden suspendiert, doch das Dienstverbot erlosch am 24. Juli wieder, da sich die Ermittlungen als aufwendiger als erwartet herausstellten. Was als Disziplinarverfahren begann, ist mittlerweile zu einem Entlassungsverfahren eskaliert.

Kein Einzelfall: Brandenburg kämpft mit Rechtsextremismus

Der aktuelle Fall reiht sich in eine besorgniserregende Serie ähnlicher Vorfälle ein. 2024 dokumentierte die Opferperspektive Brandenburg insgesamt 273 rechte, rassistische und antisemitische Gewalttaten im Land, wobei Rassismus mit 130 erfassten Angriffen das häufigste Tatmotiv blieb. Auch innerhalb der Polizei gab es in der Vergangenheit bereits Ermittlungen: 2022 wegen Fotos mit SS-Uniformen, 2019 wegen eines Bildes mit rechtsextremem Schriftzug.

Laut Verfassungsschutzbericht 2024 ist das rechtsextremistische Personenpotenzial in Brandenburg auf 3.650 Personen gestiegen, wobei rund 40 Prozent als „gewaltorientiert" gelten. Mehr als die Hälfte aller politisch motivierten Straftaten in Brandenburg stammen aus dem rechten Spektrum.

Homophobie in der Polizei: Ein deutschlandweites Problem

Die homofeindlichen Äußerungen der Brandenburger Anwärter sind symptomatisch für ein tieferliegendes Problem. Eine Studie zu LSBT*-Polizist*innen zeigte, dass fast alle interviewten LGBT*-Polizist*innen von Exklusionserfahrungen am Arbeitsplatz berichteten – von der Verweigerung der Schichtübernahme mit schwulen Kollegen bis zu sexistischen Äußerungen.

Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kam zum Ergebnis: „Trotz der zunehmenden Akzeptanz von LSBTIQ-Personen in vielen Gesellschaften sind Homophobie und homophobe Einstellungen unter Polizeibeamt*innen international immer noch ein Problem." In nahezu allen Bereichen der polizeilichen Arbeit besteht das Risiko von Diskriminierungen.

Ein Berliner Kriminalhauptkommissar berichtete in seinem Buch, dass Ausdrücke wie „Homo" und „Schwuchtel" in der Polizei „keine Einzelerscheinungen" seien. Die Vereinigung lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol) kämpft seit Jahren gegen diese Strukturen.

Queerfeindliche Gewalt nimmt zu

Im Jahr 2023 wurden bundesweit 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ*-Personen erfasst – ein Anstieg gegenüber 1.188 Fällen im Jahr 2022. Die Zahl der Straftaten in den Bereichen „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.

In Brandenburg wurden queerfeindliche Attacken rund um CSDs als Teil rechter Gewaltstrategien dokumentiert, mit denen Täter*innen das Ziel verfolgen, Menschen einzuschüchtern und in ihren Handlungsspielräumen einzuschränken. Laut einer EU-Studie zeigten 96 Prozent der LSBTIQ*-Personen Hate Speech nicht an, 23 Prozent hatten Angst vor homo- oder transphoben Reaktionen der Polizei.

Was muss sich ändern?

Expert*innen fordern mehr Sensibilisierung der Polizeikräfte für das Thema Diskriminierung, entsprechende Schulungen sowie den Ausbau von Beschwerde- und Ombudsstellen. Zudem sollten Diskriminierungsvorfälle verpflichtend erfasst werden.

Grit Merker, Ansprechperson für LSBTTI bei der Polizei Sachsen-Anhalt, betonte: „Wir müssen empathischer werden und handeln." Sie bietet Aus- und Fortbildungsschulungen an, fordert aber, dass diese regelmäßiger stattfinden sollten, „so wie Erste-Hilfe-Schulungen".

Der Brandenburger Fall zeigt: Die Polizei muss nicht nur gegen Diskriminierung in der Gesellschaft vorgehen, sondern auch in den eigenen Reihen aufräumen. Nur so kann sie das Vertrauen aller Menschen gewinnen – unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Herkunft. Die beiden Kommissaranwärter in Oranienburg hätten niemals die Chance bekommen dürfen, mit solchen Einstellungen Menschen zu schützen, die sie offensichtlich verachten.


Historisches Urteil in Minnesota: Trans-Gewichtheberin JayCee Cooper gewinnt gegen Diskriminierung im Sport

In einem wegweisenden Urteil hat der Oberste Gerichtshof von Minnesota entschieden, dass die Richtlinie von USA Powerlifting, die JayCee Cooper vom Wettbewerb in der Frauenklasse ausschließt, "offensichtlich diskriminierend" ist – eine Entscheidung, die weit über die Grenzen des US-Bundesstaates hinaus Beachtung findet. Das Urteil vom 22. Oktober 2025 könnte auch in Deutschland neue Impulse für die Debatte um Trans-Athletinnen im Sport setzen.

Ein siebenjähriger Kampf für Gleichberechtigung

USA Powerlifting lehnte Coopers Antrag 2018 ab, in der Frauenklasse anzutreten. Was folgte, war ein langwieriger juristischer Kampf: Cooper reichte 2021 Klage ein, und das erstinstanzliche Gericht entschied zu ihren Gunsten. Doch der Weg war damit noch nicht zu Ende – das Berufungsgericht wies den Fall an die untere Instanz zurück, bevor er schließlich vor dem höchsten Gericht des Bundesstaates landete.

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf den Minnesota Human Rights Act, der trans Personen vor Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung schützt. Minnesota war 1993 der erste US-Bundesstaat, der ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedete, das ausdrücklich die Diskriminierung von trans Personen verbietet – bereits Minneapolis hatte dies 1975 als erste Stadt getan.

Ein differenziertes Urteil mit Signalwirkung

Trotz des grundsätzlichen Erfolgs für Cooper ist das Urteil nicht eindimensional: Die Richter verwiesen darauf, dass das Gesetz eine Ausnahme für "legitime geschäftliche Zwecke" vorsieht, und sagten, es gebe eine "echte Streitfrage", ob "die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen im Sport" diesem Test entspricht. Ein Teil des Falles wurde daher an das ursprüngliche Gericht zurückverwiesen.

Dennoch bewerten Coopers Anwältinnen das Urteil als vollständigen Sieg. Cooper gewann bei der Klage wegen Diskriminierung gemäß der Bestimmungen über öffentliche Einrichtungen – "wir haben bei der öffentlichen Unterkunft gewonnen", betonte Jess Braverman von Gender Justice. Die Gruppe erklärte auch, dass das Urteil weiter geht und alle trans Personen in Minnesota vor Diskriminierung schützen wird.

Parallelen zur Situation in Deutschland

Die Debatte um trans Athletinnen im Sport ist auch in Deutschland hochaktuell. Im Juni 2022 verabschiedete der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine Neuregelung zum Spielrecht für trans, inter und nicht-binäre Spieler*innen im Amateurfußball, die zur Spielzeit 2022/2023 in Kraft trat. Der LSVD begrüßte, dass der DFB als einer der wichtigsten Sportverbände in Deutschland sein Spielrecht geöffnet hat und die geschlechtliche Selbstbestimmung im deutschen Amateurfußball gestärkt wird.

Rechtlich sind trans Personen in Deutschland durch mehrere Gesetze geschützt: Nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sollen Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts und der sexuellen Identität verhindert oder beseitigt werden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes empfiehlt, bei Sportwettbewerben zunächst zu prüfen, ob eine Geschlechtertrennung überhaupt notwendig ist – handelt es sich um einen Wettbewerb, bei dem die Leistung im Vordergrund steht, oder um eine Veranstaltung im Breitensport, bei denen das gemeinsame Erlebnis und der Spaß im Vordergrund stehen?

Internationale Aufmerksamkeit und Kontroverse

Das intensive Interesse an dem Fall in Minnesota zeigt sich daran, dass zahlreiche Athletinnen und Organisationen beider Seiten Stellungnahmen als Freunde des Gerichts einreichten, darunter die ehemalige Tennis-Championin Martina Navratilova, die Teil einer Gruppe von 83 weiblichen Athletinnen war, die die Position von USA Powerlifting unterstützten.

Die Richter ordneten an, dass das erstinstanzliche Gericht nun prüfen muss, ob USA Powerlifting eine Verteidigung hat, basierend auf der Behauptung, "dass faire Wettkampfmöglichkeiten für ähnlich gestellte Athletinnen ein legitimer geschäftlicher Grund sind, dass ihre Interpretation von Fairplay auf einzigartigen Erwägungen des Gewichthebens basiert", und auf Beweisen, die nach Angaben der Gruppe zeigen, dass trans Gewichtheberinnen Kraftvorteile genießen.

Was bedeutet das Urteil für die Zukunft?

Da die rechtlichen Argumente weitgehend darauf basierten, wie die Gerichte das Gesetz von Minnesota interpretieren sollten, schafft die Entscheidung keinen bindenden Präzedenzfall für andere Bundesstaaten – Gerichte anderswo, die mit ähnlichen Fragen konfrontiert sind, könnten sich jedoch dafür entscheiden, sich auf die rechtliche Begründung zu stützen.

Auf die Frage, ob Cooper plane, weiterhin bei USA Powerlifting anzutreten, hielt sich Braverman zurück und verwies darauf, dass sieben Jahre vergangen seien, seit Cooper zuletzt versucht habe, in der Organisation zu wetteifern: "Wir müssen das mit ihr besprechen".

Das Urteil aus Minnesota zeigt: Der Kampf um Gleichberechtigung im Sport ist noch lange nicht entschieden. Doch es sendet ein klares Signal, dass Diskriminierung – egal wie sie begründet wird – vor Gericht Bestand haben muss. Für trans Athletinnen weltweit ist das ein wichtiger Schritt in Richtung Anerkennung und Teilhabe.


CDU-Justizministerinnen instrumentalisieren rechtsextremen Fall Liebich: Angriff auf trans Rechte und Selbstbestimmung

Drei CDU-Justizministerinnen nutzen den Fall eines rechtsextremen Straftäters, um gegen das Selbstbestimmungsgesetz Stimmung zu machen. Constanze Geiert (Sachsen), Franziska Weidinger (Sachsen-Anhalt) und Beate Meißner (Thüringen) fordern von der Bundesregierung eine "Prüfung und Überarbeitung" des erst seit November 2024 geltenden Gesetzes. Der Vorwand: Der rechtsextreme Straftäter Marla Svenja Liebich, der seinen Geschlechtseintrag Anfang des Jahres ändern ließ, ist nach wie vor flüchtig.

Ein vorgeschobenes Argument

Die Argumentation der Ministerinnen ist so durchsichtig wie fadenscheinig: Das am 12. April 2024 vom Bundestag verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz erlaubt trans, inter und nichtbinären Menschen, ihren Geschlechtseintrag und den Vornamen durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren beim Standesamt ändern zu lassen. Liebich, der wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt wurde, nutzte diese Möglichkeit offenbar, um die deutsche Justiz vorzuführen. Doch unklar bleibt, wie die Ministerinnen erklären wollen, warum eine gesuchte Person mit einem anderen Geschlechtseintrag besser auffindbar sein sollte.

Justizministerin Geiert behauptet, dass Menschen ihren Personenstand ohne Prüfung ändern können, sei in ihrem Bundesland eine "erhebliche Belastung". Sie fordert, dass "Personal mit spezieller Sachkunde in besonderen Fällen" entscheiden solle. Damit würde Deutschland jedoch genau zu jenen entwürdigenden Verfahren zurückkehren, die das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen als verfassungswidrig erklärt hat, weil sie massiv gegen die Grundrechte von trans Personen verstoßen.

Die Realität im Justizvollzug

Was die CDU-Ministerinnen verschweigen: Die Unterbringung in Justizvollzugsanstalten richtet sich nicht automatisch nach dem geänderten Geschlechtseintrag. Wie Legal Tribune Online berichtet, wird vom Grundsatz der getrennten Unterbringung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und der Bedürfnisse der Gefangenen, der Erreichung des Vollzugsziels und der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt abgewichen. Die endgültige Entscheidung liegt bei der jeweiligen Justizvollzugsanstalt, die in einem Aufnahmegespräch prüft, ob eine Gefahr für "Sicherheit und Ordnung" besteht. Eine Verlegung wäre problemlos möglich.

Dass die drei Ministerinnen von einer "einstelligen Zahl" von Fällen in Sachsen-Anhalt sprechen, in denen Menschen nach Änderung des Geschlechtseintrags die Unterbringung in einem Frauengefängnis beantragt haben, zeigt: Es handelt sich um eine verschwindend geringe Zahl. Ein Bericht aus dem Jahr 2022, der bestehende Selbstbestimmungsmodelle in verschiedenen Ländern untersucht hat, zeigt, dass kein Fall einer Änderung des Geschlechtseintrags aus betrügerischen oder kriminellen Absichten bekannt geworden ist.

Ein historischer Fortschritt unter Beschuss

Mehr als 40 Jahre lang wurden Betroffene durch das Transsexuellengesetz diskriminiert. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz ist endlich Schluss damit, erklärte Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus bei der Verabschiedung. Kein Mensch sollte langwierige Gerichtsverfahren und psychiatrische Gutachten über sich ergehen lassen müssen, nur um seinen Geschlechtseintrag ändern zu können.

Das alte Transsexuellengesetz von 1980 verlangte zwei Gutachten, eine mindestens dreijährige Lebensphase im gewünschten Geschlecht und setzte für die Änderung des Geschlechtseintrags vorherige Sterilisierung, geschlechtsangleichende Operation und, falls verheiratet, Scheidung voraus. Diese menschenverachtenden Bedingungen wurden vom Bundesverfassungsgericht Stück für Stück als verfassungswidrig kassiert – dennoch blieb das Gesetz jahrzehntelang in Kraft.

Politisches Kalkül statt Sachpolitik

Die SPD machte bereits im Bundestag deutlich, dass sie "dieses Gesetz mit aller Kraft" verteidigen werde. Queere Organisationen wie der LSVD warnen davor, in die Zeit von "Fremdbestimmung oder Misstrauen" zurückzukehren. Der LSVD kritisierte im gesamten Prozess, dass sich sowohl in die Gesetzesbegründung als auch in einzelne Regelungen diskriminierende und misstrauische Haltungen insbesondere gegenüber trans Frauen wiederfinden, die wahrscheinlich auf die massive Desinformations- und Dämonisierungskampagne zurückzuführen sind.

Dass die drei Ministerinnen auch gleich das Cannabisgesetz auf den Prüfstand stellen wollen, entlarvt ihre wahren Motive: Es geht nicht um Sachpolitik oder berechtigte Sicherheitsbedenken, sondern um parteipolitisches Kalkül gegen vermeintlich progressive Gesetze der ehemaligen Ampel-Regierung. Die Union will laut ihrem Wahlprogramm das gerade einmal sechs Wochen alte Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen, begründet mit dem Kinder- und Jugendschutz.

Deutschland im internationalen Vergleich

In Ländern wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay gibt es einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts auf Grundlage der Selbstbestimmung. Die Tendenz zu solchen unkomplizierten Verwaltungsverfahren spiegelt den internationalen medizinischen Konsens und die Menschenrechtsstandards wider. Deutschland hat mit dem Selbstbestimmungsgesetz lediglich einen längst überfälligen Schritt vollzogen.

Die instrumentalisierung des Falls Liebich durch die drei CDU-Ministerinnen ist nicht nur zynisch, sondern gefährlich. Sie schürt Vorurteile gegen eine vulnerable Minderheit und untergräbt ein Gesetz, das Menschenrechte schützt und Würde wiederherstellt. Trans, inter und nichtbinäre Menschen verdienen Selbstbestimmung – nicht erneute Stigmatisierung durch politische Stimmungsmache.


Klare Kante statt Wahlkampf: CSD Weimar verbietet Parteien

Der CSD Weimar geht einen mutigen Schritt: Beim diesjährigen Christopher Street Day am Samstag dürfen politische Parteien nicht mehr als Aussteller oder mit eigenen Ständen teilnehmen. Das Organisationsteam begründet den Ausschluss damit, dass sich manche Parteien zwar auf CSDs als Unterstützerinnen der queeren Community darstellten, ohne dies später durch konsequentes Handeln zu belegen. "Der CSD ist kein Ort für Symbolpolitik, sondern für echtes Engagement", heißt es in der Erklärung.

Von Regenbogenflaggen zu echten Taten

Die Entscheidung der Weimarer Organisator*innen ist keine Einzelerscheinung mehr in Deutschland. Der Bochumer CSD schließt bereits seit seiner Wiederbelebung 2019 "Werbung von politischen Parteien" aus, und auch der CSD Kassel hat beschlossen, dass klassischen politischen Parteien keine Sonderstellung mehr gewährt werden soll. Die Debatte ist aktueller denn je: Während der CSD Bremen die FDP in diesem Jahr ausschloss, weil der Parteichef vor "Gender-Unsinn" an Schulen gewarnt hatte, durfte die CSU in München 2023 und 2024 nicht mitfahren, unter anderem weil die Partei ein Verbot von Dragqueen-Auftritten gefordert hatte.

Der Weimarer CSD findet unter dem Motto "Nie wieder still – jetzt erst recht!" statt – eine unmissverständliche Ansage in Zeiten, in denen 2024 Rechtsextreme 32 angemeldete Kundgebungen gegen CSDs in Deutschland organisierten und für die kommende Saison sogar mit mehr Gewalt gerechnet werden muss, nicht nur in Ostdeutschland. Die Demo beginnt am Samstag um 13 Uhr vor dem Weimarer Hauptbahnhof, gefolgt von einem Straßenfest und einer Aftershowparty mit Dragshow.

Symbolpolitik versus echte Unterstützung

Die Kritik am "Pinkwashing" – also der oberflächlichen Zurschaustellung von LGBTQ+-Freundlichkeit ohne entsprechende Taten – wird in der queeren Community immer lauter. Politische Parteien brüsten sich auf dem CSD gerne mit queerfreundlichen Forderungen und Reformen, um Stimmen zu gewinnen, machen jedoch in der Regierung eine Politik gegen große Teile der Community. Ein Blick nach Deutschland zeigt: Wann immer es um queere Rechte ging, stand die Union bisher auf der Bremse. Eine CDU/CSU-geführte Regierung hat nie proaktiv aus eigenem Antrieb queere Rechte gestärkt. Jeder Fortschritt musste erkämpft, erstritten oder vom Bundesverfassungsgericht erzwungen werden.

Sophie Koch, Queerbeauftragte der Bundesregierung, setzt zwar auf leise Diplomatie statt auf laute Symbolpolitik, wartet aber seit Juli auf ein Gespräch mit Kanzler Merz. Die Diskrepanz zwischen Sonntagsreden und tatsächlichem politischem Handeln könnte kaum größer sein. Die Versprechen der Koalitionen, Deutschland sicherer für queere, trans, inter und nichtbinäre Personen zu machen, müssen sich in konkreten politischen Entscheidungen widerspiegeln – es reicht nicht, bei Symbolpolitik wie dem Hissen der Regenbogenfahne oder einem Besuch des CSD stehenzubleiben.

Eine Debatte mit zwei Seiten

Nicht alle in der Community teilen die Kritik am Parteienverbot. Einige argumentieren, dass Pride-Demos die Vielfalt des queeren gesellschaftlichen Lebens abbilden sollten – dazu gehörten auch die demokratischen Parteien, und ein Ausschluss verhindere notwendige Diskussionen und schade dem Fortschritt. Die Gegenposition ist jedoch eindeutig: Kritische Stimmen argumentieren, es gehe lediglich um Symbolpolitik, die konkrete Verbesserungen im Alltag queerer Menschen nicht ersetzen könne.

Der CSD Weimar fordert von der Politik klare Taten: "Wir fordern, dass Unterstützung nicht durch Logos und Stände, sondern durch konkrete politische Maßnahmen gezeigt wird." In einer Zeit, in der 2024 in Deutschland 1.765 Straftaten gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst wurden, rund 250 davon Gewalttaten, ist diese Forderung mehr als berechtigt.

Thüringen im Fokus

Gerade in Thüringen, wo politische Spannungen besonders deutlich werden, ist der Ausschluss von Parteien beim CSD ein starkes Statement. Die queere Community in Thüringen kämpft nicht nur um Sichtbarkeit, sondern zunehmend auch um grundlegende Sicherheit. Der Weimarer CSD sendet damit ein klares Signal: Queere Rechte sind nicht verhandelbar, und wer sie auf der Straße unterstützen will, muss sie auch im Parlament verteidigen.

Die Veranstalter*innen appellieren an alle: "Komm vorbei und setze mit uns ein starkes Zeichen für Akzeptanz, Respekt und Solidarität in unserer Stadt. Gemeinsam zeigen wir: Wir sind viele, wir sind stolz und wir sind hier, um gesehen zu werden." Eine Botschaft, die gerade in der klassischen Kulturstadt Weimar – mit ihrer wechselvollen Geschichte von Aufklärung und Dunkelheit – besondere Bedeutung hat.


Japans erste Premierministerin – Ein historisches Amt, doch kein Fortschritt für LGBTQ+-Rechte

Japan hat einen historischen Moment erlebt: Sanae Takaichi wurde vom Parlament in Tokio zur ersten Premierministerin Japans gewählt, wie Pink News berichtet. Doch für die LGBTQ+-Community des Landes bedeutet diese Premiere keinen Grund zum Feiern. In der Vergangenheit sprach Takaichi sich zum Beispiel gegen gleichgeschlechtliche Ehen aus, und ihre ultrakonservativen Positionen deuten auf schwierige Zeiten für queere Menschen in Japan hin.

Konservativ und gegen Gleichberechtigung

Nach mehr als 30 Jahren in der Politik hat sie es geschafft: Sanae Takaichi ist Japans erste Premierministerin, die vor allem für ihre ultrakonservative Haltung bekannt ist. Die 64-Jährige, die sich gerne als Japans "Eiserne Lady" bezeichnet und eine bekennende Bewunderin der britischen „Eisernen Lady" Margaret Thatcher ist – auch unter ihr hatten britische Homosexuelle in den 1980er Jahren nichts zu lachen, macht keinen Hehl aus ihren Ansichten: Die 64-Jährige ist strikte Gegnerin der Ehe für homosexuelle Paare.

Während Takaichi 2023 bei Diskussionen um Japans LGBT-Verständnisgesetz erklärte, es solle keine Vorurteile gegen sexuelle Orientierung geben, beschrieb sie die gleichgeschlechtliche Ehe an anderer Stelle als "sehr schwieriges Problem". Ihre gesellschaftspolitischen Positionen reichen weit: Sie sieht feministische Reformen, Gleichstellungspolitik oder anderweitige Rechte für Frauen kritisch. Außerdem hält sie auch an der männlichen Thronfolge fest.

Japan als letztes G7-Land ohne Eheöffnung

Die Situation für LGBTQ+-Menschen in Japan ist paradox. Japan ist das einzige G7-Land, in dem gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten dürfen – geht es nach Takaichi, bleibt das auch so. Dabei zeigen Umfragen ein anderes Bild: Eine Umfrage von 2023 zeigt, dass 72 Prozent der Befragten für eine Änderung des Gesetzes sind.

Aktuell ist Japan das einzige Land der G7, das die gleichgeschlechtliche Ehe noch nicht anerkannt hat. Mehrere Gerichte haben das Verbot inzwischen als verfassungswidrig eingestuft – ein japanisches Obergericht entschied, dass die fehlende rechtliche Anerkennung gegen die Verfassung verstößt. Das Gericht begründet dies damit, dass das Verbot gegen das in der Verfassung verankerte Recht auf Gleichheit verstößt. Doch die Gerichte können das Gesetz nicht eigenständig ändern. Obwohl die Regierung aufgefordert wird, das Recht auf Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu gewährleisten, kann dies vorerst weiterhin verwehrt bleiben.

Parallelen zu Deutschland – und große Unterschiede

Während Deutschland 2017 die "Ehe für alle" einführte, warten LGBTQ+-Menschen in Japan weiter auf rechtliche Anerkennung. Interessanterweise hat Homosexualität in Japan historisch eine erstaunlich liberale Geschichte: Obwohl Japan das letzte G7-Land ist, das gleichgeschlechtliche Ehen noch nicht anerkennt, zählt die Auffassung von Sexualitäten in Japan zu den liberalsten der Welt. Es gab Zeiten in Japan, in denen Liebe zwischen Männern als "reiner" zählte als die in heterosexuelle Beziehungen. Das liegt daran, dass Sexualität in Japan ohne Moral bewertet wird. Sex ist hier keine "Sünde", da es dieses Prinzip im Shintoismus, der vorherrschenden Religion, nicht gibt. Aus diesem Grund waren nicht-heterosexuelle Beziehungen schon immer anerkannt.

Doch während in Deutschland queere Menschen umfassenden rechtlichen Schutz genießen, sind "Konversionstherapien" in Japan noch immer legal, auch nichtbinäre Menschen sind rechtlich nicht anerkannt. Das im Juni 2023 in Kraft getretene „Gesetz zur Förderung des öffentlichen Verständnisses von Vielfalt in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität" verpflichtet die Regierung einen Basisplan zu formulieren, der Maßnahmen enthalten soll, die das öffentliche Verständnis für Homosexualität verbessern. Human Rights Watch kritisiert, dass es sich bei dem Gesetz um eine reine Absichtserklärung handle und keinen Schutz vor Diskriminierung biete. Daher fordert die Menschenrechtsorganisation die Einführung eines tatsächlichen Antidiskriminierungsgesetzes.

Politischer Stillstand befürchtet

Takaichi regiert jetzt an der Spitze einer Minderheitsregierung und ist auf Partnerschaften mit anderen Parteien angewiesen, darunter auch zwei rechtspopulistische Parteien. Ihre neue Koalition mit der rechtsgerichteten Ishin-Partei lässt wenig Hoffnung auf Fortschritte bei LGBTQ+-Rechten. Mit Ishibas Rücktritt ist der grundsätzliche Beschluss, die Verfassung zu ändern und die Ehe für Homosexuelle zu öffnen, höchstwahrscheinlich in weite Ferne gerückt.

Der LGBTIQ+-Community droht politischer Stillstand, so die Einschätzung vieler Beobachter. Als Schützling des ermordeten ehemaligen Premierministers Shinzo Abe wird erwartet, dass Takaichi dessen Politik nacheifern und Militär und die Wirtschaft stärken sowie die pazifistische Verfassung Japans überarbeiten wird.

Die Community gibt nicht auf

Trotz der düsteren Aussichten kämpft Japans LGBTQ+-Community weiter. Zehntausende feierten das 30. Jubiläum des Tokyo Rainbow Pride unter dem Motto "Nicht aufgeben, Japan verändern". "Wir wollen eine Gesellschaft verwirklichen, in der alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, ihr Leben auf ihre eigene Weise leben können, ohne Diskriminierung oder Vorurteilen ausgesetzt zu sein", erklärten die Organisator*innen.

Sanae Takaichis Ernennung zur Premierministerin ist zwar ein historischer Moment für Japan – doch für die LGBTQ+-Community bedeutet er einen herben Rückschlag. Mit einer Regierungschefin, die fundamental gegen die Ehe für alle ist und konservative Geschlechterrollen vertritt, rückt die rechtliche Gleichstellung in weite Ferne. Während Deutschland und andere europäische Länder längst vorangeschritten sind, bleibt Japan das Schlusslicht unter den großen Industrienationen – und das wird sich unter Takaichi wohl kaum ändern.


Nürnberger Jugendtrainer setzt Homosexuelle mit Rassisten gleich – Ein weiterer Fall von Homophobie im deutschen Fußball

Der deutsche Fußball hat erneut ein Homophobie-Problem: Enrico Valentini, ehemaliger Kapitän und heute U14-Trainer des 1. FC Nürnberg, hat in einem Podcast homosexuelle Menschen mit Rassisten verglichen und seine Ablehnung von Homosexualität öffentlich gemacht. Der 36-jährige evangelikale Christ erklärte im Club-Podcast "Ka Depp", dass er Homosexualität aufgrund seines Glaubens für "falsch" halte – eine Aussage, die in der queeren Community und darüber hinaus für Empörung sorgt.

Der problematische Vergleich und seine Bedeutung

Die Äußerungen von Valentini im Podcast waren problematisch zu Homosexualität, insbesondere sein direkter Vergleich: "Wenn der [Homosexuelle] sich jetzt beleidigt fühlt dafür, dass ich das nicht für gut heiße, was er tut, das ist genauso, wenn ich einem Rassisten sage: 'Hey, das, was du machst, ist falsch.' Das ist genau dieselbe Geschichte." Dieser Vergleich stellt eine sexuelle Orientierung, die ein unveränderlicher Teil der Identität eines Menschen ist, auf eine Stufe mit rassistischem Verhalten – eine Gleichsetzung, die viele Expert*innen als zutiefst diskriminierend bewerten.

Die Haltung wirkt schwierig vereinbar mit dem weltoffenen und toleranten Selbstverständnis des Vereins, zumal Valentini über viele Jahre Kapitän des 1. FC Nürnberg war und heute als U14-Trainer eine prägende Rolle im Nachwuchsbereich spielt. Seine Position als Trainer von bis zu 14-jährigen Nachwuchsspielern macht seine Äußerungen besonders problematisch, da er direkten Einfluss auf die Entwicklung junger Menschen hat.

Halbherzige Entschuldigung und Vereinsposition

Auf Anfrage der Nürnberger Nachrichten bot Valentini eine vage Entschuldigung an: "Wenn ich mit meinen davon geprägten Aussagen, vor allem in der Art und Weise, wie ich sie formuliert habe, jemanden verletzt habe oder sich jemand dadurch angegriffen gefühlt hat, möchte ich hiermit um Entschuldigung bitten." Diese Form der Entschuldigung, die sich auf die Formulierung und nicht auf den Inhalt bezieht, wird oft als unzureichend kritisiert.

Der Verein betonte, dass der FCN ein klares Leitbild und klare Werte hat und in seiner Satzung einen Wertekompass definiert, "der vorsieht, dass alle Menschen gleich behandelt werden". Dennoch stellte sich der Club hinter seinen Trainer und beschrieb ihn als "offenen und toleranten Menschen". Inwiefern die im Podcast getätigten Aussagen von Enrico Valentini mit den Werten des 1. FC Nürnbergs in Einklang gebracht werden können, ließ der Verein unbeantwortet.

Ein systemisches Problem im deutschen Fußball

Valentinis Äußerungen reihen sich ein in eine besorgniserregende Serie homophober Vorfälle im deutschen Fußball. In Deutschland hat sich bislang noch kein aktiver Fußballprofi als homosexuell geoutet, obwohl statistische Wahrscheinlichkeit und Insiderberichte nahelegen, dass es homosexuelle Spieler in allen Proficlubs gibt. 46 Prozent der sehr an Fußball interessierten Menschen in Deutschland sehen Homophobie im Profifußball als ernsthaftes Problem an.

Besonders bedenklich: 16 % der aktiven Sportler*innen haben in den letzten 12 Monaten persönliche negative Erfahrungen im Sport aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gemacht, das gilt insbesondere für trans* Personen (40 %). Überdurchschnittlich viele der queeren Jugendlichen nehmen nicht am Vereinssport teil – aus Angst vor Diskriminierung.

Zwischen Glauben und Diskriminierung

Valentini ist nicht der erste Fußballer, der sich auf seinen christlichen Glauben beruft, um homophobe Ansichten zu rechtfertigen. 2023 teilte der BVB-Spieler Felix Nmecha ein transfeindliches Video eines amerikanischen Rechtsextremisten und verwies ebenfalls auf seinen christlichen Glauben. Im Juli 2024 likte der frühere deutsche Nationaltorwart Bernd Leno ein KI-Video, in dem ein Autoattentat auf CSD-Besucher*innen verübt wird.

Ironischerweise hatte Valentini selbst 2020 eine ganz andere Position vertreten: In einem Appell zur Unterstützung homosexueller Profis wurde er wie folgt zitiert: "Dass Homosexualität im Fußball oder allgemein im Sport überhaupt thematisiert werden muss, zeigt aber, dass vieles nur leere Worthülsen sind."

Was muss sich ändern?

Expert*innen fordern seit Jahren konkrete Maßnahmen. Laut einer Studie der Sporthochschule Köln halten 96% der Befragten Homosexuellen- und Trans*feindlichkeit für ein großes Problem in Sportvereinen. Wie wichtig es sei, auch auf die Sprache und den Umgang in Vereinen und auf dem Platz zu achten, betonen Fachleute, denn durch die Sprache werden oft auch Werte und eben auch Anfeindungen transportiert.

Besonders problematisch ist Valentinis Rolle als Jugendtrainer: Nur wenige Trainer*innen haben das Thema auf dem Schirm, da es in Aus- und Weiterbildungen oftmals fehlt. Das muss sich dringend ändern. Vereine sollten explizite Ansprechpersonen für LSBTIQ* schaffen und ihre Satzungen klar gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität aussprechen.

Der Fall Valentini zeigt einmal mehr: Der deutsche Fußball hat bei der Akzeptanz sexueller Vielfalt noch einen weiten Weg vor sich. Während im Frauenfußball viele Spielerinnen offen lesbisch leben, bleibt Homosexualität im Männerfußball ein Tabu – mit realen Konsequenzen für betroffene Spieler, Trainer und vor allem für junge Menschen, die in diesem Umfeld aufwachsen und sich an Vorbildern orientieren.


USA verbieten dritten Geschlechtseintrag beim Fliegen – was bedeutet das für Deutschland?

Eine neue Richtlinie aus den USA sorgt für Verunsicherung bei nichtbinären und trans Menschen weltweit: Fluglinien sind in den Vereinigten Staaten laut einem Bericht der "New York Times" ab sofort gezwungen, bei internationalen Flügen nur noch die Geschlechtseinträge "weiblich" und "männlich" zu akzeptieren (queer.de). Die Maßnahme ist Teil der umfassenden Anti-Trans-Politik der Trump-Regierung und hat direkte Auswirkungen auf Reisende aus aller Welt – auch aus Deutschland.

Was genau hat sich geändert?

Fluggesellschaften müssen bei der Meldung ihrer Fluggäste an die US-Grenzschutzbehörde CBP nun den Geschlechtseintrag F (weiblich) oder M (männlich) auswählen. Reisepässe, die Einträge wie "X" für intergeschlechtliche oder nichtbinäre Menschen enthalten, sind zwar weiterhin gültig. Allerdings müssen sich die Reisenden entscheiden, ob sie als männlich oder weiblich registriert werden wollten. Noch problematischer: Wenn im Reisepass kein Geschlechtseintrag steht oder ein X angegeben ist, sollen die Fluggesellschaften selber entscheiden, welches Geschlecht sie eintragen.

Eigentlich gilt diese Regelung schon seit dem 14. Juli, Fluggesellschaften hatten aber 90 Tage Zeit, um die Anordnung umzusetzen. Seit letzter Woche gibt es nun keine Ausnahmen mehr. Die Maßnahme ist eine direkte Folge von Trumps Dekret vom Januar 2025, das die Anerkennung von Geschlechtern in den USA auf „männlich" und „weiblich" beschränkt.

Auswirkungen für deutsche Reisende

Deutschland gehört zu den Ländern, die seit 2018 einen dritten Geschlechtseintrag anerkennen. Neben den Geschlechtseintragungen „männlich" und „weiblich" gibt es auch – als so genannte „dritte Option" – den Eintrag „divers". Außerdem kann der Eintrag offen gelassen werden. Im deutschen Reisepass wird für eine Person, die weder männlich ("M") noch weiblich ("F") ist, in der visuell lesbaren Zone ein "X" eingetragen.

Das Auswärtige Amt warnt bereits seit längerem vor Schwierigkeiten. Auf der AA-Webseite zu US-Reisehinweisen heißt es: "Aufgrund einer Executive Order vom 20. Januar 2025 müssen Einreisende in die USA in Zukunft bei ESTA- oder Visumanträgen entweder das Geschlecht 'männlich' oder 'weiblich' angeben; relevant ist hierbei der Geschlechtseintrag der antragstellenden Person zum Zeitpunkt der Geburt". Betroffene Personen sollen einen Auszug aus dem Geburtenregister oder ihre Geburtsurkunde auf ihre USA-Reise mitnehmen, schreibt das Auswärtige Amt.

Das Problem mit der „Lösung"

Die Situation ist für viele Betroffene mehr als nur bürokratisch kompliziert – sie kann gefährlich werden. Ein zweiter Pass ist keine Lösung für Personen, deren äußeres Erscheinungsbild nicht mit dem bei Geburt eingetragenen Geschlecht übereinstimmt. Wenn das für die Grenzschutzbeamten nicht übereinstimmt oder keinen Sinn ergibt, könnten Diskriminierungen folgen.

Zwar können Personen in Deutschland unter besonderen Umständen einen zweiten Reisepass mit einem F oder M Eintrag ausstellen lassen. Um mögliche Formen der Diskriminierung beim Grenzübertritt zu vermeiden, kann eine Person, die eine Variante der Geschlechtsentwicklung aufweist und dies mittels einer ärztlichen Bescheinigung nachweist, beantragen, dass die vormalige männliche oder weibliche Geschlechtsangabe in ihrem Pass eingetragen wird. Doch diese Option steht nicht allen offen und löst das grundsätzliche Problem nicht.

Teil einer größeren Strategie

Die Flugverbotsregelung ist nur ein Element in Trumps umfassender Anti-Trans-Agenda. Unter neuen Politiken wird das US-Außenministerium nur Pässe ausstellen, die männlich oder weiblich sagen und die dem Geschlecht des Antragstellers bei der Geburt entsprechen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht von einem systematischen Versuch, "trans, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen unsichtbar zu machen".

All dies ist Teil der umfassenden Versuche der Regierung, trans Personen unsichtbar zu machen und ihnen gleiche Rechte vor dem Gesetz zu verweigern. Die Heritage Foundation, deren Politik Trump derzeit umsetzt, fordert sogar die Einstufung von "Transgender-Ideologie" als Terrorismus.

Was bedeutet das für Deutschland?

Deutschland hat seit 2018 erhebliche Fortschritte in der rechtlichen Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt gemacht. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz, das seit November 2024 in Kraft ist, können transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt ändern lassen – ohne Gutachten oder Gerichtsverfahren.

Die US-Regelung zeigt jedoch, dass rechtliche Fortschritte in einem Land durch Maßnahmen anderer Staaten ausgehöhlt werden können. Die neuen Regelungen markieren einen symbolischen Bruch mit der „Wertegemeinschaft" und werfen Fragen zu Gleichstellung und Menschenrechten auf. Für nichtbinäre und trans Menschen aus Deutschland bedeutet das: Selbst mit korrekten Dokumenten müssen sie bei USA-Reisen mit Diskriminierung, Zwangsouting und bürokratischen Hürden rechnen.

Die internationale LGBTQ+-Community beobachtet diese Entwicklung mit großer Sorge. Was in den USA geschieht, hat oft Signalwirkung – auch wenn in Deutschland und Europa weiterhin an der Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt festgehalten wird. Der Kampf für die Rechte von trans, inter und nichtbinären Menschen ist längst nicht gewonnen.


Reform UK ernennt Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe als Berater von Nigel Farage

Die rechtspopulistische britische Partei Reform UK hat einen Anti-Abtreibungs- und Anti-Gleichstellungs-Verfechter als Berater von Nigel Farage ernannt. James Orr, ein ehemaliger Unternehmensanwalt und außerordentlicher Professor für Religionsphilosophie an der Universität Cambridge, wurde am Sonntag (19. Oktober) in einem Post auf X/Twitter vom Leiter der Parteipolitik, Zia Yusuf, als leitender Berater von Farage vorgestellt (Quelle: PinkNews).

Wer ist James Orr?

Orr hat die Trump-Administration beeinflusst und ist ein enger Freund des US-Vizepräsidenten JD Vance. Der US-Vizepräsident JD Vance hat Orr als seinen "britischen Sherpa" bezeichnet. Die Ernennung signalisiert eine strategische Verschiebung für Reform UK, die internationale Verbindungen zur amerikanischen konservativen Bewegung stärkt.

In seinen öffentlichen Äußerungen hat Orr deutlich gemacht, wo er steht: In einem Interview mit der Coalition for Marriage 2023 erklärte er, dass die gleichgeschlechtliche Ehe "sehr wichtige nachgelagerte Auswirkungen" habe. Die Coalition for Marriage ist eine Dachorganisation von Einzelpersonen und Organisationen in Großbritannien, die die traditionelle Ehe unterstützen und sich ihrer Neudefinition widersetzten.

Extreme Positionen zu Migration und LGBTQ+-Themen

Orrs Rhetorik geht weit über die Ablehnung der Ehegleichheit hinaus. In einem Interview mit The European Conservative beschrieb er Asylsuchende als "Invasoren". Er bezeichnete die LGBTQ+-Community als "sogenannte Regenbogenmenschen, hyperliberale sexuelle Progressive, die Identitätspolitik vorantreiben" und hat geschlechtsangleichende Versorgung für trans Jugendliche als "Verstümmelung von Kindern" bezeichnet.

Orr lehnt Abtreibung in jedem Stadium der Schwangerschaft ab, auch in Fällen von Vergewaltigung. Zudem glaubt er, dass Vielfalt Nationen schwächt und hält den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 für von der "globalen Linken" übertrieben.

Parallelen zu Deutschland: Reform UK und die AfD

Die Entwicklung in Großbritannien erinnert an Dynamiken in Deutschland. Reform UK hat die Konservativen inzwischen bei den Mitgliederzahlen überholt und verzeichnet über 130.000 Mitglieder bei einem Umfragewert von 24 Prozent. Nigel Farage, Architekt des Brexits und enger Vertrauter von Donald Trump, gilt in Umfragen als Favorit für das Amt des Premierministers.

Ähnlich wie die AfD in Deutschland positioniert sich Reform UK gegen LGBTQ+-Rechte, insbesondere gegen trans Personen. In ihrem Wahlmanifest erklärt die Partei, "Transgender-Indoktrination verursache irreversiblen Schaden bei Kindern" und will "Transgender-Ideologie" – ein weithin als anti-trans Hundepfeife betrachteter Begriff – sowohl in Grund- als auch in weiterführenden Schulen verbieten.

In Deutschland zeigen Studien des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD), dass unter den Anhängern der AfD die Gruppe mit geschlossen antifeministischen und sexistischen Einstellungen knapp unter der 50-Prozent-Marke bleibt, während 71 Prozent der AfD-Wähler am häufigsten transfeindlich sind. Mit Russland verbindet die AfD die Haltung zu Migration und Islam, die Ablehnung der Vielfalt der Geschlechter und Skepsis gegenüber der LGBTQ-Bewegung.

Reform UKs LGBTQ+-feindliche Politik

Reform UK-Chef Nigel Farage erklärte während eines Live-Telefonats auf LBC, dass die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe "falsch" gewesen sei. Nach den Kommunalwahlen im Mai kündigte Reform an, dass die zehn von ihr kontrollierten Räte in ganz England – Durham, Kent, Lancashire, Staffordshire, Nottinghamshire, Derbyshire, Doncaster, North Northamptonshire, West Northamptonshire und Lincolnshire – das Hissen der Pride-Flagge verbieten würden.

Im Jahr 2013, als Farage Vorsitzender der UKIP war, sagte er, er würde Mitglieder nicht ausschließen, die "altmodische" Ansichten über Homosexualität äußern, einschließlich derer, die sie als "ekelhaft" bezeichnen. Im folgenden Jahr erklärte er: "Ich unterstütze die gleichgeschlechtliche Ehe nicht... solange wir unter der Schirmherrschaft des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stehen".

Internationale Verbindungen zur extremen Rechten

Orr war ein Freund des rechten Podcasters Charlie Kirk, bekannt für seine Befürwortung von Waffenrechten und für die Äußerung anti-LGBTQ+-Ansichten, der im vergangenen Monat während einer überfüllten öffentlichen Debatte mit Universitätsstudenten tödlich erschossen wurde.

Als Universitätsdozent in Cambridge ist Orr eine wichtige Figur beim Centre for a Better Britain, einem neuen Think Tank, der von Freunden von Farage finanziert wird und Politiken für eine mögliche Reform UK-Regierung entwickeln wird. Orr scheint sich an der Heritage Foundation zu orientieren, dem MAGA-Giganten, der Trumps Agenda für die zweite Amtszeit entwarf – durch ein 900-seitiges Dokument namens "Project 2025". In einem BBC-Interview sagte Orr, dass andere britische Think Tanks "Schwierigkeiten haben, die Lichter anzuhalten", während die Heritage Foundation etwa 100 Millionen Dollar jährlich einnimmt.

Was bedeutet das für LGBTQ+-Rechte in Europa?

Die Ernennung von James Orr ist ein besorgniserregendes Signal für die LGBTQ+-Community sowohl in Großbritannien als auch in Europa. Sie zeigt die wachsenden transatlantischen Verbindungen zwischen rechten Bewegungen und ihre gemeinsame Agenda gegen LGBTQ+-Rechte, insbesondere gegen trans Personen.

Während in Deutschland Parteien wie die Grünen und die Linke sich für umfassende LGBTQ+-Rechte einsetzen, verfolgen rechtspopulistische Parteien wie die AfD ähnliche Strategien wie Reform UK: Sie mobilisieren gegen sogenannte "Gender-Ideologie" und "Woke-Kultur", während sie die Rechte von trans Personen gezielt angreifen.

Für die LGBTQ+-Community in Deutschland ist die Entwicklung in Großbritannien eine Mahnung: Die erkämpften Rechte sind nicht selbstverständlich und müssen kontinuierlich verteidigt werden. Die internationale Vernetzung rechter Bewegungen erfordert eine ebenso starke Solidarität und gemeinsame Verteidigung von Menschenrechten über Ländergrenzen hinweg.


Hinterhalt auf dem Schulhof: Wenn Dating-Apps zur tödlichen Falle werden

Es sollte ein harmloses Date werden – doch stattdessen endete der Abend für einen 24-jährigen schwulen Politiker aus Lüneburg auf einem dunklen Schulhof in einem brutalen Albtraum. Über eine Dating-App in einen Hinterhalt gelockt, wurde der JU-Schatzmeister Simon Schmidt im Dezember 2024 von einer Gruppe junger Männer zusammengeschlagen, mit Messern bedroht und homophob beleidigt. Nur einen Tag später ereignete sich ein weiterer mutmaßlich schwulenfeindlich motivierter Angriff in Lüneburg – nach demselben Muster. Nun, Monate nach den Taten, hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg Anklage gegen drei damals 14- und 15-jährige Jugendliche erhoben. Lesen Sie die vollständige Meldung auf queer.de.

Die perfide Masche: Dating-Apps als Waffe gegen Schwule

Die Vorgehensweise war in beiden Fällen erschreckend ähnlich: Über Dating-Apps wurden die Opfer an abgelegene Orte gelockt – anstatt eines Dates erwartete sie dort ein Schlägertrupp. Der Angriff auf Schmidt ereignete sich gegen 18:15 Uhr auf dem Schulhof der Gesamtschule in der Graf-Schenk-von-Stauffenberg-Straße in Lüneburg-Kaltenmoor, beide Opfer erlitten schwere Gesichtsverletzungen und mussten mehrfach operiert werden. Was diese Attacken besonders beunruhigend macht: Sie zeigen, wie digitale Plattformen, die eigentlich sichere Räume für queere Menschen sein sollten, zu Tatwaffen umfunktioniert werden können.

Diese Angriffsmethode ist kein Einzelfall. Weltweit werden LGBTQ+-Menschen gezielt über Dating-Apps gedoxxt und bloßgestellt – wie 2020 in Marokko, wo eine Influencerin ihre Follower ermutigte, Fake-Profile anzulegen und schwule Männer zu outen, was zu Todesdrohungen und Zwangsräumungen führte. Auch in Deutschland wächst die Besorgnis über die Online-Sicherheit für LGBTQ+-Menschen.

Drei Tatverdächtige identifiziert – weitere Täter auf der Flucht

Nach intensiven Ermittlungen konnten drei Tatverdächtige identifiziert werden – zwei damals 15-Jährige und ein 14-Jähriger. Bei Wohnungsdurchsuchungen stellten die Ermittler mehrere Handys sicher; auf mindestens einem Gerät fanden sie ein Video, das eine der Taten dokumentiert. Doch damit ist der Fall noch lange nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass höchstens sechs Personen beteiligt waren – die anderen Täter sind noch immer nicht identifiziert.

Die Anklage wirft den Jugendlichen vor, ihre Opfer "mittels eines gefährlichen Werkzeugs, mittels eines hinterlistigen Überfalls und mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben". Hinzu kommt der Vorwurf, "eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt hergestellt zu haben". Ein Prozessbeginn wird erst nach dem Jahreswechsel 2026 erwartet – eine quälend lange Wartezeit für die Opfer.

Teil einer alarmierenden Entwicklung in Deutschland

Die Lüneburger Angriffe sind Teil einer besorgniserregenden bundesweiten Entwicklung. Im Jahr 2023 richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ*-Personen – ein dramatischer Anstieg gegenüber 1.188 im Jahr 2022. Zu den häufigsten Delikten gehörten Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.

Nach der EU-Grundrechteagentur haben in Deutschland 16 Prozent der LGBTQ+-Menschen Gewalterfahrungen erlebt – bei inter* Menschen sogar über ein Drittel. Die aktuellen Zahlen des Bundesinnenministeriums bestätigen: Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend, zudem muss von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, da viele Betroffene Straftaten nicht anzeigen.

Sicherheitsrisiko Dating-Apps: Wenn die Community verwundbar wird

Die Angriffe in Lüneburg werfen ein grelles Licht auf ein oft unterschätztes Problem: die Sicherheit von LGBTQ+-Dating-Apps. Erst im März 2025 erschütterte ein massives Datenleck mehrere iOS-Dating-Apps: Insgesamt 1,5 Millionen private Nutzerfotos der Apps BDSM People, Chica, Translove, Pink und Brish wurden kompromittiert, darunter explizite Bilder aus privaten Chats. Die Sicherheitsexperten von Cybernews warnten eindringlich vor den Folgen.

Cybernews wies darauf hin, dass ein erhebliches Risiko entstehe – kriminelle Hacker könnten Betroffene mit sensiblen Bildern erpressen, und für queere Menschen in homophoben Ländern bestehe eine große, teilweise lebensbedrohliche Gefahr. Auch ohne technische Datenlecks machen die Lüneburger Fälle deutlich: Dating-Apps können zu Waffen werden, wenn sie gezielt für homophobe Hassverbrechen missbraucht werden.

Was können queere Menschen tun?

Die Fälle aus Lüneburg sind eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass Dating für LGBTQ+-Menschen mit besonderen Risiken verbunden sein kann. Expert*innen raten zu erhöhter Vorsicht: Treffen Sie sich beim ersten Date an belebten, öffentlichen Orten. Informieren Sie Freund*innen über Ihr Treffen. Achten Sie auf Warnsignale wie Druck zu einem Ortswechsel an abgelegene Stellen. Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl.

Doch die Verantwortung darf nicht allein bei den potenziellen Opfern liegen. Die Gesellschaft muss queere Menschen besser schützen – durch konsequente Strafverfolgung, durch Präventionsarbeit und durch eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Homophobie. Die Lüneburger Fälle zeigen: Schwulenfeindlichkeit ist kein Relikt der Vergangenheit, sondern eine reale, alltägliche Bedrohung im Jahr 2025.

Hinweise zu den Taten nimmt die Polizei Lüneburg unter der Telefonnummer 04131/8306-2215 entgegen.


Europarat mahnt Großbritannien: Trans-Rechte sind Menschenrechte

Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Michael O'Flaherty, hat die britische Regierung in einem offiziellen Schreiben eindringlich vor der Erosion der Rechte von trans Menschen gewarnt. Nach einem Urteil des Supreme Court, wonach sich trans Frauen in Großbritannien nicht auf das Gleichstellungsgesetz berufen können, mahnt O'Flaherty, dass das Land weiterhin an die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gebunden sei. Die Entwicklung in Großbritannien wirft auch für Deutschland wichtige Fragen auf – gerade jetzt, wo das im April 2024 vom Bundestag beschlossene Selbstbestimmungsgesetz trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen endlich aus der jahrzehntelangen Diskriminierung durch das Transsexuellengesetz befreit.

Menschenrechte keine Verhandlungssache

Die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert trans Menschen ausdrücklich verschiedene Grundrechte: Das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) und das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) spielen dabei eine zentrale Rolle. O'Flaherty warnte eindringlich davor, die Anerkennung von Menschenrechten als Nullsummenspiel zu betrachten – die Beschneidung der Rechte von trans Frauen also als Sieg für die Rechte cisgeschlechtlicher Frauen zu werten. Dies fördere Vorurteile und schaffe ein gefährliches gesellschaftliches Klima.

Besonders besorgniserregend: Der irische Jurist betonte, dass trans Menschen in geschlechtergetrennten Räumen nicht gezwungen werden dürfen, sich stets zu outen. „Neben Fragen der Privatsphäre könnte die Vorgabe, das eigene Geschlecht bei der Geburt kundtun zu müssen, auch die Gefahr von Belästigungen, Missbrauch und sogar Gewalt vergrößern", heißt es in seinem Brief.

Trans-Panik im Vereinigten Königreich

Das einstimmige Urteil des Supreme Court im November 2024 entschied, dass die Begriffe „Frau" und „Geschlecht" im Equality Act das biologische Geschlecht meinen – Personen, die bei Geburt als weiblich eingetragen wurden, werden rechtlich als Frauen anerkannt, andere nicht. Die Folgen sind weitreichend: Nach einer neuen Richtlinie der britischen Kommission für Gleichstellung und Menschenrechte dürfen trans Personen nicht mehr die Toiletten, Duschen und Umkleiden ihres erlebten Geschlechts nutzen.

Die gesellschaftliche Stimmung hat sich dramatisch verschärft. Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling rief im August zum Boykott einer großen Kaufhauskette auf, weil diese trans Menschen beschäftigt. Auch Premierminister Keir Starmer erklärte, dass er trans Frauen künftig nicht mehr als Frauen ansehe. Besonders schockierend: Eine trans Frau wurde zu 21 Monaten Haft in einem Männergefängnis verurteilt, weil sie ihrem Partner vor sexuellen Handlungen nicht von ihrer Transidentität erzählt hatte.

Deutschland auf einem anderen Weg

Während Großbritannien die Rechte von trans Menschen abbaut, hat Deutschland im vergangenen Jahr einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Das Grundgesetz schützt die geschlechtliche Selbstbestimmung im Rahmen der Persönlichkeitsrechte. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz können trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ab dem 1. November 2024 vor dem Standesamt ändern.

Das neue Gesetz löst das Transsexuellengesetz (TSG) aus dem Jahr 1980 ab, das vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt wurde. Ein Begutachtungs- und Gerichtsverfahren ist somit nicht mehr erforderlich. Deutschland reiht sich damit in eine wachsende Liste von Ländern wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay ein, die einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts auf Grundlage der Selbstbestimmung haben.

Gewalt und Diskriminierung auch in Deutschland

Doch auch in Deutschland ist die Lage ernst. Eine Studie der EU-Grundrechteagentur von 2024 zeigt, dass 65 % der trans Frauen in Deutschland von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten berichteten. Im Jahr 2023 wurden 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen erfasst, bei den Gewalttaten wurden 212 Opfer festgestellt. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht, wobei die Dunkelziffer weiterhin hoch ist.

Die Reform der Geschlechtsanerkennung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem LGBT-Aktivist*innen vor einem Anstieg der Anti-LGBT-Gewalt in Deutschland warnen. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei über 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen, 2022 führte ein Angriff zum gewaltsamen Tod eines Trans-Mannes.

Europarat unter Druck

Der seit 1949 aktive Europarat fördert Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie in ganz Europa. Deutschland gehört zusammen mit Frankreich, Großbritannien und Italien zu den Hauptbeitragszahlern. Der Europarat spielte in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle bei LGBTI-Rechten im Königreich: 1981 entschied der Menschenrechtsgerichtshof, Nordirland müsse sein Homosexuellenverbot aufheben. Auch das Verbot von Homosexuellen in den britischen Streitkräften wurde nach Entscheidungen des Straßburger Gerichts 1999 aufgehoben.

Doch jetzt ist die Institution selbst unter Beschuss. Die konservativen Tories und die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage setzen sich für den Austritt Großbritanniens aus dem Europarat ein, mit dem Argument der Einschränkung britischer Souveränität, insbesondere in der Migrations- und Asylpolitik. Ein Austritt hätte schwerwiegende Folgen für Minderheitenrechte, die internationale Reputation und bestehende Verträge wie das Friedensabkommen in Nordirland.

Ein Weckruf für Europa

Die Warnung des Europarates an Großbritannien ist mehr als ein diplomatisches Signal. Sie ist ein Weckruf für ganz Europa. Das Urteil birgt die Gefahr, Antigenderismus sowie trans- und queerfeindliche Politiken nicht nur in Großbritannien, sondern auch in anderen Ländern weiter zu befeuern. In Zeiten, in denen rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien an Einfluss gewinnen und geschlechtliche Vielfalt zunehmend als Feindbild instrumentalisiert wird, ist das besonders alarmierend.

Deutschland hat mit dem Selbstbestimmungsgesetz gezeigt, dass ein anderer Weg möglich ist. Die Reform der gesetzlichen Geschlechtsanerkennung zeigt, dass die Regierung die Grundrechte von trans- und nicht-binären Menschen unterstützt, was zu einem breiteren Verständnis und einer größeren Akzeptanz von verschiedenen Geschlechtsidentitäten beiträgt. Doch Gesetze allein reichen nicht – es braucht gesellschaftliche Solidarität, konsequenten Schutz vor Gewalt und eine klare Haltung gegen jede Form von Diskriminierung.

Die Entwicklung in Großbritannien zeigt, wie schnell hart erkämpfte Rechte wieder unter Druck geraten können. Umso wichtiger ist es, dass Institutionen wie der Europarat ihre Stimme erheben und klarstellen: Trans-Rechte sind Menschenrechte. Ohne Wenn und Aber.


Wenn christlich-konservative Organisationen Trans-Rechte bekämpfen: Der Fall der Darlington-Krankenschwestern

In Großbritannien beginnt am Montag ein Gerichtsverfahren, das weit über einen lokalen Arbeitsrechtsstreit hinausgeht. Acht Krankenschwestern des Darlington Memorial Hospital klagen gegen den County Durham and Darlington NHS Foundation Trust, weil ihre trans Kollegin Rose Henderson die Damenumkleide nutzt. Was diesen Fall besonders brisant macht: Die Klage wird von einer anti-LGBTQ+ und abtreibungsfeindlichen christlichen Rechtsorganisation, dem Christian Legal Centre, unterstützt. Wie Pink News berichtet, wirft der Fall grundlegende Fragen über Trans-Rechte, Arbeitsplatzpolitik und den Einfluss religiös-konservativer Lobbygruppen auf.

Hinter den Kulissen: Wer steckt hinter dem Christian Legal Centre?

Das Christian Legal Centre wurde von Andrea Minichiello Williams gegründet, einer Rechtsanwältin und Geschäftsführerin von Christian Concern. Eine Channel-4-Dokumentation aus dem Jahr 2008 enthüllte, dass Williams Abtreibung für illegal erklärt haben möchte und glaubt, dass Homosexualität eine Sünde sei und die Welt nur 4.000 Jahre alt. Die Organisation hat eine lange Geschichte der Unterstützung von Fällen gegen LGBTQ+-Rechte: vom Verklagen von Behörden wegen trans-freundlicher Zebrastreifen über die Unterstützung einer Mutter, die die Grundschule ihres Sohnes wegen einer Pride-Veranstaltung verklagte, bis hin zu einem Mitarbeiter, der nach Facebook-Posts gegen LGBTQ+-Inklusion entlassen wurde.

Auf einer Webseite zum Fall der Darlington-Krankenschwestern behauptet das Christian Legal Centre, dass „radikale Gender-Ideologie die Wahrheit und biblische Lehren zerstört" und dass „Christen frei sein müssen, Gottes Design für Männer und Frauen aufrechtzuerhalten". Die Organisation beschreibt Trans-Rechte als "extremen und kontroversen Gender-Ideologie", die die Rechte von Frauen untergrabe.

Der Fall: Was genau wird vorgeworfen?

Die Richtlinien des Trusts erlauben es trans Mitarbeitern, geschlechtsspezifische Umkleideräume, Toiletten und Duschen zu nutzen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Die Krankenschwestern haben Klage wegen angeblicher sexueller Belästigung, Diskriminierung und Viktimisierung eingereicht und behaupten, der Trust habe es versäumt, ihr Recht auf Privatsphäre gemäß Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu respektieren. Sie sagen, sie fühlten sich in der Umkleide „unsicher".

26 Krankenschwestern in Darlington äußerten Bedenken gegenüber ihrem Arbeitgeber über das „einschüchternde" und „verstörende" Verhalten einer trans Kollegin in den Damenumkleideräumen. Die Krankenschwestern behaupteten, ihre Kollegin sei nur in Unterwäsche herumgelaufen und habe sie „angestarrt und Gespräche initiiert", während sie sich umzogen. Der Trust unternahm nichts, als die Bedenken erstmals 2023 geäußert wurden, teilte den Krankenschwestern aber nach einer schriftlichen Beschwerde 2024 mit, dass „das Krankenhaus ihre trans Kollegin zu 150 % unterstützt" und dass die Beschwerdeführenden „umerzogen" werden und ihren „Horizont erweitern" müssten.

Deutsche Perspektive: Trans-Rechte am Arbeitsplatz im Vergleich

Während in Großbritannien dieser heftige Rechtsstreit tobt, hat Deutschland in den letzten Monaten einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Der deutsche Bundestag hat am 12. April 2024 ein wegweisendes Gesetz verabschiedet, das trans und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Das Selbstbestimmungsgesetz trat am 1. November 2024 in Kraft und ermöglicht Erwachsenen die Selbstbestimmung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Personenstandsregister.

Doch auch in Deutschland bleibt die Frage der Umkleideräume und geschützten Räume komplex. In bestimmten Fällen, wie dem Zugang zu geschlechtsspezifischen Toiletten, Umkleideräumen, Saunen oder Sportvereinen, ist der eingetragene Geschlechtseintrag nicht der entscheidende Faktor. Stattdessen müssen Hausrecht und andere Kriterien, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), berücksichtigt werden. Öffentliche Einrichtungen wie Fitnessstudios und Umkleideräume haben weiterhin das Recht zu entscheiden, wen sie hereinlassen.

Arbeitgeber sind grundsätzlich verpflichtet, Toilettenräume und gegebenenfalls Waschräume und Umkleideräume bereitzustellen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verpflichtet Arbeitgeber, durch präventive Maßnahmen ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu gewährleisten. Anders als in Großbritannien, wo ideologisch motivierte christliche Organisationen aggressiv gegen Trans-Rechte kämpfen, hat Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz ein Signal für Menschenrechte und Selbstbestimmung gesetzt.

Trans-Gesundheitsversorgung: Europa im Kampf gegen Diskriminierung

Der Fall aus Darlington ist Teil eines größeren Musters der Diskriminierung, das trans Menschen in ganz Europa erleben. Laut der jüngsten Umfrage der EU-Grundrechteagentur aus dem Jahr 2024 berichteten 39 Prozent der trans Menschen in der EU, dass sie Diskriminierung durch medizinisches Personal erlebt haben. Trans Personen stehen vor Barrieren wie langen Wartezeiten und unzureichender Versicherungsdeckung.

Der Europarat hat in einem Bericht vom Dezember 2024 deutlich gemacht: Es gibt erhebliche gesundheitliche Ungleichheiten zwischen LGBTI-Personen und der Allgemeinbevölkerung, einschließlich erhöhter Raten psychischer Gesundheitsprobleme, die hauptsächlich durch weit verbreitete Diskriminierung und Marginalisierung verursacht werden. Die FRA-Umfrage von 2020 ergab, dass 16% der LGBTI-Menschen Diskriminierung im Gesundheitswesen erlebten; bei trans Befragten stieg dieser Indikator auf 34%.

Das größere Bild: Kulturkrieg um Trans-Rechte

Der Darlington-Fall ist kein isoliertes Ereignis. Er ist Teil eines orchestrierten Angriffs auf Trans-Rechte durch religiös-konservative Organisationen, die Trans-Identitäten als "Ideologie" bezeichnen und wissenschaftliche Erkenntnisse über Geschlechtsidentität ablehnen. Laut ILGA-Europe hat das Vereinigte Königreich in den Rankings für LGBTI-Rechte erheblich an Boden verloren – von Platz 1 in Europa im Jahr 2015 auf Platz 22 im Jahr 2025. Insbesondere die anti-trans Rhetorik in britischen Medien wird als „zunehmend und vitriolic" seit 2016 beschrieben und als „super-charged" seit 2018.

Während Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen progressiven Schritt nach vorne gemacht hat, zeigt der Fall aus Darlington, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben. Die Geschichte lehrt uns, dass hart erkämpfte Rechte schnell wieder verloren gehen können, wenn religiös-fundamentalistische Gruppen die Gerichte nutzen, um Diskriminierung zu legitimieren.

„Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz hat Deutschland einen Schandfleck in seiner Menschenrechtsbilanz beseitigt und sein Engagement für LGBT-Rechte im In- und Ausland gestärkt", sagte Cristian González von Human Rights Watch. Deutschland sendet damit ein klares Signal: Trans Menschen existieren und verdienen Anerkennung und Schutz ohne Diskriminierung. Unter dem neuen Gesetz können trans und nicht-binäre Menschen zu einem Standesamt gehen und ihren Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine einfache Erklärung ändern lassen.

Der Prozess in Darlington wird zeigen, welche Richtung Großbritannien einschlägt – ob es den Menschenrechten folgt oder ob religiös motivierte Diskriminierung vor Gericht Erfolg hat. Für die trans Community in Europa und darüber hinaus steht viel auf dem Spiel.


Tragödie in Konstanz: Wenn Wahn und internalisierte Homophobie zu Gewalt führen

Ein brutaler Mord in Konstanz erschüttert und wirft schwierige Fragen auf: Das Landgericht Konstanz ordnete die Unterbringung eines 50-Jährigen wegen Mordes in der Psychiatrie an, der Mann ist wegen einer paranoiden Schizophrenie schuldunfähig. Der jordanische Staatsbürger hatte im Januar 2025 mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser in der Konstanzer Wohnung des 36-Jährigen 72 Mal auf ihn eingestochen. Der Fall aus der Bodenseestadt (Originalquelle: queer.de) zeigt in erschreckender Weise, wie psychische Erkrankungen, Wahnvorstellungen und internalisierte Homophobie zu einer tödlichen Mischung werden können.

Die Tat und ihre Hintergründe

Die beiden Männer kannten sich seit mehreren Jahren und hatten wiederholt einvernehmlichen sexuellen Kontakt. Beide hatten vor der Tat zusammen Drogen konsumiert. Doch was zunächst wie eine sexuelle Begegnung begann, endete in einem grausamen Mord. Der Täter war laut Gericht der wahnhaften Überzeugung verfallen, sein ehemaliger Sexualpartner könne seine Gedanken lesen.

Noch erschütternder: Nach Auffassung der Kammer und der Staatsanwaltschaft besuchte der Beschuldigte seinen Freund mit Absicht, um an dessen Leber zu kommen, da er das Organ für ein Speichermedium seiner Gedanken hielt. Der Angeklagte hoffte zudem, sich durch die Tat von seinem homosexuellen Verlangen zu "befreien". Diese Aussage macht deutlich, wie tief internalisierte Homophobie in der Psyche des Täters verankert war.

Internalisierte Homophobie: Der Feind im Inneren

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf ein Problem, das in der queeren Community viel zu oft im Verborgenen bleibt. Internalisierte Homophobie bezeichnet negative Gefühle, Gedanken oder Verhaltensweisen gegenüber der eigenen Homosexualität, die oft unbewusst sind. Sie entsteht, wenn LGBTIQ*-Menschen die homophoben Botschaften ihrer Umgebung verinnerlichen und sich selbst ablehnen.

In Deutschland zeigen Studien, dass Homosexuelle häufiger psychisch erkranken als die Allgemeinbevölkerung, öfters Depressionen, Angststörungen oder Suchtverhalten entwickeln, und bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit homo- oder bisexueller Orientierung eine dreifach höhere Suizidrate besteht. Das erhöhte Risiko für psychische Erkrankungen ist auf direkt oder indirekt erfahrene Diskriminierung zurückzuführen, daneben spielen auch internalisierte Homophobie, Selbstentwertung oder starke Schuld- und Schamgefühle eine Rolle.

Der psychiatrische Maßregelvollzug als Lösung

Bis zum Ende der Verhandlung habe sich der Beschuldigte von seinem Wahn leiten lassen und die Schuld bei seinem Opfer gesucht, so der vorsitzende Richter. Das Gericht hatte keinen Zweifel an der Schuldunfähigkeit des Beschuldigten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

In Deutschland werden im Maßregelvollzug gemäß §§ 63 und 64 StGB psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter untergebracht. Die forensische Psychiatrie ist für die Begutachtung der Straftäter und die Umsetzung des Maßregelvollzugs zuständig. Der Maßregelvollzug hat die Aufgabe, die Gesellschaft vor weiteren Straftaten zu schützen - einerseits durch eine gesicherte Unterbringung, anderseits mit Hilfe verschiedener Therapien, mit dem Ziel, die Patienten auf ein straffreies Leben in der Gesellschaft vorzubereiten.

Ein mahnendes Beispiel

Der Fall aus Konstanz zeigt in tragischer Weise, wie verheerend die Kombination aus unbehandelter psychischer Erkrankung, Drogenkonsum und internalisierter Homophobie sein kann. Während der Täter nun die notwendige psychiatrische Behandlung erhält, bleibt ein 36-jähriger Mann tot zurück – ein Opfer von Gewalt, die ihre Wurzeln nicht nur in einer Psychose, sondern auch in gesellschaftlicher Homophobie hatte.

Für die LGBTIQ*-Community in Deutschland ist dieser Fall eine schmerzhafte Erinnerung daran, wie wichtig der Zugang zu sensibler psychologischer Betreuung ist. Homosexuelle benötigen keine besonderen Therapieangebote, sondern Therapeuten, die einen wertfreien und geschützten Raum bieten. Nur so können wir verhindern, dass internalisierte Homophobie zu selbstschädigendem Verhalten oder – im schlimmsten Fall – zu Gewalt führt.


Hassverbrechen in Magdeburg: Queerer Club Boys'n'Beats nach Angriff ungebrochen

In der Nacht zum Freitag, den 17. Oktober, wurde der queere Club Boys'n'Beats in Magdeburg Opfer eines mutmaßlichen Angriffs – Unbekannte warfen eine Fensterscheibe mit Steinen ein. Der Vorfall reiht sich ein in eine besorgniserregende Entwicklung: Queerfeindliche Straftaten stiegen im Jahr 2023 zum siebten Jahr in Folge und auf einen neuen Höchststand. Die ursprüngliche Meldung erschien auf queer.de.

Ein Angriff auf einen sicheren Raum

Das Boys'n'Beats in der Liebknechtstraße 89 ist die Nummer 1-Diskothek für LSBTIQ* (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queer) in der Landeshauptstadt Magdeburg. Der Club hat damit ein Alleinstellungsmerkmal in ganz Sachsen-Anhalt. Nach dem Angriff teilten die Betreiber*innen auf Instagram ein Foto der stark beschädigten Fensterscheibe – eine klare Botschaft folgte: "Wir lassen uns nicht kleinkriegen", heißt es in dem Post.

Das Boys'n'Beats geht von einem Hassverbrechen aus. Die Hintergründe des Angriffs seien bislang unklar, alles deute jedoch darauf hin, dass Homophobie im Spiel gewesen sei, so das Netzwerk Freie Kultur Magdeburg.

Welle der Solidarität

Die Reaktion ließ nicht auf sich warten: In den sozialen Medien erhält der Club viel Unterstützung und Solidarität von Fans, aber auch aus der Politik. Eva von Angern, Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, kommentierte aufmunternd, während die Magdeburger Grünen ihre Unterstützung zusagten. "Als Netzwerk Freie Kultur Magdeburg stehen wir klar und unmissverständlich an der Seite unseres Vereinsmitglied Boys'n'Beats und aller queeren Menschen in unserer Stadt", erklärte das Netzwerk.

Die Polizei konnte auf Nachfrage vorerst nichts zu dem mutmaßlichen Angriff sagen – dort wurde der Vorfall noch nicht angezeigt.

Ein alarmierender Trend in ganz Deutschland

Der Angriff auf das Boys'n'Beats ist kein Einzelfall. Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre, wie das Bundesministerium des Innern im Dezember 2024 mitteilte. Im Jahr 2023 richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen (im Jahr 2022: 1.188) – ein Anstieg um etwa 50 Prozent innerhalb eines Jahres.

Besonders alarmierend: Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Zu den häufigsten gegen LSBTIQ* gerichteten Straftaten gehörten im Jahr 2023 Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen.

Angriffe auf queere Einrichtungen: Ein unterschätztes Problem

Neben Übergriffen auf Einzelpersonen sind Angriffe auf queere Einrichtungen und Orte – auf Clubs und Cafés, auf Bildungsorte und Beratungsstellen, auf Veranstaltungen, Feste und Paraden – eine weitere Erscheinungsform queerfeindlicher Gewalt, wie das Berliner Monitoring queerfeindliche Gewalt dokumentiert.

Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an, warnte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Expert*innen gehen davon aus, dass über 80% der Vorfälle nicht gemeldet werden.

Magdeburgs queere Szene steht zusammen

Magdeburg verfügt über eine aktive queere Community. Der CSD Magdeburg e.V. mit über 300 Mitgliedern ist der größte queere Verein in Sachsen-Anhalt und organisiert jährlich den Christopher Street Day. Auch der LSVD Sachsen-Anhalt bietet Beratung und Unterstützung für LSBTIQ* Menschen in der Region.

Der Angriff auf das Boys'n'Beats zeigt einmal mehr, wie wichtig sichere Räume für die queere Community sind – und wie bedroht diese Räume nach wie vor sind. Die Solidarität, die der Club erfährt, ist ein Hoffnungsschimmer. Doch sie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass queerfeindliche Gewalt ein strukturelles Problem bleibt, das entschiedenes Handeln von Politik, Polizei und Gesellschaft erfordert.

Das Boys'n'Beats wird weitermachen – das haben die Betreiber*innen klar gemacht. "Wir stehen weiterhin für Respekt, Miteinander und Zusammenhalt", so ihre Botschaft. Ein Statement, das in diesen Zeiten wichtiger ist denn je.


Historische Premiere: ZDF überträgt ersten Queer-Gottesdienst im deutschen Fernsehen

Am 26. Oktober 2025 schreibt das deutsche Fernsehen Geschichte: Das ZDF überträgt am 26. Oktober einen Gottesdienst aus Münster live im Fernsehen – allerdings nicht aus einer Pfarrei, sondern die Messe der Queergemeinde Münster. Erstmals wird damit ein speziell für queere Menschen konzipierter katholischer Gottesdienst bundesweit im Fernsehen ausgestrahlt – ein Meilenstein für die Sichtbarkeit von LGBTIQ*-Gläubigen in Deutschland. Die Übertragung beginnt um 9:30 Uhr aus der St.-Anna-Kirche in Münster-Mecklenbeck.

Eine Gemeinde mit bewegter Geschichte

Die Queergemeinde Münster blickt auf eine lange Tradition zurück. Die Queergemeinde Münster wurde 1999 von einer Gruppe schwuler Theologen gegründet. Seitdem feiern immer am zweiten Sonntagabend im Monat lesbische, schwule, bisexuelle und transgeschlechtliche wie auch heterosexuelle Gläubige gemeinsam eine Messfeier. Damit gehört sie zu den ältesten queeren Gemeinden in der katholischen Kirche Deutschlands. Der Anfang war jedoch nicht einfach: Regelmäßig feierte die queere Community Gottesdienste mit Priestern, die sich dazu bereiterklärten – bis der Gemeinde nur ein Jahr nach Beginn ein Eucharistieverbot von der Bistumsleitung erteilt wurde. „Das hat so viele enttäuscht, dass die Hälfte der Gläubigen weggebrochen ist", erinnern sich Zeitzeugen.

Doch die Gemeinschaft gab nicht auf. Sie haben sich nur fünf Monate an die Wortgottesdienste gehalten. Es fehlte ihnen einfach etwas und sie haben schnell Priester gefunden, die wieder mit ihnen die Eucharistie feierten. Heute findet monatlich eine Messe in der Krypta der St.-Antonius-Kirche statt, mit wechselnden Priestern, darunter auch Münsters emeritierter Weihbischof Dieter Geerlings.

"Wer bin ich – für dich?" – Der historische Gottesdienst

Der ZDF-Gottesdienst steht unter dem Motto "Wer bin ich – für dich?" und wird von Pfarrer Karsten Weidisch in Zusammenarbeit mit der Queergemeinde zelebriert. Jan Dieckmann, Mitglied der Gemeinde, beschreibt die Bedeutung: "Queers finden dort tieferen Glauben, Gemeinschaft und geistlichen Ausdruck – es geht um Würde, Vielfalt und Respekt." Musikalisch wird der Gottesdienst von der Band Effata unter der Leitung von Anselm Thissen gestaltet. Zu hören sein wird auch das Lied "Du bist so anders", das Dieckmann zum 20-jährigen Bestehen der Gemeinde 2019 komponierte.

Die St.-Anna-Kirche in Münster-Mecklenbeck, die 1972 eingeweiht und vom Architekten Harald Deilmann entworfen wurde, bietet dank ihrer technischen Ausstattung ideale Bedingungen für die TV-Produktion. Nach der Live-Ausstrahlung wird der Gottesdienst auch in der ZDF-Mediathek verfügbar sein. Im Anschluss stehen Gemeindemitglieder bis 18 Uhr unter der Nummer 0700 – 14 14 10 10 für Gespräche zur Verfügung.

Deutschland als Vorreiter in Europa

Die Fernsehübertragung ist Ausdruck einer bemerkenswerten Entwicklung. Die katholische Kirche in Deutschland ist unter den Top 10 der queerfreundlichsten Kirchen in Europa. Unter den katholischen Kirchen Europas gilt die in Deutschland als die queerfreundlichste. Die katholische Kirche in Deutschland erreicht demnach 37,5 von möglichen 47 Punkten und steht damit auf Platz 9 des Rankings. Dies zeigt der aktuelle "Rainbow Index of Churches in Europe" 2025.

Als Gründe für das gute Abschneiden der katholischen Kirche in Deutschland nennt der Bericht die starken Laiengremien und katholischen Verbände, die das Gemeindeleben prägen und eine wichtige Brücke zwischen Gläubigen und kirchlicher Hierarchie bilden. Weitere Fortschritte sieht die Studie in der etablierten LGBTQ-Seelsorge mit nationalen und regionalen Koordinatoren sowie in der Zuständigkeit eines Weihbischofs im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz für diesen Seelsorgebereich.

Ein weiter Weg – auch in Deutschland

Trotz dieser Fortschritte gibt es weiterhin Herausforderungen. Der emeritierte Münsteraner Weihbischof Dieter Geerlings sagte bei einem ökumenischen Gottesdienst: "Die Herabwürdigung queerer Menschen, auch durch die offizielle Kirche in ihrer Lehre, war menschenverachtend." Inzwischen hätten die Bischöfe Veränderungen, etwa im kirchlichen Arbeitsrecht, in Kraft gesetzt; "aber das heißt nicht, dass alles im Lot ist – es braucht revolutionäre Geduld".

Die Geschichte der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) zeigt, wie lange der Kampf um Anerkennung dauert. Auch christliche Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender haben seit Mitte der 1970er Jahren in Deutschland zahlreiche Netzwerke gegründet. 1977 entstand die ökumenische Arbeitsgruppe „Homosexuelle und Kirche" (HuK) und 1985 die ökumenische Arbeitsgemeinschaft „Lesben in der Kirche" (LuK). Seitdem gibt es deutschlandweit Queergottesdienste in vielen Städten – von Berlin über Frankfurt bis München.

Ein Signal mit Strahlkraft

Die ZDF-Übertragung ist mehr als nur ein Gottesdienst – sie ist ein kraftvolles Signal für alle queeren Gläubigen in Deutschland und darüber hinaus. Für viele Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität mit der Kirche gebrochen haben, kann diese Sichtbarkeit einen Unterschied machen. „Aber als ich mehr und mehr realisiert habe, dass ich als schwuler Mann aus kirchenrechtlicher Sicht eigentlich gar nicht dazugehöre, habe ich mit der Kirche gebrochen", erzählt ein Gemeindemitglied. „Bei meinem ersten Queer-Gottesdienst hatte ich Tränen in den Augen. Ich hatte meine kirchliche Heimat wiedergefunden."

Der Queer-Gottesdienst ist Teil der Reihe katholischer Fernsehgottesdienste, die das ZDF sonntags im Wechsel mit evangelischen Feiern sendet. Dass nun erstmals ein Queergottesdienst diese Plattform erhält, zeigt: Die Kirche in Deutschland ist auf einem Weg der Veränderung – und die Queergemeinde Münster geht diesen Weg mit 25 Jahren Erfahrung mutig voran.


Angriff auf queeren Club in Magdeburg: Ein Hassverbrechen, das nicht einschüchtert

In der Nacht zum Freitag wurde der queere Club "Boys'n'Beats" in Magdeburg Opfer eines Angriffs. Unbekannte warfen mit einem Stein eine Fensterscheibe ein – ein weiteres erschreckendes Beispiel für den drastischen Anstieg queerfeindlicher Straftaten in Deutschland, der in den vergangenen Jahren ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht hat. Der Club, der sich in der Liebknechtstraße 89 befindet, teilte auf Instagram ein Foto der stark beschädigten Fensterscheibe und setzte ein kraftvolles Zeichen des Widerstands: "So ein Angriff, so ein Hassverbrechen, soll Angst machen. Doch wir lassen uns nicht kleinkriegen. Wir stehen weiterhin für Respekt, Miteinander und Zusammenhalt."

Ein bedrohlicher Trend in ganz Deutschland

Der Angriff auf das "Boys'n'Beats" reiht sich ein in eine alarmierende Entwicklung. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen erfasst – im Vorjahr waren es noch 1.188. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte die Zahlen "erschreckend" und betonte, dass queerfeindliche Gewalt als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden müsse.

Besonders besorgniserregend: Trotz des Anstiegs der gemeldeten Fälle legen Erhebungen nahe, dass die Dunkelziffer weiterhin hoch ist. Laut der Umfrage EU-Grundrechteagentur FRA von 2024 meldeten nur zehn Prozent der Polizei einen queerfeindlichen Vorfall. Viele Betroffene zeigen Übergriffe nicht an – aus Scham, Misstrauen gegenüber der Polizei oder weil die eindeutige Feststellung eines queerfeindlichen Motivs schwierig ist.

Sachsen-Anhalt: Ein Brennpunkt queerfeindlicher Gewalt

Der Angriff in Magdeburg findet vor dem Hintergrund einer besonders angespannten Situation in Sachsen-Anhalt statt. In diesem Jahr wurden vermehrt Angriffe gewaltorientierter Rechtsextremist/-innen auf queere Veranstaltungen verzeichnet, insbesondere in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Gerade in Ostdeutschland erleben queere Communities verstärkt Angriffe auf queere Sichtbarkeit und Strukturen – das Verbot der Regenbogenflagge in Neubrandenburg, die rechtsextremen Angriffe beim Christopher-Street-Day in Bautzen oder die wiederholten Sachbeschädigungen an queeren Orten in Magdeburg und Rostock sind Angriffe auf unsere demokratische Grundordnung.

Wie die "Volksstimme" berichtete, konnte die Polizei zunächst nichts zu dem Angriff auf das "Boys'n'Beats" sagen, da der Vorfall noch nicht angezeigt worden war. Dies unterstreicht einmal mehr die Problematik der hohen Dunkelziffer bei queerfeindlichen Straftaten.

Solidarität aus Politik und Community

In den sozialen Medien erhielt der queere Club umgehend Unterstützung und Solidarität – auch aus der Politik. Eva von Angern, Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, kommentierte den Instagram-Post mit den Worten: "Bitte lasst euch nicht einschüchtern – ihr seid stärker als die!" Auch die Magdeburger Grünen zeigten sich solidarisch und erklärten auf Threads: "Wir sind mehr und wir lassen uns nicht unterkriegen."

Diese Solidaritätsbekundungen sind wichtig, denn queere Vereine wie der CSD Magdeburg e.V. fördern die Sichtbarkeit queerer Lebensweisen und deren Akzeptanz in der Gesellschaft. Mit über 300 Mitgliedern ist er der größte queere Verein Sachsen-Anhalts und setzt sich in zahlreichen Aktionen für die Rechte der queeren Community ein. Orte wie das "Boys'n'Beats" sind nicht nur Partylocations, sondern Schutzräume und Anker für die Community.

Die Botschaft: Wir lassen uns nicht einschüchtern

Trotz der zunehmenden Bedrohung zeigt sich die queere Community in Magdeburg widerstandsfähig. Die Betreiber*innen des "Boys'n'Beats" machten deutlich: "Unsere Haltung bleibt stark." Diese Entschlossenheit ist angesichts der aktuellen Lage wichtiger denn je. Gerade in Zeiten eines erstarkenden Rechtsextremismus ist ein klares Bekenntnis zum Schutz queerer Menschen im Grundgesetz notwendig.

Der Angriff auf das "Boys'n'Beats" ist mehr als eine Sachbeschädigung – er ist ein Angriff auf die Freiheit, auf die Selbstbestimmung und auf das Recht, sichtbar zu sein. Doch die queere Community in Magdeburg und ganz Deutschland zeigt: Sie lässt sich nicht kleinkriegen. Wie der Club selbst schrieb: "Wir stehen weiterhin für Respekt, Miteinander und Zusammenhalt."

Quelle: queer.de


Keira Knightley unter Beschuss: Lachen über JK Rowling sorgt für Empörung

Die britische Schauspielerin Keira Knightley, 40, gerät in heftige Kritik, nachdem ein Video viral ging, das sie lachend bei einem Interview über JK Rowlings trans-feindliche Positionen zeigt. Die Schauspielerin wurde im September für das kommende Hörbuch "Harry Potter: The Full-Cast Audio Editions" angekündigt, in dem sie die verhasste Schulleiterin Professor Umbridge sprechen wird. Der Vorfall hat eine neue Welle der Empörung in der LGBTQ+-Community ausgelöst.

Das kontroverse Interview

Im Interview mit Decider wurde Knightley gefragt, ob sie sich bewusst sei, dass einige Fans zum Boykott aufrufen. "I was not aware of that, no," antwortete sie. "I'm very sorry." Was jedoch für besondere Empörung sorgte: Das Video zeigt Knightley, wie sie nach ihrer Entschuldigung lacht und auch beim nachfolgenden Kommentar über ein friedliches Zusammenleben kichert.

Der Clip wurde über 15 Millionen Mal angesehen, nachdem er auf sozialen Medien geteilt wurde. Die Reaktionen fielen vernichtend aus: Ein Kommentar, der mehr als 16.000 Likes erhielt, lautete: "That laugh says NOT sorry". Andere verglichen ihr Verhalten mit einem Teenager, der sich entschuldigt, es aber nicht ernst meint.

Der deutsche Kontext: Auch hierzulande eine bekannte Debatte

Die Kontroverse um JK Rowling und ihre Haltung zu trans Personen ist auch in Deutschland ein vieldiskutiertes Thema. Rowling hat sich über die Jahre radikalisiert. Ihre hauptsächliche Argumentationslinie: Es gibt nur zwei biologische Geschlechter. Daran sei nichts zu ändern. Trans Frauen sind für sie keine Frauen, sondern eben trans Frauen.

Harry-Potter-Hauptdarsteller Daniel Radcliffe positionierte sich klar: "Transgender Frauen sind Frauen." Jedes gegenteilige Statement lösche die Identität und die Würde von trans Personen. Auch in Deutschland wurden Rowlings Äußerungen stark kritisiert. Die Bestsellerautorin hat sich bereits zum wiederholten Male transfeindlich geäußert.

Boykottaufrufe und ihre Wirkung

Die Frage, ob man Harry-Potter-Produkte noch konsumieren sollte, beschäftigt auch deutsche Fans intensiv. Die Boykott-Aufrufe scheinen das Spiel "Hogwarts Legacy" kaum aufzuhalten. Millionen Menschen schauten auf der Plattform Twitch Streamenden beim Spielen zu. Auch zum Boykott der Bücher wird immer wieder aufgerufen - mit mäßigem Erfolg. Nun kommt aber ein wenig mehr Bewegung in die Sache. Erste Buchhändler nehmen jetzt nämlich Harry Potter tatsächlich aus dem Sortiment.

Mit jedem Kauf würde Rowling mitfinanziert werden und damit ihr transfeindlicher Aktivismus. Diese moralische Zwickmühle stellt viele Fans vor schwierige Entscheidungen - auch in Deutschland, wo die Debatte um trans Rechte und TERFs (Trans Exclusionary Radical Feminists) ebenfalls geführt wird.

Die Stimme der Betroffenen

Rowling setzt sich nicht nur verbal gegen trans Menschen ein, sondern auch aktiv für transfeindliche Gesetze. Beispielsweise hilft sie der Rechtsanwältin Allison Bailey mit finanziellen Mitteln, die sich wiederum gegen trans Rechte einsetzt. Transfreundliche Gesetzesänderungen wie kürzlich in Schottland kritisiert sie vehement.

Die trans YouTuberin und Journalistin Jessie Earl betonte, dass es nicht darum gehe, bereits erworbene Produkte zu entsorgen, sondern keine weiteren zu kaufen. Knightleys Lachen wirkt in diesem Kontext besonders verletzend für trans Menschen, die täglich um Anerkennung und Rechte kämpfen müssen.

Parallelen in Deutschland

Das entspricht dem gesamten Lager der sogenannten TERFs, die in Deutschland mit bekannten Persönlichkeiten wie der Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer ebenfalls Positionen gegen die Gleichstellung von trans Menschen, insbesondere trans Frauen, beziehen. Die Debatte zeigt: Das Thema ist nicht auf Großbritannien beschränkt, sondern betrifft die gesamte LGBTQ+-Community in Europa.

Während das Hörbuch zwischen November 2025 und Mai 2026 veröffentlicht werden soll und über 200 Sprecher beteiligt sind, haben sich bisher nur wenige der beteiligten Schauspieler zu Rowlings Haltung geäußert. Knightleys Lachen dürfte jedoch kaum dazu beitragen, die Wogen zu glätten - im Gegenteil: Es zeigt, wie schwer es vielen prominenten Persönlichkeiten fällt, sich klar gegen Diskriminierung zu positionieren, wenn wirtschaftliche Interessen im Spiel sind.


Bedrohung für queere Existenz: Türkei plant Haftstrafen – "Schlimmer als Russland"

Die türkische Regierung plant einen der schärfsten Angriffe auf LGBTIQ+-Rechte in Europa: Ein neuer Paragraf sieht vor, dass „jeder, der Einstellungen oder Verhaltensweisen, die bei seiner Geburt festgestelltem biologischen Geschlecht und der öffentlichen Moral widersprechen, öffentlich unterstützt, lobt oder fördert, mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu drei Jahren bestraft" wird, berichtet queer.de. Die queere Organisation KaosGL warnt eindringlich: Der Gesetzentwurf sei "schlimmer als in Russland".

Ein Angriff auf die queere Community mit weitreichenden Folgen

Der durchgesickerte Entwurf des elften Justizreformpakets der türkischen Regierung liest sich wie ein Alptraum für die LGBTIQ+-Community: Wenn Personen gleichen Geschlechts eine Verlobungs- oder Trauungszeremonie durchführen, werden sie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bis zu vier Jahren verurteilt. Auch symbolische Feiern würden damit kriminalisiert – ein massiver Eingriff in das Privatleben queerer Menschen.

Besonders perfide: Die Formulierung bedroht auch die Arbeit von queeren Organisationen und könnte gegen Personen eingesetzt werden, die sich etwa nicht vermeintlich geschlechtstypisch kleideten, warnt Rechtsanwalt Kerem Dikmen von KaosGL. Die vagen Formulierungen öffnen Willkür Tür und Tor – ein Mann, der Nagellack trägt, könnte bereits bestraft werden.

Trans Menschen besonders betroffen

Für trans Personen verschärft sich die Situation dramatisch: Trans* Menschen sollen erst mit frühestens 25 Jahren eine geschlechtsangleichende Operation durchführen lassen können und auch dann nur mit einem psychologischen Gutachten. Der Entwurf sieht zudem vor, dass trans Menschen vier medizinische Gutachten vorlegen müssen, die jeweils mindestens drei Monate auseinanderliegen – eine bürokratische Hürde, die den Zugang zur geschlechtsangleichenden Behandlung faktisch blockiert.

Noch 2017 hatte das türkische Verfassungsgericht einen wichtigen Fortschritt erzielt: Transsexuelle müssen sich in der Türkei nicht mehr zwangsweise geschlechtsanpassenden Operationen mit dem Ziel der Unfruchtbarmachung unterziehen. Doch dieser Fortschritt droht nun zunichte gemacht zu werden. Unfruchtbarkeit soll wieder zur Voraussetzung gemacht werden – ein Schritt zurück in die Barbarei.

"Schlimmer als Russland" – ein erschreckender Vergleich

Die türkische LGBTIQ+-Organisation KaosGL vergleicht den Entwurf mit dem russischen Gesetz von 2013, das jegliche positiven Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet unter Strafe stellt. Doch während Russlands "Homo-Propaganda-Gesetz" ursprünglich auf Minderjährige beschränkt war, geht der türkische Entwurf weiter: Er kriminalisiert queere Existenz für alle Altersgruppen und sieht Haftstrafen statt Geldstrafen vor.

Die Folgen der russischen Gesetzgebung sind verheerend: Die Anzahl von Hassverbrechen gegen LGBTQ-Personen ist nach der Verabschiedung des Gesetzes 2013 dreifach höher als in der Zeit davor. Für den Zeitraum von 2010 bis 2020 wurden 1.056 Hassverbrechen gegen 853 Personen festgestellt, von denen 365 tödlich endeten. Diese erschreckenden Zahlen zeigen, was passiert, wenn Staaten queere Menschen zu Sündenböcken machen.

Parallelen zu Deutschland: Wie können wir helfen?

In Deutschland genießen LGBTIQ+-Personen weitreichende Rechte: 71 Prozent der Deutschen befürworten die Ehe für alle. Drei Viertel (73 %) finden, dass Homosexuelle bei der Adoption von Kindern die gleichen Rechte haben sollten wie heterosexuelle Paare. Doch auch hierzulande gibt es Herausforderungen: Vor allem bei jungen Männern nehmen queerfeindliche Ansichten auch in Deutschland eher zu.

Die deutsch-türkische Zivilgesellschaft und deutsche LGBTIQ+-Organisationen sind gefordert. Bereits 2008 diskutierte die Hirschfeld-Eddy-Stiftung gemeinsam mit Human Rights Watch über die Menschenrechtslage queerer Menschen in der Türkei. Die Arbeit von Organisationen wie KaosGL, die seit 1994 für LGBTIQ+-Rechte kämpft, verdient internationale Solidarität und Unterstützung.

Erdoğans "Jahr der Familie" – ein Vorwand für Repression

2025 wurde als das 'Family Year' designiert. Viele Politiker, einschließlich Präsident Recep Tayyip Erdoğan, haben LGBTIQ+-Personen mit Begriffen wie 'Entsexualisierung', 'LGBT-Propaganda' und 'abweichende und schädliche Bewegungen' ins Visier genommen. Erdogan bezeichnet die LGBTQ-Bewegung als "perverse Ideologie" und fordert: "Es sei die Verantwortung aller, 'unsere Kinder und Jugendlichen vor schädlichen Trends und perversen Ideologien' zu schützen."

Dabei ist Homosexualität bereits seit 1858 in der Türkei legal. Seit der Streichung von Homosexualität als Straftatbestand droht Schwulen und Lesben damit nach über 165 Jahren erstmals wieder eine Kriminalisierung. Ein trauriger Rückschritt für ein Land, das einst als eines der toleranteren in der islamischen Welt galt.

Was passiert als Nächstes?

Am 18. Februar wurden in Razzien zum Verdacht einer Mitgliedschaft in einer "Terrororganisation" rund 50 Personen festgenommen, darunter Yildiz Tar, der Chefredakteur von KaosGL, und weitere queere Personen und Aktivist*innen. Der Chefredakteur sitzt noch immer in Untersuchungshaft – ein klares Signal der Einschüchterung.

Abdullah Güler, Fraktionschef der Regierungspartei AKP, erklärte zwar, dass der Entwurf nicht eingebracht worden sei. Doch das Durchsickern könnte ein Testballon sein, um die Reaktionen zu testen und die Community einzuschüchtern. Die internationale Gemeinschaft muss jetzt Druck ausüben, um zu verhindern, dass dieser menschenverachtende Entwurf Gesetz wird.

Die queere Community in der Türkei braucht unsere Solidarität. Wie ein schwuler Mann gegenüber der türkischen Zeitung Turkiye Today erklärte: "Sie wollen uns auslöschen, aber wir werden uns nicht beugen!" Dieser Mut verdient unsere Unterstützung – heute mehr denn je.


Erfolg für trans Rechte: Bundesrat stoppt Dobrindts umstrittenes Sonderregister

In einer überraschenden Wendung hat die Bundesregierung am Freitag die geplante Abstimmung über eine umstrittene Verordnung zum Selbstbestimmungsgesetz kurzfristig von der Tagesordnung des Bundesrates genommen. Die geplante Verordnung hätte frühere Geschlechtseinträge und Vornamen dauerhaft im Melderegister gespeichert und an andere Behörden übermittelt. Nach monatelangen Protesten von queeren Verbänden, Aktivist*innen und über 250.000 Unterzeichner*innen einer Petition ist dies ein wichtiger Erfolg für die trans, inter und nicht-binäre Community – zumindest vorerst.

Was war geplant?

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte ein Sonderregister für alle Menschen geplant, die das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch genommen haben. Die im Juli bekannt gewordene Verordnung zur Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes im Meldewesen sah vor, dass bei Änderungen des Geschlechtseintrags neue zusätzliche Datenblätter im Melderegister angelegt werden sollten – mit Informationen über den früheren Geschlechtseintrag, den alten Vornamen sowie Datum und Aktenzeichen der Änderung.

Das Besondere daran: Der alte Vorname, das frühere Geschlecht und das Datum der Änderung sollten in eigenen Datenfeldern im aktuellen Datensatz gespeichert werden – und das für immer, denn die Daten sollten außerdem bei jedem Umzug automatisch mitwandern. Anders als bisher, wo alte Datensätze mit einem Sperrvermerk versehen wurden, wären die sensiblen Informationen künftig für unzählige Behörden direkt einsehbar gewesen.

Warum die Empörung so groß war

Die Kritik an der Verordnung war massiv und kam aus allen Richtungen. Die geplante Verordnung zur Erfassung und Weitergabe von Daten von Personen, die das Selbstbestimmungsgesetz zur Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen genutzt haben, sorgte seit Wochen für Empörung. Queere Verbände wie die Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit (dgti), der Bundesverband Trans* und der LSVD kritisierten das Vorhaben scharf als unnötig und gefährlich.

Der LSVD betonte, dass entgegen Offenbarungsverbot und Datenlöschungsgrundsätzen ein "Mechanismus" entstehe, "der das 'alte Geschlecht' dauerhaft mitführt, obwohl das SBGG gerade darauf abzielt, dass Menschen nach einer Änderung nicht mehr an ihren früheren Geschlechtseintrag gebunden sind". Die Regelung würde faktisch ein "altes Ich" zementieren, das dauerhaft mitgeführt werden müsse – ein direkter Widerspruch zum Ziel des Selbstbestimmungsgesetzes.

Die dunkle Parallele: Rosa Listen in Deutschland

Besonders beunruhigend war für viele Betroffene die historische Parallele zu sogenannten "Rosa Listen". Der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano warnte vor der Wiedereinführung von Rosa Listen, wie sie in der deutschen Geschichte bereits eine unheilvolle Rolle gespielt haben.

Seit dem Kaiserreich gab es in Deutschland Listen von männlichen Homosexuellen, die die Polizei angelegt hatte, um die Verfolgung von Straftaten gegen § 175 zu erleichtern. Im Nationalsozialismus wurden diese Listen zur systematischen Verfolgung genutzt. Zwischen 1935 und 1944 wurden rund 50.000 Urteile nach dem NS-Paragrafen 175 gefällt. Insgesamt waren etwa 10.000 Homosexuelle in den NS-Konzentrationslagern inhaftiert, wo sie den Rosa Winkel als Kennzeichnung tragen mussten.

Noch erschreckender: Die "Rosa Listen" der Nazis wurden von der BRD und auch der DDR bis in die achtziger Jahre weitergeführt. Erst in den 1990er Jahren endete diese Praxis endgültig. Diese historische Last macht verständlich, warum die geplante zentrale Erfassung von trans Personen bei Betroffenen und Verbänden Alarmglocken läuten ließ.

Keine Mehrheit im Bundesrat

Die Absetzung der Abstimmung deutet darauf hin, dass die Befürworter*innen der Verordnung keine Chance auf eine Mehrheit sahen. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte sich mehrheitlich für eine Ablehnung ausgesprochen, da die Verordnung "nicht erforderlich" sei und "den besonderen Schutzbedarf der betroffenen Personengruppe" missachte. Während die Innen- und Rechtsausschüsse eine Zustimmung empfohlen hatten, reichte der Widerstand offenbar aus, um die Regierung zum Rückzug zu bewegen.

Entscheidend war wohl auch, dass in den 16 Bundesländern acht Koalitionen mit Grünen oder Linken regieren, die über eine knappe Mehrheit von 35 der 69 Sitze im Bundesrat verfügen. In Koalitionen müssen sich die Partner auf eine gemeinsame Stimme einigen – eine Enthaltung käme dabei einer Ablehnung gleich.

Erfolg der Zivilgesellschaft

Unter dem Druck von heftigen Protesten strich der Bundesrat die geplante Verordnung von der Tagesordnung. Die queerpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Nyke Slawik, erklärte laut queer.de: "Die Bundesregierung hat aufgrund des sich abzeichnenden Widerstands kalte Füße bekommen und hat ihre Verordnung erstmal zurückgezogen." Sie betonte, dies sei "das Ergebnis des Drucks der Zivilgesellschaft, von Verbänden und uns in Bund und den Ländern."

Auch Maik Brückner, queerpolitischer Sprecher der Linksfraktion, begrüßte, dass die Bundesregierung "trotz eines gestern noch hektisch aufgesetzten Schreibens an die Bundesländer keine Mehrheit für diese transfeindliche Verordnung zustande bringen" konnte. "Das ist auch ein Erfolg der Proteste von Verbänden und queerer Bewegung", so der Bundestagsabgeordnete aus Niedersachsen auf Instagram.

Das Selbstbestimmungsgesetz – ein Meilenstein in Gefahr

Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) erleichtert es trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Es ist am 1. November 2024 in Kraft getreten. Es löste das über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz ab, das vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt worden war.

Während das alte Gesetz langwierige Gerichtsverfahren und entwürdigende psychiatrische Gutachten vorschrieb, reicht nun eine einfache Erklärung beim Standesamt aus. Das Gesetz enthält zudem ein Offenbarungsverbot, das Menschen vor einem Zwangsouting schützen soll – genau das, was die geplante Verordnung ausgehöhlt hätte.

Nur eine Atempause?

Nyke Slawik mahnte, jetzt heiße es "erst einmal kurz aufatmen". Die Verordnung ist nicht endgültig vom Tisch – sie wurde lediglich zurückgezogen. Trotz massiver Kritik versucht das Innenministerium, das eigene Vorhaben durchzudrücken. Es bleibt abzuwarten, ob Bundesinnenminister Dobrindt einen erneuten Anlauf unternehmen wird, möglicherweise mit Änderungen, die auf die Kritik eingehen.

Für trans, inter und nicht-binäre Menschen in Deutschland ist die Absetzung der Abstimmung dennoch ein wichtiger Erfolg. Sie zeigt, dass zivilgesellschaftlicher Protest und die Mobilisierung von über 250.000 Menschen etwas bewirken können. Das Ziel des Selbstbestimmungsgesetzes war es, Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen abzubauen. Die geplanten Änderungen im Meldewesen hätten jedoch erneut die Grundrechte von trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen verletzt.

Die Community bleibt wachsam – und ist bereit, ihre hart erkämpften Rechte zu verteidigen. Denn die Geschichte hat gelehrt: Listen über Minderheiten sind niemals nur Listen. Sie sind Instrumente der Ausgrenzung, der Kontrolle und im schlimmsten Fall der Verfolgung.


Zwischen Akzeptanz und Ablehnung: Ein Drittel der Deutschen sieht Antidiskriminierungsmaßnahmen als zu weitreichend

Deutschland ringt um seine Haltung zu queeren Rechten. Eine neue Studie des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) an der TU Dresden zeigt: Mehr als 81 Prozent der Deutschen nehmen die Gesellschaft als gespalten wahr, wobei dem Thema Zuwanderung das größte Spaltungspotenzial zugeschrieben wird. Doch auch die Frage nach Gleichstellung und Sichtbarkeit queerer Menschen polarisiert zunehmend – und offenbart tiefe Gräben in der Gesellschaft.

Die im Februar 2025 durchgeführte repräsentative Befragung von rund 4.400 Personen in Deutschland bringt ernüchternde Ergebnisse: Während 40 Prozent der Befragten fordern, dass mehr gegen die Diskriminierung sexueller Minderheiten getan werden müsse, erklärt fast ein Drittel (31 Prozent), die Antidiskriminierungsmaßnahmen gingen bereits zu weit. Nur 22 Prozent meinen, es werde derzeit genau richtig gehandelt.

Die Regenbogenfahne als Streitpunkt

Besonders brisant: Die Studie fragte erstmals direkt nach der Regenbogenfahne – jenem Symbol, das für viele queere Menschen Identität und Hoffnung bedeutet. Das Ergebnis zeigt, dass queerfeindliche Kampagnen gegen das Symbol offenbar Wirkung zeigen: 38 Prozent der Befragten sagen, dass die Regenbogenfahne weniger an öffentlichen Plätzen gezeigt werden solle, nur 33 Prozent wollen sie öfter sehen. 21 Prozent lagen in ihrer Einschätzung in der Mitte.

Die Frage nach der Regenbogenfahne belegt im Polarisierungsranking bereits den vierten Platz, die Antidiskriminierungsfrage den sechsten. Am polarisiertesten ist die Bevölkerung in Deutschland bei den Fragen nach Klimaschutzmaßnahmen, der Unterstützung der Ukraine und der Integration von Zugewanderten.

Deutschland im europäischen Vergleich: Leicht liberaler, aber unter Druck

Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklungen zeigt sich im europäischen Vergleich eine "leicht liberalere Meinungsverteilung in Deutschland", wie die Studie feststellt. Im Gegensatz zu den meisten anderen befragten Ländern hat sich in Deutschland die Unterstützung für die Rechte von LGBTQIA+ in den letzten Jahren nicht signifikant verschlechtert – anders als weltweit, wo queere Menschen immer stärker unter Druck geraten.

Eine aktuelle Ipsos-Studie vom Juni 2025 zeigt: 78 Prozent der Deutschen sind dafür, dass lesbische, schwule und bisexuelle Menschen vor Diskriminierung am Arbeitsplatz oder bei der Wohnungssuche geschützt werden. Auch für den Schutz von transgeschlechtlichen Menschen sprechen sich 75 Prozent aus – beides Werte, die im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozentpunkte gestiegen sind.

Dennoch gibt es auch in Deutschland Rückschritte: Bei der Frage nach transgeschlechtlichen Menschen im Leistungssport folgt Deutschland dem globalen Trend – nur ein Viertel der Deutschen befürwortet deren Teilnahme, ein Rückgang von sechs Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.

Der Streit um die Regenbogenfahne am Bundestag

Die Studie erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem die Debatte um queere Sichtbarkeit in Deutschland auf dramatische Weise eskaliert. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hatte angeordnet, die Regenbogenfahne aus Neutralitätsgründen nur noch zum Internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai auf dem Reichstagsgebäude hissen zu lassen – und eben nicht mehr zum Berliner CSD. Das löste breite Kritik aus.

Die Übergriffe auf queere Menschen nehmen seit Jahren zu – allein von 2022 auf 2023 um fast 50 Prozent. Viele CSDs finden nur noch unter Polizeischutz statt oder werden wegen rechtsextremer Bedrohungen abgesagt. Laut offiziellen Zahlen gibt es jeden Tag mindestens drei Angriffe auf LSBTIQ* in Deutschland.

Gerade in diesem Kontext kritisieren LGBTI-Organisationen das Verbot als falsches Signal. Mehr als 237.000 Menschen protestierten gegen das Verbot der Regenbogenfahne am Bundestag – doch Julia Klöckners Angriff auf queere Sichtbarkeit am CSD-Wochenende 2025 blieb bestehen. Der Streit eskalierte weiter, als die Bundestagspolizei sogar Abgeordnete aufforderte, Regenbogenfahnen aus ihren Büros zu entfernen, was SPD-Parlamentarierin Lina Seitzl als "Jagd auf Regenbogenfahnen" bezeichnete.

Politische Polarisierung und ihre Auswirkungen

Die MIDEM-Analyse zeigt, dass die affektive Polarisierung bei den Themen "Klimawandel" und "Migration" am größten ist. Generell sind Linke stärker polarisiert als Rechte – beim Thema Zuwanderung jedoch zeigen sich Personen, die sich politisch rechts positionieren, stärker affektiv polarisiert.

Hohe affektive Polarisierung kann ideologische Verhärtung, unzureichendes Verständnis für abweichende Ansichten und fehlende Kompromissbereitschaft anzeigen. "Demokratische Entscheidungsprozesse werden dann erschwert und die Akzeptanz dieser schwindet. Dies schadet der Demokratie", betont MIDEM-Direktor Prof. Hans Vorländer.

Ein Zeichen der Zeit – und ein Weckruf

Die Studienergebnisse machen deutlich: Die Akzeptanz queerer Menschen in Deutschland steht auf wackligen Beinen. Während eine knappe Mehrheit weiterhin für Gleichstellung eintritt, wächst eine erhebliche Minderheit heran, die Antidiskriminierungsmaßnahmen ablehnt und selbst das Symbol der Regenbogenfahne als Provokation empfindet.

In einer Zeit, in der die Zahl der politisch motivierten Straftaten im Jahr 2024 um 40,22 Prozent auf 84.172 Delikte angestiegen ist und damit den höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001 erreicht, sowie die politisch motivierten Gewalttaten um 15,33 Prozent auf 4.107 Delikte anstiegen, wird die Frage nach Solidarität zur existenziellen Frage. Die Debatte um die Regenbogenfahne ist mehr als ein Symbolstreit – sie ist ein Gradmesser dafür, wie ernst Deutschland es mit dem Schutz von Minderheiten meint.


Historisches Urteil: Trans-Postzustellerin gewinnt Diskriminierungsklage gegen Royal Mail

In einem wegweisenden Urteil hat Sophie Cole eine Entschädigung von £12.500 (etwa 16.600 US-Dollar) von einem Arbeitsgericht in Bury St Edmonds, Suffolk, zugesprochen bekommen. Die 46-jährige trans Frau aus Cambridge war am Arbeitsplatz Mobbing, verbalem Missbrauch und körperlichen Übergriffen ausgesetzt. Das Gericht entschied, dass Royal Mail es versäumt hatte, auf ihre Beschwerden zu reagieren.

Der Originaltext zu diesem Fall findet sich bei PinkNews.

Ein Urteil mit Signalwirkung

Besonders bemerkenswert: Das Urteil ist möglicherweise das erste im Vereinigten Königreich seit der Entscheidung des Supreme Court im April, dass die Definition von "Geschlecht" im Equality Act 2010 sich auf "biologisches Geschlecht" bezieht. Der Supreme Court hatte geregelt, dass "Geschlecht", "Mann" und "Frau" im Equality Act auf das biologische Geschlecht bei der Geburt verweisen.

Trotz dieser restriktiven rechtlichen Entwicklung konnte Cole erfolgreich klagen. Das Gericht akzeptierte, dass wenn ein Täter sie während der Belästigung als Frau wahrgenommen hat, sie als weibliches Opfer anerkannt werden kann. Dies macht den Fall zu einem juristischen Präzedenzfall.

Alltägliche Gewalt am Arbeitsplatz

Die Details des Falls sind erschütternd: Cole berichtete von Belästigungen durch zwei Kollegen, einschließlich Isolierung, Beschimpfungen, ungewollten Berührungen und körperlichen Übergriffen. Ein Kollege ahmte ihre Stimme in Falsett nach, und ihr Auto wurde bespuckt. Cole sagte, sie habe zeitweise um ihr Leben gefürchtet und sei schwer depressiv gewesen.

Cole hatte 2016 mit ihrer Transition begonnen und war zu Royal Mail gewechselt, nachdem sie eine leitende Position im Finanzsektor aufgegeben hatte, in der Hoffnung auf einen sichereren und inklusiveren Arbeitsplatz. Diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht.

Parallelen zur Situation in Deutschland

Auch in Deutschland erleben trans Personen massive Diskriminierung am Arbeitsplatz. Studien zeigen, dass trans Personen in allen Bereichen des Lebens, insbesondere im Arbeitsleben, massiven Diskriminierungen ausgesetzt sind, von Benachteiligung beim Zugang zum Arbeitsmarkt über Belästigungen bis hin zu Gewalt, wobei sie überdurchschnittlich häufig von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen sind.

Eine aktuelle EU-Grundrechteagentur-Studie zeigt alarmierende Zahlen für Deutschland: 42% der trans Frauen, 26% der trans Männer und 20% der nicht-binären Personen erlebten bei der Jobsuche in den letzten 12 Monaten Diskriminierung, während 35% der trans Frauen, 32% der trans Männer und 31% der nicht-binären Personen am Arbeitsplatz diskriminiert wurden.

Im Gegensatz zum britischen Rechtssystem bietet das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umfassenderen Schutz: Das AGG schützt Menschen vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität, wobei trans und inter Personen rechtlich durch das Merkmal Geschlecht geschützt sind.

Eine Botschaft der Hoffnung

Cole bezeichnete das Urteil als "einen Sieg für die trans Community", weil es beweise, "dass trans Personen immer noch Ansprüche wegen sexueller Belästigung in ihrem echten Geschlecht gewinnen können". Sie vertrat sich selbst vor Gericht – ein bemerkenswerter Akt der Selbstbehauptung.

Royal Mail erklärte in einem Statement, alle Vorwürfe von Belästigung und Diskriminierung ernst zu nehmen und die Empfehlungen des Gerichts so schnell wie möglich umzusetzen.

Dieser Fall zeigt eindrücklich: Trotz zunehmender rechtlicher Einschränkungen in Großbritannien können trans Personen ihre Rechte erfolgreich durchsetzen. Die Anerkennung durch Wahrnehmung – dass Cole als Frau belästigt wurde, weil ihre Kollegen sie als Frau wahrnahmen – öffnet einen wichtigen juristischen Weg. Für trans Personen in Deutschland und ganz Europa bleibt es essentiell, gegen Diskriminierung aufzustehen und die bestehenden rechtlichen Schutzmechanismen zu nutzen.


Wenn Social Media zum Verhängnis wird: US-Regierung entzieht Deutschen Visum wegen Tweet zu Charlie Kirk

Die Trump-Administration macht Ernst mit ihrer angekündigten Überwachung von Social-Media-Äußerungen: Eine deutsche Person hat ihr US-Visum verloren, nachdem das US-Außenministerium ihr vorwarf, den Tod des rechten Aktivisten Charlie Kirk gefeiert zu haben. Der Vorwurf: Die Person habe in sozialen Netzwerken geschrieben: „Wenn Faschisten sterben, beschweren sich Demokraten nicht". Die Nachricht aus Washington ist auch für die deutsche LGBTQ+-Community von Bedeutung, denn Kirk war einer der bekanntesten transfeindlichen Stimmen der amerikanischen Rechten. Der Fall wirft grundlegende Fragen über Meinungsfreiheit, staatliche Überwachung und die Grenzen politischer Äußerungen auf – ein Thema, das gerade in Deutschland von besonderer Relevanz ist.

Die Meldung findet sich im offiziellen queer.de-Bericht, der die Dimension dieser neuen Politik deutlich macht: Neben der deutschen Person sind auch Staatsangehörige aus Mexiko, Argentinien, Südafrika, Brasilien und Paraguay von dem Visa-Entzug betroffen. Das US-Außenministerium erklärte, „die Vereinigten Staaten sind nicht verpflichtet, Ausländer aufzunehmen, die Amerikanern den Tod wünschen".

Wer war Charlie Kirk – und warum ist sein Tod so umstritten?

Charlie Kirk, der am 10. September 2025 bei einer Veranstaltung der Turning Point USA an der Utah Valley University erschossen wurde, war eine zentrale Figur der amerikanischen Rechten. Doch für die LGBTQ+-Community repräsentierte er etwas anderes: Kirk war eine definierende Stimme für eine neue Generation konservativer Aktivisten geworden – er griff LGBTQ-Rechte an, wetterte gegen Immigration und verstärkte die Kultur-Kriegs-Rhetorik.

Seine transfeindlichen Äußerungen waren besonders drastisch. Im April 2024 forderte Kirk ein landesweites Verbot geschlechtsangleichender Versorgung für trans Menschen und verlangte „Nürnberg-artige" Prozesse für Ärzte, die solche Behandlungen durchführen – ein Verweis auf die NS-Kriegsverbrecherprozesse. In einer Rede im Jahr 2023 sagte Kirk, dass trans Frauen in Damenumkleiden „auf die Art behandelt werden sollten, wie wir Dinge in den 1950er und 60er Jahren geregelt haben", und nannte das Transgender-Thema einen „pochenden Mittelfinger gegenüber Gott".

Die „Catch and Revoke"-Politik: Social Media unter staatlicher Beobachtung

Was hier geschieht, ist mehr als ein Einzelfall. Das US-Außenministerium führt ein Social-Media-Überwachungsprogramm namens „Catch and Revoke" durch, das KI-gestützte Überprüfungen von Zehntausenden von Visum-Inhabern vorsieht, um politische Aktivitäten oder Social-Media-Verhalten zu identifizieren, die die aktuelle Regierung als problematisch ansieht. Die Trump-Administration überprüft mehr als 55 Millionen Menschen mit gültigen US-Visa auf mögliche Verstöße, die zur Abschiebung führen könnten – alle Visum-Inhaber unterliegen einer „kontinuierlichen Überprüfung".

Besonders betroffen sind internationale Studierende. Das Außenministerium hat in diesem Jahr mehr als 6.000 Studierendenvisa widerrufen – fast viermal so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Zu den Verstößen, die „Catch and Revoke" auslösen können, gehören Social-Media-Posts, die US-Politik oder -Kultur kritisieren, verdächtige Reisen in sanktionierte Länder oder finanzielle Aktivitäten, die mit gekennzeichneten Institutionen verbunden sind.

Deutsche Perspektive: Wo liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit?

Der Fall wirft auch für Deutschland wichtige Fragen auf. Die Meinungsfreiheit ist ein zentrales Grundrecht in Deutschland, verankert in Artikel 5 des Grundgesetzes. Sie garantiert jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Doch auch dieses Recht hat Grenzen: Im Grundgesetz heißt es, dass diese Rechte ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze finden – etwa in Artikel 130 (Volksverhetzung) des Strafgesetzbuches.

Die Meinungsfreiheit schützt in gewissen Grenzen auch sogenannte Hassrede, also etwa ausländerfeindliche, sexistische oder rassistische Meinungsäußerungen. Auf Grenzen stößt der Schutz solcher Hassrede in zahlreichen verfassungsgemäßen Normen des Strafrechts und des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes. Der deutsche Umgang mit Meinungsfreiheit unterscheidet sich damit fundamental vom amerikanischen Ansatz, wo die Redefreiheit traditionell sehr weit ausgelegt wird.

Die Gefahr für queere Communities: Wenn Rhetorik zu Gewalt wird

Die LGBTQ+-Community in den USA sieht sich nach Kirks Tod mit verschärfter Rhetorik konfrontiert. Führende konservative Influencer haben offen zu Vergeltungskampagnen gegen trans Menschen und die LGBTQ+-Community aufgerufen. Laura Loomer bezeichnete trans Menschen als „Bedrohung für die nationale Sicherheit" und forderte, ihre „Bewegung solle sofort als Terrororganisation klassifiziert werden".

Therapeutinnen in Utah berichten, dass nahezu jede Notiz der letzten Wochen die psychischen Auswirkungen auf LGBTQ+-Klienten nach der Ermordung Kirks erwähnt: „Wir haben eine Zunahme der Angst bei unseren Klienten gesehen – ein Gefühl des Unheils, da sie erkennen, dass Menschen um sie herum sie direkt oder indirekt für gesellschaftliche Übel oder die Gewalt selbst verantwortlich machen könnten".

„Dies ist ein weiteres Beispiel für einen Vorfall, bei dem sie sich auf Waffengewalt konzentrieren sollten, aber stattdessen lehnen sie sich zurück in die Sündenbock-Macherei einer Community – diesmal nicht nur ohne Fakten, sondern mit falschen Fakten. Das richtet echten Schaden an Menschen an, die bereits verletzlich sind", sagte Cathy Renna, langjährige Kommunikationsdirektorin der National LGBTQ Task Force.

Ausblick: Ein Klima der Einschüchterung

Die deutsche Botschaft in Washington hat bestätigt, dass man die Mitteilung des US-Außenministeriums zur Kenntnis genommen habe und die betroffene Person konsularisch unterstütze, sollte sie das wünschen. Doch der Fall zeigt eine beunruhigende Entwicklung: Seit 2017 wurden über 6.000 Visa in den USA aufgrund von Social-Media-Aktivitäten widerrufen oder verweigert – die jüngste Entscheidung des Außenministeriums unterstreicht dramatisch einen sich schnell eskalierenden Trend.

Für queere Menschen weltweit – ob sie nun in die USA reisen möchten oder sich in ihren Heimatländern für LGBTQ+-Rechte einsetzen – sendet diese Politik ein klares Signal: Kritische Äußerungen können weitreichende Konsequenzen haben. Die Grenze zwischen geschützter Rede und Grund für Visa-Verweigerung verschwimmt zunehmend. Während die US-Regierung ihre Social-Media-Überprüfungspraktiken weiter verfeinert, wird das Navigieren durch den Einwanderungsprozess mehr Bewusstsein, Vorsicht und möglicherweise rechtlichen Beistand erfordern.

Der Fall mahnt auch deutsche LGBTQ+-Aktivist*innen zur Vorsicht: In einer Zeit, in der digitale Äußerungen über Ländergrenzen hinweg verfolgt werden können, wird jeder Tweet, jeder Post zur potenziellen Gefahr für zukünftige Reisepläne – oder schlimmer noch, zur Zielscheibe für politische Verfolgung.


Kippt der Bundesrat Dobrindts Sonderregister für trans Personen?

Am Freitag entscheidet der Bundesrat über eine umstrittene Verordnung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU): eine Petition mit über 256.000 Unterschriften kritisiert das geplante "Sonderregister" als gefährlich und unnötig. Die vom queer.de berichtete Regelung sieht vor, dass Personen, die das seit November 2024 geltende Selbstbestimmungsgesetz nutzen, in speziellen Datenblättern erfasst werden – eine Maßnahme, die erschreckend an die dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte erinnert.

Was plant das Innenministerium?

Der Entwurf sieht vor, dass nach dem zum 1. November 2024 in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetz Änderungen des Geschlechtseintrags erfasst werden – inklusive Datum, zuständige Behörde, Aktenzeichen sowie frühere Vornamen. Diese Datensätze sollen im Bundeszentralregister dauerhaft vorgehalten und auch der Rentenversicherung und dem Bundeszentralamt für Steuern übermittelt werden.

Das Selbstbestimmungsgesetz sollte eigentlich einen Fortschritt bringen: Es erleichtert trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen, durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt. Das Bundesverfassungsgericht hatte das über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz in mehreren Entscheidungen in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt.

Massive Kritik von Verbänden und Community

Queere Verbände reagieren entsetzt. Der LSVD kritisiert, dass "ein Mechanismus entsteht, der das 'alte Geschlecht' dauerhaft mitführt, obwohl das SBGG gerade darauf abzielt, dass Menschen nach einer Änderung nicht mehr an ihren früheren Geschlechtseintrag gebunden sind". Der Bundesverband Trans* moniert, die Regelung widerspreche dem "antidiskriminierenden Grundgedanken des Selbstbestimmungsgesetzes selbst" – die Speicherung und Weitergabe könne "zu Zwangsoutings im Kontakt mit Behörden führen mit möglichen Folgen wie Diskriminierung und Stigmatisierung".

Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano (SPD) erinnerte in einem Gastbeitrag auf queer.de an die einstigen Rosa Listen. Diese historische Parallele ist mehr als berechtigt: Seit dem Kaiserreich gab es in Deutschland Listen von männlichen Homosexuellen, die die Polizei angelegt hatte, um die Verfolgung von Straftaten gegen § 175 zu erleichtern. Die von der Polizei der Weimarer Republik gesammelten Datenbestände fielen nach der Machtergreifung 1933 den Nazis in die Hände und dienten der Gestapo zur Verfolgung der Homosexualität in der Zeit des Nationalsozialismus. Die "Rosa Listen" der Nazis wurden von der Polizei der Bundesrepublik bis in die achtziger Jahre fortgeführt.

Widerstand im Bundesrat – eine Frage der Mehrheit

Die Entscheidung liegt nun bei den Bundesländern. Der federführende Innenausschuss und der Rechtsausschuss des Bundesrates empfehlen ohne weiteren Kommentar, der Verordnung zuzustimmen. Doch es gibt auch Gegenstimmen: Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend plädiert auf vollständige Ablehnung – die Verordnung sei "nicht erforderlich", sie missachte "den besonderen Schutzbedarf der betroffenen Personengruppe und setzt sie einem erhöhten Diskriminierungsrisiko aus".

Der Ausschuss verweist auf den Koalitionsvertrag von Union und SPD, der zum Selbstbestimmungsgesetz eine Evaluierung vorsieht und festhält: "Im Rahmen der Namensrechtsreform nehmen wir die bessere Nachverfolgbarkeit aller Personen bei berechtigtem öffentlichem Interesse bei Namensänderungen in den Blick". Eine allgemeine Lösung statt Sonderregelungen für eine marginalisierte Gruppe – das wäre der richtige Weg.

Deutschland im internationalen Kontext

Während Deutschland bei trans Rechten einen Rückschritt zu machen droht, zeigt der internationale Vergleich, dass viele Länder längst weiter sind. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat die EU-Mitgliedsstaaten bereits 2015 dazu aufgefordert, einfache Verfahren zur Änderung von Vorname und Geschlechtseintrag für trans Personen zu schaffen, die ohne Zwangsbegutachtungen auskommen. Mit Stand März 2023 verfügten elf europäische Staaten über gesetzliche Verfahren zur Geschlechtsanerkennung auf Grundlage der Selbstbestimmung: Belgien, Dänemark, Finnland, Island, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und die Schweiz.

Ein Bericht aus dem Jahr 2022, der bestehende Selbstbestimmungsmodelle in verschiedenen Ländern untersucht hat, zeigt, dass kein Fall einer Änderung des Geschlechtseintrags aus betrügerischen oder kriminellen Absichten bekannt geworden ist. Die Angst vor Missbrauch, die oft als Argument für mehr Kontrolle angeführt wird, ist durch Fakten nicht gedeckt.

Ein gefährlicher Präzedenzfall

Die geplante Verordnung ist mehr als eine technische Anpassung des Meldewesens – sie ist ein Angriff auf die Würde und Sicherheit von trans, inter und nichtbinären Menschen. Sie schafft einen Mechanismus staatlicher Überwachung, der eine vulnerable Minderheit systematisch erfasst und markiert. Die Geschichte hat gezeigt, wohin solche Listen führen können.

Am Freitag wird sich zeigen, ob die Länderkammer den Mut hat, diese gefährliche Verordnung zu stoppen. Es geht dabei nicht nur um Datenschutz – es geht um Menschenrechte, um die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt und darum, ob Deutschland aus seiner Geschichte gelernt hat. Die queere Community und über 256.000 Unterzeichner*innen der Petition haben eine klare Botschaft: Nie wieder Listen gegen Minderheiten!


Bibliotheksdirektorin erhält 700.000 Dollar nach Kündigung wegen queerer Bücher – Ein Signal für Meinungsfreiheit

In einem wegweisenden Fall aus den USA hat eine ehemalige Bibliotheksdirektorin einen Vergleich über 700.000 Dollar (etwa 645.000 Euro) erreicht, nachdem sie entlassen wurde, weil sie sich weigerte, LGBTQ+-Bücher aus den Regalen zu entfernen. Terri Lesley wurde 2023 als Leiterin des Bibliothekssystems im Campbell County, Wyoming, nach 27 Dienstjahren entlassen, wie PinkNews berichtet. Die Entscheidung sendet ein starkes Signal für Informationsfreiheit und gegen Diskriminierung – und ist auch für Deutschland relevant.

Ein jahrelanger Kampf für die Meinungsfreiheit

Lesley arbeitete seit 1996 im örtlichen Bibliothekssystem und war seit 2012 Direktorin. Ihre Kündigung erfolgte im Juli 2023 nach jahrelangem Streit mit Bezirksbeamten und Bewohnern über sexuelle Themen und LGBTQ+-Inhalte in Kinder- und Jugendbüchern. Die Kontroverse begann 2021, als die Bibliothek auf Facebook den Rainbow Book Month feierte, eine Initiative der American Library Association zur Würdigung von LGBTQ+-Autoren.

Die umstrittenen Titel umfassten "This Book is Gay" von Juno Dawson, "How Do You Make a Baby" von Anna Fiske, "Gender Queer" von Maia Kobabe und "Sex is a Funny Word" von Corey Silverberg. Aktivisten erstatteten sogar Anzeige bei der Polizei mit dem Vorwurf, Lesley verbreite obszöne Inhalte an Kinder – ein Straftatbestand in Wyoming. Ein Sonderstaatsanwalt kam jedoch zu dem Schluss, dass die genannten Bücher nicht obszön seien.

Rechtlicher Erfolg und verfassungsrechtliche Bedeutung

Lesley verklagte im vergangenen Frühjahr Campbell County wegen ihrer Kündigung und erreichte diese Woche einen Vergleich mit den Bezirksbehörden. "Ich fühle mich bestätigt. Es war ein steiniger Weg, aber ich werde es nie bereuen, für den First Amendment einzutreten", erklärte sie. Die US-Gleichstellungsbehörde EEOC erlaubte die Klage auf Basis einer früheren Beschwerde von Lesley.

"Wir hoffen, dass dies zumindest eine Botschaft an andere Bibliotheksbezirke, andere Staaten und Landkreise sendet, dass der First Amendment lebendig und stark ist und dass unsere Werte gegen Diskriminierung ebenfalls lebendig und stark bleiben", sagte Lesleys Anwältin Iris Halpern. "Dies sind öffentliche Einrichtungen, es sind Regierungsbeamte, sie müssen ihre verfassungsmäßigen Verpflichtungen im Auge behalten". Die Vereinbarung stellt jedoch keine Anerkennung der Vorwürfe durch die Beklagten dar.

Eine Epidemie der Buchverbote in den USA

Der Fall Lesley steht exemplarisch für eine besorgniserregende Entwicklung in den Vereinigten Staaten. Im Schuljahr 2024-2025 verzeichnete PEN America 6.870 Buchverbote in 23 Staaten, die fast 4.000 verschiedene Titel betrafen. Florida war zum dritten Mal in Folge der führende Staat mit 2.304 Verboten, gefolgt von Texas mit 1.781 und Tennessee mit 1.622.

Im Jahr 2025 ist Buchzensur in den USA weit verbreitet und alltäglich. Nie zuvor im Leben eines lebenden Amerikaners wurden so viele Bücher systematisch aus Schulbibliotheken im ganzen Land entfernt. Nie zuvor haben so viele Bundesstaaten Gesetze oder Vorschriften verabschiedet, um das Verbot von Büchern zu erleichtern. Die Daten zeigen, dass die Mehrheit der Zensurversuche mittlerweile von organisierten Bewegungen ausgeht. Druck- und Interessengruppen sowie Regierungsstellen, darunter gewählte Beamte, Vorstandsmitglieder und Verwaltungsbeamte, initiierten 72% der Forderungen zur Zensur von Büchern in Schul- und öffentlichen Bibliotheken.

Queere Bücher im Visier der Zensur

Bei historischen und biografischen Büchern, die im vergangenen Jahr verboten wurden, betrafen 26% Schwarze Menschen und 25% LGBTQ+-Personen. Bücher mit LGBTQ-Themen und -Charakteren – wie "Gender Queer" und "Last Night at the Telegraph Club" – gehören durchweg zu den am häufigsten verbotenen Büchern in den jährlichen Berichten von PEN America und der American Library Association.

LGBTQ+-Geschichten werden aus Klassenzimmern ausgelassen, anstatt Geschichten und Bücher anzubieten, die alle Schüler und Familien widerspiegeln. LGBTQ+-Schülern und ihren Familien wird faktisch die Freiheit verweigert, über sich selbst und ihre Mitmenschen zu lesen.

Relevanz für Deutschland: Bibliotheken als demokratische Räume

Auch wenn in Deutschland keine vergleichbare Welle von Buchverboten stattfindet, ist der Fall dennoch relevant. Der Schriftstellerverband PEN America verzeichnete im Schuljahr 2023/2024 mehr als 10.000 Buchverbote an öffentlichen Schulen. Die Zensur richtet sich hauptsächlich gegen Bücher, die Themen wie LGBTQ+, Sexualität, Rassismus sowie gesellschaftskritische oder politisch kritische Inhalte aufgreifen.

Deutsche Bibliotheken sind sich dieser Gefahr bewusst. Die Stadtbibliothek Freising gestaltete einen Thementisch mit vielen in Amerika umstrittenen Büchern von der "Banned Book-Liste". Die Idee wurde zu einem "Renner", mit dem niemand gerechnet hätte. Die Universitätsbibliothek Kiel zeigt unter dem Titel "Banned Books" eine Ausstellung, die sowohl die Bücherverbrennungen im nationalsozialistischen Deutschland als auch gegenwärtige Zensurmaßnahmen in Bezug auf queere Themen beleuchtet, insbesondere in den USA.

In Deutschland können Bücher zwar verboten oder der Öffentlichkeit vorenthalten werden, dies geschieht jedoch niemals willkürlich oder ohne rechtliche Grundlage. Solche Maßnahmen erfolgen nur unter festgelegten gesetzlichen Voraussetzungen, beispielsweise wenn Bücher als jugendgefährdend eingestuft werden oder Inhalte enthalten, die als strafbar gelten.

Queere Bibliotheken als Gegenbewegung

In Deutschland entstehen als Antwort auf mangelnde Sichtbarkeit queerer Themen eigene Initiativen. Das QueerFenster der Zentral- und Landesbibliothek Berlin bietet allen Menschen queere Literatur und Medien sowie Infos zu LGBTQIA+. Die Idee zu einer queeren Bibliothek erwuchs aus dem Mangel an Sichtbarkeit. Es gebe bestimmt 300 Bücher mit queeren Protagonisten, über queeres Leben und Lieben, nur leider seien diese eben weniger sichtbar. Das zeige sich auch daran, dass queere Literatur in herkömmlichen Bibliotheken wie der Stadt- oder Universitätsbibliothek schlichtweg nicht oder nur schwer zu finden sind.

Ein Zeichen der Hoffnung

Nach der Einigung sagte Lesley, es sei eine Erleichterung, ein schwieriges Kapitel zu schließen. "Es war ein langer und stressiger Weg", sagte sie. "Aber es fühlt sich gut an, darüber hinwegzukommen und für intellektuelle Freiheit und das Recht auf Lesen eingestanden zu sein". Eine separate Klage gegen die lokalen Aktivisten, die sie ins Visier genommen haben, läuft noch, mit einem Gerichtsverfahren, das für März angesetzt ist.

Der Fall Terri Lesley ist ein Sieg für die Informationsfreiheit und ein wichtiges Signal: Bibliotheken sind demokratische Räume, in denen alle Stimmen gehört werden müssen – auch und gerade die von marginalisierten Gemeinschaften. In Zeiten zunehmender Polarisierung ist es wichtiger denn je, dass Bibliotheken ihrer Rolle als Hüterinnen der Vielfalt gerecht werden.


Wenn Trans-Sein zum Verbrechen erklärt wird: Umstrittenes Urteil in Großbritannien erschüttert die Community

Ein Urteil aus Großbritannien schockiert die LGBTQ+-Community weltweit: Die 21-jährige trans Frau Ciara Watkin wurde zu 21 Monaten Haft verurteilt, weil sie vor intimen Kontakten mit einem Mann nicht offenlegte, dass sie trans ist. Der Fall, über den die queere Nachrichtenseite queer.de berichtet, wirft grundlegende Fragen über Selbstbestimmung, Diskriminierung und die Rechte von trans Personen auf – und zeigt, wie dramatisch sich die Lage in Großbritannien verschärft hat.

Das Urteil: Trans-Sein als "Täuschung"

Ciara Watkin hatte den gleichaltrigen Mann 2022 über Snapchat kennengelernt. Sie hatte ihm laut Anklage mitgeteilt, dass sie ihre Periode habe, damit er sie nicht unterhalb der Gürtellinie berühre, da sie noch keine geschlechtsangleichende Operation hatte. Später offenbarte sie ihm ihre Trans-Identität – woraufhin er sie bei der Polizei anzeigte.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte, der Mann habe keine "informierte Einwilligung" geben können. Nach der aktualisierten Richtlinie der Crown Prosecution Service zur "Täuschung über das Geschlecht" wird nun auch das bloße Nicht-Offenlegen der Trans-Identität als Täuschung gewertet. Die Jury brauchte nur eine Stunde, um Watkin schuldig zu sprechen.

Besonders erschütternd: Der Richter warf der Angeklagten vor, zu "überzeugend" als Frau aufzutreten und dadurch ihre Trans-Identität "versteckt" zu haben. Watkin wurde außerdem angewiesen, sich zehn Jahre lang als Sexualstraftäterin registrieren zu lassen und muss ihre Strafe in einem Männergefängnis absitzen – obwohl sie vor Gericht mit weiblichen Pronomen angesprochen wurde.

Die unmögliche Situation für trans Frauen

Aktivist*innen kritisieren, dass trans Frauen in eine "unmögliche Situation" gedrängt werden: Entweder müssen sie sich sehr früh outen und riskieren Ablehnung oder Gewalt, oder sie warten – und setzen sich dann einer möglichen Strafverfolgung aus. Jane Fae von TransActual betont: "Bisexuelle, cisgeschlechtliche Menschen, Konservative oder evangelikale Christen müssen ihren Status vor dem Sex ja auch nicht offenlegen. Warum wird das nur bei trans Menschen verlangt?"

Die aktualisierte CPS-Richtlinie stellt klar: Es gibt keinen Unterschied zwischen aktiver Täuschung und dem bloßen Nicht-Offenlegen der bei Geburt zugewiesenen Geschlechtszugehörigkeit. Es wird ausdrücklich nicht erwartet, dass die andere Person nachfragt. Diese Rechtslage macht Dating für trans Personen zu einem Minenfeld.

Supreme Court-Urteil verschärft die Lage dramatisch

Watkins Verurteilung kommt nicht aus dem Nichts. Im April 2025 entschied der britische Supreme Court in "For Women Scotland v. The Scottish Ministers", dass "Geschlecht" im britischen Recht ausschließlich das bei der Geburt zugewiesene biologische Geschlecht bedeutet. Das Gericht definierte, dass selbst mit einem Gender Recognition Certificate keine Anpassung dieser rechtlichen Zuordnung erfolgt.

Die Folge: Trans Personen werden nun von geschlechtsgetrennten Räumen ausgeschlossen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen, und müssen entsprechend ihres bei Geburt zugewiesenen Geschlechts behandelt werden. So dürfen etwa Frauenverbände keine trans Frauen mehr aufnehmen, und Männerverbände keine trans Männer. Auch im Sport wurden trans Frauen vom Frauenfußball ausgeschlossen.

Ein Blick nach Deutschland: Ein anderer Weg

Während Großbritannien trans Rechte massiv einschränkt, geht Deutschland einen anderen Weg. Am 1. November 2024 trat das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft, das es trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen erleichtert, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern zu lassen.

Die Änderung erfolgt durch eine einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt – ohne gerichtliche Entscheidung und ohne Sachverständigengutachten. Das neue Gesetz ersetzt das diskriminierende Transsexuellengesetz von 1980, das vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt worden war.

Wie Human Rights Watch betont, zeigt das Gesetz, dass die Bundesregierung die Grundrechte von trans und nicht-binären Menschen unterstützt, was zu einem breiteren Verständnis und einer größeren Akzeptanz beiträgt. Deutschland folgt damit 16 weiteren Staaten mit vergleichbaren Regelungen, darunter Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Malta, Norwegen, Portugal und Spanien.

Zwei Länder, zwei völlig unterschiedliche Wege

Der Kontrast könnte kaum größer sein: Während Deutschland die Selbstbestimmung stärkt und bürokratische Hürden abbaut, kriminalisiert Großbritannien faktisch trans Existenz. Trans-Aktivistin India Willoughby bezeichnet Großbritannien inzwischen als "das transfeindlichste Land Europas" – ein dramatischer Befund für eine westliche Demokratie.

Das britische Urteil gegen Ciara Watkin ist mehr als nur ein Einzelfall. Es ist Symbol für eine gefährliche Entwicklung, in der trans Personen ihre bloße Existenz rechtfertigen und offenlegen müssen – unter Androhung von Gefängnisstrafen. Es zeigt, wie schnell hart erkämpfte Rechte wieder verloren gehen können.

Für trans Menschen in Deutschland ist das britische Beispiel eine Warnung: Rechte sind nie selbstverständlich und müssen verteidigt werden. Gleichzeitig ist das neue Selbstbestimmungsgesetz ein Hoffnungszeichen – dass Fortschritt möglich ist, wenn Menschenrechte ernst genommen werden.

Die Geschichte von Ciara Watkin erinnert uns daran, dass der Kampf für Gleichberechtigung und Würde aller Menschen noch lange nicht vorbei ist – weder in Großbritannien noch anderswo.


Tübinger Prozess: Wenn extreme Gewalt auf das Schweigen der Gesellschaft trifft

Ein unfassbarer Fall erschüttert derzeit das Landgericht Tübingen: Ein 30-jähriger Mann steht vor Gericht, weil er am 6. November 2024 einen 24-Jährigen aus einem Fenster im zweiten Stock gestoßen und den schwer verletzten Mann anschließend vergewaltigt haben soll, wie queer.de berichtet. Der Angeklagte schweigt zum Prozessauftakt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag und Vergewaltigung vor – und behält sich Sicherungsverwahrung vor.

Die brutale Tat und ihre Folgen

Laut Polizei hatte das 24-jährige Opfer am 6. November gemeinsam mit dem späteren Tatverdächtigen Alkohol sowie Marihuana konsumiert. Was dann geschah, ist von einer Brutalität, die erschüttert: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, das Opfer in Tötungsabsicht mit beiden Händen durch das Fenster gestoßen zu haben. Der 24-Jährige stürzte aus sieben Metern Höhe und erlitt schwerste Verletzungen – Prellungen, Frakturen und einen Leberriss. Er schwebte zeitweise in Lebensgefahr.

Doch die Tat endete nicht mit dem Sturz. Anschließend soll der Angeklagte das lebensgefährlich verletzte Opfer, das den Angriff überlebte, vergewaltigt haben. Er soll die Treppe hinuntergelaufen sein, dem Opfer die Hose halb heruntergezogen und in den Schwerverletzten eingedrungen sein – während er die Tat filmte. Erst das Eingreifen von Zeuginnen und Zeugen beendete die Gewalt. Acht Tage nach der Tat wurde der Mann bei einem Angehörigen in Hamburg entdeckt und festgenommen.

Das verdrängte Tabu: Sexualisierte Gewalt gegen Männer

Dieser Fall ist nicht nur wegen seiner extremen Brutalität erschütternd, sondern auch weil er ein gesellschaftliches Tabuthema sichtbar macht, das viel zu oft im Dunkeln bleibt: sexualisierte Gewalt gegen Männer. Sexualisierte Gewalt an Männern ist nach wie vor ein großes Tabu, erklärt das Projekt MUT – Traumahilfe für Männer in Berlin. Das Thema ist bei Männern noch stärker tabuisiert als bei Frauen – quasi ein Tabu im Tabu, bestätigt auch eine Expertin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Die Zahlen zeigen das Ausmaß: Die für Deutschland veröffentlichte Kriminalstatistik von 2021 beinhaltet 2.419 Fälle sexueller Übergriffe auf Jungen oder Männer, wovon 599 der Taten Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff in besonders schwerem Maße darstellten. Die tatsächliche Zahl dürfte, aufgrund der hohen Dunkelziffer, jedoch deutlich höher liegen. In Deutschland sind etwa ein Drittel der minderjährigen Opfer von Vergewaltigungen oder sexueller Nötigung männlich – im Jahr 2020 etwa 5.000 minderjährige, männliche Opfer.

Warum schweigen so viele Betroffene?

Die Gründe für das Schweigen sind vielfältig und tief in gesellschaftlichen Rollenbildern verwurzelt. Für Männer widerspreche es dem gängigen gesellschaftlichen Bild, Opfer zu werden. Männern müsse oft klargemacht werden: „Wenn ich Opfer geworden bin, heißt das nicht, dass ich jetzt kein Mann mehr bin", so eine Fachberaterin. Die meisten männlichen Vergewaltigungsopfer wollen und können häufig nicht wahrhaben, dass sie vergewaltigt worden sind, und versuchen, die Tat zu verdrängen und zu verschweigen. Sprechen sie doch über die sexuellen Übergriffe, so geht dies oft mit einer Verharmlosung einher.

Besonders dramatisch: Die Selbstmordrate von Männern, die vergewaltigt wurden, liegt 14–15 mal höher als bei Männern, die keiner sexuellen Straftat zum Opfer gefallen sind. Viele der männlichen Betroffenen suchen sich erst Hilfe, nachdem sie bereits einen oder mehrere Selbstmordversuch(e) überlebt haben.

Der Mangel an Hilfsangeboten

Die meisten Beratungsstellen gegen sexualisierte Gewalt sind aus der Frauenbewegung heraus entstanden und konzentrierten sich ursprünglich auf Frauen und Mädchen als Opfer. Es gibt generell kaum Angebote für männliche Betroffene. Erst langsam entsteht ein Bewusstsein für diese Lücke im Hilfesystem.

In Deutschland gibt es mittlerweile einige spezialisierte Anlaufstellen für männliche Gewaltopfer. Männer, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben, können kostenlos und anonym das bundesweite Hilfetelefon unter der Nummer 0800 123 9900 erreichen. Weitere Hilfsangebote finden sich bei Projekten wie MUT – Traumahilfe für Männer in Berlin, der Schwulenberatung Berlin oder bei spezialisierten Fachberatungsstellen in verschiedenen Bundesländern.

Der Prozess und seine Bedeutung

Für den Prozess am Landgericht Tübingen sind noch vier Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte am 27. Oktober fallen. Der Fall wirft grundlegende Fragen auf: über die Natur extremer Gewalt, über die Mechanismen, die sie möglich machen, und über die gesellschaftlichen Strukturen, die männlichen Opfern das Schweigen aufzwingen.

Dass der Angeklagte schweigt, mag sein Recht sein. Doch die Gesellschaft darf nicht länger schweigen – nicht über die Realität sexualisierter Gewalt gegen Männer, nicht über die Notwendigkeit adäquater Hilfsangebote und nicht über die destruktiven Männlichkeitsbilder, die Betroffene daran hindern, Hilfe zu suchen.

Der Fall in Tübingen ist ein Weckruf. Er erinnert uns daran, dass Gewaltprävention und Opferschutz nur funktionieren können, wenn wir alle Formen von Gewalt und alle Betroffenen sehen – unabhängig von ihrem Geschlecht.

Hilfe und Beratung

Betroffene von sexualisierter Gewalt – unabhängig vom Geschlecht – finden Unterstützung bei:

  • Männerhilfetelefon: 0800 123 9900 (kostenlos und anonym)
  • Hilfetelefon bei sexualisierter Gewalt: 0800 22 55 530
  • Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen": 116 016
  • Telefonseelsorge: 0800 1110111 oder 0800 1110222
  • Weißer Ring (Opferhilfe): 116 006

Weitere Informationen zu Beratungsstellen finden sich beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sowie bei regionalen LGBTIQ+-Organisationen.


Wenn Wahn und Internalisierte Homophobie töten: Konstanzer Prozess zeigt tödliche Folgen psychischer Erkrankung

In einem erschütternden Fall vor dem Landgericht Konstanz steht ein 50-jähriger Jordanier vor Gericht, der wegen einer psychischen Erkrankung möglicherweise dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden soll. Mit 72 Messerstichen soll er einen 36-jährigen Freund getötet haben – aus einem Wahn heraus, dieser könne seine Gedanken lesen, wie die Originalquelle bei queer.de berichtet.

Paranoide Schizophrenie und sexuelle Identitätskonflikte

Sachverständige diagnostizierten bei dem Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie. Nach Überzeugung der Ermittler*innen entwickelte der Mann eine bizarre Wahnvorstellung: Er war fest davon überzeugt, das Opfer könne seine Gedanken lesen, nachdem die beiden in den vergangenen Jahren mehrmals Oralverkehr hatten. Der Mann soll geglaubt haben, der Bekannte habe sein Sperma aufgenommen – und damit die Fähigkeit erlangt, seine Gedanken zu lesen.

Besonders aufschlussreich für den Fall ist die Aussage des Angeklagten selbst: "Das Opfer sei homosexuell gewesen, er sei es nicht und habe sich nur auf Experimente eingelassen". Diese Distanzierung von der eigenen sexuellen Orientierung trotz jahrelanger sexueller Kontakte weist auf eine tiefe internalisierte Homophobie hin – ein Phänomen, das wissenschaftliche Studien mit erhöhten psychischen Belastungen in Verbindung bringen.

Die tödliche Mischung: Kultureller Hintergrund und psychische Erkrankung

Der Beschuldigte stammt aus Jordanien, einem Land, in dem trotz der Abwesenheit expliziter Gesetze gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen die Kombination aus vagen Moralgesetzen, öffentlicher Feindseligkeit und fehlendem Rechtsschutz Sicherheitskräften und Privatpersonen faktisch freie Hand gibt, LGBTQ-Personen zu verfolgen. Sicherheitskräfte in Jordanien haben LGBTQ-Aktivist*innen mit Gewaltandrohungen, Verhaftung und Strafverfolgung eingeschüchtert, was mehrere Aktivist*innen zwang, ihre Organisationen zu schließen und das Land zu verlassen.

Diese Sozialisation in einem zutiefst homophoben Umfeld traf auf eine schwere psychische Erkrankung. Der Beschuldigte, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, war nach eigener Aussage mehrfach wegen Drogenkonsums in psychiatrischer Behandlung. In seinen Aussagen sprach er von "Chaos im Kopf" und der Angst, auch andere könnten seine Gedanken lesen.

Deutschland: Steigende Gewalt gegen LGBTQ+-Menschen

Dieser extreme Fall wirft auch ein Schlaglicht auf die Situation queerer Menschen in Deutschland. Das Bundesinnenministerium registrierte über 1.400 Hassverbrechen gegen Angehörige der LGBTQ-Gemeinschaft in Deutschland. Während die LGBTQ+-Bevölkerung Deutschlands in fünf Jahren um etwa 50% wuchs, stiegen Hassverbrechen in nur einem Jahr um 50%. Seit 2013, als nur 50 Angriffe registriert wurden, hat sich die Zahl fast verdreißigfacht.

Im Jahr 2023 richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ*-Personen (im Jahr 2022: 1.188). Zu den häufigsten gegen LSBTIQ* gerichteten Straftaten gehörten Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnte: "Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend. Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an".

Psychische Gesundheit der LGBTQ+-Community: Ein unterschätztes Problem

Der Fall in Konstanz macht auch deutlich, wie eng psychische Erkrankungen und die Erfahrung von Diskriminierung zusammenhängen können. Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer oder inter sind, sind fast dreimal häufiger von Depressionen und Burnout betroffen, wie eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bielefeld zeigt.

Internalisierte Homophobie ist signifikant mit einer hohen Prävalenz internalisierender psychischer Störungen wie Depression, Angst und stressbedingten Störungen assoziiert. Eine Meta-Analyse von 31 Studien mit 5.831 LGBTQ-Personen ergab eine kleine bis moderate Effektgröße für die Beziehung zwischen internalisierter Homophobie und psychischen Gesundheitsproblemen. Höhere Werte internalisierter Homophobie waren mit höheren Werten bei dimensionalen Messungen internalisierender psychischer Gesundheitsprobleme verbunden.

Ein Einzelfall mit systemischen Ursachen

Der schreckliche Tod des 36-jährigen schwulen Mannes ist zweifellos ein Extremfall. Doch er zeigt, wie gefährlich die Kombination aus unbehandelter psychischer Erkrankung, Drogenmissbrauch und tief verinnerlichter Homophobie sein kann. Die Verteidigung der eigenen heterosexuellen Identität war für den Angeklagten offenbar so zentral, dass er sie selbst nach dem Mord vor Gericht betonte.

Der Prozess, für den vier weitere Verhandlungstage angesetzt sind, bei denen zwölf Zeug*innen und zwei Sachverständige aussagen sollen, wird Ende Oktober mit einem Urteil erwartet. Unabhängig vom Ausgang bleibt dieser Fall eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass queere Menschen – ob in Jordanien, Deutschland oder anderswo – weiterhin unter den Folgen von Homophobie leiden, die von außen kommt oder von innen zerstört.

Der Fall macht deutlich: Wir brauchen nicht nur besseren Zugang zu psychiatrischer Versorgung, sondern auch eine Gesellschaft, in der niemand seine sexuelle Orientierung als so bedrohlich empfinden muss, dass daraus lebensbedrohliche Wahnvorstellungen entstehen können.


Homophobe und rassistische Attacke in Friedrichshain: Wenn Hass zur Alltäglichkeit wird

In der Nacht zu Sonntag wurden fünf Menschen vor einem Lokal in der Tamara-Danz-Straße in Berlin-Friedrichshain aus einer Gruppe heraus homophob und rassistisch beleidigt, zudem wurde der Hitlergruß gezeigt und Steine nach ihnen geworfen. Wie queer.de berichtet, nahm die Polizei zwei Tatverdächtige im Alter von 19 und 21 Jahren fest, die Teil einer Gruppe von 15 bis 20 Personen waren. Die Ermittlungen wegen Beleidigung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung dauern an.

Ein Vorfall, der die besorgniserregende Entwicklung widerspiegelt

Dieser Angriff reiht sich in eine erschreckende Statistik ein: Laut Staatsanwaltschaft Berlin wurden 791 queerfeindliche Angriffe 2023 zur Anzeige gebracht – innerhalb von vier Jahren hat sich die Zahl fast verdoppelt. Die Opferberatungsstelle Maneo zählte 2024 so viele queerfeindliche Vorfälle wie noch nie in Berlin. Besonders besorgniserregend: Die häufigsten Delikte waren mit jeweils 32 Prozent Beleidigungen und einfache bzw. gefährliche (versuchte) Körperverletzungen, 27 Prozent der gemeldeten Fälle entsprachen Delikten der Nötigung und Bedrohung.

Die Attacke in Friedrichshain zeigt auch die gefährliche Verbindung von Queerfeindlichkeit, Rassismus und rechtsextremer Symbolik. In 17 Prozent aller angezeigten Fälle trans- und homophober Gewalt wurden weitere Dimensionen politisch motivierter Kriminalität dokumentiert, insbesondere Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus.

Friedrichshain: Queere Vielfalt und wachsende Bedrohung

Friedrichshain ist queer – das zeigt sich nicht nur an einigen Bars, die speziell auf die Community zugeschnitten sind, und Clubs wie Berghain und Blank. Das Queere Kompetenzzentrum in Friedrichshain ist ein Zusammenschluss der Berliner Projekte Trialog Jugendhilfe gGmbH, TransInterQueer e.V. und ABqueer e.V., die wichtige Beratungs- und Unterstützungsarbeit leisten. Doch gerade dort, wo queeres Leben besonders sichtbar ist, steigt auch die Gefahr: Geografisch liegen vor allem die Bezirke im Fokus, die gleichzeitig als queere Szenehotspots gelten, also beispielsweise Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg – Orte, an denen queeres Leben besonders sichtbar ist.

Ein deutschlandweites Problem mit steigender Tendenz

Berlin ist kein Einzelfall. Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre, wie das Bundesministerium des Innern und das Bundeskriminalamt in ihrem Lagebericht feststellten. Die Gesamtzahl der Straftaten gegen LSBTIQ* hat sich in Niedersachsen seit dem Jahr 2020 von 37 auf insgesamt 211 im Jahr 2024 erhöht. Der Bundesinnenminister erklärte, die Polizei habe über 1.400 Hassverbrechen gegen Mitglieder der LGBTQ-Communities in Deutschland registriert.

Die Dunkelziffer bleibt dabei erschreckend hoch: Laut Experten ist davon auszugehen, dass "neun von zehn Fällen in polizeilichen Statistiken gar nicht auftauchen". In Bezug auf das Täterklientel sind sich fast alle Auswertungen einig: Die Tatverdächtigen sind fast ausnahmslos männlich, immer häufiger unter 20 Jahre alt und nicht selten polizeibekannt.

Die Bedeutung gezielter Öffentlichkeitsarbeit

Ein Grund, warum aus Berlin besonders viele Fälle bekannt werden, liegt in der konsequenten Öffentlichkeitsarbeit: Die Berliner Polizei publiziert mögliche Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gezielt. Berlin verfügt mit dem mehr als 300 Seiten langen Monitoringbericht als einziges Bundesland über ein Instrument, queerfeindliche Hassgewalt detailliert zu untersuchen. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt haben eigene Ansprechpartner*innen für queere Menschen.

Diese Transparenz ist wichtig, um das wahre Ausmaß queerfeindlicher Gewalt sichtbar zu machen und Betroffene zu ermutigen, Anzeige zu erstatten. Der aktuelle Vorfall in Friedrichshain zeigt einmal mehr: Queerfeindlichkeit ist keine Randerscheinung, sondern eine reale Bedrohung im Alltag vieler LGBTIQ+ Menschen – auch im Jahr 2025, auch in vermeintlich liberalen Kiezen.


"Ich bringe euch um" – Homofeindlicher Angriff in Bremen erschüttert queere Community

Am Samstagabend wurden ein schwules Paar am Bremer Bahnhofsplatz Opfer einer homofeindlichen Bedrohung. Ein 22-jähriger Mann sprach die beiden Männer gezielt an einer Haltestelle an und fragte sie, ob sie homosexuell seien. Queerfeindliche Straftaten stiegen im Jahr 2023 zum siebten Jahr in Folge und auf einen neuen Höchststand. Wie queer.de berichtet, eskalierte die Situation schnell: Nachdem das Paar die Frage bejahte, beschimpfte der Täter sie und drohte damit, sie umzubringen.

Schnelle Polizeireaktion nach mutiger Dokumentation

Als die beiden Männer begannen, den Angreifer zu filmen, ergriff dieser die Flucht. Das Paar wandte sich unmittelbar nach 20 Uhr an Polizeikräfte am Bahnhofsplatz und schilderte den Vorfall. Die Beamten konnten vor Ort noch einen 22-jährigen Tatverdächtigen stellen. Gegen ihn wurde eine Strafanzeige wegen Bedrohung gefertigt. Zusätzlich führten die Einsatzkräfte eine Gefährderansprache mit dem Mann durch und erteilten ihm einen Platzverweis.

Teil eines alarmierenden bundesweiten Trends

Der Vorfall in Bremen reiht sich in eine besorgniserregende Entwicklung ein. Im Jahr 2023 richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen (im Jahr 2022: 1.188). Bei den Gewalttaten wurden 212 Opfer (im Jahr 2022: 197) festgestellt. Der Dunkelfeld-Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte zufolge zeigten 96 Prozent der LSBTIQ* Hate Speech und 87 Prozent körperliche oder sexuelle Übergriffe nicht an.

Die Zeitpunkte LSBTIQ*-feindlicher Straftaten überschneiden sich mit dem Ausgehleben im öffentlichen Raum – im Frühling und Sommer, am Wochenende und in den Abendstunden. Die ermittelten Tatverdächtigen LSBTIQ*-feindlicher Straftaten sind nahezu ausnahmslos männlich, häufig jung und auffällig oft bereits polizeilich bekannt.

Beratungs- und Hilfsangebote in Bremen

Für Betroffene von queerfeindlicher Gewalt gibt es in Bremen spezialisierte Unterstützungsangebote. Die Beratungsstellen bieten solidarische Unterstützung für Betroffene rechter, rassistischer, antisemitischer, queerfeindlicher, sozialdarwinistischer und anderer Formen menschenfeindlicher Gewalt. Parteiliche Beratung, orientiert an den individuellen Bedürfnissen bei der Bewältigung der Gewalterfahrung. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und unabhängig.

Noch immer gibt es zahlreiche Ungerechtigkeiten, unterschiedlichste Formen von Diskriminierung und zuletzt sogar steigende Gewaltfälle gegen LGBTIQA+*. Der CSD Bremen fordert in seinen politischen Forderungen 2025 eine öffentlich zugängliche Landes-Meldestelle für queerfeindliche Angriffe sowie eine Stärkung der queersensiblen Anzeigenaufnahme bei der Polizei.

Wenn Sichtbarkeit zur Gefahr wird

Wenn vor jedem verliebten Blick, vor einer Umarmung, vor einem Kuss im öffentlichen Raum zuerst die Umgebung gecheckt werden muss, wenn Menschen sich nicht sicher im öffentlichen Raum bewegen können, wenn sie bestimmte Orte aus Angst vor Gewalt meiden oder eher das Fahrrad als öffentliche Verkehrsmittel nehmen, um nicht Opfer von queerfeindlichen Vorfällen zu werden - dann ist das eine erhebliche Einschränkung von Freiheit.

Der mutige Schritt des Paares, den Vorfall zu dokumentieren und zur Anzeige zu bringen, ist wichtig – denn nur wenn Taten sichtbar werden, kann ihnen wirksam begegnet werden. Die schnelle Reaktion der Bremer Polizei zeigt, dass Sensibilität und entschlossenes Handeln möglich sind. Doch die steigenden Zahlen machen deutlich: Es braucht mehr als Einzelfallbearbeitung. Es braucht eine Gesellschaft, die queerfeindliche Gewalt nicht toleriert und queere Menschen schützt – überall und jederzeit.


Globaler Gesundheitsschutz unter Druck: Deutschlands Milliarden-Zusage im Schatten von Kürzungen und Trump-Krise

Die Bundesregierung stellt dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria in den kommenden drei Jahren eine Milliarde Euro zur Verfügung, wie queer.de berichtet. Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) kündigte die Zusage zur Eröffnung des Weltgesundheitsgipfels in Berlin an. Doch hinter dieser vermeintlich großzügigen Geste verbirgt sich eine beunruhigende Realität: Die neue Zusage stellt im Vergleich zur letzten dreijährigen Finanzierungsperiode eine Verminderung von etwa 23 Prozent dar – eine Entscheidung, die queere Communities und Menschen mit HIV weltweit hart treffen wird.

Eine Kürzung mit dramatischen Folgen

Die Bundesregierung reduziert ihre Unterstützung von 1,3 Milliarden Euro auf eine Milliarde Euro. Diese Kürzung kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. „Über 70 Prozent aller Gelder für die globalen HIV/Aids-Programme wurden bis vor kurzem von den USA zur Verfügung gestellt. Wird das Geld nicht ersetzt, rechnen wir bis 2030 zusätzlich mit vier Millionen Aids-bedingten Todesfällen und sechs Millionen weiteren HIV-Infektionen", warnt Christine Stegling, Vize-Chefin von UNAIDS. Die Trump-Regierung hat bislang zwei Drittel der gesamten internationalen Finanzierung zur HIV-Prävention in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen getragen – doch diese Unterstützung ist nun weitgehend weggebrochen.

Das Aktionsbündnis gegen AIDS kritisierte die deutsche Entscheidung scharf. „Die Kürzungen kommen in einem höchst prekären Moment", erklärte Vorstandsmitglied Sylvia Urban. „Erfolge gegen HIV und andere Infektionserkrankungen sind nur möglich, wenn die Programme in Kooperation mit den Communitys entwickelt und umgesetzt werden. Über 40 Jahre aufgebaute Versorgungsstrukturen werden nun leichtfertig zerstört. Die Welt hat noch nicht begriffen, welche Gefahr durch den Kahlschlag droht: Die globale HIV-Pandemie kann schnell wieder aufflammen - im schlimmsten Fall wieder mit massenhaften Todesfällen", warnt Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen Aidshilfe (DAH).

Schwule Männer und trans Menschen besonders betroffen

In Deutschland zeigen sich die Erfolge einer engagierten HIV-Prävention deutlich: Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten (MSM) machen etwa 65 Prozent der aktuell diagnostizierten Infektionen aus. In großen Städten mit einer gut ausgebildeten Infrastruktur für schwule Männer sind 10 bis 12 Prozent der MSM HIV-positiv. Diese Zahlen unterstreichen die Bedeutung zielgruppenspezifischer Programme – genau jener Art von Programmen, die der Globale Fonds weltweit finanziert.

Auch für trans und nicht-binäre Menschen ist die Situation prekär. Die Studie „Sexuelle Gesundheit und HIV/STI in trans und nicht-binären Communitys" (TASG) wird von der Deutschen Aidshilfe (DAH) und dem Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführt und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) finanziert. Personen aus trans und nicht-binären Communitys haben in vielen Regionen der Welt eine erhöhte Vulnerabilität für HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen (STI). Die Community-basierte Arbeit, die der Globale Fonds unterstützt, ist für diese vulnerable Gruppe überlebenswichtig.

Der Globale Fonds: Vier Jahrzehnte Erfolgsgeschichte in Gefahr

Seit seiner Gründung 2002 hat der Fonds bereits rund 70 Millionen Menschenleben gerettet. In unseren Partnerländern ist die Zahl der durch die drei Krankheiten insgesamt verursachten Todesfälle um 63 Prozent gesunken. Diese beeindruckenden Erfolge stehen nun auf dem Spiel. Der Fonds selbst erklärt, dass Finanzierungslücken Jahrzehnte mühsam erkämpfter Fortschritte zunichtemachen und Millionen zusätzlichen Todesfällen verursachen könnten.

Besonders alarmierend: Tuberkulose ist nach wie vor die weltweit tödlichste Infektionskrankheit – doch 2024 markierte einen wichtigen Wendepunkt in ihrer Bekämpfung. Die Rückschläge durch die Corona-Pandemie konnten vollständig überwunden werden, und es wurden so viele Menschen mit TB aufgefunden und behandelt wie nie zuvor. Diese Fortschritte sind durch die Kürzungen akut bedroht.

Trump-Regierung verschärft die Krise

Die Dimension der US-amerikanischen Kürzungen ist verheerend. Das US-Außenministerium gab die drastische Kürzung der Haushaltsmittel für internationale Entwicklungshilfeprogramme bekannt. Insgesamt würden gut 5.800 Verträge im Wert von 54 Milliarden Dollar gestrichen. Dies sei eine Reduzierung um 92 Prozent. Das bahnbrechende HIV-Programm PEPFAR (President's Emergency Relief Plan for AIDS Relief) hat seit seiner Einführung durch den republikanischen Präsidenten George W. Bush im Jahr 2003 in mehr als 50 Ländern 25 Millionen Menschenleben gerettet, darunter 5,5 Millionen Kinder.

Die Folgen sind bereits spürbar: In Südafrika, dem Land mit der weltweit höchsten Zahl von Menschen, die mit HIV infiziert sind – rund 7,5 Millionen Menschen lebten 2023 mit dem Virus, können Kliniken bereits bestellte Medikamente nicht mehr ausgeben. Da damit auch die Ansteckungsmöglichkeiten wieder steigen, könnte die fehlende Autorisierung der Hilfsorganisationen auch drastische Langzeitfolgen haben. Die Direktorin des gemeinsamen Programms der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) spricht von 6,3 Millionen AIDS-bedingten Todesfällen in naher Zukunft.

Deutschland muss Verantwortung übernehmen

Die Bundesregierung betont die schwierige Haushaltslage. „Trotz der schmerzhaften Haushaltskürzungen und trotz des enormen Spardrucks im Ministerium ist es uns gelungen, eine Milliarde Euro für den weltweiten Gesundheitsschutz bereitzustellen. Damit setzten wir ein wichtiges Zeichen: Deutschland wird sich weiter engagieren, um Menschen weltweit vor Krankheiten zu schützen", erklärt Ministerin Alabali Radovan. Doch angesichts der massiven US-Kürzungen reicht ein „wichtiges Zeichen" nicht aus.

Bill Gates lobte die deutsche Zusage und sprach von „strategischer Weitsicht". Doch die Zivilgesellschaft sieht das anders: Jeder in die Bekämpfung von HIV, Tuberkulose und Malaria investierte Dollar schafft einen wirtschaftlichen Ertrag von 19 Dollar. Die Investition ist also nicht nur eine humanitäre Notwendigkeit, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll.

Für die queere Community in Deutschland bedeutet die globale HIV-Krise auch eine direkte Bedrohung. Die erfolgreiche HIV-Prävention hierzulande basiert auf internationaler Zusammenarbeit und dem Austausch bewährter Strategien. „COmmunity REsponse to End Inequalities", kurz CORE, wurde von 24 Organisationen, darunter der DAH, in 16 EU-Ländern umgesetzt. Nach dem Motto „No one left behind" zielt das Projekt im Rahmen der Globalen Aids-Strategie darauf, Ungleichheiten im Zugang zu Prävention und Behandlung von HIV, Tuberkulose und Virushepatitis abbauen.

Der Kampf gegen HIV ist nicht vorbei – er erlebt gerade einen gefährlichen Rückschlag. Die Bundesregierung muss ihre Kürzung überdenken und ihrer Verantwortung gerecht werden. Denn wie die Deutsche Aidshilfe warnt: Die globale HIV-Pandemie kann schnell wieder aufflammen. Das dürfen wir nicht zulassen.


US-Oberster Gerichtshof droht Konversionstherapieverbote zu kippen – Was das für LGBTQ+ Jugendliche bedeutet

Eine Mehrheit am konservativ dominierten Supreme Court der USA signalisierte am Dienstag, dass sie bereit ist, gegen Colorados Verbot von Konversionstherapie zu entscheiden – eine Entscheidung, die weitreichende Folgen für LGBTQ+ Jugendliche in den gesamten Vereinigten Staaten haben könnte. Der Fall Chiles v. Salazar wird die Rechtmäßigkeit staatlicher Schutzgesetze bestimmen, die verhindern sollen, dass medizinische Fachkräfte Minderjährige den diskreditierten und schädlichen Praktiken aussetzen, die angeblich sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität ändern können. Die Originalberichterstattung findet sich bei PinkNews.

Der Fall und seine Hintergründe

Das Oberste Gericht erschien am Dienstagmorgen weitgehend sympathisch gegenüber einer lizenzierten Beraterin aus Colorado, die das staatliche Verbot von Konversionstherapie anfechtet. Eine Mehrheit der Richter schien zuzustimmen, dass das Verbot gegen sie aufgrund der Ansichten diskriminiert, die sie in ihrer Therapie äußert. Die christliche Therapeutin Kaley Chiles, vertreten durch die konservative Organisation Alliance Defending Freedom und unterstützt von der Trump-Regierung, möchte jungen Menschen Therapie anbieten, die ihre sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität mit einer christlichen Weltanschauung in Einklang bringen wollen.

Das Gesetz von Colorado aus dem Jahr 2019 verbietet lizenzierte Therapeuten daran, während der Gesprächstherapie zu versuchen, "Verhaltensweisen oder Geschlechtsausdrücke zu ändern" oder gleichgeschlechtliche Anziehung zu "eliminieren oder reduzieren", erlaubt ihnen aber, "Akzeptanz, Unterstützung und Verständnis" anzubieten, während sich ein Kind entwickelt. Verstöße können mit Geldstrafen von bis zu 5.000 Dollar und dem Verlust der Lizenz geahndet werden.

Die erschreckende Rechtsprechung

Chief Justice John Roberts betonte: "Nur weil sie in Verhalten engagiert sind, bedeutet das nicht, dass ihre Worte nicht geschützt sind." Der konservative Richter Samuel Alito bezeichnete das Gesetz Colorados als "offensichtliche Weltanschauungs-Diskriminierung", als er Passagen des Gesetzes vorlas. Überraschenderweise blieb Richter Brett Kavanaugh, oft als ideologisches Zentrum des Gerichts betrachtet, während der gesamten Verhandlung still und stellte keine einzige Frage.

Nach den mündlichen Verhandlungen am Dienstag schien eine klare Mehrheit der Richter, über ideologische Grenzen hinweg, geneigt, gegen das Gesetz Colorados zu entscheiden, und dabei könnten sie ähnliche staatliche Gesetze in der Hälfte des Landes kippen. Der Fall könnte weitreichende Auswirkungen haben, da etwa 30 Staaten ähnliche Gesetze wie Colorado haben.

Die wissenschaftliche Evidenz gegen Konversionstherapien

Konversionstherapie wurde in jeder Form von allen großen medizinischen Organisationen des Landes energisch zurückgewiesen mit der Begründung, dass sie nicht funktioniert und oft zu Depressionen und Suizidgedanken bei Minderjährigen führt. Colorado und andere Staaten haben auf Forschung hingewiesen, die zeigt, dass die Praxis nicht funktioniert und schädlich sein kann. Einige dieser Forschungen zeigen, dass sie das Suizidrisiko einer Person erhöht und andere langfristige Gesundheitsprobleme wie Depressionen, Angstzustände und Bluthochdruck verursachen kann. Kinder, die Konversionstherapie durchlaufen, laufen mehr als doppelt so häufig davon.

Die Praxis ist von medizinischen Organisationen weithin diskreditiert, darunter die American Medical Association, die American Psychological Association und die American Academy of Pediatrics. Unter den Dutzenden von Amicus-Briefs, die in dem Fall eingereicht wurden, ist einer im Namen einer Gruppe ehemaliger Führer der Konversionstherapie-Bewegung, die die Praxis nun "öffentlich ablehnen" und sich gegen Chiles' Argument wenden.

Deutschland als Vorbild: Ein klares Verbot seit 2020

Während die USA möglicherweise einen verheerenden Rückschritt erleben, hat Deutschland bereits 2020 einen anderen Weg eingeschlagen. Der Bundestag verabschiedete am 7. Mai 2020 das "Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen", das Deutschland zum fünften Land weltweit machte, das ein landesweites Verbot von Konversionstherapie für Minderjährige einführte. Verstöße gegen dieses Gesetz werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer hohen Geldstrafe geahndet.

Das deutsche Gesetz verbietet medizinische Interventionen, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person absichtlich zu verändern oder zu unterdrücken, sowie die Werbung für solche Therapien. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der offen schwul ist, erklärte: "Das Verbot sendet ein wichtiges Signal an die Gesellschaft, an all jene, die mit ihrer Homosexualität kämpfen: Es ist in Ordnung, so zu sein, wie Sie sind."

Innerhalb der Europäischen Union haben inzwischen acht Mitgliedstaaten – Belgien, Zypern, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Malta, Spanien und Portugal – diese Praktiken verboten, während in Spanien viele Regionen bereits seit geraumer Zeit administrative Verbote hatten. Wissenschaftlich nachgewiesen sind schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche "Therapien" wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko.

Was steht auf dem Spiel?

Stand 2025 verbieten 23 US-Bundesstaaten und Washington D.C. vollständig – und vier Staaten sowie Puerto Rico beschränken – lizenzierte Gesundheitsdienstleister daran, LGBTQI+-Minderjährige Konversionstherapie zu unterziehen. Eine Entscheidung gegen Colorado könnte all diese Schutzmaßnahmen gefährden. Der Fall konzentriert sich zwar auf LGBTQ+-Gesundheit, aber Experten sagen, dass alle von der Entscheidung betroffen sein werden. "Es gibt so viele andere Dinge, die mit diesen Fällen verknüpft sind, die wir irgendwie übersehen, weil wir uns stark auf den Themenbereich konzentrieren", erklärte eine Expertin für LGBTQ+-Politik.

Ein Bericht des Williams Institute aus dem Jahr 2020 ergab, dass lesbische, schwule und bisexuelle Menschen, die Konversionstherapie erlebten, fast doppelt so häufig über Suizid nachdachten und Selbstmordversuche unternahmen im Vergleich zu Gleichaltrigen, die keine solche Beratung durchlaufen hatten. Trotz staatlicher Verbote fand ein Bericht von 2023 mehr als 1.300 Konversionstherapie-Praktiker, die in 48 Staaten und dem District of Columbia tätig sind. Der Bericht ergab, dass 600 Praktiker aktive professionelle Lizenzen halten und 700 in einer offiziellen religiösen Funktion operieren.

Ein historischer Wendepunkt?

Das Gericht wird voraussichtlich bis Ende Juni 2026 eine Entscheidung im Fall Chiles v. Salazar treffen. Bis dahin warten LGBTQ+-Organisationen, Gesundheitsexperten und vor allem junge queere Menschen mit großer Sorge ab. Während Deutschland und andere europäische Länder den Schutz junger LGBTQ+-Menschen stärken, droht den USA ein dramatischer Rückschritt – mit potenziell verheerenden Folgen für Tausende von Jugendlichen, die vor schädlichen und diskreditierten Praktiken geschützt werden sollten.

Die Ironie könnte kaum größer sein: Ein Land, das sich selbst als Leuchtturm der Freiheit bezeichnet, könnte bald Staaten daran hindern, ihre jüngsten und verletzlichsten Bürger vor einer Praxis zu schützen, die von der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft als schädlich anerkannt wird. Für die LGBTQ+-Community in den USA und weltweit ist dies ein Moment zum Innehalten – und zum Handeln.


Betäubungsmittel und Betrug: Wenn Sexdates zur tödlichen Falle werden

Ein Prozess am Berliner Landgericht wirft ein erschreckendes Schlaglicht auf eine oft unterschätzte Gefahr: Zwei junge Männer, 24 und 27 Jahre alt, müssen sich wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ihr Vorgehen war perfide: Im Oktober 2021 reisten sie nach Prag, um über Dating-Apps gezielt schwule Männer zu kontaktieren, diese mit K.-o.-Tropfen zu betäuben und auszurauben. Während einer der Angeklagten schweigt, sagte der jüngere unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus – die Anklage wirft schwere Schatten auf ein Phänomen, das auch in Deutschland zunehmend Besorgnis erregt.

Zwei Opfer, schwere Folgen

Ein 31-jähriger Mann erlitt nach der Verabreichung von K.-o.-Tropfen schwere gesundheitliche Schäden, musste mehrere Wochen ins Krankenhaus und anschließend eine Reha besuchen. Im ersten Fall, einen Tag zuvor, war ein 40-jähriger Mann betroffen – ihm wurde ein Handy gestohlen. Die DNA-Spuren an den Tatorten führten schließlich zu einem der Angeklagten. Erst im Februar 2025 erhob die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage. Der Prozess, für den sieben weitere Verhandlungstage bis Dezember angesetzt sind, zeigt exemplarisch die Brutalität dieser Verbrechen.

Ein deutschlandweites Problem mit hoher Dunkelziffer

Was in Prag geschah, ist kein Einzelfall. Auch Jungen und Männer können Opfer von Raub und Vergewaltigung unter Einsatz von K.-o.-Tropfen werden, bisher sind überwiegend Übergriffe gegen schwule Jungen und Männer bekannt geworden. Die Kölner Beratungsstelle für K.-o.-Tropfen betont: Bei schwulen Opfern ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, und sexualisierte Gewalt gegenüber Männern wird bisher wenig thematisiert.

In Berlin stand kürzlich ein 35-Jähriger vor Gericht, der sich über eine Online-Dating-Plattform mit anderen Männern verabredet haben soll, um diese in ihren Wohnungen auszurauben, nachdem er sie durch K.-o.-Tropfen außer Gefecht gesetzt hatte. Noch dramatischer: In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Todesfällen in Verbindung mit K.-o.-Tropfen. Ein 42-jähriger Mann starb nach einem Sexdate in Berlin, ein 56-Jähriger wurde wegen Mordes angeklagt.

Die Täter nutzen Scham und Angst aus

Die Täter machen sich zunutze, dass ihre Opfer aus Scham und aus Angst vor einem Coming-out nicht zur Polizei gehen, erklärt Tim Jänke, Ansprechperson für LGBTIQ bei der Landespolizei Schleswig-Holstein. Opfer müssen bei der Polizei ihre sexuelle Orientierung und die Nutzung von Dating-Seiten offenlegen, was häufig mit Scham und Angst vor Diskriminierung verbunden ist.

Auch in Bochum wurden bereits 2019 sechs junge Männer verurteilt, die ihre Opfer auf Dating-Apps kontaktiert, zu Sexdates eingeladen und dann ausgeraubt hatten. Die Schweizer Kantonspolizei Waadt berichtete von ähnlichen Fällen, bei denen Männer über Plattformen wie Gayromeo kontaktiert wurden. Aktivist*innen betonen, dass dies kein Einzelfall ist: "Wir beobachten weltweit, wie Dating-Apps wie Grindr genutzt werden, um gezielt schwule Männer in Fallen zu locken", so Andy Thayer vom Gay Liberation Network.

K.-o.-Tropfen: Eine unsichtbare Gefahr

Als K.-o.-Tropfen werden verschiedene Arten von Drogen bezeichnet, etwa Ketamin und GHB (Gammahydroxybuttersäure), umgangssprachlich Liquid Ecstasy genannt. K.-o.-Tropfen sind farblos und nicht zu schmecken, wenn sie in Getränke oder Speisen gemischt werden, bereits nach zehn bis 20 Minuten setzen Schwindelgefühle und Übelkeit ein, typisch ist der Gedächtnisverlust. Der Nachweis der Substanzen ist meist nur ca. 12 Stunden nach der Verabreichung möglich.

Prävention und Selbstschutz

Dating-Apps sind nach wie vor ein wichtiger und grundsätzlich sicherer Weg für queere Menschen, um Kontakte zu knüpfen. Doch Vorsicht ist geboten. Es scheint durchaus eine Idee zu sein, das Gegenüber online erst einmal genauer kennenzulernen und sich bei den ersten Treffen auf einen öffentlichen Bereich zu beschränken. Die Anlaufstellen für Lesben und Schwule in Köln helfen mit Informationen und sensibilisierten Ansprechpartnern.

Expertinnen raten: Getränke nie unbeaufsichtigt lassen, nur Drinks annehmen, deren Weg man von der Theke an verfolgt hat, und mit Freund*innen gemeinsam nach Hause gehen. Sexualisierte Gewalt unter K.-o.-Tropfen kann auch Jungen und Männern widerfahren, erste Beratung und Hilfe bietet das Hilfetelefon Gewalt gegen Männer unter der Rufnummer 0800 1239900. In Berlin bietet das schwule Anti-Gewalt-Projekt MANEO Unterstützung für Betroffene.

Ein Aufruf zur Community

Die Fälle von Übergriffen mit K.-o.-Tropfen bei Dating-App-Treffen sind ein ernstzunehmendes Problem, das die gesamte LGBTQ+-Community betrifft. Es geht nicht darum, Panik zu schüren – die meisten Dates verlaufen ohne Zwischenfälle. Aber Aufklärung, Sensibilisierung und der Mut, Übergriffe anzuzeigen, sind entscheidend, um die Dunkelziffer zu senken und Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Der Prozess in Berlin ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.


Neue EU-Verordnung zum IBAN-Abgleich: Gefahr des Zwangsoutings für trans und nichtbinäre Menschen

Eine neue EU-weite Regelung im Zahlungsverkehr bringt ungewollte Konsequenzen für trans und nichtbinäre Menschen mit sich: Seit dem 9. Oktober 2025 müssen alle Banken im Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) vor der Freigabe einer Überweisung prüfen, ob der Name des Zahlungsempfängers mit der IBAN übereinstimmt, wie queer.de berichtet. Diese sogenannte "Verification of Payee" (VoP) soll eigentlich Betrug verhindern, doch für Menschen, die nicht unter ihrem Passnamen leben, kann sie zum Zwangsouting führen.

Was bedeutet die neue Regelung konkret?

Die Verification of Payee (VoP) ist eine Vorgabe der Europäischen Union (Verordnung (EU) 2024/886), die mit der neuen EU-Verordnung zur Regulierung von Echtzeitüberweisungen eingeführt wurde und zum 9. Oktober 2025 für alle Zahlungsdienstleister verbindlich wurde. Die Kombination aus eingegebenem Empfängernamen und eingegebener Empfänger-IBAN wird mit den bei der Empfängerbank hinterlegten Daten abgeglichen. Das Ergebnis basiert auf einem "Ampelsystem" mit den folgenden möglichen Ergebnissen: "match" (Übereinstimmung), "close match" (teilweise Übereinstimmung), "no match" (keine Übereinstimmung) oder "other" (sonstiges).

Ziel ist es, die Sicherheit im Zahlungsverkehr zu erhöhen und Betrugsversuche zu erschweren, bei denen Kriminelle Geldströme umleiten, indem sie falsche Kontodaten mit legitimen Zahlungsempfängern vermischen.

Die Problematik für trans und nichtbinäre Menschen

Für Personen, die nicht ihren Passnamen verwenden, kann dies zu einem Zwangsouting führen – dies ist beispielsweise bei nichtbinären oder trans Menschen der Fall, die keine bürokratische Namensänderung anstreben. Besonders betroffen sind auch jene, die sich eine offizielle Namensänderung wünschen, aber noch auf ihren Termin im Rahmen des Selbstbestimmungsgesetzes warten müssen.

Wenn eine Person nicht ihren Pass-Vornamen verwendet, sondern beispielsweise nur ihren Nachnamen, wird der bei der Bank eingetragene Vorname angezeigt. Dies führt zum Zwangsouting und die trans oder nichtbinäre Person kann das Konto nicht weiter verwenden, ohne dass Überweisende wissen, wie der Deadname der Person lautet.

Der Begriff "Deadname" bezeichnet den Namen einer trans Person vor ihrer Transition. Deadnaming ist die Verwendung des früheren Namens anstelle des neuen Namens. Deadnaming kann für die Psyche von trans Personen schädlich sein, da sie sich in ihrer wahren Identität als entwertet und nicht respektiert fühlen können.

Das Selbstbestimmungsgesetz: Ein Schritt vorwärts, aber Hürden bleiben

In Deutschland trat am 1. November 2024 das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft. Das SBGG erleichtert es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Die Änderung erfolgt durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt. Die Änderung des Geschlechtseintrags verursachte bisher lange Wartezeiten und hohe Kosten. Zudem empfanden viele Betroffene das bisherige "Transsexuellengesetz" als unwürdig und diskriminierend, da Trans-Personen zwei psychologische Gutachten einreichen mussten.

Allerdings gibt es eine wichtige Einschränkung: Drei Monate vorher muss die Änderung bei dem Standesamt angemeldet werden. Diese Wartezeit bedeutet, dass Menschen, die ihre Namen ändern möchten, mehrere Monate mit dem Risiko des Zwangsoutings durch den IBAN-Abgleich leben müssen.

Eingeschränkte Alternativen

Lastschriften und Papierüberweisungen, die nicht direkt am Schalter eingegeben werden, sind von der Regelung ausgenommen. Da jedoch nicht allen Personen Lastschriften zur Verfügung stehen, sind diese keine adäquate Alternative zur üblichen Überweisung.

Eine historische Parallele: 2009 wurde der Abgleich bereits einmal abgeschafft

Interessanterweise gab es eine ähnliche Regelung bereits in der Vergangenheit. Bis 2009 galt in Deutschland ein Abgleich von Zahlungsempfängern und Kontonummern. Diese Praxis wurde ab dem 1. November 2009 geändert und auf den Abgleich verzichtet, um unter anderem den Zahlungsverkehr ins Ausland schneller und einfacher zu gestalten. Auch damals war Grund für die Änderung eine EU-Verordnung (Verordnung 2007/64/EG). Nun, 16 Jahre später, kehrt eine ähnliche Regelung zurück – allerdings EU-weit und mit ungewollten Konsequenzen für vulnerable Gruppen.

Parallele Herausforderungen: Auch behördliche Datenerfassung problematisch

Die Problematik des Zwangsoutings beschränkt sich nicht nur auf den Bankverkehr. Das Bundesinnenministerium plant mit einer neuen Verordnung zur Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes, frühere Geschlechtseinträge und Vornamen dauerhaft zu speichern und an andere Behörden zu übermitteln, wie netzpolitik.org berichtet. Der Paritätische Gesamtverband nennt die geplante Regelung "nicht verhältnismäßig" und der Bundesverband Trans* warnt vor "Zwangsoutings im Kontakt mit Behörden".

Ein Sicherheitsfeature mit diskriminierender Wirkung

Die Verification of Payee wurde mit den besten Absichten eingeführt: Schutz vor Betrug und Fehlüberweisungen. Die Niederlande haben bereits 2017 einen IBAN-Name Check eingeführt. Die dortigen Erfahrungen zeigen, dass ein Abgleich von IBAN und Empfängername Betrugsfälle effektiv reduzieren kann. Doch die Regelung zeigt einmal mehr, wie Gesetze und Verordnungen, die ohne Berücksichtigung der Lebensrealitäten marginalisierter Gruppen geschaffen werden, zu ungewollter Diskriminierung führen können.

Trans und nichtbinäre Menschen in Deutschland und der gesamten EU stehen nun vor der Wahl: Entweder riskieren sie regelmäßige Zwangsoutings im Zahlungsverkehr oder sie durchlaufen die bürokratischen Hürden einer offiziellen Namensänderung – mit allen damit verbundenen Kosten, Wartezeiten und emotionalen Belastungen. Für eine vollständig inklusive Gesellschaft müssen solche unbeabsichtigten Diskriminierungen erkannt und behoben werden.


Besorgniserregender Anstieg: Mpox-Fälle in Berlin erreichen Rekordniveau

Die Hauptstadt erlebt einen alarmierenden Anstieg der Mpox-Infektionen: In diesem Jahr wurden in Berlin bereits 160 Fälle gemeldet – mehr als in den beiden Vorjahren zusammen. Diese Entwicklung berichtet queer.de unter Berufung auf aktuelle Daten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso). Die Zahlen verdeutlichen: Die queere Community steht erneut vor einer ernstzunehmenden gesundheitlichen Herausforderung.

Eine beunruhigende Trendwende

Nach einem anfänglichen Rückgang der Fallzahlen seit Juli – mit nur null bis vier Infektionen pro Woche – meldete das Lageso zuletzt neun neue Mpox-Fälle. Diese deutliche Zunahme innerhalb einer Woche beunruhigt Gesundheitsexpert*innen. Betroffen sind ausschließlich Männer im Alter zwischen 20 und 60 Jahren, von denen fünf bereits gegen Mpox geimpft waren – ein Hinweis darauf, dass Impfdurchbrüche vorkommen, auch wenn die Erkrankung bei Geimpften in der Regel milder verläuft.

Deutschlandweit wurden 2025 bereits 409 neue Mpox-Fälle gemeldet, was die Bedeutung der Berliner Zahlen im nationalen Kontext unterstreicht. Seit Sommer 2023 werden kontinuierlich Fallzahlen auf niedrigem Niveau gemeldet, mit einem leichten Anstieg seit Mitte 2024.

Was ist Mpox und wie wird es übertragen?

Mpox – früher als Affenpocken bezeichnet – ist eine Viruserkrankung, die durch engen Körperkontakt übertragen wird, insbesondere beim Sex. Das Virus löst vor allem Hautausschlag aus, kann aber auch Fieber und Muskelschmerzen verursachen. Die Übertragungen sind in Deutschland in erster Linie im Rahmen von sexuellen Aktivitäten erfolgt, insbesondere bei Männern, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern haben.

Die WHO Europa betont, dass beim gegenwärtigen Mpox-Ausbruch außerhalb Afrikas die meisten Fälle unter schwulen, bisexuellen und anderen Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten auftraten. Wichtig ist jedoch: Die Infektion kann grundsätzlich alle Menschen betreffen, die engen körperlichen Kontakt mit einer infizierten Person haben.

Impfung als wichtiger Schutz

Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine Mpox-Impfung für Personen mit engem Kontakt zu Erkrankten und für Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex mit wechselnden Partnern haben. Für eine vollständige Grundimmunisierung sind zwei Impfstoffdosen im Abstand von mindestens 28 Tagen erforderlich. Der in Europa zugelassene Impfstoff Imvanex schützt wirksam vor einer Infektion und verringert deutlich das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs.

Die Impfung ist seit Sommer 2023 über Hausarztpraxen, HIV-Schwerpunktpraxen und Gesundheitszentren verfügbar. Expert*innen raten insbesondere vor der Pride-Saison und größeren Community-Events zur Impfung, da internationale Großveranstaltungen und Festivals in den vergangenen Jahren zu längeren Übertragungsketten beigetragen haben.

Community-Engagement als Schlüssel zum Erfolg

Die queere Community hat bereits 2022 gezeigt, wie wirksam gemeinsames Handeln sein kann. In Berlin ging die wöchentliche Mpox-Fallzahl unter der laufenden Aufklärungskampagne früher zurück als in anderen deutschen Großstädten – noch bevor die Impfkampagne richtig anlief. Diese Erfolgsgeschichte basierte auf einer Kombination von Faktoren: starke ressortübergreifende Zusammenarbeit, wirksame Einbindung der betroffenen Bevölkerungsgruppen, öffentliche Gesundheitskampagnen sowie Verhaltensänderungen.

Nach dem aktuellen Anstieg der Fallzahlen fordert die Linke queer die Gesundheitsministerien auf, unverzüglich Gelder für eine zielgruppenspezifische Aufklärungskampagne bereitzustellen. Die Deutsche Aidshilfe und ihre Mitgliedsorganisationen hätten mit ihren Fachkenntnissen die Expertise, eine wirksame Präventionskampagne durchzuführen.

Keine Entwarnung in Sicht

Trotz der steigenden Zahlen bleibt die Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung in Deutschland nach derzeitigen Erkenntnissen gering. Dennoch mahnen Expert*innen zur Wachsamkeit. Es gebe klare Hinweise auf ein hohes Epidemie- oder sogar Pandemierisiko, darunter die Fähigkeit des Virus zur Mensch-zu-Mensch-Übertragung, warnt ein britisches Forscherduo im Fachmagazin "Nature Medicine".

Für die kommenden Monate rechnet das Lageso nicht mit Entspannung – die beginnende Festival- und Pride-Saison könnte zu weiteren Übertragungen führen. Umso wichtiger ist es, dass die Community informiert bleibt, Präventionsmaßnahmen ergreift und das Impfangebot nutzt. Mpox-Todesfälle sind in Deutschland bisher nicht beobachtet worden, doch die Erkrankung kann schmerzhaft sein und Betroffene über Wochen einschränken.

Weitere Informationen zur Mpox-Impfung bieten die Deutsche Aidshilfe und das Robert Koch-Institut.


Regenbogen wird wetterfest: Schleswig-Holstein schützt queere Menschen in Landesverfassung

Schleswig-Holstein macht Ernst mit dem verfassungsrechtlichen Schutz queerer Menschen: Der Bundesrat hatte bereits am 26. September 2025 einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Einbringung in den Bundestag beschlossen, und nun will auch das nördlichste Bundesland queere Menschen ausdrücklich in die Landesverfassung aufnehmen. Wie queer.de berichtet, soll in Artikel 9 künftig eingefügt werden: „Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden." Die Regierungskoalition aus CDU, Grünen, FDP und SSW brachte einen entsprechenden Gesetzentwurf ein – ein historischer Schritt für die LGBTQ+ Community im echten Norden.

„Der Regenbogen wird nun wetterfest gemacht"

Danny Clausen-Holm, Landesvorsitzender des LSVD Schleswig-Holstein, begrüßt das Vorhaben mit deutlichen Worten: „Der Regenbogen wird nun in Schleswig-Holstein wetterfest gemacht! Denn es zieht ein politisches Unwetter auf." Seine Formulierung trifft den Kern der aktuellen Debatte: In Deutschland, Europa und auch international lassen sich besorgniserregende Bestrebungen zu einer Abkehr vom freiheitlichen und gleichwertigen Verständnis der sexuellen und geschlechtlichen Identität erkennen. Der LSVD hatte bereits bei CSDs für die Aufnahme geworben und „entscheidende Überzeugungsarbeit" geleistet, wie Clausen-Holm stolz erklärt.

Die Ergänzung sei „ein Meilenstein, der für etwa acht bis zwölf Prozent der Bevölkerung ein zeitgemäßes Sicherheitspaket bildet." Diese Einschätzung unterstreicht die Bedeutung: Zwar habe sich die Lebenssituation der Betroffenen in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch einfache Gesetze wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz deutlich verbessert, doch nur ein im Grundgesetz verankertes Verbot schaffe einen stabilen Schutz und entziehe dieses Gleichheitsrecht dem Wechselspiel der verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kräfte.

Schleswig-Holstein reiht sich in Vorreiter-Länder ein

Die Landesverfassungen von Berlin, Brandenburg, Bremen, vom Saarland, Sachsen-Anhalt und von Thüringen schützen ausdrücklich vor Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund der sexuellen Identität. Mit Schleswig-Holstein würde nun das siebte Bundesland diesem Beispiel folgen. Das erste Bundesland, das den Schutz aufnahm, war Brandenburg im Jahr 1992. Besonders bemerkenswert: Seit den 90er Jahren ist in der Brandenburger Landesverfassung der Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität verankert – das gibt es in vielen westdeutschen Landesverfassungen nicht und das steht auch nicht im Grundgesetz.

Die Verfassungsreform in Schleswig-Holstein geht über den Schutz queerer Menschen hinaus. In einem neuen Artikel 6a soll künftig auch der Schutz vor Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit als Staatsziel benannt werden. Zudem sollen Kinderrechte und Rechte pflegebedürftiger Menschen gestärkt werden – ein umfassendes Paket für mehr Menschenrechtsschutz.

Bundesweiter Kampf um Grundgesetzänderung

Seit Jahrzehnten fordern queere Organisationen den ausdrücklichen Schutz queerer Menschen im deutschen Grundgesetz. Als einzige Opfergruppe des NS-Regimes sind sie bislang nicht in der Liste der geschützten Merkmale vertreten. Der Bundesrat hat am 26. September 2025 beschlossen, einen entsprechenden Gesetzentwurf von Berlin, Schleswig-Holstein und weiteren Ländern in den Bundestag einzubringen. „Deshalb wollen wir, dass die sexuelle Identität als Merkmal in Artikel 3 des Grundgesetzes aufgenommen wird. Das bekräftigt ihre Gleichstellung vor unserem höchsten Gesetz und verpflichtet zum Schutz", so Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré.

Doch der Weg ist steinig: Für eine Änderung des Grundgesetzes ist die Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages sowie zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates erforderlich. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages befassten sich am 9. Oktober 2025 mit der Forderung nach einer Änderung des Grundgesetzes, dazu hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes zur ersten Lesung vorgelegt.

Union blockiert weiterhin Verfassungsschutz

Die größte Hürde bleibt die Union. Die Unionsfraktion weist den Bundesrats-Vorstoß für eine Aufnahme des Schutzkriteriums „sexuellen Identität" ins Grundgesetz zurück, die vorgeschlagene Grundgesetzänderung sei „nicht zustimmungsfähig", sagte Unions-Fraktionsvize Günter Krings (CDU). Die CDU/CSU argumentiert, der Schutz sei bereits durch bestehende Gesetze gewährleistet. „Den Grundrechtekatalog, also die Herzkammer unserer Verfassung anzutasten, bedarf es ganz besonderer Gründe", sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU), „für eine Änderung des Grundgesetzes sehe ich aber auch keinen Anlass, da der Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung bereits in Artikel 3 verwirklicht ist".

Die Haltung der Union steht im krassen Gegensatz zu den Forderungen der Community und selbst zu einigen unionsgeführten Ländern. Schleswig-Holstein, Berlin und Nordrhein-Westfalen, unionsgeführte Bundesländer, haben die Initiative gestartet. Doch während diese Länder vorangehen, lehnen große Teile der Union auf Bundesebene diese Reform ab – ein Widerspruch, der viele in der Community frustriert.

Warum verfassungsrechtlicher Schutz so wichtig ist

„Stimmungen in der Gesellschaft, Mehrheiten in Parlamenten und ja, auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können sich ändern", argumentiert Queerbeauftragte Sophie Koch (SPD), „der Wortlaut des Grundgesetzes hingegen kann sich nur mit dem größtmöglichen Konsens ändern. Nur das Grundgesetz selbst bietet der queeren Menschen dauerhaften Schutz". Diese Argumentation ist umso dringlicher angesichts der politischen Entwicklungen: Die AfD fordert offen die Abschaffung errungener Rechte, und selbst die Union will das erst 2024 eingeführte Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen.

Der Vorstoß Schleswig-Holsteins zeigt: Veränderung ist möglich, wenn Politik und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Die Aufnahme in die Landesverfassung ist mehr als Symbolpolitik – sie ist ein klares Bekenntnis zu Vielfalt und Menschenwürde in bewegten Zeiten. Für die bundesweite Grundgesetzänderung aber bleibt der Weg beschwerlich, solange die Union ihre Blockadehaltung nicht aufgibt.


Zweimal verurteilt, nicht eingeschüchtert: Prediger fordert "Recht auf Hass" gegen queere Menschen

Ein Fall, der Deutschland bewegt und die Grenzen zwischen Religionsfreiheit und Volksverhetzung auslotet: Ein zweimal wegen Volksverhetzung verurteilter Prediger der "Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim" (BKZW) geht in die nächste Instanz. Der 33-jährige Andy Shamoon alias "Bruder Andy" will sich nicht geschlagen geben – und beruft sich dabei auf die im Grundgesetz verankerte Religions- und Meinungsfreiheit. Die Originalberichterstattung stammt von queer.de, das seit Ende 2021 ausführlich über die radikale Sekte berichtet.

Die Eskalation: Von Geldstrafen zur Verfassungsbeschwerde

Die juristische Auseinandersetzung nimmt immer dramatischere Züge an. Nachdem das Amtsgericht Pforzheim den Prediger 2024 im ersten Prozess zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt hatte, erhöhte das Landgericht im Berufungsprozess am Donnerstag die Höhe der Tagessätze auf 45 Euro – insgesamt 6.750 Euro. Der Vorsitzende Richter erklärte, der Angeklagte habe in der Predigt homosexuelle und queere Menschen beschimpft, ihre Menschenwürde angegriffen und ihr Lebensrecht verneint.

Die inkriminierten Äußerungen sind von erschreckender Deutlichkeit: In einer Predigt unter dem Titel "Gott hasst Menschen" erklärte Shamoon im Juni 2023, dass Homosexuelle "den Tod verdient" hätten und sie "sollten eigentlich vom Staat irgendwie vernichtet werden". Diese Predigt wurde live gestreamt und auf mehreren Internetplattformen veröffentlicht – zeitlich passend zum Pride Month.

Wenn Religion zur Rechtfertigung wird

Shamoons Verteidigungsstrategie ist bemerkenswert: Er beruft sich konsequent auf die Religionsfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes. Der 33-Jährige erklärte vor Gericht, er sei ein "sehr überzeugter Christ" und nehme die Bibel "sehr wörtlich". Er habe lediglich eine biblische Passage erklären wollen und nicht den deutschen Staat auffordern wollen, Homosexuelle zu exekutieren.

Diese Argumentation wirft grundlegende Fragen auf, die auch in Deutschland bereits kontrovers diskutiert werden. Die deutsche Verfassung schützt freie Meinungsäußerung, aber nicht Hassrede. Deutsches Recht verbietet Äußerungen, die Hass anstacheln könnten oder als beleidigend gelten. Paragraf 130 des deutschen Strafgesetzbuchs verbietet Volksverhetzung und Beleidigungen, die die Menschenwürde angreifen, und kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.

Deutschland und seine besondere Verantwortung

Der Fall muss im Kontext der deutschen Geschichte betrachtet werden. Nach einer Welle von Skandalen über die Nazi-Vergangenheit westdeutscher Beamter in den 1950er Jahren wurde das Gesetz geändert, um neo-nazistische Hetze zu bekämpfen. Die Anwendung der jahrzehntealten deutschen Hassrede-Gesetze wurde nach dem dunkelsten Kapitel des Landes gestärkt und online beschleunigt, nachdem die Ermordung eines Politikers, befeuert durch das Internet, Schockwellen durch das Land sandte.

Die Zahl der Hassverbrechen gegen die LGBTQ-Community steigt in Deutschland, wobei offiziell registrierte Fälle im letzten Jahr um 15,5 Prozent auf 1.005 anstiegen, berichtet das Bundesinnenministerium. Die deutsche Trans-Aktivistin Anastasia Biefang warnte bereits 2023: "Ich höre Narrative, von denen ich dachte, wir hätten sie seit 1945 überwunden".

Eine extremistische Sekte unter Beobachtung

Die BKZW ist kein Einzelfall religiöser Radikalisierung. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg führt die BKZW seit Mai 2023 als Beobachtungsobjekt. Viele Predigten enthalten laut Verfassungsschutzbericht Aussagen, die Gewalt befürworten; immer wieder werde die Todesstrafe für Homosexuelle gefordert. Die BKZW lehnt demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung grundsätzlich ab und verbreitet in Teilen ihrer Predigten antisemitisches Gedankengut sowie staatsfeindliche Verschwörungserzählungen.

Besonders alarmierend: Als Wortführer gilt der selbsternannte Prediger Anselm Urban, der bereits vor zwei Jahren die Tötung des Grünen-Politikers Sven Lehmann und aller queeren Menschen im Land forderte. Urban entzog sich der Strafverfolgung durch Flucht in die USA, wo er Unterschlupf bei seinen Glaubensgeschwistern der Faithful Word Baptist Church in Arizona fand.

Strategische Neuausrichtung: Von der Kirche zur Evangelisationsgruppe

Die Gruppierung versucht offenbar, sich den Behörden zu entziehen. Ende 2024 hat die BKZW mehrere Internetpräsenzen in "Deutschlands Seelen Gewinnen" umbenannt und ein neues Logo veröffentlicht. Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet diese Entwicklung mit Sorge: Die Aktivitäten hätten sich vermehrt auf das "Seelengewinnen" verlagert – die organisierte Form der Gemeindegründung sei einer loseren Organisationsform gewichen.

Die Behörde rechnet der Gruppierung eine niedrige zweistellige Zahl an Personen zu. Über Onlineauftritte erreiche sie eine weitaus größere Zahl. Trotz der Ermittlungsverfahren und Durchsuchungen mäßigten oder distanzierten sich die Verantwortlichen nicht von ihren Positionen – im Gegenteil: Sie wiederholten die verfassungsfeindlichen Aussagen öffentlich.

Ein Präzedenzfall für Europa?

Der Fall könnte weitreichende Konsequenzen haben. Folgt man der Argumentation des Verteidigers, könnte die Sache am Ende sogar beim Bundesverfassungsgericht landen – und möglicherweise als Präzedenzfall dienen, wie Deutschland die Balance zwischen Religionsfreiheit und dem Schutz vor Hassrede austariert.

Ähnliche Fälle gibt es bereits: Der Fall von Olaf Latzel hat weniger internationale Aufmerksamkeit erhalten als ein ähnlicher in Finnland, wo eine Politikerin wegen des Tweetens von Bibelstellen angeklagt wurde. Beobachter sahen in beiden Fällen einen lang erwarteten Konflikt, da zunehmende Sorgen um die Würde und Rechte von LGBTQ-Menschen mit tiefen Verpflichtungen zur Meinungsfreiheit und religiösen Freiheit kollidieren.

Zwischen Strafverfolgung und Demokratieschutz

Der Fall zeigt exemplarisch, wie Deutschland mit extremistischen Inhalten umgeht. Eine Einheit in Niedersachsen hat in den letzten vier Jahren erfolgreich etwa 750 Hassrede-Fälle verfolgt. Die Strafen können von Geldstrafen bis zu Gefängnisstrafen für Wiederholungstäter reichen – und manchmal werden die Geräte der Täter beschlagnahmt.

Die deutsche Herangehensweise ist jedoch nicht unumstritten. Während Befürworter argumentieren, dass Grenzen notwendig sind, um die Demokratie zu schützen, warnen Kritiker vor Zensur und Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Die Debatte spiegelt eine grundlegende gesellschaftliche Frage wider: Wo endet legitime Religionsausübung und wo beginnt strafbare Volksverhetzung?

Für die queere Community in Deutschland bedeutet dieser Fall mehr als nur eine juristische Auseinandersetzung. Es geht um die Frage, ob der Rechtsstaat sie effektiv vor Hass und Gewaltaufrufen schützen kann – auch wenn diese sich hinter religiösen Überzeugungen verstecken. Die nächsten Instanzen werden zeigen, wie ernst es Deutschland mit diesem Schutz meint.


Hassrede im Namen Gottes: Baptisten-Prediger erneut wegen Volksverhetzung verurteilt

In Deutschland wurde erneut ein klares Zeichen gegen queerfeindliche Hassrede gesetzt: Das Landgericht Karlsruhe hat im Berufungsverfahren den Prediger Andy Shamoon von der "Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim" (BKZW) wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 6.750 Euro verurteilt – eine höhere Strafe als in erster Instanz. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf eine beunruhigende Entwicklung: religiös motivierter Extremismus gegen queere Menschen.

Wenn Hass zur Predigt wird

Die Worte, die Andy Shamoon alias "Bruder Andy" im Juni 2023 aussprach, waren von erschreckender Eindeutigkeit. In einer Predigt mit dem Titel "Gott hasst Menschen" sagte er, Homosexuelle hätten "den Tod verdient" und "sollten eigentlich vom Staat irgendwie vernichtet werden". Die Predigt wurde bewusst während des Pride Month live gestreamt und auf mehreren Internetplattformen veröffentlicht – ein gezielter Angriff auf die LGBTQ+ Community in ihrer wichtigsten Zeit der Sichtbarkeit.

Das Gericht war unmissverständlich: Der Angeklagte habe homosexuelle und queere Menschen beschimpft, verächtlich gemacht und ihre Menschenwürde angegriffen. Auch habe er ihnen das Lebensrecht abgesprochen, und diese Menschenwürde wiege schwerer als die Religionsfreiheit. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig, da beide Seiten Rechtsmittel eingelegt hatten.

Eine extremistische Sekte mit Verbindungen in die USA

Das Landesamt für Verfassungsschutz führt die BKZW seit Mai 2023 als Beobachtungsobjekt im Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates". Die Gruppierung ist kein Einzelfall religiösen Fundamentalismus, sondern Teil eines internationalen Netzwerks: Ihr Wortführer, der selbsternannte Prediger Anselm Urban, forderte bereits vor zwei Jahren die Tötung des Grünen-Politikers Sven Lehmann und aller queeren Menschen und entzog sich der Strafverfolgung durch Flucht in die USA, wo er bei der Faithful Word Baptist Church in Arizona Unterschlupf fand.

Der ideologische Fokus der BKZW liegt nach Angaben des Verfassungsschutzes auf der massiven Abwertung von Homosexuellen, die unverhohlen in öffentlich frei zugänglichen Reden gepredigt wird. In Teilen der Predigten werden gewaltbefürwortende Aussagen getroffen, die sich hauptsächlich gegen die Menschenwürde richten. Die häufig drastische Ausdrucksweise der Prediger unterstreicht die Härte der Inhalte.

Rechtsprechung als Schutzschild der Demokratie

Der Fall Shamoon ist Teil einer wichtigeren Entwicklung in Deutschland. Laut dem Lagebericht zur kriminalitätsbezogenen Sicherheit von LSBTIQ* wurden für das Jahr 2023 insgesamt 1.785 Straftaten gegen queere Personen verzeichnet, wobei zu den häufigsten Straftaten Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen zählten, mit 212 Opfern von Gewalttaten.

Während Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen als ein abgrenzbarer Teil der Bevölkerung Ziel der volksverhetzenden Handlung sein können, gibt es trotz weit verbreiteter homophober und sexistischer Hassreden nur wenige Verurteilungen wegen Volksverhetzung. Die Verurteilung Shamoons ist daher ein wichtiges Signal.

Ein breiteres Problem: Queerfeindlichkeit im Extremismus

Die BKZW ist leider kein isoliertes Phänomen. Seit Juni 2024 geraten vermehrt Veranstaltungen der LSBTIQ-Bewegung in den Fokus insbesondere gewaltorientierter Rechtsextremisten. So kam es in den letzten Monaten wiederholt zu (versuchten) rechtsextremistischen Störaktionen von öffentlichen Veranstaltungen zum Christopher Street Day (CSD). Auch im Islamismus wird Queerfeindlichkeit umso stärker propagiert, je intensiver die Rechte Homosexueller sowie Transgender-Personen von Politik und Medien thematisiert werden.

Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg warnt, dass verschiedene extremistische Strömungen ähnliche Argumentationsmuster nutzen, um queere Menschen zu verurteilen. Rechtsextremisten schlagen besonders häufig eine inhaltliche Brücke zwischen queeren Lebensweisen und Pädophilie und bezwecken damit eine Gleichsetzung zu Lasten queerer Menschen. Vereinzelt finden sich auch direkte Vergleiche mit sexuellen Störungen oder strafbaren Handlungen.

Trotz aller Maßnahmen: Die Hetze geht weiter

Besonders beunruhigend: Trotz Ermittlungen und Durchsuchungen mäßigten oder distanzierten sich die Verantwortlichen der BKZW nicht von ihren Positionen, sondern wiederholten die verfassungsfeindlichen Aussagen öffentlich und verbreiteten ihre extremistischen Ansichten weiter. Ende 2024 hat die BKZW mehrere Internetpräsenzen in "Deutschlands Seelen Gewinnen" umbenannt und ein neues Logo veröffentlicht – ein Versuch, der behördlichen Beobachtung zu entgehen.

Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Baptisten) distanzierte sich klar von der Sekte: "Die Sekte in Pforzheim steht in keiner Beziehung zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Die Forderung nach einer Todesstrafe für Homosexuelle ist vollkommen abwegig und in höchstem Maße menschenverachtend. Wir verurteilen sie aufs Schärfste".

Was bedeutet das für die queere Community?

Die Verurteilung Shamoons ist ein Erfolg des Rechtsstaats, aber sie zeigt auch die Verwundbarkeit queerer Menschen in Deutschland. Hasstaten und Gewalt gegen queere Menschen sind menschenverachtende Straftaten. Alltäglich werden in Deutschland LSBTIQ* angegriffen. Laut offiziellen Zahlen gibt es jeden Tag mindestens drei Angriffe auf queere Menschen. Die Dunkelziffer ist deutlich höher.

Das Urteil des Landgerichts Karlsruhe sendet eine wichtige Botschaft: Auch bei religiös motivierten Äußerungen muss der Schutz aus den Grundrechten der Religionsfreiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit zwingend zurücktreten, wenn durch diese Äußerungen die Menschenwürde anderer angegriffen wird, da die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig ist.

Für queere Menschen in Deutschland bedeutet dies: Der Rechtsstaat steht auf ihrer Seite. Doch die Wachsamkeit muss bleiben – denn wie der Fall der BKZW zeigt, gibt es weiterhin Gruppen, die ungehindert Hass predigen und die Vernichtung von Minderheiten fordern. Umso wichtiger ist es, dass Zivilgesellschaft, Politik und Justiz gemeinsam gegen diese Bedrohung vorgehen.


AfD Sachsen-Anhalt will "heterosexuelle Normalität" in Schulen durchsetzen – Angriff auf queere Vielfalt

Die AfD in Sachsen-Anhalt greift erneut massiv queere Menschen an: Mit einem Antrag im Landtag will die rechtsextreme Partei Lehrkräfte zu "politischer Neutralität" verpflichten und Schulnamen mit "weltanschaulicher Tendenz" verbieten. Was harmlos klingt, entpuppt sich als direkter Angriff auf die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an Schulen. Der Landtag soll am Freitag über den kontroversen Antrag debattieren.

Tillschneider spricht offen von "Zerstörung der heterosexuellen Normalität"

AfD-Vizeparteichef Hans-Thomas Tillschneider machte im "Spiegel" deutlich, dass sich der Antrag gegen queere Menschen richtet: Die "penetrante Vielfaltspropaganda" betreibe "die Zerstörung der heterosexuellen Normalität", die "für den Fortbestand und das Gedeihen unserer Gesellschaft unerlässlich" sei. Außerdem richte sich Antirassismus laut Tillschneider gegen die "patriotische Opposition" – also seine Partei.

Tillschneider, geboren 1978 in Rumänien, ist seit März 2016 Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion und stellvertretender Landesvorsitzender. Er gilt als Akteur des rechtsextremen Flügels der Partei. Als Beispiel für vermeintlich nicht neutrale Schulnamen nannte er die Sekundarschule "Quer-Bunt" in Querfurt.

Aktuelles Schulgesetz schützt Vielfalt – noch

Der Antrag steht in krassem Gegensatz zum geltenden Recht: Die Bildungspläne sowie die bundeslandspezifischen Schulgesetze und Richtlinien zur Sexualaufklärung legen den Rahmen dafür fest, wann, wie und in welchen Fächern sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Schule und Unterricht Eingang finden soll. Das sachsen-anhaltische Schulgesetz verpflichtet Schulen derzeit ausdrücklich, "Kenntnisse, Fähigkeiten und Werthaltungen zu vermitteln, welche die Gleichachtung und Gleichberechtigung der Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Identität fördern, und über Möglichkeiten des Abbaus von Diskriminierungen aufzuklären."

Eine Untersuchung der Antidiskriminierungsstelle ergab, dass etwa 90 Prozent der Bevölkerung der Ansicht sind, es sollte ein Ziel der Schule sein, den Schüler*innen Akzeptanz gegenüber homo- und bisexuellen Personen zu vermitteln. Dennoch: Kinder erfahren immer noch Mobbing und Gewalt auf Schulhöfen, wenn sie LSBTI* sind oder dafür gehalten werden. Wörter wie "schwul" oder "lesbisch" werden als Schimpfwörter missbraucht und bleiben von Lehrkräften oftmals unwidersprochen.

Eine lange Geschichte der Queerfeindlichkeit

Tillschneider gilt als rechtsextremer Vordenker der AfD, der aus seiner Abneigung gegen queere Menschen nie ein Geheimnis gemacht hat. Er rief Schwule und Lesben auf, ihre sexuelle Orientierung zu verstecken, bezeichnete Homosexualität als "Abweichung" und sprach vom "Regenbogen-Trallala". Aids-Kranke seien "der Preis, den wir für ein dekadentes Gesellschaftsmodell zahlen".

2023 erklärte Tillschneider das "Regenbogenimperium" zum "Feind" der "Normalen" und sagte: "Im Widerstand gegen dieses Imperium steht uns Russland am nächsten". Die AfD in Sachsen-Anhalt ist durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. In dieser Woche sorgte der Abgeordnete für Kritik, weil er an einer Geburtstagsveranstaltung für Wladimir Putin in der russischen Botschaft teilgenommen hatte.

AfD vor absoluter Mehrheit? Umfragen zeigen besorgniserregende Entwicklung

Nach einer aktuellen Wahlumfrage würde die AfD in Sachsen-Anhalt 39 Prozent erhalten, die CDU 27 Prozent, Die Linke 13 Prozent, die SPD 7 Prozent und das Bündnis Sahra Wagenknecht 6 Prozent. Die Wahl steht nächstes Jahr an. Mit dem BSW könnten beide russlandtreuen Parteien nah an einer absoluten Mehrheit der Sitze liegen.

Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse hat der Antrag keine Aussicht auf Verabschiedung. Für die Landtagswahl 2026 rechnet sich die AfD dennoch Chancen aus: In aktuellen Umfragen liegt sie mit bis zu 39 Prozent vorn. In Sachsen-Anhalt würde dennoch weiterhin eine Mehrheit der Befragten eine CDU-geführte Landesregierung bevorzugen: Rund 47 Prozent sprachen sich dafür aus – 37 Prozent für eine AfD-geführte Regierung.

Was auf dem Spiel steht: Ein Blick nach Deutschland

Die Forderungen der AfD sind kein Einzelfall. Die AfD-Fraktion hat in letzter Zeit mit mehreren kontroversen Anträgen für Aufsehen gesorgt. Sie versucht immer wieder, Bildungs- und Kulturpolitik mit der deutschen Geschichte und Identitätsfragen zu verbinden. So forderte die AfD unter anderem, die Werbekampagne des Landes mit dem Slogan "#moderndenken" durch das Motto "#deutschdenken" zu ersetzen. Zudem plädierte sie für die Abschaffung der Landeszentrale für politische Bildung.

Schon im März 2025 scheiterte die AfD-Fraktion im Landtag mit einem Antrag, Regenbogenfahnen von Schulen zu verbannen. Alle anderen Fraktionen – CDU, Linke, SPD, FDP und Grüne – lehnten den Vorstoß ab. In dem Antrag hatte die rechte Fraktion behauptet, dass die Fahne ein "politisches Bekenntnis zur LGBTQ-Bewegung" bedeute und für Heranwachsende "in höchstem Maße schädlich" sei.

In Deutschland wächst der politische als auch gesellschaftliche Druck auf queere Menschen. Rechte Parteien hetzen gegen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt und fordern die Streichung queerer Themen aus den Lehrplänen. Umso wichtiger ist es, dass Schulen Räume schaffen, in denen queeren Jugendlichen gezeigt wird: Du bist nicht "falsch". Du bist nicht allein. Du bist richtig, genauso wie du bist. Darum braucht es sichtbare Vorbilder, Räume, die Schutz bieten und Lehrkräfte, die Haltung zeigen.

Solidarität ist jetzt gefragt

Der Antrag der AfD Sachsen-Anhalt macht deutlich: Die Angriffe auf queere Menschen und ihre Rechte werden immer dreister. Was als "Neutralität" getarnt wird, ist in Wahrheit der Versuch, Vielfalt aus den Schulen zu verbannen und eine rückwärtsgewandte Ideologie durchzusetzen. In Zeiten, in denen die AfD in Umfragen bei 39 Prozent liegt, sind Wachsamkeit und aktiver Einsatz für Demokratie und Menschenrechte wichtiger denn je.

Queere Jugendliche brauchen sichere Räume – in der Schule, in der Gesellschaft, überall. Die Debatte am Freitag im Landtag wird zeigen, ob die demokratischen Parteien geschlossen gegen diesen Angriff auf die Würde und Gleichberechtigung aller Menschen eintreten.


Ein Leben für die Gerechtigkeit: Robert Badinter zieht ins Panthéon ein

Am Donnerstagabend wurde dem verstorbenen französischen Justizminister Robert Badinter eine der höchsten Ehrungen zuteil, die Frankreich zu vergeben hat: Seine Aufnahme ins Panthéon fand am 9. Oktober 2025 statt – exakt 44 Jahre nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Abschaffung der Todesstrafe, wie queer.de berichtet. Präsident Emmanuel Macron hielt bei der feierlichen Zeremonie eine Ansprache. Doch der Tag war überschattet von einem Hassakt: Wenige Stunden vor der Zeremonie war Badinters Grab in einer Pariser Vorstadt mit einer Hassbotschaft von Unbekannten geschändet worden.

Grabschändung überschattet Ehrung

Die Staatsanwaltschaft leitete umgehend Ermittlungen ein. Macron schrieb auf X: „Schande über diejenigen, die sein Andenken beschmutzen wollten. Die Republik ist immer stärker als der Hass". Der Vorfall erinnert schmerzlich daran, dass selbst die Erinnerung an Menschen, die ihr Leben der Menschenwürde gewidmet haben, nicht vor Angriffen sicher ist. In Deutschland sind Grabschändungen nach § 168 StGB als Störung der Totenruhe strafbar – ein ähnlicher rechtlicher Schutz besteht auch in Frankreich.

Ein Pionier für queere Rechte

Robert Badinter hat in Frankreich die Abschaffung der Todesstrafe und eines homosexuellenfeindlichen Gesetzes erkämpft. Als Justizminister erreichte er 1982 nicht nur die historische Abschaffung der Todesstrafe, sondern schaffte im selben Jahr auch ein Gesetz aus der Zeit des Vichy-Regimes ab, wonach ein höheres Schutzalter für gleichgeschlechtlichen Sex (21 Jahre bzw. seit 1974 18 Jahre) bestand als für heterosexuellen (15 Jahre). Diese Reform war ein Meilenstein für die queere Community in Frankreich.

Zum Vergleich: Der deutsche Paragraf 175, der ebenfalls gleichgeschlechtlichen Sex teilweise kriminalisierte, wurde erst zwölf Jahre später abgeschafft. Seit dem 11. Juni 1994 gibt es in Deutschland keine strafrechtliche Sondervorschrift zur Homosexualität mehr – der § 175 StGB wurde endgültig abgeschafft. Die Bundesrepublik brauchte damit 45 Jahre länger als Frankreich, um dieses diskriminierende Sonderstrafrecht zu beseitigen – alles andere als ein Ruhmesblatt für die deutsche Justizgeschichte.

Deutschland und die Todesstrafe: Ein schnellerer Abschied

Während Frankreich bei den queeren Rechten voranschritt, war Deutschland bei der Todesstrafe schneller: Im Grundgesetz der neu gegründeten Bundesrepublik hieß es bereits 1949 im Artikel 102: „Die Todesstrafe ist abgeschafft". In Frankreich wurde die Todesstrafe am 9. Oktober 1981 vom damaligen Präsidenten François Mitterrand durch die Unterzeichnung eines entsprechenden Gesetzes abgeschafft – mehr als drei Jahrzehnte später als in der BRD.

Die Entscheidung für die Abschaffung im deutschen Grundgesetz war eine direkte Reaktion auf die Nazi-Barbarei. Die SPD brachte am 6. Februar 1949 den Antrag ein, den Satz „Die Todesstrafe ist abgeschafft" in das Grundgesetz aufzunehmen, um ein erneuertes Rechtsbewusstsein der Deutschen und ihre Abkehr von der NS-„Barbarei" zu beweisen. Deutschland zeigt damit, dass historische Traumata zu progressiven Reformen führen können – eine Lektion, die universell gilt.

Eine bewegte Biografie

Der in Paris geborene Badinter stammte aus einer jüdischen Familie, die aus dem heutigen Moldau eingewandert war. Während des Zweiten Weltkriegs erlebte er als 14-Jähriger in Lyon, wie sein Vater vor seinen Augen festgenommen wurde. Der Vater starb später im NS-Vernichtungslager Sobibor in Polen. Diese traumatische Erfahrung prägte Badinters lebenslangen Einsatz für Menschenrechte und gegen staatliche Willkür.

Badinter studierte unter anderem an der Columbia University in New York, wurde Anwalt und Hochschuldozent in Paris. Immer wieder setzte er sich dafür ein, Angeklagte vor der Todesstrafe zu bewahren – in einer Zeit, als die öffentliche Meinung in Frankreich von deren Angemessenheit mehrheitlich überzeugt war. „Wenn das Urteil fiel und das Leben des Angeklagten gerettet war, habe ich das Gericht häufig durch einen Seitenausgang verlassen", erinnerte Badinter sich mit Blick auf die damaligen Proteste.

Weitere Erfolge eines Lebens für die Gerechtigkeit

Badinters Wirken ging weit über die Reformen von 1982 hinaus. 1983 erreichte er die Auslieferung des ehemaligen Gestapo-Chefs in Lyon, Klaus Barbie, aus Bolivien. Dieser wurde in Frankreich 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach seiner Ministerzeit leitete Badinter mehrere Jahre lang den französischen Verfassungsrat. Zeit seines Lebens setzte er sich weiterhin auf internationalem Niveau für die Abschaffung der Todesstrafe ein.

Ein hochpolitischer Akt

Eine Aufnahme ins Panthéon ist in Frankreich immer eine hochpolitische Angelegenheit. Macron hatte bereits vier historischen Persönlichkeiten diese Ehre zuteil kommen lassen, unter ihnen die Auschwitz-Überlebende Simone Veil, die sich für die Entkriminalisierung von Abtreibungen eingesetzt hatte, sowie – als erste schwarze Frau – die Tänzerin und Bürgerrechtlerin Josephine Baker. Das Panthéon ist die nationale Ruhmeshalle Frankreichs und die Grabstätte berühmter französischer Persönlichkeiten.

Seine Aufnahme symbolisiert die republikanischen Werte, die er verkörperte: Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, Einheit, Demokratie und die Vorherrschaft des Rechts. In den kommenden Monaten wird eine Ausstellung mit dem Titel „Robert Badinter. La justice au cœur" bis zum 8. März 2026 im Panthéon zu sehen sein, die sein außergewöhnliches Leben und Wirken würdigt.

Eine Mahnung für heute

Badinters Vermächtnis ist in Zeiten erstarkender rechtspopulistischer Bewegungen aktueller denn je. Sein unermüdlicher Kampf gegen die Todesstrafe und für die Gleichberechtigung aller Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung – zeigt, dass Fortschritt nie selbstverständlich ist, sondern erkämpft werden muss. Die Grabschändung am Tag seiner größten Ehrung ist eine bittere Erinnerung daran, dass diese Kämpfe nie wirklich vorbei sind.

Robert Badinter starb im Februar 2024 im Alter von 95 Jahren. Er hinterlässt nicht nur seiner Familie – er war mit der Philosophin Elisabeth Badinter verheiratet, mit der er drei Kinder hat – sondern der gesamten Welt ein eindrucksvolles Erbe des Humanismus und der Gerechtigkeit.


EU-Kommission will gegen "Konversions­therapie" vorgehen – doch queere Organisationen fordern mehr

Die Europäische Union verstärkt ihren Kampf gegen sogenannte Konversionstherapien. Die EU-Kommission kündigte am Mittwoch an, die Mitgliedstaaten beim Verbot dieser diskriminierenden Praktiken zu unterstützen, wie sie bei der Vorstellung der neuen "LGBTIQ+ Equality Strategy 2026-2030" in Straßburg bekannt gab (Originalquelle: queer.de). Ein direktes EU-weites Verbot könne die Kommission nicht aussprechen, da dies "in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten eingreifen" würde, erklärte Gleichstellungskommissarin Hadja Lahbib, eine liberale Politikerin aus Belgien.

Was sind Konversionstherapien und warum sind sie so gefährlich?

Sogenannte Konversionstherapien zielen darauf ab, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von Menschen gezielt zu ändern, wobei verschiedene Methoden wie Elektroschocks, die Einnahme von Hormonen oder exorzistische Riten zum Einsatz kommen. Die Praktiken würden häufig als "psychologische Unterstützung" getarnt, warnte Lahbib. Diese Praktiken können schwere physische und mentale Probleme verursachen und untergraben die Würde der Betroffenen – eine von vier LGBTQI+-Personen und fast die Hälfte aller transgender Menschen haben bereits solche Praktiken erlebt.

Die Vereinten Nationen haben ein weltweites Verbot von "Konversionstherapien" gefordert. Auch der Weltärztebund hat diese Praktiken mehrfach als Menschenrechtsverletzung verurteilt und vor den Gefahren für Leib und Leben gewarnt.

Deutschland als Vorreiter – aber nur mit Teilverbot

In Deutschland wurde bereits 2020 ein wichtiger Schritt unternommen: Auf Initiative des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) beschloss der Bundestag das "Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen", bei Verstößen drohen Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr oder hohe Bußgelder. Das Gesetz trat am 24. Juni 2020 in Kraft. Es verbietet Konversionstherapien bei Minderjährigen bis 18 Jahre und beinhaltet ein Werbeverbot.

Allerdings handelt es sich um ein Teilverbot: Deutschland gehört zu den ersten EU-Mitgliedsstaaten, in denen ein Verbot rechtlich verankert wurde, jedoch bezieht sich das Verbot nur auf Minderjährige. Bei Erwachsenen sind Konversionstherapien nur verboten, wenn die Einwilligung auf einem Willensmangel wie Zwang, Drohung oder Täuschung beruht.

Aktuell haben nur acht EU-Mitgliedstaaten Konversionstherapien verboten. Dazu gehören neben Deutschland auch Belgien, Zypern, Frankreich, Griechenland, Malta, Portugal und Spanien.

Die neue EU-Strategie: Fokus auf Online-Hass und Datensammlung

Die neue Strategie für 2026-2030 geht über das Thema Konversionstherapien hinaus. Neben der "Konversionstherapie" geht es auch darum, Hassrede zu bekämpfen – die Kommission will eine Wissensplattform einrichten, um Informationen über illegale Hassrede im Internet zu sammeln, zudem soll ein Aktionsplan gegen Cybermobbing zum Schutz Minderjähriger verabschiedet werden.

"Online ist ein Gift, das nicht online bleibt. Es schürt Gewalt in der realen Welt", betonte Kommissarin Lahbib. Brüssel will eine europaweite Datensammlung zu Konversionstherapien starten, um ein klareres Bild über das Ausmaß solcher Eingriffe zu erhalten, die oft als "psychologische Unterstützung" getarnt würden.

Über eine Million Menschen in ganz Europa haben eine Europäische Bürgerinitiative unterzeichnet, die ein EU-weites Verbot schädlicher Konversionstherapien fordert. Die Kommission muss nun auf diese massive Forderung reagieren.

Kritik von queeren Organisationen: "Nicht ambitioniert genug"

Trotz der Ankündigungen hagelt es Kritik von LGBTIQ+-Organisationen. Die neue Strategie fällt hinter die Ambitionen der ersten EU LGBTIQ Equality Strategy 2020-2025 zurück und erfüllt nicht die Dringlichkeit des Moments, um sicherzustellen, dass die EU die Grundrechte von LGBTI-Menschen wirklich schützt, erklärte ILGA-Europe, die queere Dachorganisation.

Katrin Hugendubel von ILGA-Europe äußerte sich besorgt: "In einer zunehmend feindlich eingestellten politischen Umwelt kommt die Frage auf: Ist diese Strategie robust genug, um die wachsenden Gefahren, die queere Menschen in der EU erfahren, entgegenzutreten? Und warum hat die EU aufgegeben, an vorderster Front LGBTI-Rechte zu verteidigen, wenn es wichtiger ist als je zuvor?"

Eine zweckmäßige Strategie hätte Pläne zur Bewältigung verbleibender legislativer Lücken bei der Freizügigkeit für alle LGBTI-Menschen und ihre Familien sowie konkrete Pläne zum Schutz von trans, intersex und nicht-binären Menschen im EU-Rechtskontext enthalten müssen. Besonders problematisch: Wenn EU-Mitgliedsländer gleichgeschlechtliche Ehen nicht anerkennen, kann es beim Umzug in diese Länder zu massiven Problemen kommen – ein Thema, das die Strategie nicht erwähnt.

Ungarn als mahnendes Beispiel: CSDs verboten

Wie dringend die EU handeln muss, zeigt das Beispiel Ungarn. Das ungarische Parlament beschloss im April 2025 eine Verfassungsänderung, die es ermöglicht, Pride-Paraden künftig zu verbieten, bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 500 Euro. Das Parlament billigte den Gesetzesvorschlag im Eilverfahren mit 137 Ja- und 27 Nein-Stimmen, neben der Fidesz-Partei stimmten auch die rechte Jobbik-Partei und die rechtsextreme Partei Unsere Heimat dafür.

Formell ist die Neuregelung eine Ergänzung des Versammlungsgesetzes, die vorsieht, dass Versammlungen das Kinderschutzgesetz nicht verletzen dürfen – CSDs werden darin nicht explizit genannt, sind jedoch mitgemeint. Kritiker weisen darauf hin, dass die EU ihre Sanktionsmöglichkeiten gegen Länder, die EU-Grundrechte verletzen, konsequenter einsetzen müsse.

Europaabgeordnete fordern mehr Mut

Auch das LGBTIQ+-Intergroup – eine überparteiliche Gruppe von Europaabgeordneten – sieht die Strategie kritisch. Kim van Sparrentak, Co-Vorsitzende der Intergroup, begrüßte zwar die Bewertung von Online-Hass und eine mögliche Gesetzesinitiative zur Harmonisierung der Definition von Online-Hassverbrechen. "Davon abgesehen macht diese Strategie aber zu wenig, um das Leben unserer vulnerabelsten Gruppen zu verbessern, insbesondere die Trans- und Intersex-Community", so die Grünen-Politikerin aus den Niederlanden.

Die Kommission plant, das Budget für zivilgesellschaftliche Organisationen, die im Bereich Gleichstellung arbeiten, zu verdoppeln – auf 3,6 Milliarden Euro im nächsten EU-Langzeitbudget für das CERV-Programm. Ob dies ausreicht, um den wachsenden Bedrohungen für queere Menschen in Europa zu begegnen, bleibt abzuwarten.

Die neue Strategie markiert einen Schritt in die richtige Richtung, doch die Frage bleibt: Reicht das aus in Zeiten, in denen queere Rechte zunehmend unter Beschuss stehen?


Homophobes Mobbing an Rütli-Schule: Wenn das System zweimal versagt

Ein schwuler Lehrer am Campus Rütli in Berlin-Neukölln und sein Ehemann erleben seit Monaten einen Albtraum: Nächtliche anonyme Anrufe, obszöne Beleidigungen im Briefkasten, ein Klima der Angst – mutmaßlich ausgehend von Schülern der Gemeinschaftsschule. Doch statt Schutz und Aufklärung erfahren die Betroffenen vor allem eines: strukturelles Versagen. Ein für Dienstag geplantes Gespräch mit Schulleitung, Schulaufsicht und dem Queerbeauftragten wurde kurzfristig abgesagt – der hauptbetroffene Ehemann erfuhr davon nicht einmal direkt.

Wenn Opfer zu Störfaktoren werden

"Mit mir als Hauptgeschädigtem wird überhaupt nicht mehr gesprochen. Ich werde völlig aus der Kommunikation herausgenommen", kritisiert der Betroffene. Stattdessen sei ein Treffen ohne ihn und ohne den Queerbeauftragten geplant. Die Berliner Bildungsverwaltung unter CDU-Senatorin Katharina Günther-Wünsch begründet dies damit, der Ehemann stehe "in keinem dienstlichen Verhältnis zur Bildungsverwaltung". Eine Begründung, die zynisch wirkt, wenn man bedenkt, dass gerade er Ziel der Attacken wurde.

"Zur schwulenfeindlichen Gewalt der jugendlichen Täter kommt nun noch die strukturelle Gewalt dazu", formuliert der Betroffene treffend. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen Beleidigung und Nachstellung gegen mindestens einen namentlich bekannten Schüler sowie gegen Unbekannt.

Déjà-vu mit System

Der Fall erinnert erschreckend an den schwulen Lehrer Oziel Inácio-Stech von der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit. Auch er wurde monatelang von Schülern beschimpft – als "ekelhaft" und "unrein" bezeichnet, Kinder wollten seine Brötchen nicht mehr annehmen. Muslimische Schüler riefen, er sei "eine Familienschande", werde "in der Hölle landen" und sei "eine Schande für den Islam". Statt Unterstützung erfuhr er Gegenwind: Die Schulleitung warf ihm Fehlverhalten vor und erstattete sogar Anzeige gegen ihn. Inácio-Stech ist krankgeschrieben, leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Die Bildungsverwaltung gibt an, erst durch Presseanfragen von den Mobbingvorwürfen am Campus Rütli erfahren zu haben und räumt ein: "Der Sachverhalt wurde durch Schulleitung und regionale Schulaufsicht bislang noch nicht zufriedenstellend bearbeitet". Ein Eingeständnis, das Fragen aufwirft: Wie kann eine Schulaufsicht derart versagen, dass die oberste Behörde erst aus der Zeitung erfährt?

Deutsche Parallelen: Ein strukturelles Problem

Die Berliner Fälle sind kein Einzelphänomen. Laut der EU-Grundrechteagentur gaben 48 Prozent der befragten LGBTIQ-Personen in Deutschland an, ihre sexuelle Orientierung während ihrer Schulzeit immer verheimlicht zu haben. 66 Prozent berichten, dass während ihrer Schulzeit nie LSBTIQ-Themen angesprochen wurden. 70 Prozent waren Mobbing, Spott oder Bedrohungen ausgesetzt, weil sie LSBTIQ sind.

19 Prozent der befragten LGBTIQ-Menschen in Deutschland wurden in den letzten zwölf Monaten durch Schulpersonal diskriminiert, bei 15 Prozent fand der letzte Diskriminierungsvorfall an der Schule oder Universität statt. Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle zeigt zudem: 64 Prozent der 16- bis 29-jährigen Befragten berichten, dass ihre Lehrkräfte nie Unterrichtsbeispiele verwendeten, in denen auch LSB-Personen vorkommen.

Senatorin unter Druck

Die politische Kritik an Bildungssenatorin Günther-Wünsch verschärft sich. Grüne und Linke bringen den Fall am Donnerstag ins Berliner Abgeordnetenhaus. Sie fordern ein "systematisches Monitoring von queerfeindlicher Diskriminierung an Schulen" und sprechen von einem strukturellen Problem, nicht von Einzelfällen. Die Linke wirft der Senatorin vor, Queerfeindlichkeit zu vertuschen und bezeichnet ihr Verhalten als "eine einzige skandalöse Unverschämtheit und Ausdruck von massiver Ignoranz".

Besonders brisant: Statt Queerfeindlichkeit den Kampf anzusagen, hat die CDU-geführte Bildungsverwaltung in ihrem Haushaltsentwurf die Förderung zahlreicher queerer Bildungs- und Beratungsangebote gestrichen. Zum 1. April sollen rund 116.000 Euro für die trans und inter Beratung der Schwulenberatung und rund 500.000 Euro für die Fachstelle Queere Bildung wegfallen. Ein Signal, das in Zeiten zunehmender Queerfeindlichkeit fatale Wirkung entfaltet.

Vom Vorzeigeprojekt zum Problemfall

Die Rütli-Schule in Neukölln machte bereits 2006 bundesweit negative Schlagzeilen, als Lehrkräfte einen Brandbrief über unhaltbare Zustände schrieben. Nachdem jahrelang viel Geld investiert wurde, galt die Schule später als Vorzeigeprojekt. Der aktuelle Fall zeigt: Das Thema Queerfeindlichkeit wurde offenbar als "abgehakt" betrachtet.

Dabei haben Schulleitungen eine klare Fürsorgepflicht – sie müssen aktiv werden. Tun sie das nicht, verletzt dies ihre Pflicht. Im Fall des Campus Rütli scheint genau das passiert zu sein: Statt Aufklärung und Distanzierung soll die Schulleitung ausweichend reagiert haben. Auch das LKA zeigte sich "enttäuscht" über die fehlende Unterstützung durch die Schulleitung, die Fragen erst spät oder gar nicht beantwortete.

Was jetzt getan werden muss

Die Betroffenen fordern zu Recht mehr als Lippenbekenntnisse. Der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano betont: "Es gibt in Berlin sehr viele Möglichkeiten zur Unterstützung. Dort können Eltern, Lehrkräfte und Schüler lernen, wie sie mit solchen Situationen umgehen – und dass Vielfalt keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung ist".

Doch solche Angebote brauchen Finanzierung und politischen Willen. Eine Anfrage von CORRECTIV ergab: "Aktuelle wissenschaftliche Erhebungen speziell für Berlin, die nach Migrationshintergrund differenzieren, liegen nicht vor. In den zurückliegenden Legislaturperioden wurde dieses Themenfeld nicht aufgearbeitet – entsprechende Untersuchungen wurden nicht in Auftrag gegeben, da sie offenkundig politisch als diskriminierend bewertet wurden". Eine Erkenntnisvermeidung, die gefährlich ist.

Der Campus Rütli zeigt exemplarisch: Wenn Schulaufsicht versagt, Betroffene aus Gesprächen ausgeschlossen werden und queere Bildungsprojekte gekürzt werden, während gleichzeitig die Queerfeindlichkeit zunimmt, dann ist das kein Zufall – es ist politisches Versagen. Die Forderung des betroffenen Lehrer-Ehemanns nach einem Rücktritt der Senatorin mag drastisch klingen. Doch angesichts der sich häufenden Fälle und des mangelnden Schutzes für queere Lehrkräfte und ihre Angehörigen wirkt sie nachvollziehbar.

Berlin nennt sich gerne "Regenbogenhauptstadt". Die Realität an den Schulen erzählt eine andere Geschichte.


Bundestag debattiert Artikel 3: Union zögerlich, AfD schürt Ängste mit absurden Verleumdungen

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag erneut über eine längst überfällige Verfassungsänderung debattiert: die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal "sexuelle Identität". Die Grünen haben einen Gesetzentwurf zur ersten Lesung vorgelegt, der auf einem Beschluss des Bundesrates vom 26. September 2025 basiert. Was folgte, war eine über einstündige Debatte, die einmal mehr offenlegte: Trotz jahrzehntelanger Diskussionen ist Deutschland von einer Verfassungsänderung zum Schutz queerer Menschen noch weit entfernt. Den vollständigen Bericht finden Sie auf queer.de.

Historischer Kontext: Eine Lücke, die seit 1949 besteht

Der Katalog der speziellen Diskriminierungsverbote in Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes blieb 1949 unvollständig. Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität sind dort nicht erwähnt. Das wirkt sich bis heute negativ auf die Lebenssituation von LSBTIQ* aus. Die Grünen-Politikerin Nyke Slawik brachte es in der Debatte auf den Punkt: "Im Artikel 3 klafft eine Lücke, eine historische Wunde, ein bedrohliches Schweigen."

Diese Lücke hat dramatische Folgen gehabt. Bis 1994 waren sexuelle Handlungen zwischen Männern nach Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs in Deutschland strafbar. Erst mit der Abschaffung des Paragrafen 175 im Jahr 1994 wurde das Schutzalter für homosexuelle Männer dem für andere Menschen angeglichen. Zwischen 1945 und 1969 gab es auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ca. 50.000 bis 60.000 Verurteilungen. Die Opfer dieser staatlichen Verfolgung wurden erst 2017 rehabilitiert – mehr als zwei Jahrzehnte nach der Abschaffung des menschenverachtenden Paragrafen.

Parteiübergreifende Initiative – aber die Union blockiert

Bemerkenswert ist, dass der Bundesrat am 26. September 2025 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes beim Bundestag eingebracht hat. Berlins Regierender Bürgermeister und Initiator Kai Wegner (CDU) feierte den Beschluss als "wichtiges Signal für Respekt und Gleichbehandlung". Die Initiative wurde auch von den CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther aus Schleswig-Holstein und Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen mitgetragen.

Doch in der Bundestagsdebatte zeigte sich eine andere Realität: Die Unionsfraktion mauert. CDU- und CSU-Abgeordnete behaupteten mantrenartig, dass eine Änderung "eigentlich nicht notwendig" sei, da das Grundgesetz bereits heute Diskriminierung aufgrund sexueller Identität verbiete. Diese Argumentation ist nicht nur zynisch, sondern historisch widerlegt: Unter eben diesem Grundgesetz wurden homosexuelle Männer bis 1994 strafrechtlich verfolgt.

Der Linken-Politiker Maik Brückner widersprach der Union scharf und verwies auf Ungarn, wo sich "besorgniserregende Bestrebungen zu einer Abkehr vom freiheitlichen und gleichwertigen Verständnis der sexuellen und geschlechtlichen Identität" zeigen. Seine eindringliche Warnung an die Union: "Sie haben die Wahl: Flirt mit der extremen Rechten oder Grundgesetz stärken."

AfD schürt Ängste mit abstrusen Verleumdungen

Die AfD nutzte die Debatte für hetzerische und wissenschaftlich unhaltbare Angriffe. Gleich mehrere Redner der Rechtsaußen-Fraktion versuchten, die Ergänzung des Grundgesetzes mit Pädophilie und Zoophilie in Verbindung zu bringen. Der Abgeordnete Fabian Jacobi behauptete etwa, dass "die Feststellung, dass das sexuelle Interesse an Kindern eine Identität begründet, die dann von der Verfassung geschützt wäre", naheliege.

Diese Behauptung ist nicht nur diffamierend, sondern schlichtweg falsch: Pädosexuelle Handlungen sind und bleiben in Deutschland immer strafbar, da Kinder nicht einwilligungsfähig sind. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2008 klargestellt, dass das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung "seine Grenze findet, wo die sexuelle Selbstbestimmung anderer betroffen ist, insbesondere bei Kindern".

Stephan Brandner sorgte mit einer besonders geschmacklosen Bemerkung für einen Eklat, als er die Grünen-Politikerin Claudia Roth beleidigte. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner griff ein und rügte: "Menschen mit unterschiedlicher sexueller Identität lächerlich zu machen, das gehört sich für dieses Hohe Haus nicht." Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh bezeichnete die AfD in seiner Rede als "wandernden Altherrenwitz".

Warum die Verfassungsänderung notwendig ist

LSBTIQ-Personen werden in der Gesellschaft nach wie vor benachteiligt und angefeindet und sind gewaltsamen Übergriffen aufgrund ihrer sexuellen Identität ausgesetzt. Die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität zeige, dass es im Jahr 2023 fast um die Hälfte mehr Delikte im Bereich "Sexuelle Orientierung" gegeben habe als im Vorjahr. Im Themenfeld "Geschlechtsbezogene Diversität" habe sich die Zahl der Straftaten sogar verdoppelt.

Der LSVD unterstützt seit Jahrzehnten die Forderung nach Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um den Begriff der sexuellen Identität. Die Organisation macht deutlich: Nur ein im Grundgesetz verankertes Verbot schaffe einen stabilen Schutz und entziehe dieses Gleichheitsrecht dem Wechselspiel der verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kräfte. Dies ist besonders wichtig angesichts des Erstarkens rechtsextremer Kräfte in Deutschland und Europa.

Der schwierige Weg zur Zweidrittelmehrheit

Nun wird das Thema in den Ausschüssen besprochen. Die Vorlage wird im Anschluss der Aussprache zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung liegt beim Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Für eine Verabschiedung wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Da die rechtsextreme AfD über fast ein Viertel der Sitze verfügt, müssten also – die Zustimmung von SPD, Grünen und Linken vorausgesetzt – auch die überwiegende Mehrheit der Unionsabgeordneten dafür stimmen.

Das dürfte schwierig werden. Zur Erinnerung: Bei der Abstimmung zur Ehe für alle votierten 2017 drei Viertel der Unionsabgeordneten dafür, am Ehe-Verbot für Schwule und Lesben festzuhalten. Schon 2011 scheiterte ein ähnlicher Vorstoß trotz absoluter Mehrheit an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Die damalige Begründung: eine Verfassungsänderung sei lediglich "Symbolpolitik" – ein Argument, das die Union bis heute wiederholt.

Dabei waren sich bei einer Bundestagsanhörung im Jahr 2020 alle Sachverständigen einig, dass es positiv wäre, sexuelle Identität ins Grundgesetz aufzunehmen. Vielleicht sollten sich einige Unionsabgeordnete diese Einschätzungen noch einmal anhören – bevor sie erneut Geschichte auf der falschen Seite schreiben.

Immerhin gab es einen Hoffnungsschimmer: Der CDU-Politiker David Preisendanz erklärte sich als letzter Redner für eine Reform aus. Für ihn wiege schwer, "dass wir in Artikel 3 bereits heute bestimmte Gruppen explizit aufführen, die Opfer von Diskriminierung sind". Homosexuelle Menschen seien "die einzige Opfergruppe der Nationalsozialisten, die nicht in Artikel 3, Absatz 3 aufgenommen wurden, und auch unter Geltung des Grundgesetzes strafrechtlich verfolgt wurden".

Die Debatte zeigt: Auch 76 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ist die Verfassung noch immer unvollständig. Es wird höchste Zeit, diese historische Lücke zu schließen – nicht als symbolischer Akt, sondern als notwendiger Schutz für Millionen Menschen in Deutschland.


"Das ist nicht fair" – Trans-Kind in Massachusetts Opfer transfeindlichen Angriffs

Ein 11-jähriges trans Kind wurde Anfang September an einer Schule in Marlborough, Massachusetts, Opfer eines mutmaßlichen gewalttätigen Übergriffs durch einen Mitschüler. Der Vater des Kindes berichtet, dass sein Kind jahrelang gemobbt wurde, aber erst kürzlich physisch angegriffen wurde. Der Fall, über den PinkNews berichtet, wirft ein Schlaglicht auf die anhaltende Gewalt gegen trans Kinder an Schulen – ein Problem, das auch in Deutschland alarmierend präsent ist.

Wenn Hass in Gewalt umschlägt

Die Situation eskalierte in der zweiten Schulwoche. Der Vater des betroffenen Kindes beschrieb gegenüber Boston25 News, wie die Familie gehofft hatte, dass ein Schulwechsel einen Neuanfang bedeuten würde. Doch die Hoffnung wurde schnell zerschlagen: "Irgendwie hat dieses Kind mein Kind in der zweiten Schulwoche gefunden, es im Flur abgefangen und angegriffen." Nach dem Angriff soll der Täter geschrien haben, das trans Kind sei "nicht gut darin, ein Junge zu sein" und "sollte niemals einer sein."

Der Vater konnte aufgrund des Alters beider Kinder keine Strafanzeige stellen, da das Gesetz von Massachusetts die strafrechtliche Verantwortlichkeit erst ab 12 Jahren vorsieht. 2018 wurde das Mindestalter für strafrechtliche Verantwortung in Massachusetts von 7 auf 12 Jahre angehoben. Die Frustration des Vaters ist greifbar: "Wütend, einfach nur wütend. Ich bin zur Schule gefahren und habe geschrien, und das zu Recht – es ist nicht fair, dass das passiert."

Zwischen Schutzversprechen und Realität

Die Marlborough Public Schools betonten in einer Stellungnahme, dass sie "sich für ein inklusives Umfeld einsetzen" und "kein Mobbing oder Belästigung aufgrund von Geschlechtsidentität tolerieren". Massachusetts hat 2010 eines der stärksten Anti-Mobbing-Gesetze des Landes implementiert, das strenge Anforderungen an Schulen stellt, um Schüler vor verschiedenen Formen von Mobbing zu schützen.

Doch für das betroffene Kind bleiben diese Strukturen abstrakt. "Mein Kind hat früher die Schule geliebt, und jetzt freut es sich nicht mehr darauf. Es ist jeden Tag ein Kampf, es dazu zu bringen, zur Schule zu gehen. Ein Kampf, es morgens dazu zu bringen, sich für die Schule anzuziehen", beschreibt der Vater die psychischen Folgen.

Deutschland: Ein ähnliches Bild

Die Situation in Massachusetts ist kein Einzelfall – und kein rein amerikanisches Problem. Auch in Deutschland sind trans Kinder und Jugendliche alarmierend häufig von Mobbing und Gewalt betroffen. Knapp die Hälfte der befragten jungen trans Personen in einer Studie des Deutschen Jugendinstituts gab an, an Bildungs- und Arbeitsorten beschimpft, beleidigt oder lächerlich gemacht worden zu sein. Etwa 10 Prozent wurden körperlich angegriffen oder verprügelt.

Studien zeigen, dass LSBTI die Schule als Ort erleben, an dem sie Homophobie, Transfeindlichkeit und Diskriminierung begegnen, wie der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) dokumentiert. Erfahrungen von Mobbing in der Schule und Konflikten in der Herkunftsfamilie sind unter trans Jugendlichen häufig, auch in der Öffentlichkeit kommt es regelmäßig zu transfeindlichen Diskriminierungen.

Besonders erschreckend: In der Schule sind 74 Prozent der trans Frauen, 44 Prozent der trans Männer und 53 Prozent der nicht-binären Personen ungeoutet – aus Angst vor genau solchen Übergriffen, wie sie das Kind in Massachusetts erlebt hat. 75 Prozent der trans Frauen, 63 Prozent der trans Männer und 67 Prozent der nicht-binären Befragten geben an, dass an ihrer Schule nie LSBTIQ-Themen adressiert worden sind.

Die psychischen Folgen

Die Konsequenzen von Mobbing und Gewalt gegen trans Jugendliche sind dramatisch. Von Konzentrationsstörungen über Isolation, Verlust von Vertrauen bis hin zu Depression und selbstverletzendem Verhalten reichen die Folgen. Gemobbte Jugendliche werden häufiger krank, entwickeln Angst vor der Schule und fehlen im Unterricht. Im schlimmsten Fall erleiden über lange Zeit gemobbte Jugendliche psychische Schäden, die sie ihr ganzes Leben begleiten können. Zudem besteht ein erhöhtes Suizidrisiko.

Eine französische Studie ergab, dass 69 Prozent der befragten trans Jugendlichen Suizidgedanken und 34 Prozent einen oder mehrere Suizidversuche hinter sich hatten, die im Zusammenhang mit der eigenen Trans-Identität standen. Würde an Schulen Mobbing besser bekämpft und die Akzeptanz von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten gesteigert, könnte die Selbstmordrate unter queeren Kindern und Jugendlichen erheblich gesenkt werden, mahnen Forscher.

Was muss sich ändern?

Der Fall in Massachusetts zeigt, dass gesetzliche Rahmenbedingungen allein nicht ausreichen. Eine Schule, die ihren Schülern Sicherheit garantieren will und am Lernerfolg aller Kinder und Jugendlichen interessiert ist, muss sich der Herausforderung stellen, Maßnahmen gegen jede Art von Mobbing aufgrund der sexuellen Identität zu ergreifen.

In Deutschland wie in den USA braucht es mehr als Absichtserklärungen. Schimpfwörter dürfen nicht ignoriert werden, fordert die Landesschülervertretung Nordrhein-Westfalen. Lehrkräfte müssen sensibilisiert werden und trans Themen sollten sichtbar im Unterricht vorkommen. Es bietet sich an, transgeschlechtliche Personen in Bildern, Texten und in der Sprache im Unterricht präsent zu machen.

Der Vater des betroffenen Kindes in Massachusetts kündigte an, bei einem weiteren Vorfall Diskriminierungsklage beim Bundesstaat einzureichen. Doch das wahre Maß des Erfolgs wird darin liegen, dass es keinen weiteren Vorfall gibt – weder in Massachusetts noch an irgendeiner anderen Schule, in den USA oder in Deutschland. Jedes Kind hat das Recht, sicher zur Schule zu gehen und sich so zu entfalten, wie es ist.


Hoffnungsschimmer für lesbische Mütter: Justizministerin Hubig verspricht Reformen

In einem Interview mit der „Welt am Sonntag" macht Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) lesbischen Familien in Deutschland neue Hoffnung: "Das Familienrecht ist an vielen Stellen reformbedürftig und nicht unbedingt auf der Höhe der gesellschaftlichen Realität", so die SPD-Politikerin. Damit spricht sie ein Problem an, das tausende Regenbogenfamilien seit Jahren belastet – und das eigentlich schon 2017 mit der Einführung der Ehe für alle hätte gelöst werden müssen.

Die diskriminierende Rechtslage: Adoption statt automatischer Anerkennung

Die aktuelle Situation ist für lesbische Paare frustrierend: Wenn ein Kind in die Beziehung eines Frauenpaars hineingeboren wird, wird nach dem geltenden Abstammungsrecht nur die Geburtsmutter rechtliche Mutter des Kindes. Ihre Partnerin muss das Kind im Wege der Stiefkindadoption adoptieren, um rechtlicher Elternteil zu werden. Dies gilt selbst dann, wenn beide Frauen verheiratet sind und das Kind gemeinsam geplant haben.

Im Gegensatz dazu ist die Rechtslage bei heterosexuellen Paaren deutlich einfacher: Wird ein Kind in eine verschiedengeschlechtliche Ehe hineingeboren, gilt der Ehemann automatisch als rechtlicher Vater – unabhängig von der biologischen Vaterschaft. „Dieser Weg über das gerichtliche Adoptionsverfahren ist sehr mühsam und belastet die Familien", kritisiert Hubig gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Dramatische Folgen der Rechtsunsicherheit

Die Konsequenzen dieser ungleichen Behandlung sind gravierend: Diese Verfahren sind langwierig und kostenintensiv. Noch schwerwiegender ist jedoch die rechtliche Lücke während des Adoptionsprozesses. Hubig betonte gegenüber der dpa auch die Problematik, dass aktuell im Todesfall der leiblichen Mutter nach der Geburt das Kind rechtlich gesehen eine Vollwaise ist, die Partnerin hat dann keinerlei Handhabe.

Besonders bemerkenswert: Inzwischen ein Drittel aller Adoptionen in Deutschland pro Jahr machen dabei jene Stiefkindadoptionen bei lesbischen Paaren aus. Dies zeigt deutlich, wie viele Familien von dieser Diskriminierung betroffen sind.

Die übersehene Lücke von 2017

Das Abstammungsrecht ist – anders als das Adoptionsrecht – nach Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Oktober 2017 nicht geändert worden. Es sieht bisher keine gemeinsame Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare vor. Diese Lücke im Eheöffnungsgesetz war keine bewusste Entscheidung, sondern entstand durch den zeitlichen Druck: Das Gutachten des "Arbeitskreises Abstammungsrecht" beim Bundesjustizministerium für Justiz und Verbraucherschutz ist erst nach der Öffnung der Ehe am 04.07.2017 veröffentlicht worden. Das Ministerium muss jetzt auf der Grundlage dieses Gutachtens einen Gesetzentwurf formulieren.

Gerichte halten Rechtslage für verfassungswidrig

Der Druck auf die Politik wächst: Mehrfach haben in den vergangenen Jahren bereits lesbische Frauen gegen die diskriminierenden Regelungen geklagt und vor Gericht gewonnen, zuletzt betonte ein Gericht in Baden-Württemberg, dass hier von Seiten des Gesetzgebers dringender Handlungsbedarf bestehe – notfalls über das Bundesverfassungsgericht.

Beim Bundesverfassungsgericht liegen seit 2021 fünf Vorlagen unterschiedlicher Gerichte und eine Verfassungsbeschwerde, die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des gegenwärtigen Abstammungsrechts anmelden. Hubig betont: „Ich würde mir wünschen, dass wir für sinnvolle Reformen des Familienrechts nicht erst warten, bis das Bundesverfassungsgericht uns dazu eine Aufforderung schickt", so Hubig weiter.

Pläne existieren – aber die Umsetzung stockt

Das Tragische: Die Lösung liegt bereits in der Schublade. Die Gesetzentwürfe für die familienrechtlichen Reformen (Unterhaltsrechts, Kindschaftsrecht und Abstammungsrecht) werden in dieser Legislaturperiode im Zuge der vorzeitigen Beendigung der Regierungskoalition nicht weiterverfolgt. Der Reformbedarf besteht allerdings weiterhin. Damit die in den Entwürfen enthaltenen Überlegungen für die weitere Diskussion genutzt werden können, wurden die Gesetzentwürfe als Diskussionsentwürfe veröffentlicht.

Die Ampel-Koalition hatte die Reform versprochen: Im Januar 2024 legte das Bundesjustizministerium ein Eckpunktepapier vor, das vorsah, dass wenn ein Kind in eine Partnerschaft von zwei Frauen geboren wird, die Partnerin der Frau, die das Kind geboren hat, künftig ebenfalls ohne Adoptionsverfahren Mutter des Kindes werden können sollte.

Ungewisse Zukunft unter Schwarz-Rot

Die große Frage ist nun: Wird die neue Koalition handeln? Ein Entwurf des Koalitionsvertrags hatte im März 2025 eine entsprechende Reform und die Ermöglichung der Co-Mutterschaft noch vorgesehen. Der letztlich beschlossene Koalitionsvertrag schweigt jedoch zum Abstammungsrecht. Stattdessen heißt es lediglich, man werde sich bei Familienrechtsreformen "vom Wohl des Kindes leiten lassen".

Interessanterweise zeigt sich jedoch auch in der Union Bewegung: Auch Bundeskanzler Friedrich Merz hatte in diesem Jahr inzwischen mehrfach bekundet, eine solche Gesetzesänderung ebenso höchstwahrscheinlich mitzutragen. Dies könnte ein Hoffnungsschimmer sein, denn die Reform des Abstammungsrecht keine politische Gefälligkeit, sondern verfassungsrechtliche Pflicht ist.

Parallelen in Europa: Deutschland hinkt hinterher

Während Deutschland noch diskutiert, sind andere europäische Länder längst weiter. Manche Länder lassen eine gemeinsame rechtliche Elternschaft in einer lesbischen Regenbogenfamilie auch ohne Adoption zu, indem die Ehefrau oder eingetragene Partnerin der (gebärenden) Mutter genau wie ein Ehemann automatisch rechtlicher Elternteil wird. Länder wie die Niederlande, Belgien, Spanien und skandinavische Staaten haben bereits Regelungen geschaffen, die beide Mütter von Geburt an anerkennen.

Was auf dem Spiel steht

Es geht um mehr als Bürokratie. Es geht um die Absicherung von Kindern und ihren Familien. Immer noch hat ein Kind, das in die Ehe von zwei Frauen hineingeboren wird, weiterhin nur einen rechtlichen Elternteil. Damit besteht für diese Familien die belastende Wahl zwischen nur halber Absicherung der Kinder und der zwangsweisen Adoption durch den zweiten Elternteil.

Die Aussagen von Justizministerin Hubig sind ein wichtiges Signal. Ob aus Worten Taten werden, wird sich in den kommenden Monaten zeigen müssen. Für die betroffenen Familien steht viel auf dem Spiel: rechtliche Sicherheit, gesellschaftliche Anerkennung und vor allem das Wohl ihrer Kinder. Der Druck aus der Justiz und der Zivilgesellschaft ist da – jetzt muss die Politik endlich handeln.


Prozess in Tübingen: Gewalt in Flüchtlingsunterkünften – Ein dringender Weckruf

Eine schockierende Tat erschüttert Baden-Württemberg: Weil er einen Mann aus einem Fenster gestoßen und anschließend vergewaltigt haben soll, wird einem 30-Jährigen vor dem Landgericht Tübingen der Prozess gemacht. Der Fall ereignete sich laut queer.de im November 2024 in einer Reutlinger Flüchtlingsunterkunft und wirft ein grelles Licht auf ein Problem, das viel zu lange im Schatten bleibt: die erschreckende Gewalt gegen vulnerable Gruppen in Gemeinschaftsunterkünften.

Die Tat: Brutale Gewalt nach Alkohol- und Drogenkonsum

Der 24 Jahre alte Bewohner einer Reutlinger Flüchtlingsunterkunft habe in seinem Zimmer mit einem ihm bekannten Besucher Alkohol und Marihuana konsumiert. Was dann geschah, übersteigt die Vorstellungskraft: Der Besucher soll ein Fenster geöffnet und den Zimmerbewohner hinausgestoßen haben. Beim Sturz aus dem ersten Stock erlitt der 24-Jährige schwere Verletzungen. Im Anschluss soll der 29-Jährige im Freien seinen Bekannten vergewaltigt haben. Zeugen kamen dem 24-Jährigen anschließend zu Hilfe, worauf der Täter von ihm abließ und flüchtete.

Nur dank einer sofortigen Notoperation überlebte der junge Mann. Der Tatverdächtige wurde gut eine Woche später bei einem Angehörigen in Hamburg festgenommen. Er kam in Untersuchungshaft. Es geht unter anderem um den Vorwurf des versuchten Totschlags. Ab dem 13. Oktober sollen fünf Verhandlungstermine stattfinden.

Ein strukturelles Problem: LGBTIQ*-Geflüchtete in Gefahr

Dieser Fall ist kein Einzelfall. Geflüchtete LSBTI berichten, dass sie in Erstaufnahme-Einrichtungen oder Gemeinschafts-Unterkünften von anderen Geflüchteten oder Mitarbeitenden eingeschüchtert, drangsaliert und bedroht werden. Die von den Bundesländern vorgehaltenen Flüchtlings-Sammelunterkünfte sind für LSBTI-Geflüchtete in der Regel Angsträume. Besonders alarmierend: Für die Geflüchteten ist die Angst vor Verfolgung nach ihrer Ankunft in Deutschland meist nicht vorbei. Vielmehr ist Gewalt gegen geoutete LSBTI in diesen Einrichtungen für sehr viele bittere Erfahrung.

Die Problematik ist in Deutschland gut dokumentiert. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche (LSBTI*) Geflüchtete waren in ihren Herkunftsländern und während der Flucht oft massiver Verfolgung ausgesetzt. In Sammelunterkünften werden sie besonders häufig Opfer LSBTI*-feindlicher Gewalt. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) berichtet, dass seinem Projekt "Queer Refugees Deutschland" nach wie vor viele Fälle von Gewalt in den Unterkünften gemeldet werden.

Schutzkonzepte existieren – werden aber kaum umgesetzt

Das Paradoxe: Es gibt längst Mindeststandards zum Schutz geflüchteter Menschen in Unterkünften. Die vorhandenen Empfehlungen zum Gewaltschutz für geflüchtete LSBTI finden nach wie vor zu wenig Beachtung. Wenn es überhaupt Landes-Gewaltschutz-Konzepte gibt, wurden die Mindest-Standards zum Schutz LSBTI-Geflüchteter kaum übernommen.

Die Flüchtlingsunterkünfte sind teilweise auch heute noch oftmals geprägt von Überbelegung, fehlender Privatsphäre und erheblichen Missständen hinsichtlich Hygiene und Sicherheit. Durchgängig fehlt es in großen Unterkünften an Privatsphäre. Zudem gibt es die Proteste und Angriffe aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Diese Zustände und Erfahrungen von Flüchtlingen führen allgemein zu einem frustrations- und aggressionsfördernden Umfeld.

Queerfeindliche Gewalt nimmt in Deutschland zu

Der Tübinger Fall muss im Kontext einer besorgniserregenden Entwicklung gesehen werden: Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 1.500 Delikte gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst. Damit stieg ihre Zahl das sechste Jahr in Folge und auf einen deutlichen Höchststand. Bei den Gewalttaten gab es 212 Opfer, im Jahr 2022 waren es noch 197.

Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Trotz des Anstiegs der gemeldeten Fälle legen Erhebungen nahe, dass die Dunkelziffer weiterhin hoch ist. Besonders dramatisch: Lediglich 15 % der schwulen Befragten haben den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei angezeigt.

Was jetzt passieren muss

Der Fall in Tübingen ist ein dringender Weckruf. Behörden und Träger müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit Flüchtlinge keine Gewalt erfahren, weder außer- noch innerhalb der Unterkünfte. Die Behörden müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit Geflüchtete keine Gewalt erfahren. Menschenwürdige Unterkünfte mit einem ausreichenden Betreuungsschlüssel würden zudem alle Flüchtlingen zu gute kommen und zu einem weniger angespannten Umfeld führen.

Es braucht mehr als Lippenbekenntnisse: sichere Unterbringung für vulnerable Gruppen, sensibilisiertes Personal, konsequente Umsetzung bestehender Schutzkonzepte – und die klare Botschaft, dass queerfeindliche Gewalt in Deutschland keinen Platz hat. Der Prozess in Tübingen wird zeigen, ob unser Rechtssystem dieser Verantwortung gerecht wird.

Ein Urteil könnte Ende Oktober fallen.


Bizarre Notlandung in den USA: Passagier behauptet, LGBTQ+-Menschen geben ihm Krebs

Ein bizarrer Vorfall auf einem Inlandsflug in den USA hat am 3. Oktober 2025 für Schlagzeilen gesorgt und zeigt einmal mehr, wie queerfeindliche Verschwörungstheorien zu gefährlichen Situationen führen können. Ein Flugzeug der Sun Country Airlines musste auf dem Weg von Minneapolis nach Newark in Chicago notlanden, nachdem ein Passagier lautstark behauptete, LGBTQ+-Menschen würden ihm Krebs geben. Der Mann trug dabei mindestens 15 Gesichtsmasken übereinander – ein Detail, das die Absurdität der Situation unterstreicht.

Von Candy Crush zu Verschwörungstheorien

Was zunächst wie ein normaler Flug begann, entwickelte sich schnell zu einem Alptraum für Passagiere und Crew. Der Passagier spielte zwischen seinen Ausbrüchen Candy Crush auf seinem Handy, sprang aber immer wieder von seinem Sitz auf. Mitreisender Seth Evans, der direkt gegenüber saß, berichtete gegenüber der Minnesota Star Tribune, wie der Mann schrie, er würde von der LGBTQ+-Community „gang chased", „cooked" und „radiated" – und dass dies bei ihm Krebs verursache.

Besonders beunruhigend: Der Passagier erklärte mehrfach „Trump is here" und verkündete schließlich „The plane is going down!" – ein Satz, der die Piloten dazu veranlasste, einen Notfall auszurufen und nach Chicago umzuleiten.

Notlandung und polizeiliche Intervention

Nach der Landung am O'Hare International Airport wurde der Mann in Handschellen von der Polizei aus dem Flugzeug eskortiert. Passagiere mussten sitzen bleiben, während US Marshals und lokale Polizeikräfte Interviews führten, um den Vorfall zu klären. Die Fluggesellschaft bestätigte, dass „der Flug ohne Zwischenfälle gelandet sei und der betreffende Passagier den Strafverfolgungsbehörden übergeben wurde".

Queerfeindlichkeit im deutschen Kontext

Auch wenn dieser extreme Fall sich in den USA ereignete, ist Queerfeindlichkeit auch in Deutschland ein ernstzunehmendes Problem. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 1.785 Straftaten gegen LGBTQ+-Personen erfasst, darunter Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht, wie das Bundesinnenministerium und das BKA berichten.

Besonders alarmierend: Trotz des Anstiegs der gemeldeten Fälle legen Erhebungen nahe, dass die Dunkelziffer weiterhin hoch ist. Viele Betroffene zeigen Vorfälle nicht an, aus Angst vor weiterer Diskriminierung oder aus Resignation.

Störende Passagiere: Ein zunehmendes Problem

Vorfälle mit störenden Passagieren sind in der Luftfahrt kein neues Phänomen. In Deutschland regeln klare Vorschriften die Rechte und Pflichten bei Notlandungen. Wenn eine Notlandung aufgrund eines aggressiven Passagiers erforderlich ist, der sich vor dem Abflug nicht auffällig verhalten hat, stellt dies einen außergewöhnlichen Umstand dar.

Dieser Fall reiht sich ein in eine besorgniserregende Serie queerfeindlicher Vorfälle im öffentlichen Raum. Auch in deutschen Schulen mehren sich die Berichte: Seit März 2024 wurden 24 Vorfälle mit Bezug zur geschlechtlichen oder sexuellen Identität registriert, elf Fälle waren explizit queerfeindlich, wie das baden-württembergische Kultusministerium mitteilte.

Was wir daraus lernen können

Dieser bizarre Vorfall zeigt mehrere wichtige Aspekte auf: Erstens verdeutlicht er, wie gefährlich Verschwörungstheorien und queerfeindliche Ideologien werden können, wenn sie mit psychischen Problemen zusammentreffen. Zweitens unterstreicht er die Notwendigkeit, dass Flugpersonal auf solche Situationen vorbereitet sein muss. Und drittens macht er deutlich, dass LGBTQ+-Feindlichkeit nicht nur ein abstraktes Problem ist, sondern reale Auswirkungen auf die Sicherheit aller hat.

Die Geschichte nahm glücklicherweise ein glimpfliches Ende: Nach der Verzögerung konnte der Flug seine Reise nach Newark fortsetzen, und niemand wurde verletzt. Doch sie sollte uns alle daran erinnern, dass der Kampf gegen Queerfeindlichkeit und Verschwörungstheorien noch lange nicht gewonnen ist – weder in den USA noch in Deutschland.

Quelle: PinkNews


AfD blockiert queeren Verein in Merseburg – wenn Demokratiefeinde über Demokratie entscheiden

In einer Stadt in Sachsen-Anhalt ist der demokratische Auftrag des Bundesprogramms "Demokratie leben!" zur Farce geworden: Die AfD konnte in Merseburg im Ausschuss für Bildung, Soziales, Kultur und Tourismus des Stadtrats erstmals eine Aufnahme in das Bündnis verhindern, wie queer.de berichtet. Zwei Aktivist*innen des queeren Vereins BBZ Lebensart wurden von der rechtsextremen Partei blockiert – mit einer Begründung, die fassungslos macht.

Queere Menschen als "kranke Ideologie" diffamiert

Die stellvertretende AfD-Fraktionschefin Manuela Krause begründete die Ablehnung damit, dass die Inhalte des Vereins "kranke Ideologien" seien. Ihre zynische Aussage: "Aber ich bin der Meinung, solche Leute gehören nicht in derartige Gremien". Dass eine Politikerin, die in ihrem Instagram-Profilbild mit einer russischen Nationalfahne abgebildet ist, über demokratische Werte urteilt, entbehrt nicht einer bitteren Ironie.

Das BBZ "lebensart" e.V. ist ein 1990 gegründeter, gemeinnütziger Verein, der sich für die Anerkennung und Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt einsetzt. Der Verein bietet Beratung für nicht-heterosexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen, Bildungsarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie öffentliche Veranstaltungen an. Genau diese professionelle Arbeit gegen Diskriminierung wird nun von der AfD als "krank" bezeichnet.

Wie "Partnerschaften für Demokratie" funktionieren sollen

Über die Partnerschaften für Demokratie sollen zivilgesellschaftlich und demokratisch aktive Menschen und Organisationen, die sich in ihrem kommunalen Umfeld für die Demokratie engagieren, gestärkt und vernetzt werden. Im partnerschaftlichen Zusammenwirken, insbesondere von kommunaler Verwaltung und Zivilgesellschaft, wird eine lebendige und vielfältige Demokratie vor Ort sowie eine Kultur der Kooperation, des respektvollen Miteinanders, der gegenseitigen Anerkennung und Unterstützung gestärkt.

Das Bundesprogramm "Demokratie leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend existiert seit 2015 und trägt zur Stärkung der Demokratie und zu einem friedlichen, respektvollen Umgang bei, fördert Teilhabe und ermöglicht die Arbeit gegen jede Form von Demokratiefeindlichkeit. Die Stärkung der Demokratie und die nachhaltige Bekämpfung von Extremismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Sexismus, LSBTIQ*-Feindlichkeit und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes.

Wenn Demokratiefeinde über Demokratie entscheiden

Das Fatale an der Situation in Merseburg: Im Sozialausschuss stimmten die vier AfD-Abgeordneten gegen die Aufnahme. Vier weitere stimmten dafür, drei enthielten sich. Somit fehlte die Mehrheit. Josephin Heinz von der Koordinierungs- und Fachstelle der "Partnerschaften für Demokratie" kritisierte: "Es kann nicht sein, dass auf ein zivilgesellschaftliches Bündnis politisch Einfluss genommen wird".

Die Ironie könnte kaum größer sein: Das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt stufte den AfD-Landesverband im Januar 2021 als rechtsextremen Verdachtsfall ein, im November 2023 schließlich als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung". Eine vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Partei blockiert also die Aufnahme eines Vereins in ein Demokratie-Programm mit der Begründung, dieser vertrete "kranke Ideologien".

Merseburg – eine rechtsextreme Hochburg

Die Blockade kommt nicht von ungefähr. Merseburg gilt als rechtsextreme Hochburg: Bei der letzten Bundestagswahl erhielt die AfD rund 40 Prozent der Stimmen. Der Wahlkreis wird von Sven Czekalla vertreten, der das Direktmandat bei der Landtagswahl am 6. Juni 2021 mit 41,2 % der Erststimmen erstmals gewann.

Die rechtsextreme Stimmung in der 34.000-Einwohner*innen-Stadt zeigt sich auch an anderen Vorfällen: Beim CSD in Merseburg im Juni zeigte ein Mann den Hitlergruß, wie queer.de bereits berichtete. 2018 war Merseburg bundesweit bekannt geworden, weil die Direktorin des Kulturhistorischen Museums Schloss Merseburg ein schwules Kunstwerk als "abartig" bezeichnet hatte.

Ein bundesweites Muster der AfD-Queerfeindlichkeit

Was in Merseburg geschieht, ist Teil einer systematischen Strategie. Trotz ihrer offen lesbischen Kanzlerkandidatin ist die AfD die lauteste Stimme im Bundestag gegen LGBTIQ*-Rechte. Die Partei lehnte 2017 die Legalisierung der Ehe für alle ab, forderte 2019 erfolglos deren Rücknahme und versuchte 2022 ohne Erfolg, ein Gesetz zur vereinfachten Änderung des Geschlechtseintrags für trans Personen zu blockieren.

Für die Zukunft will die AfD das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen und fordert ein Ende der „Indoktrination" von Kindern durch „Trans-Kult", „frühe Sexualisierung" und „Gender-Ideologie" sowie die Streichung aller öffentlichen Gelder für diese Bereiche. Die AfD-Fraktion will auch das Amt des Queer-Beauftragten der Bundesregierung wieder abschaffen.

Was bedeutet das für Deutschland?

Der Fall Merseburg ist ein Menetekel für die gesamte Bundesrepublik. Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent warnt vor einem weiteren Erstarken der AfD bei den Landtagswahlen. In aktuellen Umfragen ist die AfD in Sachsen-Anhalt stärkste politische Kraft. Nach einer aktuellen Wahlumfrage würden die AfD 39%, die CDU 27%, Die Linke 13% und die SPD 7% erhalten.

Wenn eine als rechtsextremistisch eingestufte Partei demokratische Institutionen und Förderprogramme von innen heraus blockieren kann, ist die Demokratie in Gefahr. Diese Projekte geraten nun vermehrt ins Fadenkreuz der AfD. Was in Merseburg begann, könnte sich bundesweit wiederholen – überall dort, wo die AfD an kommunaler Macht gewinnt.

Das BBZ Lebensart leistet seit über drei Jahrzehnten wichtige Arbeit für queere Menschen in Sachsen-Anhalt. Diese Arbeit als "kranke Ideologie" zu diffamieren und aktiv zu blockieren, zeigt das wahre Gesicht der AfD – unabhängig davon, wer an ihrer Spitze steht. Demokratie, Vielfalt und Menschenwürde sind keine Verhandlungsmasse. Sie sind das Fundament unserer Gesellschaft.


LGBTQ+ Radiosender in Belfast: Ofcom-Urteil sorgt für Kopfschütteln in der queeren Community

Die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom hat den LGBTQ+ Radiosender Juice aus Belfast wegen angeblich unzureichender queerer Inhalte gerügt – eine Entscheidung, die bei Betroffenen und Beobachter*innen für Fassungslosigkeit sorgt. Die Regulierungsbehörde befand, dass der Sender nicht genug Programme ausstrahle, die der queeren Community gewidmet sind, obwohl Juice Radio explizit gegründet wurde, um „eine Community für Menschen jeden Alters zu schaffen, die sich als LGBT identifizieren, um ihre Bestrebungen, Anliegen, Erfolge und Themen zu präsentieren und zu diskutieren".

Eine widersprüchliche Regulierungsgeschichte

Die Geschichte von Juice Radio und Ofcom liest sich wie ein bürokratisches Drama voller Wendungen. 2022 hatte Ofcom zunächst geurteilt, dass Juice „nicht seine Verpflichtung erfülle, LGBT-Hymnen als Teil seines Musikprogramms zu senden", und den Sender stattdessen als reinen Dance-Music-Service eingestuft. Nach weiterer Beobachtung ruderte die Behörde zurück und entschied, dass Juice Radio „nicht mehr als Dance-Music-Service erscheine".

Nun, drei Jahre später, kommt Ofcom nach einer erneuten Beschwerde zu einem Urteil, das den Sender erneut in die Kritik nimmt. Die Aufsichtsbehörde erklärte, dass Juice Radio „einen allgemeinen Service ausstrahle, der nur eine sehr begrenzte Menge an speziellen Programmen für die LGBT+ Community biete, anstatt ein Service speziell für diese Community zu sein".

Was Juice Radio tatsächlich leistet

Die Vorwürfe stehen in deutlichem Kontrast zu dem, was der Sender nach eigenen Angaben bietet. Juice Radio sendete eine Show namens AMDMs (A Morning Dedicated to Matters), die als „dedizierter Raum zur Erkundung von LGBT+ Themen" konzipiert ist. Darüber hinaus strahlte der Sender ein Feature namens „Listen with Pride" aus, das über 160 Mal pro Woche Unterstützungsorganisationen hervorhob. Der Sender übertrug zudem live von Community-Events wie dem Belfast Pride und rekrutierte Community-Mitglieder als Freiwillige.

Doch Ofcom blieb unbeirrt. Die Behörde urteilte, dass die Mehrheit von Juice' Programm einem „Mainstream"-Radiosender gleiche, wobei „die gesprochenen Inhalte hauptsächlich aus Moderator*innen bestanden, die die Musik ankündigten, die innerhalb der Stunde gesendet wurde".

„Flip-Flopping" und Frustration

Shane Pearce, Gründer und Geschäftsführer von Juice Radio, bezeichnete die Entscheidung als „wirklich verblüffend" und warf Ofcom vor, bei seinen Erwartungen hin und her zu schwanken. „Vor drei Jahren forderte uns Ofcom mit der Kohärenz eines schlecht eingestellten Radiosignals heraus", sagte Pearce. „Wir verteidigten unsere Mission, die in Community, Vielfalt und authentischer Musik verwurzelt ist, und Ofcom räumte ein, dass wir ihre Anforderungen erfüllten".

„Ofcom hat seine Meinung geändert und behauptet, dass unsere immer noch konforme Musikpolitik und unser Servicecharakter nicht mehr ausreichen", so Pearce weiter.

Ein Blick nach Deutschland: Queere Radios im Überlebenskampf

Die Situation von Juice Radio erinnert an die Herausforderungen, mit denen queere Radiosender auch in Deutschland konfrontiert sind. lulu.fm war ein privater bundesweiter Hörfunksender, der sich an die LSBTIQ-Community wendete und das einzige Radioprogramm für diese Zielgruppe mit bundesweiter Rundfunklizenz und terrestrischer Verbreitung über Antenne war. Doch nach fast acht Jahren on Air stellte lulu.fm den Sendebetrieb in Deutschland zum 30. Juni 2024 ein. Gründer Frank Weiler erklärte, dass „das Herzblut-Projekt lulu.fm wirtschaftlich nicht mehr haltbar" sei.

Während in Deutschland die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit queerer Radios die größte Hürde darstellt, kämpfen Sender wie Juice in Nordirland mit der Frage, wie sie ihre queere Identität gegenüber Regulierungsbehörden „beweisen" können. In Deutschland sichern die 14 Landesmedienanstalten als Aufsichtsbehörden die Vielfalt an Meinungen, Angeboten und Anbietern in privatem Rundfunk und Telemedien, wobei die gesellschaftliche Vielfalt sich in den Gremien aller öffentlich-rechtlichen Medien und den entsprechenden Gremien der Landesmedienanstalten abbilden sollte – ein Ziel, das erst in den letzten Jahren zunehmend erreicht wird.

Doppelte Standards bei der Regulierung

Besonders bitter ist für viele die Diskrepanz in der Behandlung durch Ofcom. In einem separaten Fall verhängte Ofcom keine Sanktionen gegen GB News, nachdem der Sender wegen beleidigender Sprache gegen die Community gegen seinen Kodex verstoßen hatte – ein rechtsgerichteter Fernsehsender hatte über 71.000 Beschwerden erhalten, als Moderator Josh Howie sagte, die LGBTQ+ Community schließe „Paedos" ein.

Nach mehr als sechs Monaten Untersuchung kam Ofcom zu dem Schluss, dass GB News zwar gegen den Rundfunkkodex verstoßen habe, aber keine weiteren Maßnahmen ergriffen würden, nachdem Howie sich entschuldigte. Howie verwendete jedoch „LGB" anstelle von „LGBTQ+" wie in den ursprünglichen Kommentaren, wodurch trans Menschen scheinbar von der Entschuldigung ausgeschlossen wurden.

Die Bedeutung queerer Medienräume

Die Situation von Juice Radio wirft grundlegende Fragen über die Anerkennung und Unterstützung queerer Medienräume auf. Während Mainstream-Sender selten hinterfragt werden, müssen LGBTQ+ Radios offenbar kontinuierlich ihre Existenzberechtigung beweisen – und das nach Kriterien, die sich scheinbar willkürlich ändern können.

Für queere Communities sind solche Sender jedoch weit mehr als reine Musikprogramme. Sie bieten Sichtbarkeit, schaffen sichere Räume und vermitteln Informationen, die in Mainstream-Medien oft fehlen. Die Geschichte von Juice Radio zeigt, wie schwierig es für diese wichtigen Community-Projekte ist, zwischen den Anforderungen von Regulierungsbehörden, wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und authentischem Community-Service zu navigieren – ein Balanceakt, der in ganz Europa queere Medien herausfordert.


Queerfeindlichkeit an Berliner Schulen: Staatsanwaltschaft ermittelt am Campus Rütli

Erneut sorgt ein Fall von Queerfeindlichkeit an einer Berliner Schule für Schlagzeilen: Nach monatelangen Beleidigungen gegen den Ehemann eines schwulen Lehrers in Berlin-Neukölln ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Beleidigung und Nachstellung. Der Vorfall ereignete sich am Campus Rütli – einer Schule, die bereits 2006 bundesweit zum Symbol für das Versagen des Schulsystems wurde und nach jahrelanger Förderung als Vorzeigeprojekt galt. Nun steht sie erneut im Fokus negativer Berichterstattung. Der ursprüngliche Bericht wurde von queer.de, Tagesspiegel und Correctiv veröffentlicht.

Der aktuelle Fall: Systematische Belästigung und Bedrohung

Der Ehemann eines Lehrers an der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli erhielt zunächst anonyme, häufig nächtliche Anrufe auf sein Handy. Später fand sich ein Schreiben mit anzüglichen Beleidigungen im Briefkasten des Paares. Die Belästigungen führten dazu, dass das Paar die Polizei verständigte. "Ich habe Angst, dass sich das Ganze wiederholt", sagte der Betroffene dem Tagesspiegel.

Das erste Verfahren gegen einen Schüler des Campus Rütli ist mittlerweile abgeschlossen. Im zweiten Verfahren dauern die Ermittlungen an, wobei versucht wird, weitere Tatverdächtige zu ermitteln – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aus der Schülerschaft, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Untätigkeit der Schulleitung sorgt für Kritik

Besonders kritisch ist das Verhalten der Schulleitung: Anstatt Schüler- und Elternschaft über den Fall aufzuklären, sich entschieden von queerfeindlichem Verhalten zu distanzieren und bei der Suche nach den verantwortlichen Schülern zu helfen, soll die Schulleitung dem Lehrer und seinem Ehemann gegenüber ausweichend reagiert haben. Das Ehepaar erstattete daraufhin im Oktober vergangenen Jahres Anzeige beim Berliner Landeskriminalamt, wo der Staatsschutz in der Abteilung zur Bekämpfung von Hasskriminalität ermittelte.

Aus einem Mailverkehr mit der Ermittlungsbehörde geht hervor, dass diese „enttäuscht" über die fehlende Unterstützung der Schulleitung war. Die Schulleitung habe Fragen des LKA erst spät oder gar nicht beantwortet.

Parallelen zum Fall Oziel Inácio-Stech

Der aktuelle Fall erinnert an den des schwulen Lehrers Oziel Inácio-Stech an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit. Er wurde monatelang von Schülern beschimpft mit Aussagen wie „Schwul ist ekelhaft", als „unrein" bezeichnet, körperlich bedroht. Muslimische Schüler hätten gerufen, er sei „eine Familienschande", er werde „in der Hölle landen", er sei „eine Schande für den Islam".

Es stehen schwere Vorwürfe gegen die Schulleitung im Raum, die den Lehrer nicht geschützt haben soll. Im Gegenteil habe sie nach Vorwürfen von Eltern und einer Kollegin ihm Fehlverhalten gegenüber Schülern vorgeworfen und Anzeige gegen ihn erstattet. Das Verfahren wurde später eingestellt. Inácio-Stech ist vom Arzt krankgeschrieben worden. Er leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung und warte auf einen Platz in der Reha.

„Queerfeindliche Haltungen zeigen sich vehementer"

Diese Fälle sind keine Einzelfälle. Rebecca Knecht, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Queere Bildung, sagte: „Queerfeindliche Haltungen zeigen sich auch im Kontext Schule mittlerweile vehementer als noch vor einigen Jahren". Eine Studie „Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen" von 2012 kam zu dem Ergebnis, dass 62 Prozent der Berliner Schüler der sechsten Klasse „schwul" oder „Schwuchtel" sowie 40 Prozent „Lesbe" als Schimpfwort verwenden.

Laut einer großen EU-Grundrechteagentur-Umfrage wurden 19 Prozent der befragten LGBTI-Menschen aus Deutschland in den letzten 12 Monaten durch Personal einer Schule oder Universität diskriminiert. 28 Prozent haben während ihrer Schulzeit oft negative Kommentare abgekommen oder negatives Verhalten ihnen gegenüber erfahren.

Kritik an Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) gerät wegen ihres Umgangs mit den Queerfeindlichkeitsfällen massiv in die Kritik. Linke-Politiker warfen ihr vor, Queerfeindlichkeit in Schulen nicht ernst zu nehmen und vertuscht zu haben. Eine Bildungssenatorin, die von Queerfeindlichkeit in Schulen nichts wissen will, sie vertuscht und queeren Berliner Schülern und Lehrkräften nicht nach Kräften hilft, sei für dieses Amt ungeeignet.

In einer Senatsantwort wurde bestätigt, dass dem schwulen Pädagogen nach mehreren Vorfällen am 11. März 2023 von der Schulleitung und der Schulaufsicht kein einziges Unterstützungsangebot unterbreitet worden sei. Die Frage, ob der Senat diese Nichtreaktion auf queerfeindliche Gewalt für adäquat halte, wurde nicht beantwortet.

Die schwierige Debatte um Ursachen

Die Vorfälle werfen schwierige Fragen auf. Im Raum steht bei der Debatte stets die mehr oder weniger ausgesprochene Vermutung, arabischstämmige oder muslimisch geprägte Jugendliche seien per se queerfeindlicher als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Aber stimmt das überhaupt – oder sind nicht andere Faktoren wie der Bildungsgrad oder die Religion wichtiger?

Die Berliner Senatsverwaltung gab zu: „Aktuelle wissenschaftliche Erhebungen speziell für Berlin, die nach Migrationshintergrund differenzieren, liegen nicht vor. In den zurückliegenden Legislaturperioden wurde dieses Themenfeld nicht aufgearbeitet – entsprechende Untersuchungen wurden nicht in Auftrag gegeben". Die Debatte ist nicht auf Schulen allein begrenzt, und Queerfeindlichkeit ist in vielen gesellschaftlichen Milieus ein Problem. Gerade, wenn sie aus migrantischen Milieus stammt, tun sich aber offenbar viele schwer damit.

Berlins Strategie gegen Queerfeindlichkeit

Als Reaktion auf die zunehmenden Vorfälle hat Berlin eine „Landesstrategie für queere Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit" entwickelt. Ein Runder Tisch hat 40 Maßnahmen beschlossen. Laut Sozialverwaltung hatten mehr als 400 Menschen aus der Community sowie aus Behörden und Verwaltungen 17 Monate lang diskutiert.

In Kinderschutz- und Gewaltschutzkonzepten an Schulen soll Queerfeindlichkeit verankert werden. Werden Schulen neu gebaut oder saniert, sollen verpflichtend geschlechtsunspezifische Toiletten und Umkleiden eingerichtet werden. Doch gleichzeitig kürzt der Senat die Mittel für queere Bildungsprojekte – eine Kritikerin nannte dies „gerade mit Blick auf die Vorgänge an der Carl-Bolle-Grundschule ein politisches Armutszeugnis".

Was Schulen jetzt tun müssen

Fachkräfte brauchen vor allem konkretes Handlungswissen: Sie engagieren sich mehr für LSBTI, wenn sie wissen, wie sie konkret gegen Diskriminierung vorgehen können, wo sie geeignete Materialien finden, die Vielfalt berücksichtigen, und dass sie mit ihrem Verhalten die Situation von LGBTI-Schülern tatsächlich verbessern können, so eine aktuelle Studie.

LGBTI-Jugendliche wünschen sich von den Fachkräften vor allem, dass diese ihre Schüler über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt informieren, beispielsweise indem sie durch Workshops persönlichen Kontakt zu LGBTI ermöglichen. Ebenfalls forderten sie, dass Fachkräfte Diskriminierung ernsthaft thematisieren, etwa indem sie darauf hinweisen, welche negativen Auswirkungen die Verwendung von „schwul", „Lesbe" oder „Transe" als Schimpfwörter haben.

Die aktuellen Fälle zeigen: Berlin hat ein massives Problem mit Queerfeindlichkeit an Schulen – und noch mehr mit dem Umgang damit. Solange Schulleitungen und Behörden wegschauen, werden queere Lehrkräfte und Schüler weiterhin allein gelassen. Die Stadt muss endlich handeln – mit konkreten Maßnahmen, ausreichender Finanzierung und vor allem: mit dem Willen, hinzuschauen statt zu vertuschen.


"Kiss me, Hardy" – Wenn Museen queere Geschichte neu interpretieren

Die Walker Art Gallery in Liverpool hat eine Debatte ausgelöst, die weit über die Kunstwelt hinausgeht: Die renommierte britische Galerie beschreibt den Seehelden Lord Horatio Nelson als queer. Anlass dafür sind zwei Gemälde in der Galerie, die Nelsons letzte Momente an Bord der HMS Victory zeigen. Die Entscheidung, diese Werke in die LGBTQ+-Sammlung aufzunehmen, wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie gehen wir mit der queeren Geschichte um – und welche Parallelen gibt es zu Deutschland?

Die berühmten letzten Worte

Nelson, der als einer der größten Marinekommandanten der Geschichte gilt, wurde 1805 in der Schlacht von Trafalgar tödlich getroffen. Seine letzten Worte an Kapitän Thomas Hardy sollen "Kiss me, Hardy" gewesen sein, worüber Historiker seit jeher über die genaue Natur der Beziehung zwischen Hardy und Nelson spekuliert haben. Mindestens drei Augenzeugenberichte bestätigen, dass Nelson Hardy um einen Kuss bat, und Hardy küsste ihn auf die Wange.

Die Galerie selbst bleibt vorsichtig in ihrer Interpretation: "Unabhängig von der Wahrheit ist Nelsons berühmte Bitte für viele symbolisch für die manchmal verborgene queere Geschichte des Lebens auf See". Ob ihre Beziehung sexuell war, bleibt unbekannt, aber ihre Freundschaft spiegelt die engen Beziehungen wider, die zwischen Männern auf See entstanden.

Queere Geschichte der Seefahrt – auch in Deutschland

Die Neuinterpretation von Nelsons Geschichte erinnert an ein lange tabuisiertes Kapitel der Seefahrtsgeschichte. Der Autor Klaus Hympendahl deckte in seinem Werk "Sünde auf See" auf, dass homosexuelle Beziehungen unter Piraten und Seeleuten keine Seltenheit waren. Männer, die monate- oder jahrelang dem Unwetter, der Gefahr und der Einsamkeit trotzen mussten, suchten nach menschlicher Verbindung als eine Form des emotionalen Überlebens.

Auch in der deutschen Marinegeschichte gibt es Parallelen. 1816 wurden in London vier Mitglieder der Mannschaft der "Africaine" gehängt – ihre Hinrichtung war Teil einer Kampagne, "Buggerie" in der englischen Marine zu bestrafen. Die deutsche Marine blieb von solchen Themen in der offiziellen Geschichtsschreibung lange Zeit unberührt, obwohl homosexuelle Soldaten heute in der Bundeswehr rechtlich gleichgestellt sind und das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz Benachteiligungen aus Gründen der sexuellen Identität verhindern soll.

Queere Perspektiven auf deutsche Geschichte

Die Diskussion um Nelson zeigt, wie wichtig es ist, historische Figuren aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Queere Geschichte ist widersprüchlich und verweigert sich linearen Fortschrittsnarrativen – sie zeigt auch, dass queere Emanzipation zur allgemeinen Demokratisierung beitrug.

In Deutschland gibt es eine lange, oft verdrängte queere Geschichte. Rund 50.000 schwule Männer wurden während der NS-Zeit verurteilt, und viele weitere queere Personen mussten unter dem Regime und auch noch später unter LGBTQIA+-feindlichen Gesetzen leiden. Der Paragraph 175 des Strafgesetzbuches, der Homosexualität bei Männern unter Strafe stellte, war für die queere Geschichte in Deutschland von zentraler Bedeutung.

Doch es gab auch Momente des Aufbruchs: In den zwanziger Jahren herrschte eine lebendige Subkultur von Lesben und Schwulen, die ihr Zentrum in Berlin hatte. Frauen wie Lotte Hahm eröffneten Lesbenbars wie das "Monokel", bevor die Nationalsozialisten diese Kultur zerschlugen.

Zwischen Kontroverse und Aufklärung

Die Entscheidung der Walker Art Gallery stößt nicht überall auf Zustimmung. LGBTQ+-Historiker und Befürworter haben den Schritt als längst überfällige Anerkennung queerer Narrative in der britischen Geschichte begrüßt. Befürworter argumentieren, dass es nicht darum geht, Nelson definitiv zu etikettieren, sondern Raum für Interpretation zu öffnen und die Fluidität und Komplexität menschlicher Beziehungen anzuerkennen.

Die Entscheidung der Galerie ist Teil einer breiteren kulturellen Veränderung in britischen Museen, die zunehmend inklusives Storytelling annehmen – Veranstaltungen wie die Queer History Night im National Maritime Museum und Forschungsprojekte zielen darauf ab, historische Figuren durch eine vielfältigere Linse zu untersuchen.

Was bedeutet das für uns?

Die Debatte um Nelson ist mehr als eine akademische Diskussion über einen Seehelden aus dem 19. Jahrhundert. Sie fordert uns auf, darüber nachzudenken, wie wir Geschichte erzählen und wessen Geschichten wir erzählen. Das Sichtbarmachen queerer Lebensweisen in der Vergangenheit zeigt, dass die Gesellschaft schon immer vielfältiger war, als sie aus der herrschenden, heteronormativen Perspektive erscheint.

In Deutschland haben Museen und Kulturinstitutionen in den letzten Jahren ebenfalls begonnen, queere Perspektiven stärker einzubeziehen. Das Netzwerk "Museen Queeren Berlin" wurde 2016 gegründet und möchte als Forum des Austauschs eine Museumspraxis befördern, die sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gerecht wird und so gesellschaftlichen Diskriminierungsmechanismen entgegenwirkt.

Ob Lord Nelson tatsächlich queer war, werden wir nie mit Sicherheit wissen. Aber die Auseinandersetzung mit dieser Frage öffnet wichtige Räume für Gespräche über versteckte Geschichte, über die Vielfalt menschlicher Beziehungen und darüber, wie wir Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbinden können. Und das ist vielleicht die wichtigste Lektion: Geschichte ist nie abgeschlossen – sie wird ständig neu interpretiert, hinterfragt und erweitert.


Ermutigende HIV-Zahlen aus England – Doch Deutschland hinkt hinterher

Positive Nachrichten aus England: Die Zahl der HIV-Neudiagnosen unter schwulen und bisexuellen Männern ist um fast sechs Prozent gesunken – von 859 Fällen im Jahr 2023 auf 810 im Jahr 2024, wie die UK Health Security Agency (UKHSA) am 7. Oktober bekannt gab. Insgesamt verzeichnete das Vereinigte Königreich einen Rückgang der HIV-Neudiagnosen um vier Prozent. Diese Entwicklung zeigt eindrucksvoll, dass gezielte Präventionsmaßnahmen wirken – doch wie sieht es in Deutschland aus?

PrEP als Gamechanger in der HIV-Prävention

Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg in England ist die steigende Nutzung der HIV-Präventionsmedikation PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe), die seit ihrer NHS-Einführung im Herbst 2020 jährlich zunimmt und 2024 einen Anstieg von 7,7 Prozent verzeichnete, sodass nun 111.123 Menschen darauf Zugriff haben. Die höchste PrEP-Nutzung findet sich bei weißen (79,4%) und ethnischen Minderheiten (77,8%) unter schwulen, bisexuellen und allen Männern, die Sex mit Männern haben.

Auch in Deutschland ist die PrEP seit September 2019 Kassenleistung. Bis Ende 2023 nutzten schätzungsweise 40.000 Menschen in Deutschland die PrEP, wie Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen. Fast ausschließlich handelt es sich dabei um schwule und bisexuelle Männer. Dennoch bleibt der Zugang zur PrEP in Deutschland regional stark unterschiedlich – die höchste PrEP-Abdeckung findet sich in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg, während ländliche Regionen deutlich schlechter versorgt sind, da HIV-Schwerpunktzentren hauptsächlich in Metropolen angesiedelt sind.

Besorgniserregende Entwicklung bei jungen Menschen

Trotz der positiven Gesamtentwicklung gibt es Grund zur Sorge: In England sanken die HIV-Testraten bei jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren um sieben Prozent, und diese Altersgruppe hatte mit 96 Prozent die niedrigsten Behandlungsraten im Vergleich zu 99 Prozent in allen anderen Altersgruppen, und nur 91 Prozent erreichten eine virale Suppression gegenüber 98 Prozent in der Gesamtbevölkerung.

Dr. Tamara Djuretic, Leiterin der HIV-Abteilung der UKHSA, betonte: "Wir sind besorgt über schlechtere Test- und Behandlungsergebnisse bei jungen Menschen, die sich in einer entscheidenden Phase für die Entwicklung gesunden Sexualverhaltens befinden. Eine frühzeitige Diagnose kann lebensrettend sein, also lasst euch bitte regelmäßig testen, wenn ihr sexuell aktiv seid."

Deutschland: Stagnation statt Fortschritt

Die Situation in Deutschland ist komplexer: Im Jahr 2024 wurden 3.259 HIV-Neudiagnosen in Deutschland gemeldet, wie das RKI berichtet. Bei schwulen und bisexuellen Männern stieg die Zahl der Neudiagnosen um neun Prozent innerhalb eines Jahres – auf 1.134 Fälle, was 35 Prozent aller Neudiagnosen ausmacht. Dieser Anstieg steht im deutlichen Kontrast zur positiven Entwicklung in England.

Allerdings muss diese Zahl differenziert betrachtet werden: Das RKI weist darauf hin, dass 2024 noch in erheblichem Umfang HIV-Meldungen von aus der Ukraine geflüchteten Personen erfolgten, bei denen in den meisten Fällen anzunehmen ist, dass die HIV-Diagnose bereits in der Ukraine erfolgte. Die tatsächliche Zahl der Neuinfektionen könnte daher niedriger liegen.

UNAIDS-Ziele: England vorbildlich, Deutschland mit Aufholbedarf

England erfüllt zum sechsten Mal in Folge die UNAIDS-Ziele mit 95% aller Erwachsenen mit HIV diagnostiziert, 99% der Diagnostizierten in Behandlung und 98% der Behandelten mit unterdrückter Viruslast. Das bedeutet: Menschen unter erfolgreicher Therapie können das Virus nicht mehr übertragen – ein enormer Fortschritt im Kampf gegen die Epidemie.

In Deutschland ist die Lage ähnlich positiv, was die Behandlungsqualität betrifft: Rund 92 Prozent der HIV-Infektionen sind diagnostiziert, von den Diagnostizierten sind 99 Prozent in Behandlung, und bei 96 Prozent der Behandelten ist die Therapie erfolgreich. Dennoch bleibt die Herausforderung, etwa 8.200 Menschen zu erreichen, die ohne ihr Wissen mit HIV leben.

Der Weg nach vorn: Was Deutschland von England lernen kann

Die Erfolge in England zeigen, dass konsequente Präventionsarbeit, niedrigschwellige PrEP-Angebote und gezielte Teststrategien funktionieren. Insbesondere bei schwulen Männern haben spezifische Testangebote Erfolg gezeigt, HIV wird bei vielen früher diagnostiziert und behandelt, was deren Gesundheit schützt und weitere HIV-Übertragungen verhindert – dieses Erfolgsmodell sollte noch stärker auf andere Gruppen übertragen werden, betont Sven Warminsky von der Deutschen Aidshilfe.

Die PrEP ist zwar erfolgreich, erreicht aber noch lange nicht alle Menschen, die sich damit schützen könnten – bei der PrEP müssen wir zweigleisig fahren: Zum einen gilt es, dass alle Menschen davon erfahren, für die PrEP in Frage kommt, zum anderen ist die Versorgungsstruktur noch nicht stark genug, wir brauchen mehr PrEP-verordnende Praxen, um lange Fahrwege und Wartezeiten zu vermeiden, dafür müssen die Hürden für Ärzt*innen weiter gesenkt werden.

Die Zahlen aus England machen Mut: Das Ziel von UNAIDS, die HIV-Neuinfektionen bis 2030 um 90 Prozent gegenüber 2010 zu reduzieren und die AIDS-bedingten Todesfälle um 90 Prozent zu senken, ist erreichbar – wenn die Politik die notwendigen Ressourcen bereitstellt und alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Alter oder sozialem Status, Zugang zu Prävention, Tests und Behandlung erhalten.


Hessen unterstützt mehr als 1.000 Paare bei Kinderwunsch – auch queere Familien profitieren

Über 1.000 Paare in Hessen haben seit 2018 finanzielle Unterstützung für ihre Kinderwunschbehandlung erhalten – darunter auch gleichgeschlechtliche und transgeschlechtliche Paare. Mit der neuen Richtlinie, die zum Jahresende in Kraft trat, greift die Landesförderung erstmals auch für gleichgeschlechtliche weibliche Paare, die krankheitsbedingt kinderlos sind, und Hessen berücksichtigt als erstes Bundesland ausdrücklich Paare, bei denen eine Partnerin oder ein Partner transgeschlechtlich ist. Dies geht aus der Antwort des hessischen Familienministeriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervor.

Erfolgreiche Förderung seit 2018

Seit 2018 wurden über 800 Bewilligungen ausgesprochen. Von den bis Ende August eingereichten 1.462 Anträgen wurden 1.240 bewilligt. Der Großteil der Paare mit Kinderwunsch, nämlich 1.202, war verheiratet, während lediglich 38 Paare unverheiratet waren. Gemeinsam mit dem Bund werden Behandlungskosten bis maximal 3.300 Euro übernommen, allerdings gilt dies nur für verschiedengeschlechtliche Paare. Da der Bund bislang nur verschiedengeschlechtliche Paare fördert, ist für gleichgeschlechtliche Paare eine Landesförderung in einer Höhe bis maximal 2.200 Euro möglich.

Insgesamt wurden aus den bereitgestellten Landesmitteln gut 1,83 Millionen Euro abgerufen. Allein im laufenden Jahr wurden bislang rund 171.575 Euro für die Förderung von Kinderwunschbehandlungen ausgegeben.

Was wird gefördert?

Hessen unterstützt ergänzend zu den gesetzlich verankerten Unterstützungsmöglichkeiten einer künstlichen Befruchtung anteilig auch einen vierten Versuch einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) und Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). „In Hessen fördern wir Familien unabhängig von ihrer Konstellation", sagte Sozial- und Integrationsminister Klose.

Gefördert werden Paare, die entweder verheiratet, in einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz oder in einer festen Lebensgemeinschaft verbunden sind und sich einer der beiden Behandlungen unterziehen. Bei gleichgeschlechtlichen weiblichen Paaren und bei Paaren, bei denen eine in der Partnerschaft lebende Personen eine gebärfähige transgeschlechtliche Person ist, muss die medizinische Notwendigkeit von Maßnahmen der assistierten Reproduktion aufgrund von krankheitsbedingter Kinderlosigkeit ärztlich festgestellt worden sein und es dürfen ausschließlich Eizellen der Person verwendet werden, die anstrebt, eine assistierte Reproduktionsbehandlung an sich vornehmen zu lassen.

Bundesweite Ungleichbehandlung bleibt bestehen

Während Hessen eine Vorreiterrolle einnimmt, bleibt die Situation für queere Paare auf Bundesebene schwierig. Gleichgeschlechtliche Paare haben keinen Anspruch gegen die gesetzlichen Krankenkassen auf eine Kinderwunschbehandlung. Das Bundessozialgericht hat im Oktober 2021 entschieden, dass die Beschränkung der finanziellen Förderung auf die homologe Insemination und damit der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Paare von der Förderung rechtmäßig sei.

Ein solcher Eingriff kostet pro Versuch mehrere tausend Euro. Die gesetzliche Krankenkasse erstattet heterosexuellen Eheleuten die Hälfte der Kosten, gleichgeschlechtliche Ehepaare bekommen keinen Cent. Diese finanzielle Hürde bedeutet, dass Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen die hohen Behandlungskosten oft nicht stemmen können.

Nur wenige Bundesländer fördern queere Paare

Bisher haben nur fünf Bundesländer eigene Regelungen geschaffen, die eine finanzielle Unterstützung für Frauenpaare vorsehen: Rheinland-Pfalz, Berlin, Bremen, das Saarland und Thüringen. Rheinland-Pfalz war das erste Bundesland, das im März 2021 die Förderung auf gleichgeschlechtliche weibliche Paare ausdehnte, die krankheitsbedingt auf eine künstliche Befruchtung angewiesen sind.

Danach folgten Berlin, Bremen, Thüringen, Hessen und das Saarland. Die Bremische Förderrichtlinie sieht sogar ausdrücklich die Förderung trans- und intergeschlechtlicher sowie nichtbinärer Personen vor. Ein wichtiger Schritt, den die Lesben- und Schwulenverband LSVD seit Jahren fordert.

Die Kosten der Ungleichheit

In Deutschland ist fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos und daher auf medizinische Hilfe angewiesen. Das ist nicht nur psychisch belastend, sondern auch finanziell. Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen können die hohen Behandlungskosten oft nicht stemmen.

Die Förderung in Hessen kann beim Regierungspräsidium Gießen beantragt werden. Der Antrag muss vor Beginn der Behandlung gestellt werden, und beide Partner müssen ihren Hauptwohnsitz in Hessen haben. Die Behandlung muss in einem reproduktionsmedizinischen Zentrum in Hessen durchgeführt werden.

Ein Schritt in die richtige Richtung – aber noch Luft nach oben

Hessens Vorstoß ist ein wichtiges Signal für mehr Gleichberechtigung bei der Familiengründung. Dennoch bleibt die finanzielle Ungleichbehandlung bestehen: Während verschiedengeschlechtliche verheiratete Paare sowohl von Bund als auch Land unterstützt werden, müssen queere Paare auf die Bundesförderung verzichten. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sehen ausschließlich den Bundeshaushalt in der Pflicht und lehnen eine Förderung gleichgeschlechtlicher Paare aus dem Landeshaushalt grundsätzlich ab. Hier fehlt es offensichtlich am politischen Willen, Regenbogenfamilien bei der Familiengründung finanziell zu unterstützen.

Die Zahlen aus Hessen zeigen: Der Bedarf ist da. Mehr als 1.000 Paare haben die Förderung bereits in Anspruch genommen. Jetzt ist es an den anderen Bundesländern, diesem Beispiel zu folgen und endlich für gleiche Rechte bei der Familienplanung zu sorgen – unabhängig von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität.


FBI feuert Agent wegen Pride-Flagge: Ein Alarmsignal für LGBTQ+-Rechte in den USA – und was Deutschland davon lernen kann

In den USA eskaliert die Diskriminierung von LGBTQ+-Menschen in alarmierendem Tempo: FBI-Direktor Kash Patel hat einen langjährigen FBI-Mitarbeiter gefeuert, der während einer früheren Tätigkeit eine Pride-Flagge an seinem Arbeitsplatz aufgestellt hatte. Der Angestellte befand sich zum Zeitpunkt der Kündigung in der Agentenausbildung an der FBI-Akademie in Quantico, Virginia, wie PinkNews berichtet. Der Mitarbeiter, der in seiner vorherigen Funktion mehrere Auszeichnungen für seine Arbeit erhalten hatte, war auch als Diversitätskoordinator einer FBI-Außenstelle tätig und hatte an seinem Arbeitsplatz eine Pride-Flagge aufgestellt.

Pride-Flagge als "politisches Symbol" eingestuft

In der Kündigungsmitteilung erwähnte Patel die Pride-Flagge nicht namentlich, begründete die fristlose Entlassung aber mit "schlechtem Urteilsvermögen" und einer "unangemessenen Zurschaustellung politischer Symbole". Die Ironie ist kaum zu übersehen: Zwei FBI-Veteranen teilten CNN mit, dass das Aufstellen einer Pride-Flagge am eigenen Schreibtisch historisch gesehen keine Verletzung einer FBI-Richtlinie dargestellt hätte.

Diese Entlassung ist kein Einzelfall. Die Kündigung erfolgte weniger als eine Woche, nachdem Patel mehr als ein Dutzend weitere FBI-Mitarbeiter entlassen hatte, die 2020 während einer Demonstration in der Hauptstadt im Rahmen der Kontrolle von Menschenmengen auf die Knie gegangen waren. Die symbolische Geste, mit der Solidarität mit den Black-Lives-Matter-Protesten nach dem Tod von George Floyd gezeigt wurde, wird nun Jahre später bestraft.

Systematische Säuberung queerer Personen aus dem öffentlichen Dienst

Der Fall ist Teil einer besorgniserregenden Entwicklung unter der Trump-Administration. Bürgerrechtsorganisationen beschreiben dies als eine umfassende Kampagne der Trump-Regierung, LGBTQ+-Angestellte aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen und jahrzehntelange Bemühungen um Inklusion abzubauen. Nach der Amtseinführung warnten sich FBI-Agenten gegenseitig, dass neu eingesetzte Trump-treue Führungskräfte beim FBI interne Mitarbeiterlisten durchkämmten, um Angestellte zu identifizieren, die als LGBTQ+ gelistet waren.

DOJ Pride, eine LGBTQ+-Mitarbeitergruppe im Justizministerium, wurde Ende Januar geschlossen – weniger als zehn Tage, nachdem Trump eine Executive Order unterzeichnete, die darauf abzielte, alle Diversitäts-, Gleichheits- und Inklusionsmaßnahmen aus der Bundesregierung zu entfernen. Die Gruppe stellte "mit sofortiger Wirkung" ihre Arbeit ein.

Rechtliche Grauzonen und First Amendment

Die rechtliche Dimension ist komplex. Laut einem Memo der Plattform "The Mindful Federal Employee" darf eine Behörde, die eine Bibel, einen Rosenkranz oder ein Kruzifix erlaubt, nicht gleichzeitig eine Pride-Flagge oder ein anderes identitätsbestärkendes Symbol verbieten. "Derselbe Schutz erstreckt sich auf säkulare Ausdrucksformen wie Flaggen, die LGBTQ+-Identität, Behindertenrechte oder ethnisches Erbe repräsentieren".

Die Human Rights Campaign reagierte auf die Entlassung mit der Aussage, dass dies, falls zutreffend, "das jüngste Beispiel dafür ist, wie Donald Trump, Kash Patel und die gesamte Administration die Bundesregierung als Waffe einsetzen, um Meinungsäußerungen zu unterdrücken und die Existenz unserer LGBTQ+-Community zu leugnen. Außerdem ist es illegal".

Was Deutschland von dieser Entwicklung lernen kann

Deutschland befindet sich in einer grundlegend anderen Situation als die USA. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist 2006 in Kraft getreten und wird vor allem in zwei Lebensbereichen angewendet. Zum einen gilt der Schutz im Arbeitsleben – von der Einstellung bis zur Entlassung. Arbeitgeber sind nach dem AGG dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten vor Diskriminierungen zu schützen.

In Deutschland wäre eine Kündigung allein wegen einer Pride-Flagge am Arbeitsplatz kaum denkbar. Das staatliche Neutralitätsgebot verlange nicht, dass im erzieherischen Bereich auf die Darstellung wertender Inhalte verzichtet werde. Es sei noch nicht die Grenze zur "politischen Indoktrinierung" überschritten. Die Flagge sei insbesondere vereinbar mit verfassungsrechtlichen und schulgesetzlichen Vorgaben, soweit sie "das Selbstverständnis bestimmter Gruppen und deren Recht zur freien Identitätsbildung" symbolisiere, entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem Fall über eine Progress-Pride-Flagge in einer Grundschule.

Mehr noch: Künftig darf zu Anlässen wie dem Christopher Street Day die Regenbogenflagge an Bundesgebäuden gehisst werden. "Deswegen war es mir sehr wichtig, das Hissen der Regenbogenflagge zu bestimmten Anlässen an Bundesgebäuden zu erlauben. Zum Beispiel am Christopher Street Day setzen wir so ein sichtbares Zeichen des Staates für Vielfalt und gegen jede Diskriminierung", so Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Dennoch: Diskriminierung bleibt auch in Deutschland ein Problem

Trotz des starken rechtlichen Schutzes zeigen Studien, dass Diskriminierung auch in Deutschland Realität bleibt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 erfährt über ein Drittel der queeren Menschen in Deutschland noch immer Diskriminierung im Job, bei trans Menschen sind es sogar 43 Prozent. In einer Onlinebefragung von 4.000 jungen Berufstätigen unter 35 Jahren aus unterschiedlichen Ländern outen sich nur 37% der deutschen Befragten gegenüber ihren Arbeitskolleg*innen. Damit liegt Deutschland auf den hinteren Plätzen.

Bischof Ludger Schepers, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für queere Seelsorge, sprach sich gegen Präsident Donald Trump aus und dessen Umgang mit LGBTQ+-Menschen. Schepers äußerte Besorgnis darüber, dass "Trump die Diskriminierungsschutzmaßnahmen für queere Menschen aufhebt und Geschlechtsminderheiten überhaupt nicht mehr anerkennt. Jeder Angriff auf die Rechte queerer Menschen bedroht die Rechte aller Menschen, die nicht den engen Vorstellungen entsprechen, wie man aussehen und sich verhalten sollte".

Ein Weckruf für Europa

Die Entwicklungen in den USA sollten als Warnsignal verstanden werden. Was in Amerika beginnt, findet oft seinen Weg über den Atlantik. Die systematische Entfernung von LGBTQ+-Personen aus dem öffentlichen Dienst, die Einstufung von Pride-Symbolen als "politisch" und die Säuberung von Diversitätsprogrammen – all das sind Mechanismen, die auch in Europa an Boden gewinnen könnten, wenn die Zivilgesellschaft nicht wachsam bleibt.

Der Fall des FBI-Agenten zeigt drastisch, wie schnell hart erkämpfte Rechte wieder erodieren können. In Deutschland und Europa müssen wir die bestehenden Schutzmaßnahmen nicht nur verteidigen, sondern weiter ausbauen. Denn wenn selbst eine Pride-Flagge am Schreibtisch zum Kündigungsgrund wird, ist das nicht nur ein Angriff auf LGBTQ+-Rechte – es ist ein Angriff auf die Grundwerte einer offenen, demokratischen Gesellschaft.

Die Bundeswehr zeigt, wie es anders geht: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stellte heraus: "Wir stehen für eine offene und vielfältige Bundeswehr - für Akzeptanz und Toleranz". Dieser Ansatz – Pride-Symbole als Zeichen institutioneller Wertschätzung statt als Kündigungsgrund – sollte der Standard bleiben, den wir in Europa verteidigen.


Ein historischer Moment für queere Menschen: Der Bundestag debattiert über Grundgesetz-Schutz

Am Donnerstagmorgen wird der Bundestag über einen Gesetzentwurf debattieren, der queeren Menschen in Deutschland erstmals verfassungsrechtlichen Schutz bieten könnte. Die Grünen-Fraktion will Artikel 3 im Grundgesetz um das Merkmal „sexuelle Identität" erweitern, wie die Originalquelle queer.de berichtet. Die Debatte findet zwischen Beratungen zu Asylrecht und Wohnungsbau statt – ein symbolträchtiger Moment für eine Community, deren Rechte Jahrzehnte lang unsichtbar blieben.

Eine Lücke, die 123 Jahre währte

Die Geschichte des Paragrafen 175 umfasst mehr als 120 Jahre. Er wurde im Deutschen Kaiserreich 1871 eingeführt und stellte „widernatürliche Unzucht" zwischen Männern unter Strafe. Was viele nicht wissen: Bis 1994 waren sexuelle Handlungen zwischen Männern strafbar. Erst mit der Abschaffung des Paragrafen 175 im Jahr 1994 wurde das Schutzalter für homosexuelle Männer dem für andere Menschen angeglichen. Die Verfolgung hinterließ tiefe Wunden in der deutschen Gesellschaft.

Das Fehlen dieses Diskriminierungsgrundes im Text des Grundgesetzes hat in der Historie der Bundesrepublik Deutschland zu menschenrechtswidriger Behandlung von homosexuellen und bisexuellen Menschen geführt, erklärt der LSVD, der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland. Die Grünen argumentieren in ihrem Gesetzentwurf, dass 1949 Homo- und Bisexuelle bewusst nicht als Opfergruppe der Nationalsozialisten in Artikel 3 aufgenommen wurden – mit fatalen Folgen für die Nachkriegszeit.

Deutschland im europäischen Vergleich: Fortschrittlich, aber nicht vorne

Im europäischen Vergleich zeigt sich ein gemischtes Bild. Andere moderne Verfassungen haben bereits den besonderen Schutz vor Diskriminierung wegen der sexuellen Identität mit aufgenommen, und von den Bundesländern, die eigene Grundrechtskataloge in ihren Landesverfassungen haben, hat die Mehrheit bereits eine entsprechende Bestimmung. Berlin, Brandenburg, Bremen, das Saarland und Thüringen sind hier Vorreiter.

Auf EU-Ebene bietet die Europäische Grundrechtecharta bereits ein Verbot der Benachteiligung aufgrund der sexuellen Ausrichtung. Laut ILGA-Europe stiegen Deutschland, Tschechien und Polen in der Rangliste um drei Plätze, während Deutschlands durchschnittlicher Score bei 51,13% für die EU liegt. Zum Vergleich: Malta belegt seit einem Jahrzehnt mit 88,83% den Spitzenplatz.

Eine dunkle Geschichte: Von der Weimarer Republik bis heute

Die Geschichte der LGBTQ+-Verfolgung in Deutschland ist besonders schmerzlich. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass im Dritten Reich rund 50.000 Männer aufgrund von Paragraph 175 inhaftiert und bis zu 15.000 in Lager deportiert wurden. Doch auch nach dem Krieg ging die Verfolgung weiter: Zwischen 1945 und 1969 gab es auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ca. 50.000 bis 60.000 Verurteilungen.

In der BRD galt Paragraph 175 in der im Nationalsozialismus erlassenen Fassung weiter, während die DDR früher liberalisierte. Erst 2017 – 23 Jahre nach der Streichung von Paragraf 175 StGB – erkannte der Bundestag das Unrecht an, das die Verfolgung homosexueller Männer durch den Staat war. Die Opfer wurden rehabilitiert – und finanziell entschädigt.

Die politische Realität: Hohe Hürden und starker Gegenwind

Die Hürden für eine Grundgesetzänderung sind hoch. Um das Grundgesetz zu ändern, bedarf es im Bundestag einer Zwei-Drittel-Mehrheit - genau wie abschließend im Bundesrat. SPD, Grüne und Linke signalisieren Zustimmung, doch der Bundesrat will eine Gesetzesinitiative in den Bundestag einbringen, die auf Initiative des Landes Berlin eingereicht wurde, nachdem der Bundesrat im September mehrheitlich dafür gestimmt hatte.

Die größte Hürde ist die AfD, die 24 Prozent der Bundestagsabgeordneten stellt und kategorisch gegen den Schutz queerer Menschen ist. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Stephan Brandner, hält die Ehe für alle nach wie vor für grundgesetzwidrig und verweist auf Artikel 6 im Grundgesetz. Die Partei will nicht nur die Grundgesetzänderung verhindern, sondern das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts aufheben.

Die Debatte um „geschlechtliche Identität"

Ein weiterer Streitpunkt: Der aktuelle Entwurf enthält nur das Merkmal „sexuelle Identität", nicht aber „geschlechtliche Identität". Queere Organisationen wie die Aktion Grundgesetz für alle fordern die Aufnahme beider Merkmale. Maik Brückner, queerpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, kritisiert: „Uns geht der Begriff ‚sexuelle Identität' nicht weit genug: auch ‚geschlechtliche Identität' muss in die Verfassung aufgenommen werden, damit auch trans und inter Personen in den Schutz eingeschlossen werden".

Aus der Politik wird häufig argumentiert, dass trans oder intergeschlechtliche Menschen bereits durch ständige Rechtsprechung mit dem Merkmal „Geschlecht" erfasst seien. Aktivist*innen verweisen jedoch auf globale transfeindliche Kampagnen, die zeigen, wie fragil dieser Schutz ist.

Ein Blick nach vorne: Warum dieser Schutz jetzt wichtiger ist denn je

Die stets vorhandene Diskriminierung verstärkt sich aktuell, mit dem Aufflammen von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, zunehmend. Es gibt in Deutschland politische Kräfte, die LSBTI die gesetzliche Gleichstellung wieder streitig machen und sie in Unsichtbarkeit und dunkle Ecken zurücktreiben wollen. Der Blick auf Ungarn, Polen und andere europäische Länder zeigt, wie schnell erkämpfte Rechte wieder verloren gehen können.

Berlins Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) betonte im Bundesrat: „Es zeigt auch, dass die Zeichen der Zeit und der akute Behandlungsbedarf erkannt wurden. In einer Zeit, in der ‚queerfeindlicher Hass' im Alltag ‚so spürbar geworden' sei, brauche es ein Grundgesetz, das klar die Diskriminierung wegen der sexuellen Identität verbietet".

Die Debatte am Donnerstag ist mehr als ein parlamentarischer Akt. Sie ist ein Symbol dafür, ob Deutschland bereit ist, aus seiner Geschichte zu lernen und allen Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität – den gleichen verfassungsrechtlichen Schutz zu garantieren. Für Millionen queerer Menschen in Deutschland geht es um nicht weniger als die Frage: Gehören wir wirklich dazu?

Die erste Lesung des Gesetzentwurfs findet am Donnerstag, den 9. Oktober 2025, gegen 10:10 Uhr im Bundestag statt. Nach der Debatte wird der Entwurf voraussichtlich zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.


Gewalttat in Dresden wirft Schlaglicht auf ein oft verschwiegenes Thema

In der Nacht zum 28. September 2025 ereignete sich am Dresdner Hauptbahnhof eine Gewalttat, die erschüttert: Zwei 15-jährige Jugendliche sollen einen 19-jährigen Tschechen unter Vorhalt eines Messers ausgeraubt und vergewaltigt haben. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt wegen des Verdachts des schweren Raubes und der Vergewaltigung, wie queer.de berichtet. Die beiden Tatverdächtigen wurden kurz nach der Tat festgenommen und befinden sich in Untersuchungshaft.

Ein Verbrechen, das viele Fragen aufwirft

Diese brutale Tat geschah in den frühen Morgenstunden gegen 4:15 Uhr vor dem Dresdner Hauptbahnhof – einem öffentlichen Ort, an dem sich viele Menschen unsicher fühlen könnten. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, dem Opfer unter Messerdruck 300 Euro Bargeld weggenommen und es vergewaltigt zu haben. Die schnelle Festnahme durch die Polizei zeigt, dass die Behörden reagiert haben, doch die Tat selbst wirft ein Schlaglicht auf ein Thema, das in der deutschen Öffentlichkeit noch immer zu wenig Beachtung findet: sexuelle Gewalt gegen Männer.

Männer als Opfer sexueller Gewalt – ein Tabuthema

Während sexuelle Gewalt gegen Frauen zunehmend in den öffentlichen Diskurs gelangt ist, bleibt Gewalt gegen Männer oft im Schatten. Es gibt nur wenige Daten zu Vergewaltigungen oder anderer sexueller Gewalt gegen Männer, wobei fast alle verfügbaren Studien zu sexueller Gewalt Frauen als Opfer untersuchen und sexuelle Gewalt gegen Männer nahezu ignoriert wird. Gewalt gegen Männer findet tagtäglich statt, wird in der Gesellschaft aber kaum thematisiert und wahrgenommen, denn es handelt sich noch immer um ein Tabuthema.

Insbesondere männliche Opfer haben Schwierigkeiten, über Gewalterfahrungen zu sprechen – ein Grund kann sein, dass die Gewalt oft nicht als solche wahrgenommen wird, und Rollenbilder wie der starke Mann begünstigen ein Klima des Schweigens und der Scham. Das macht es für Betroffene noch schwerer, Hilfe zu suchen oder Anzeige zu erstatten.

Queerfeindliche Gewalt in Deutschland nimmt zu

Der Fall in Dresden ereignet sich in einem besorgniserregenden gesellschaftlichen Kontext. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 17.007 Fälle von Hasskriminalität erfasst, die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre. Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.

Das Lagebild zeigt, dass die Opfer von Straftaten gegen Menschen aus der LSBTIQ*-Community überwiegend Männer sind. Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte die Zahlen "erschreckend" und betonte, dass queerfeindliche Gewalt klar benannt und gezielt verfolgt werden müsse.

Die Dunkelziffer ist hoch

Doch die offiziellen Zahlen erzählen nur einen Teil der Geschichte. Laut einer Dunkelfeld-Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte zeigten 96 Prozent der LSBTIQ*-Personen Hate Speech nicht an und 87 Prozent meldeten körperliche oder sexuelle Übergriffe nicht. Die Gründe: Sie hielten das Vergehen für zu gering oder hatten Angst vor homo- oder transphoben Reaktionen der Polizei.

Nur 13 Prozent der Befragten gingen zur Polizei, um einen physischen Angriff oder sexualisierte Gewalt anzuzeigen, und 23 Prozent vermieden in den letzten fünf Jahren eine Anzeige aus Angst vor einer queerfeindlichen Reaktion der Polizei. Diese Zahlen zeigen: Viele Betroffene haben kein Vertrauen in die Behörden oder schämen sich, Hilfe zu suchen.

Hilfe ist verfügbar – für alle Betroffenen

Für Männer, die Gewalt erleben oder erlebt haben, gibt es in Deutschland mittlerweile Unterstützungsangebote. Das Hilfetelefon Gewalt an Männern ist unter der Nummer 0800 1239900 erreichbar. Das Hilfetelefon hat einen weiten Gewaltbegriff: Entscheidend ist, dass Betroffene unter der Grenzverletzung leiden, die sie erfahren mussten.

Auch das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch bietet Informationen und Unterstützung, und spezialisierte Beratungsstellen wie maennergewaltschutz.de helfen Betroffenen dabei, passende Hilfsangebote vor Ort zu finden. Für queere Menschen, die Diskriminierung und Gewalt erlebt haben, bietet etwa MANEO in Berlin spezialisierte Beratung.

Was wir daraus lernen müssen

Der Fall in Dresden ist mehr als eine einzelne Straftat – er ist ein Weckruf. Wir müssen als Gesellschaft anerkennen, dass sexuelle Gewalt auch Männer betrifft, und dass queere Menschen besonders vulnerabel sind. Laut offiziellen Zahlen gibt es jeden Tag mindestens drei Angriffe auf LSBTIQ*-Personen, die Dunkelziffer ist deutlich höher, und diesen Straftaten muss der Staat entschlossen entgegentreten.

Es braucht mehr Sensibilisierung in der Polizei, mehr niedrigschwellige Hilfsangebote und eine Gesellschaft, die Betroffenen zuhört statt sie zu stigmatisieren. Nur so können wir ein Klima schaffen, in dem alle Menschen – unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung – sicher und angstfrei leben können.

Hilfe und Beratung:

  • Hilfetelefon Gewalt an Männern: 0800 1239900
  • Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530
  • Polizei-Notruf: 110
  • Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch: www.hilfe-portal-missbrauch.de

Gewalt nach dem CSD: 14-Jähriger in Görlitz angegriffen – Polizei prüft Zusammenhang

Nach dem vierten Christopher Street Day in Görlitz am vergangenen Samstag wurde ein 14-Jähriger von Unbekannten attackiert und verletzt. Der Vorfall ereignete sich, nachdem die Pride-Veranstaltung bereits beendet war. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und prüft einen möglichen Zusammenhang mit dem CSD.

Angriff im Schatten der Pride-Feier

An einer Gegendemonstration rechtsextremer Gruppen hatten sich nach Polizeiangaben etwa 130 Menschen beteiligt, während mehr als 700 Menschen an dem CSD-Aufzug teilnahmen. Der 14-Jährige wurde nach dem Angriff leicht verletzt in einem Rettungswagen behandelt. Ob das Opfer und die Täter an den Versammlungen teilgenommen hatten, ist derzeit Gegenstand der laufenden Ermittlungen.

Der Vorfall reiht sich in eine besorgniserregende Serie von Übergriffen ein. Nur wenige Stunden nach dem Görlitzer Christopher Street Day kam es am vergangenen Samstagabend zu einem Angriff auf ein Mitglied der Linksjugend ['solid] Görlitz. Die betroffene Person wurde im Stadtgebiet von mehreren mutmaßlich rechten Tätern angegriffen und dabei verletzt. Mindestens der unvermummte Täter war Augenzeugenberichten zufolge zuvor auf der Gegendemonstration gegen den CSD gewesen.

Rechtsextreme Mobilisierung erreicht neuen Höhepunkt

Der CSD in Görlitz fand unter massivem Polizeischutz statt. In den sozialen Netzwerken hatten deutsche und polnische Neonazis gemeinsam zu der Gegenveranstaltung aufgerufen. Besonders beunruhigend: Ein mutmaßliches Mitglied der Elblandrevolte verübte im Mai einen Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke, der dabei schwer verletzt wurde.

Im Jahr 2024 dokumentierte die Stiftung insgesamt 55 gezielte Störungen, Bedrohungen und Angriffe auf CSDs – so viele wie nie zuvor, berichtet die Amadeu Antonio Stiftung. Die Situation in Sachsen ist besonders dramatisch: Rund zwölfmal mehr Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wurden festgestellt, 245 im Jahr 2024 im Vergleich zu 22 im Jahr 2023.

Parallelen zu Deutschland: Ein bundesweites Problem

Die Situation in Görlitz spiegelt eine bedrohliche Entwicklung wider, die ganz Deutschland betrifft. Zwischen Juni und September 2024 verzeichnete CeMAS deutschlandweit in 27 Städten rechtsextreme Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen. Dabei kam es zu Einschüchterungen, Schikanen und Gewalt. Auch in anderen deutschen Städten wie Bautzen, Leipzig und Zwickau kam es zu massiven rechtsextremen Gegendemonstrationen.

In zwölf von 16 Bundesländern wurden insgesamt 3.453 rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Angriffe registriert und damit ein massiven Anstieg um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr, dokumentieren die Opferberatungsstellen. 63 Angriffe (+91%) richteten sich gegen politische Gegner*innen, 44 gegen Nichtrechte (+52%), 25 gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung/geschlechtlichen Identität (+25%) allein in Sachsen.

Trotz Bedrohungen: Queere Sichtbarkeit wächst

Trotz der massiven Bedrohungslage zeigt die queere Community bemerkenswerte Resilienz. Über 200 Kundgebungen haben bundesweit stattgefunden, die meisten davon in kleinen und mittelgroßen Städten, strukturschwachen und ländlichen Regionen. Nie zuvor hat es mehr Kundgebungen für queere Sichtbarkeit gegeben.

Der CSD in Görlitz und Zgorzelec ist ein besonderer CSD. Damit ist der CSD der einzige grenzüberschreitende von in diesem Jahr vierzehn stattfindenden Veranstaltungen in Sachsen. Die Veranstaltung steht symbolisch für den mutigen Einsatz von Aktivist*innen, die sich trotz rechtsextremer Bedrohungen für queere Rechte einsetzen.

Dunkelziffer bleibt hoch

Expert*innen warnen, dass die offiziellen Zahlen nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Beinahe jede zweite queere Person in Sachsen hat seit 2017 Übergriffe erfahren, davon haben nur 7 Prozent mindestens einen Vorfall bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft gemeldet. Der Mangel an Vertrauen in die Polizei und die Sorge vor weiterer Diskriminierung führen dazu, dass viele Straftaten nicht zur Anzeige gebracht werden.

Die Kriminalpolizei Görlitz hat die Ermittlungen aufgenommen und bittet um Hinweise aus der Bevölkerung. Ob der Angriff auf den 14-Jährigen tatsächlich im Zusammenhang mit dem CSD steht, wird derzeit geprüft. Der Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig konsequente Strafverfolgung und der Schutz queerer Menschen in Deutschland sind.


Transfeindlicher Übergriff in Berlin-Friedrichshain: Wenn Hass zur alltäglichen Bedrohung wird

Ein weiterer erschütternder Fall transfeindlicher Gewalt: In Berlin-Friedrichshain wurde am Mittwochabend eine 46-jährige Frau in der Rigaer Straße von einem unbekannten Mann angespuckt und transphob beleidigt. Die Polizei konnte kurz darauf einen 31-jährigen Tatverdächtigen identifizieren. Die Ermittlungen führt nun der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts – ein Verfahren, das bei vermuteter Hasskriminalität Standard ist.

Der Vorfall reiht sich ein in eine besorgniserregende Serie: Die Opferberatungsstelle Maneo hat allein im vergangenen Jahr 738 explizit queerfeindliche Vorfälle in Berlin gezählt – ein Anstieg um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr und damit ein neuer Höchststand. Besonders alarmierend: Zwei Drittel der befragten trans* Personen berichteten, innerhalb der letzten fünf Jahre von transfeindlicher Gewalt betroffen gewesen zu sein. Nahezu die Hälfte erlebte sogar im letzten Jahr vor der Befragung Übergriffe.

Berlin als Brennpunkt queerfeindlicher Gewalt

Die Rigaer Straße in Friedrichshain, wo sich der aktuelle Übergriff ereignete, liegt in einem Bezirk mit lebendiger queerer Community. Friedrichshain ist queer – das zeigt sich nicht nur an Bars, die speziell auf die Community zugeschnitten sind, und Clubs wie Berghain und Blank. Doch gerade die Sichtbarkeit queerer Menschen macht sie zur Zielscheibe.

Dass Berlin besonders häufig über LGBTIQ-feindliche Übergriffe berichtet, hat einen Grund: Die Landespolizei macht mögliche Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gezielt publik. Die angezeigten trans- und homophoben Straftaten in Berlin weisen geografische Schwerpunkte in LGBTIQ*-Ausgeh- und Wohnvierteln auf. Ein besonders großer Teil der Fälle wird in Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshin-Kreuzberg angezeigt.

Das erschreckende Ausmaß: Deutschland im Überblick

Der Berliner Fall ist kein Einzelfall, sondern Teil eines bundesweiten Problems. Der "Lagebericht zur kriminalitätsbezogenen Sicherheit von LSBTIQ*" verzeichnet für das Jahr 2023 insgesamt 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen. Zu den häufigsten Straftaten zählten dabei Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Bei den Gewalttaten wurden 212 Opfer festgestellt. Für 2024 wurden im Unterthemenfeld "sexuelle Orientierung" 1.765 Straftaten erfasst, was einer Steigerung von etwa 18% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Hierbei wurden 253 Gewaltdelikte und 447 Beleidigungen registriert.

Besonders dramatisch: Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Und die Dunkelziffer ist erschreckend hoch: Maneo schätzt, dass 80 bis 90 Prozent der Vorfälle weder einer Beratungsstelle gemeldet noch auch bei der Polizei angezeigt werden.

Warum melden Betroffene nicht?

Die Gründe für die geringe Anzeigebereitschaft sind vielfältig: Lediglich 8 bis 10 Prozent der trans* Personen zeigen den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei an. Viele fanden den Vorfall nicht schlimm genug, etwa die Hälfte glaubte nicht, dass eine Anzeige was bringen würde, und 40 bis 53 Prozent haben kein Vertrauen in die Polizei.

Auf die Frage, warum sie nach einem Angriff nicht zur Polizei gegangen sind, antworteten die meisten, dass sie nicht denken, dass das was bringen würde (40%). Weitere Motive waren, dass der Vorfall den Betroffenen nicht schlimm genug schien (37%), die Betroffenen Angst vor Homo- und Transphobie bei der Polizei hatten (23%) und kein Vertrauen in die Polizei hätten (21%).

Berlins Vorreiterrolle bei Opferschutz

Dass der aktuelle Fall in Berlin vom Polizeilichen Staatsschutz untersucht wird, ist nicht selbstverständlich. Straftaten, die sich gegen die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person richten und auf einer gruppenbezogenen Vorurteilsmotiviertheit basieren, werden unter Hasskriminalität erfasst und durch den polizeilichen Staatsschutz bearbeitet. Berlin hat zudem eigene Ansprechpartner*innen für queere Menschen bei Polizei und Staatsanwaltschaft eingerichtet.

Der dritte Monitoringbericht, erschienen im Dezember 2024, führt die Berichterstattung auf Grundlage amtlicher und zivilgesellschaftlicher Daten fort. Wie bereits in früheren Ausgaben werden vorfallsbezogene Daten aus der polizeiischen Statistik zu politisch motivierter Kriminalität, Verfahrensdaten der Staatsanwaltschaft sowie Statistiken von zivilgesellschaftlichen Meldestellen ausgewertet.

Was muss sich ändern?

Expert*innen fordern konkrete Maßnahmen: Hauptamtliche Ansprechpartner*innen für queerfeindliche Hasskriminalität bei der Polizei sowie ein regelmäßiger Austausch zwischen Polizei und Community würden Misstrauen verringern können. Polizeibeamt*innen müssen in verpflichtenden Modulen in Aus- und Weiterbildung mit dem Thema queerfeindlicher „Hasskriminalität" vertraut gemacht werden und mit der richtigen Erfassung vertraut sein.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont: „Wir müssen all diejenigen schützen und unterstützen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Hass, Diskriminierung und Gewalt erleben. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden".

Der Fall in der Rigaer Straße ist mehr als ein Einzelfall – er ist Symbol einer gesellschaftlichen Realität, in der trans* und queere Menschen täglich mit Anfeindungen und Gewalt konfrontiert werden. Die niedrige Anzeigebereitschaft zeigt: Es braucht nicht nur härtere Strafen, sondern vor allem Vertrauen, Sichtbarkeit und präventive Arbeit. Nur so kann aus dem Dunkelfeld Licht werden – und aus Angst Sicherheit.


Kolumbianisches Gericht stoppt Volleyball-Verband: Trans-Athletin gewinnt historischen Rechtsstreit

Ein Verfassungsgericht in Kolumbien hat eine wegweisende Entscheidung getroffen: Die Liga Antioqueña de Voleibol, ein kolumbianischer Volleyball-Verband in Antioquia, wurde vom Verfassungsgericht angewiesen, ihre Richtlinien zu ändern, die trans Personen von ihren Wettbewerben ausschließen. Das Urteil markiert einen wichtigen Moment für die Rechte von trans Athletinnen und Athleten – nicht nur in Lateinamerika, sondern weltweit. Die Entscheidung wurde von Pink News berichtet.

Zehn Jahre Spielpraxis plötzlich illegal

Eine namentlich nicht genannte trans Athletin verklagte den Sportverband, nachdem er ihr mitten in einem Turnier die Teilnahme an Frauen-Volleyball-Spielen untersagte. Obwohl sie über ein Jahrzehnt lang ohne Probleme an Antioquia-Spielen teilgenommen hatte, sperrten die Verantwortlichen die Spielerin von weiblichen Events aus, nachdem sie eine Richtlinie eingeführt hatten, die trans Sportlerinnen von Ligen ausschließt, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.

In einem Urteil vom Mittwoch, 1. Oktober, argumentierte ein dreiköpfiges Richtergremium, dass die Richtlinie die Menschenrechte der Spielerin und ihr verfassungsmäßiges Recht auf Würde und Gleichheit verletze. Die Richterinnen und Richter ordneten an, dass die Athletin das Turnier zu Ende spielen dürfe und der Verband seine Regelungen mit Hilfe des Sportministeriums ändern müsse.

Wissenschaft widerspricht pauschalen Verboten

Das Gericht setzte ein klares Zeichen gegen diskriminierende Praktiken im Sport. Die Richterinnen Natalia Ángel Cabo und José Fernando Reyes Cuartos argumentierten, dass es keine wissenschaftlichen Beweise dafür gibt, dass trans Athletinnen einen inhärenten Wettbewerbsvorteil gegenüber cis-geschlechtlichen Athletinnen haben, und stellten fest, dass die körperliche Leistungsfähigkeit eher mit "Körperzusammensetzung", Training und Ernährung zusammenhängt.

Diese Argumentation wird durch aktuelle Forschung gestützt. Eine 2024 vom Internationalen Olympischen Komitee unterstützte Studie deutete darauf hin, dass trans Athletinnen tatsächlich Nachteile im Sport haben können, aufgrund von Veränderungen der Muskelmasse und kardiovaskulären Fähigkeiten. Trans Frauen zeigten in bestimmten kardiovaskulären Tests schlechtere Leistungen als ihre cis-geschlechtlichen Kolleginnen und hatten weniger Unterkörperkraft.

Deutsche Parallelen: Auch hier wird diskutiert

Die Debatte über trans Personen im Sport ist auch in Deutschland hochaktuell. Die Teilnahme von Transmenschen am Leistungssport ist ein kontroverses Thema. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Transfrauen, die nach einer männlichen Pubertät im Frauensport erfolgreich sind, und in Bezug auf erhöhte Verletzungsgefahr für biologische Frauen.

Während das IOC 2021 einen neuen Rahmen zur Regelung der Teilnahme von Transathleten vorstellte, in dem das IOC selbst keine Restriktionen mehr vorsieht, haben verschiedene deutsche Sportverbände unterschiedliche Wege eingeschlagen. Es gibt verschiedene Verbände, die dafür gesorgt haben, dass trans Personen besser am Sport teilnehmen können. Der DFB zum Beispiel, oder auch der Deutsche Hockey-Bund. Es gibt auch einen queeren Sportverein in Deutschland, das ist der SC Janus in Köln.

Kolumbien als Vorreiter für LGBTQ+-Rechte

Das Urteil passt zu Kolumbiens progressiver Haltung in Bezug auf LGBTQ+-Rechte. Die Rechte Homosexueller in Kolumbien sind weit entwickelt, besonders für ein sich entwickelndes, konservatives und überwiegend katholisches Land wie Kolumbien. Strafgesetze gegen homosexuelle Handlungen bestehen in Kolumbien nicht. Im April 2016 bestätigte das Verfassungsgericht in einer weiteren Grundsatzentscheidung die sofortige landesweite Eheöffnung.

Dennoch ist die Lage für LGBTQ+-Personen nicht ohne Herausforderungen. Feminizide sowie Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) geben weiterhin Anlass zu großer Sorge. Das Regionale Informationsnetzwerk zu Gewalt gegen LGBT registrierte 2023 insgesamt 21 Tötungen von LGBTI+ in Kolumbien, die in die Kategorie "vorurteilsbedingte Gewalt" fielen.

Ein Signal für faire Teilhabe

Das kolumbianische Urteil sendet eine wichtige Botschaft: Sport muss für alle zugänglich sein, unabhängig von der Geschlechtsidentität. Die urteilenden Richterinnen und Richter stellten fest, dass die trans Spielerin bereits an mindestens vier Turnierspielen ohne Einwände teilgenommen hatte, bevor der Verband seine Richtlinie verabschiedete, was deren Zweck in Frage stellte. Es gab keine Beschwerden von Mitspielerinnen, keine Vorfälle – nur eine nachträgliche Diskriminierung.

Während die internationale Debatte über trans Athletinnen oft von Ängsten und Vorurteilen dominiert wird, zeigt dieses Urteil einen anderen Weg: einen, der auf Menschenrechten, wissenschaftlichen Erkenntnissen und der gelebten Realität basiert. Es ist ein Schritt in Richtung echter Inklusion – im Sport und darüber hinaus.


Trans-Schüler*innen in Schottland: Hunger und Durst aus Angst vor Schultoiletten

Eine alarmierende Meldung aus Schottland wirft ein Schlaglicht auf die realen Folgen rechtlicher Einschränkungen für transgender Jugendliche: Lehrkräfte berichten, dass trans Schüler*innen ihre Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme einschränken, um die Schultoiletten nicht benutzen zu müssen – aus Angst davor, geoutet zu werden. Diese beunruhigende Entwicklung steht in direktem Zusammenhang mit einer neuen Richtlinie der schottischen Regierung, die Ende September 2024 veröffentlicht wurde und die Toilettennutzung an Schulen neu regelt.

Neue Richtlinie: Geschlechtertrennung nach „biologischem Geschlecht"

Die neue Richtlinie von Holyrood, die am 29. September veröffentlicht wurde, fordert, dass alle Schulen in Schottland getrennte Einrichtungen – einschließlich Toiletten und Umkleideräumen – für Jungen und Mädchen haben müssen, die „auf der Grundlage des biologischen Geschlechts" basieren. In der Richtlinie wird „biologisches Geschlecht" als „bei der Geburt eingetragenes Geschlecht" definiert. Die Änderung erfolgte als Reaktion auf ein Urteil des britischen Supreme Court vom April 2025, das feststellte, dass die Begriffe „Mann", „Frau" und „Geschlecht" im Gleichstellungsgesetz 2010 sich auf das biologische Geschlecht beziehen.

Bildungsministerin Jenny Gilruth begründete die Aktualisierung damit, die schottische Trans-Richtlinie für Schulen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Gleichzeitig betonte sie: „Es ist unerlässlich, dass Schulen die Bedürfnisse von Transgender-Schüler*innen im Licht ihrer lokalen Umstände, des Schulkontexts und der Notwendigkeit, die Rechte aller in Einklang zu bringen, berücksichtigen".

Gewerkschaft kritisiert: Gesundheit der Jugendlichen in Gefahr

Die schottische Lehrergewerkschaft EIS (Educational Institute of Scotland), die mehr als 80 Prozent des Lehrpersonals vertritt, reagierte alarmiert. Die Gewerkschaft erklärte, dass die Richtlinie „nicht ausreicht, um Klarheit und Zusicherung zu geben, dass die Rechte von transgender und nicht-binären Schüler*innen im aktuellen rechtlichen Kontext bewahrt werden".

Besonders beunruhigend sind die Berichte aus der Praxis: Generalsekretärin Andrea Bradley berichtete, dass das EIS nach den Sommerferien von transgender Jugendlichen erfuhr, die ihre Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme einschränken, um nicht die Schultoiletten benutzen zu müssen und damit das Risiko zu vermeiden, geoutet zu werden. Die Gewerkschaft befürchtet, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen einen „Zustand der Außergewöhnlichkeit für transgender Schüler*innen schaffen könnten, der möglicherweise zu Isolation und einer vom Schulalltag der Mitschüler*innen abweichenden Bildungserfahrung führt".

Ein bekanntes Phänomen mit schweren Folgen

Das Problem ist nicht neu. Eine Studie aus dem Jahr 2021 mit über 12.000 transgender und nicht-binären Jugendlichen ergab, dass 49 Prozent manchmal öffentliche Toiletten meiden und 22 Prozent sie immer vermeiden. 67 Prozent berichteten, dass sie sich „zurückhalten", wenn sie die Toilette benutzen müssen, und 38 Prozent verzichten auf Essen oder Trinken, um die Nutzung dieser Einrichtungen zu vermeiden.

Die gesundheitlichen Konsequenzen sind erheblich: Medizinische Fachgesellschaften warnen, dass Schüler*innen, die die Toilette meiden, medizinische Folgen erleiden können, darunter wiederkehrende Harnwegsinfektionen und Verstopfung sowie möglicherweise schwerwiegendere gesundheitliche Komplikationen wie Hämaturie und chronische Nierenerkrankungen. Studien zeigen zudem, dass transgender und nicht-binäre Jugendliche, die Toilettendiskriminierung erleben, einem erhöhten Risiko für depressive Verstimmungen und Suizidalität ausgesetzt sind.

Wie sieht es in Deutschland aus?

Im Gegensatz zu Schottland verfolgt Deutschland einen inklusiveren Ansatz. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellt klar: „Im Hinblick auf alle Toiletten und Umkleideräume müssen Lernende Zugang zu den Einrichtungen haben, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen". Rechtlich gesehen dürfen trans Mädchen die Mädchentoilette benutzen und trans Jungen die Jungentoilette – dies gilt auch für Umkleideräume.

Allerdings gibt es auch in Deutschland Diskussionen und unterschiedliche Praktiken. In Hamburg entschieden sich viele Schulen beim Bau neuer Gebäude für die Option von Unisex-Toiletten, während trotz der Erlaubnis von Unisex-Toiletten weiterhin getrennte Toiletten für das weibliche und männliche Geschlecht gestellt werden müssen, da diese gesetzlich vorgeschrieben sind.

Ein wichtiger Fortschritt ist das Selbstbestimmungsgesetz, das im November 2024 in Kraft trat. Das Gesetz erlaubt es transgender und nicht-binären Menschen, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Dies erleichtert auch die Situation in Schulen, wo Schüler*innen das Recht haben, im Schulalltag mit Namen und Pronomen angesprochen zu werden, die nach ihrer Ansicht mit ihrer geschlechtlichen Identität korrespondieren – auch vor einer amtlichen Personenstandsänderung.

Ein Aufruf zur Sensibilität

Die Situation in Schottland macht deutlich, wie wichtig ein sensibler Umgang mit den Bedürfnissen von trans Jugendlichen ist. Die schottische Regierung selbst erkennt in ihrer Richtlinie an, dass manche junge Menschen, einschließlich transgender Jugendlicher, ihre Flüssigkeitsaufnahme einschränken könnten, weil sie sich mit der Toilettennutzung unwohl fühlen.

Trans Kinder und Jugendliche brauchen Unterstützung bei wichtigen Fragen: Welche Toilette und Umkleide benutzen sie? Wie wird ihr Coming-out in der Schulklasse begleitet? Die deutschen Bildungsgewerkschaften betonen, dass trans, inter und nicht-binäre Schüler*innen eine besonders vulnerable Gruppe innerhalb der Schulgemeinschaft sind und darauf angewiesen sind, von ihren Lehrkräften Unterstützung zu erfahren.

Die Berichte aus Schottland sollten uns mahnen: Wenn rechtliche Regelungen dazu führen, dass Jugendliche Hunger und Durst in Kauf nehmen, um Diskriminierung zu vermeiden, läuft etwas grundsätzlich falsch. Es geht hier nicht nur um Toiletten – es geht um Würde, Gesundheit und das Recht auf Bildung in einem sicheren Umfeld.


Japan gewährt gleichgeschlechtlichen Paaren erweiterte rechtliche Absicherung – Ein schrittweiser Weg zur Gleichstellung

In einem bedeutsamen Schritt hat Japans Regierung gleichgeschlechtlichen Paaren erweiterte rechtliche Absicherung gewährt und erkennt sie nun als „faktische Ehen" in einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen an. Die Entscheidung, die im Oktober 2024 bekannt wurde, folgt auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom März 2024, die besagte, dass die Verweigerung der Ehegleichstellung für gleichgeschlechtliche Paare in Japan verfassungswidrig sei. Für viele LGBTQ+-Aktivist*innen in Japan ist dies ein ermutigendes Signal – doch die vollständige Gleichstellung bleibt weiterhin außer Reichweite. Die Entwicklungen in Japan erinnern an den Weg, den Deutschland vor Jahren gegangen ist.

Neun weitere Gesetze erkennen gleichgeschlechtliche Paare an

Die japanische Regierung hat beschlossen, gleichgeschlechtliche Paare in insgesamt neun weiteren Gesetzen und Verordnungen als faktische Ehen zu behandeln, darunter das Gesetz über Katastrophen-Beileidsbekundungen. Im Januar hatte die Regierung bereits beschlossen, gleichgeschlechtliche Partner*innen unter 24 Gesetzen und Verordnungen anzuerkennen, darunter das Gesetz zur Prävention häuslicher Gewalt, das Miet- und Grundstücksgesetz und das Gesetz über öffentlichen Wohnungsbau.

Doch es gibt Grenzen: Die Regierung vertritt weiterhin die Position, dass gleichgeschlechtliche Partner*innen nicht unter 120 Gesetze und Verordnungen fallen, darunter solche zu Steuern und Sozialversicherung. Dies bedeutet, dass gleichgeschlechtliche Paare in Japan trotz Fortschritten weiterhin erheblichen rechtlichen und finanziellen Nachteilen ausgesetzt sind.

Gerichtliche Siege häufen sich – doch die Politik zögert

Der Druck auf die japanische Regierung wächst seit Jahren. Im März 2024 entschied das Oberste Gericht in Sapporo, dass die Verweigerung des Rechts auf Ehe und die damit verbundenen Vorteile für gleichgeschlechtliche Paare einen Verstoß gegen das grundlegende Recht auf Gleichheit und Ehefreiheit darstelle. Eine ähnliche Entscheidung wurde vom Obersten Gericht in Tokio im Oktober desselben Jahres gefällt. Die Obergerichte in Nagoya und Osaka erklärten das Verbot im März 2025 ebenfalls für verfassungswidrig.

Diese juristischen Erfolge setzen das japanische Parlament, den Diet, und letztlich den Obersten Gerichtshof unter Druck, sich endgültig mit der Verfassungsmäßigkeit des Verbots der gleichgeschlechtlichen Ehe auseinanderzusetzen. In den letzten Jahren haben LGBTQ+-Aktivist*innen ihre Bemühungen verstärkt und mehrere Klagen zur Ehegleichstellung in verschiedenen Regionen Japans eingereicht.

Partnerschaftszertifikate als Kompromisslösung

Während die nationale Regierung zögert, haben lokale Behörden das Vakuum gefüllt. Hunderte von Kommunen im ganzen Land stellen Partnerschaftszertifikate aus, die gleichgeschlechtlichen Paaren bei der Wohnungssuche und bei anderen Formen der Diskriminierung helfen sollen. Bis März 2025 haben 423 Gemeinden und 31 der 47 Präfekturen in Japan ein „Partnerschafts-Eid-System" eingeführt, das gleichgeschlechtlichen Paaren einige begrenzte Vorteile bietet.

Paare erhalten ein spezielles Zertifikat, das bei Wohnungsangelegenheiten, Besuchsrechten im Krankenhaus und der Zustimmung zu medizinischen Eingriffen für Partner*innen nützlich sein kann. Allerdings: Das System ist nicht rechtsverbindlich, und es besteht keine gesetzliche Verpflichtung für Vermieter*innen oder Krankenhäuser, die Rechte von Paaren zu respektieren, selbst wenn ein Zertifikat vorgelegt wird.

Parallelen zu Deutschland: Der lange Weg zur Gleichstellung

Die Entwicklungen in Japan erinnern an Deutschlands eigenen Weg zur Eheöffnung. Von 2001 bis 2017 konnten gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen – eine Institution, die schrittweise immer mehr Rechte erhielt, jedoch nie vollständig der Ehe gleichgestellt war.

Von 2001 bis 2017 erkannte Deutschland eingetragene Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare an, deren Vorteile durch mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts schrittweise erweitert wurden, bis sie die meisten, aber nicht alle Rechte der Ehe umfassten. Erst nach jahrzehntelangem Aktivismus und zahlreichen Gerichtsurteilen wurde am 30. Juni 2017 im Bundestag mit 393 zu 226 Stimmen die Ehe für alle beschlossen, die am 1. Oktober 2017 in Kraft trat.

Heute zeigen Umfragen, dass 80% der Deutschen gleichgeschlechtliche Ehe unterstützen. Der gesellschaftliche Wandel, der in Deutschland stattgefunden hat, zeigt, dass rechtliche Gleichstellung auch kulturelle Veränderungen vorantreiben kann.

Japan als einzige G7-Nation ohne Ehegleichstellung

Japan ist derzeit das einzige G7-Land, das gleichgeschlechtliche Verbindungen national in keiner Form rechtlich anerkennt. Diese Position ist zunehmend unhaltbar geworden, besonders angesichts des wachsenden öffentlichen Drucks. Mehr als 92% der japanischen Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren sagen, dass Homosexualität von der Gesellschaft akzeptiert werden sollte, laut einem Bericht des Pew Research Center aus dem Jahr 2021.

Die Verfassung Japans definiert derzeit die Ehe als basierend auf „gegenseitigem Einvernehmen zwischen beiden Geschlechtern", eine Formulierung, die traditionell so interpretiert wurde, dass sie gleichgeschlechtliche Paare ausschließt. Doch wie die deutschen Erfahrungen zeigen, können Verfassungsinterpretationen sich ändern – durch mutigen Aktivismus, gesellschaftlichen Wandel und politischen Willen.

Der Kampf geht weiter

Die jüngsten Entwicklungen in Japan sind ein wichtiger Schritt vorwärts, doch die vollständige Gleichstellung bleibt ein fernes Ziel. Im März 2025 äußerte sich Kabinettssekretär Yoshimasa Hayashi zu den fünf Obergerichtsurteilen, die das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe als verfassungswidrig bezeichneten, und sagte: „All diese Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig, und wir werden die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs genau beobachten".

Für die LGBTQ+-Community in Japan bedeutet dies: Der Kampf geht weiter. Wie in Deutschland vor 2017 braucht es Geduld, Beharrlichkeit und den unermüdlichen Einsatz von Aktivist*innen, Anwält*innen und Verbündeten. Die Geschichte lehrt uns, dass Fortschritt möglich ist – aber er kommt selten ohne harte Arbeit.

Die erweiterte rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare in Japan ist ein Hoffnungsschimmer. Doch solange nicht die volle Ehegleichstellung erreicht ist, bleibt die Botschaft klar: Gleiche Liebe verdient gleiche Rechte – in Japan genauso wie überall auf der Welt.


Revolutionäre Hautzellenforschung: Können gleichgeschlechtliche Paare bald gemeinsame Kinder bekommen?

Ein bahnbrechender wissenschaftlicher Durchbruch in den USA könnte die Familienplanung für gleichgeschlechtliche Paare grundlegend verändern. Forscher der Oregon Health & Science University (OHSU) haben erstmals aus menschlichen Hautzellen funktionsfähige Eizellen entwickelt, die frühe menschliche Embryonen produzieren können – ein Fortschritt, der gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit bieten könnte, Kinder zu bekommen, die genetisch mit beiden Partnern verwandt sind. Diese Entwicklung, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature Communications, wirft sowohl in wissenschaftlicher als auch gesellschaftlicher Hinsicht wichtige Fragen auf – besonders für die deutsche LGBTQ+-Community.

Die Wissenschaft hinter dem Durchbruch

Die innovative Technik basiert auf der somatischen Zellkerntransplantation, bei der der Kern einer Hautzelle in eine Spendereizelle eingesetzt wird, deren eigener Kern entfernt wurde. Durch das Zytoplasma in der Spendereizelle wird der implantierte Hautzellkern dazu angeregt, die Hälfte seiner Chromosomen abzugeben – ähnlich wie bei der natürlichen Meiose. Die neue Eizelle wird dann durch Standard-IVF mit Spermien befruchtet. Dies führt zu einem diploiden Embryo mit zwei Chromosomensätzen, der theoretisch zu gesunden Nachkommen mit gleichmäßigen genetischen Beiträgen von beiden Elternteilen führen würde.

Professor Shoukhrat Mitalipov, Direktor des OHSU Center for Embryonic Cell and Gene Therapy, betont die Bedeutung dieser Errungenschaft: "Wir haben etwas erreicht, was als unmöglich galt." Die Natur habe uns zwei Methoden der Zellteilung gegeben, und sein Team habe nun eine dritte entwickelt.

Die Realität: Noch ein weiter Weg

Trotz des wissenschaftlichen Durchbruchs ist die Technik noch weit von einer klinischen Anwendung entfernt. Die Forscher berichteten, dass sie 82 funktionelle Eizellen produzierten, die dann durch IVF befruchtet wurden. Die meisten entwickelten sich jedoch nicht über das 4- bis 8-Zell-Stadium hinaus und wiesen Chromosomenanomalien auf. Nur etwa 9% entwickelten sich bis zum Blastozysten-Stadium sechs Tage nach der Befruchtung. Die Forscher erwarten, dass mindestens ein Jahrzehnt weiterer Forschung erforderlich sein wird, bevor der Ansatz als sicher oder wirksam genug für eine klinische Studie angesehen werden könnte.

Die Situation in Deutschland: Zwischen Hoffnung und rechtlichen Hürden

Während in den USA an dieser revolutionären Technologie geforscht wird, sieht die Situation für gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch in Deutschland deutlich anders aus. In Deutschland ist es derzeit nicht möglich, dass bei gleichgeschlechtlichen Paaren eine der Frauen das befruchtete Ei der Partnerin austrägt, da Ärzten die Übertragung einer fremden Eizelle auf eine Frau nicht erlaubt ist.

Die deutsche Gesetzgebung zur Embryonenforschung ist besonders restriktiv. Das 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz verbietet die Forschung mit frühen menschlichen Embryonen außerhalb des Körpers. Dasselbe Gesetz untersagt zudem die Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen. Das deutsche Stammzellgesetz hingegen erlaubt – unter bestimmten Voraussetzungen – den Import von im Ausland erzeugten embryonalen Stammzellen und deren Verwendung für hochrangige Forschungsziele.

Aktuelle Möglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland

Derzeit nutzen gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland hauptsächlich Samenspenden für ihre Familienplanung. Seit dem Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes am 01.07.2018 behandeln viele Kinderwunschzentren gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben oder verheiratet sind. Mittlerweile therapieren sie aber auch unverheiratete gleichgeschlechtliche Paare und alleinstehende Frauen.

Die finanzielle Unterstützung bleibt jedoch ein großes Problem. Das Bundesrecht sieht eine finanzielle Unterstützung bei Kinderwunschbehandlungen nur für verschiedengeschlechtliche Paare vor, die krankheitsbedingt ungewollt kinderlos sind. Voraussetzung für die Förderung ist, dass nur Ei- und Samenzellen des Ehepaars verwendet werden. Die Voraussetzung einer homologen Insemination macht eine Kostenübernahme für gleichgeschlechtliche Paare unmöglich.

Hoffnungsschimmer: Einzelne Bundesländer gehen voran

Einige Bundesländer haben begonnen, gleichgeschlechtliche Paare bei Kinderwunschbehandlungen zu unterstützen. Rheinland-Pfalz bietet seit dem 1. März 2021 als erstes Bundesland eine finanzielle Unterstützung für gleichgeschlechtliche weibliche Paare. Berlin, Bremen, das Saarland und Thüringen fördern seit Kurzem bei Fertilitätsstörungen ebenfalls gleichgeschlechtliche weibliche Paare anteilig. Bremen denkt als erstes Bundesland bei der Förderung auch ausdrücklich nicht-cisgeschlechtliche Personen mit.

Ethische Fragen und gesellschaftliche Diskussion

Die neue Forschung aus den USA wirft wichtige ethische Fragen auf, die auch in Deutschland diskutiert werden müssen. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger erklärte kürzlich: "Die Forschung an frühen Embryonen und anderen neuartigen Zellstrukturen aus dem Labor ist ein bedeutsames, aber auch kontroverses und ethisch herausforderndes Thema. Die Stellungnahmen aus der Wissenschaft sind eindeutig: Embryonenforschung ist wichtig, unsere Gesetze hierzu sind jedoch nicht mehr zeitgemäß. Deshalb müssen wir die Regelungen des Embryonenschutzgesetzes und des Stammzellgesetzes neu prüfen und bewerten."

Die Diskussion über die Zukunft der Reproduktionsmedizin in Deutschland ist besonders für die LGBTQ+-Community von großer Bedeutung. Während andere europäische Länder wie Großbritannien, Schweden und Belgien liberalere Regelungen haben, bleibt Deutschland bei der Embryonenforschung sehr restriktiv.

Was bedeutet das für queere Familien in Deutschland?

Die Entwicklungen in den USA zeigen, was wissenschaftlich möglich sein könnte – auch wenn die praktische Umsetzung noch Jahre entfernt ist. Für queere Menschen in Deutschland bedeutet dies vor allem eines: Die Diskussion über Reproduktionsrechte und Familienbildung muss intensiver geführt werden. Die OHSU-Forschung könnte ein wichtiger Katalysator für diese Debatten sein.

Paula Amato, Professorin für Geburtshilfe und Gynäkologie an der OHSU, fasst die Bedeutung zusammen: "Zusätzlich zur Hoffnung für Millionen von Menschen mit Unfruchtbarkeit würde diese Methode gleichgeschlechtlichen Paaren die Chance ermöglichen, ein Kind zu haben, das genetisch mit beiden Partnern verwandt ist."

Während Deutschland noch über die Reform seiner Gesetze diskutiert, arbeiten Wissenschaftler weltweit daran, neue Wege für alle Menschen zu schaffen, die sich eine Familie wünschen. Die Hautzellenforschung mag noch in den Kinderschuhen stecken, aber sie symbolisiert einen wichtigen Schritt in Richtung einer inklusiveren Zukunft der Familienbildung – eine Zukunft, in der die Liebe zwischen zwei Menschen und ihr Wunsch nach einem gemeinsamen Kind nicht durch biologische Grenzen eingeschränkt werden muss.

Die deutsche LGBTQ+-Community sollte diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen und sich aktiv in die Diskussion über die Zukunft der Reproduktionsmedizin einbringen. Denn nur durch offenen Dialog und politischen Druck können die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, dass solche wissenschaftlichen Durchbrüche auch queeren Familien in Deutschland zugutekommen.


Harvard-Dragstar sorgt für Aufruhr: Wie steht Deutschland zu queerer Wissenschaft?

Die renommierte Harvard University hat mit der Berufung von Kareem Khubchandani, besser bekannt als Drag Queen LaWhore Vagistan, für Schlagzeilen gesorgt. Die Ivy League Universität kündigte an, den Drag Performer als Gastprofessor für ihr Studies of Gender and Sexuality Programm zu engagieren. Die Original-Nachricht findet sich hier auf PinkNews. Doch während in den USA die Wogen hochschlagen, stellt sich die Frage: Wie positioniert sich Deutschland in der Debatte um queere Forschung und Lehre?

Ein akademischer Künstler mit Substanz

Khubchandani besitzt einen Bachelor-Abschluss in Soziologie und Anthropologie sowie einen Master und PhD in Performance Studies von der Northwestern University. Seine Forschung fokussiert sich auf die Schnittstellen zwischen queerem Nachtleben, globaler Politik, Ethnografie, der südasiatischen Diaspora und Drag. Mindestens sieben akademische Fachzeitschriften, darunter das Journal of Asian American Studies und Scholar and Feminist Online, haben Khubchandanis Arbeiten publiziert.

Der Name LaWhore Vagistan ist dabei bewusst gewählt: "Ich wählte 'LaWhore', weil meine Familie ihre Wurzeln in Pakistan hat: Lahore ist eine wichtige Stadt in Pakistan, und nun ja, ich bin ein bisschen eine Hure", erklärt Khubchandani. "Und Vagistan, weil ich den Subkontinent als eine große, schöne Vag ... istan sehe."

Der deutsche Blick auf Gender Studies

Während Harvard mit dieser Berufung international für Aufsehen sorgt, zeigt sich in Deutschland ein gespaltenes Bild. An deutschen, österreichischen und Schweizer Hochschulen existieren in 30 Fachgebieten 223 Professuren mit einer Denomination für Frauen- und Geschlechterforschung/Gender Studies. In Deutschland gibt es 146 Genderprofessuren an Universitäten und 50 an Fachhochschulen - fast doppelt so viele wie Professuren in Altphilologie.

Die Universität zu Köln bietet beispielsweise einen interdisziplinären Masterstudiengang Gender & Queer Studies an. Die Humboldt-Universität Berlin beheimatet eine Professur für Englische Literatur- und Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Gender und Queer Studies. Die Leuphana Universität Lüneburg organisierte 2024 einen "Gender, Queer and Transgender Studies Workshop" für Doktorand*innen in Kooperation mit der Duke University.

Drag-Kultur trifft deutsche Wissenschaft

Anders als in Harvard ist Drag als akademisches Forschungsfeld an deutschen Universitäten noch selten institutionalisiert. Drag hat in Deutschland eine lange Geschichte und ist untrennbar verbunden mit der widerständigen Geschichte von LSBTTIAQ+-Communities of Color, Travestie, Ballroom Culture, den Trümmer- und Polittunten, lesbischen Barszenen und queeren Menschenrechtsbewegungen.

Die TU Dortmund definiert Drag als "höchst diverse, ambivalente, kulturelle Form", die sowohl Ausdruck persönlicher Identität als auch künstlerische Performance sein kann. Die Kunst des Drags ist politisch motiviert, sie möchte traditionelle Geschlechterrollen hinterfragen und vorführen. Durch die überzeichnete Darstellung weiblicher Stereotypen provoziert eine Drag Queen, sie kritisiert und spielt mit den Normen unserer Gesellschaft.

Zwischen Anerkennung und Widerstand

Die Reaktionen auf Harvards Entscheidung spiegeln eine größere Debatte wider. Rechte Republikaner, einschließlich US-Präsident Donald Trump, haben Harvard kontinuierlich für ihre als "woke" wahrgenommenen Lehrpraktiken angegriffen. Im April kürzte Trump Milliarden Dollar an Bundesfinanzierung für die Universität, nachdem diese sich weigerte, ihre Diversity, Equality und Inclusion (DEI) Programme abzuschaffen.

Auch in Deutschland existiert diese Polarisierung. Während progressive Stimmen die Wichtigkeit von Gender Studies für eine inklusive Gesellschaft betonen, kritisieren konservative Kreise Gender Studies als "politischen Angriff auf die Wissenschaft und die Grundprinzipien einer pluralen rechtsstaatlichen Demokratie" und als "marxistische Unterwanderung der Universität".

Ein Blick nach vorn

Khubchandanis Berufung in Harvard ist mehr als eine akademische Personalentscheidung - sie ist ein Statement für die Anerkennung queerer Perspektiven in der Wissenschaft. Der Professor ist Autor von zwei Büchern, "Decolonise Drag" und "Ishtyle: Accenting Gay Indian Nightlife". Sein nächstes Buch, "Lessons in Drag: A Queer Manual for Academics, Artists, and Aunties", erscheint im Oktober 2025.

Während deutsche Universitäten bei der Integration von Drag-Performance in die akademische Lehre noch zurückhaltend sind, zeigt die breite Verankerung der Gender Studies an Institutionen wie der HU Berlin oder der Ruhr-Universität Bochum, dass queere Perspektiven durchaus ihren Platz in der deutschen Wissenschaftslandschaft haben.

Die Frage ist nicht, ob queere Forschung und Kunst einen Platz an Universitäten verdienen - sondern wie wir als Gesellschaft mit der Vielfalt wissenschaftlicher Perspektiven umgehen wollen. LaWhore Vagistans Gastprofessur in Harvard mag provozieren, doch sie öffnet auch Türen für Dialoge über Geschlecht, Identität und die Grenzen akademischer Traditionen - Themen, die in Deutschland ebenso relevant sind wie jenseits des Atlantiks.


Der Fall Liebich: Wie Rechtsextreme das Selbstbestimmungsgesetz für ihre Hetze missbrauchen

Die rechtsextreme Person Marla Svenja Liebich, die bis zum 29. August eine Haftstrafe in der JVA Chemnitz hätte antreten sollen, soll laut neuen Berichten das Justizministerium von Sachsen-Anhalt vor dem geplanten Haftantritt über die Flucht informiert haben. Liebich, die nach einer Änderung des Geschlechtseintrags Anfang 2025 unter dem neuen Selbstbestimmungsgesetz nun Marla-Svenja heißt, war wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einem Jahr und sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden.

Eine kalkulierte Provokation gegen trans* Menschen

Vermutlich war Liebich nicht schon seit langem transident und hat sehnlichst darauf gewartet, nach Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes endlich den amtlichen Geschlechtseintrag mit der eigenen Geschlechtsidentität in Einklang zu bringen. Liebich war vermehrt über frühere Ausfälle gegen transidente Personen aufgefallen - 2022 störte die Person beispielsweise den CSD Halle und rief Teilnehmenden zu: "Ihr seid Parasiten dieser Gesellschaft!" Auf Social Media fragte Liebich die digitale Gefolgschaft wenige Tage nach dem Erhalt der Ladung: "Ob man wisse, wie es sich anfühlt, ein ganzes System zu ficken".

Die extreme Rechte nutzt den Fall nun gezielt, um gegen das Selbstbestimmungsgesetz mobil zu machen. Rechtsextreme und transfeindliche Milieus inszenieren Liebichs Aktion als "Beleg" dafür, dass das Selbstbestimmungsgesetz angeblich Tür und Tor für Missbrauch öffne - es scheint das Paradebeispiel, auf das trans-Feind*innen schon lange gewartet haben.

Das Selbstbestimmungsgesetz: Ein Menschenrecht unter Beschuss

Im April 2024 wurde das diskriminierende und in weiten Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz vom Selbstbestimmungsgesetz abgelöst - ab dem 1. November 2024 können trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen durch eine eigene Erklärung beim Standesamt ihren Namen, Personenstand und Geschlechtseintrag ändern. Deutschland folgt damit dem Beispiel von Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay, Spanien, Finnland, Schweiz, Brasilien, Kolumbien und Ecuador, die bereits ähnliche Gesetze verabschiedet haben.

Die Erfahrungen anderer Länder wie Dänemark, Portugal und der Schweiz zeigen, dass kein Fall einer Änderung des Geschlechtseintrags aus betrügerischen oder kriminellen Absichten bekannt geworden ist. Das SBGG bezweckt Vereinfachungen, verzichtet grundsätzlich auf eine Wahrhaftigkeitsüberprüfung des Antrags durch das Standesamt - aber eindeutige Missbrauchsfälle zwingen das Standesamt nicht dazu, dem Antrag Folge zu leisten, im Gegenteil.

Die Realität von trans* Menschen in Deutschland

Während rechte Hetzer*innen den Einzelfall Liebich instrumentalisieren, bleibt die Lebensrealität von trans* Menschen in Deutschland bedrückend. Die FRA-Studie aus 2024 verdeutlicht das schockierende Ausmaß: 65% der trans* Frauen in Deutschland berichteten von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten, und nur 19% aller trans* Personen glaubt, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz wirksam bekämpft.

Im Jahr 2023 wurden 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen erfasst (2022: 1.188), darunter Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen mit 212 Opfern bei Gewalttaten. Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht, wobei die Dunkelziffer weiterhin hoch ist.

Besonders alarmierend: Lediglich 8% der trans* Frauen haben den letzten physischen Angriff bei der Polizei angezeigt - 53% der trans* Frauen haben kein Vertrauen in die Polizei, 45% glaubten nicht, dass eine Anzeige etwas bringen würde. Trans* Personen erleben überdurchschnittlich viel Hass und Gewalt - laut einer Studie haben 66% der trans* Personen in Berlin in den letzten fünf Jahren Gewalterfahrungen gemacht, 80% davon in den Sozialen Medien, und sie erfahren überdurchschnittlich viel Mobbing in Schule, Ausbildung, Beruf und in der eigenen Familie.

Politische Instrumentalisierung statt Problemlösung

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat Liebich einen Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes vorgeworfen: "Der Geschlechterwechsel scheint hier eindeutig ein Missbrauchstatbestand zu sein". Dobrindt fordert, dass man sich einer Debatte stellen müsse, "dass hier Missbrauchsmöglichkeiten ganz offensichtlich durch dieses Gesetz gegeben sind", und bringt eine mögliche Änderung des von der Ampel-Koalition verabschiedeten Gesetzes ins Gespräch.

Die SPD hält dagegen: "Mit der SPD wird es keine Änderungen am Selbstbestimmungsgesetz geben", sagt die rechtspolitische Sprecherin Carmen Wegge - höchstens Verbesserungen bei der rechtlichen Stellung von trans-, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen würden unterstützt: "Es wird wegen einer Person keine Rolle rückwärts geben".

Der Schutz vor Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes besteht bereits - die Vorstellung, cis Männer nutzten das Gesetz, um in sichere Frauenräume einzudringen, ist eine Nebelkerze, denn cis Männer verüben Gewalt an Frauen, ganz ohne sich davor einen bürokratischen Stempel abgeholt zu haben.

Die wahre Gefahr: Zunehmende Trans*feindlichkeit

Laut der kürzlich erschienenen Leipziger Autoritarismus Studie 2024 sind trans*feindliche Einstellungen in Deutschland weit verbreitet. Das Trans Murder Monitoring zählt 2024 weltweit 350 Morde - eines der drei tödlichsten Jahre für trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Personen seit 2008, was eine Folge der konzertierten Bemühungen von Anti-Gender- und Anti-Menschenrechts-Bewegungen ist, die trans* Personen instrumentalisieren und verunglimpfen.

Die Staaten müssen sich zu sofortigem Handeln verpflichten, um der Zunahme von trans*feindlicher Hassrede und Angriffen entgegenzuwirken - "Dass alle Menschen Menschenrechte verdienen und sie auch brauchen, muss unsere Handlungen leiten. Die extreme Rechte nutzt Trans*feindlichkeit, um sich in der Mitte der Gesellschaft auszubreiten", warnen Expert*innen.

Ein Blick über die Grenzen: Deutschland im europäischen Vergleich

Das deutsche Selbstbestimmungsgesetz reiht sich in eine internationale Bewegung ein. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats forderte bereits 2015 die EU-Mitgliedstaaten auf, einfache, unbürokratische Verfahren zu schaffen, damit trans Personen ohne Gerichtsurteile, Zwangsbegutachtungen oder andere Nachweise ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern lassen können. Portugal beschloss 2018 ein Gesetz für Personen ab 16 Jahren, Spanien folgte 2022 mit einem ähnlichen Gesetz, das die bisherige Notwendigkeit einer medizinischen Diagnose oder Hormontherapie aufhebt.

Vorbild ist seit 2012 Argentinien, das als erstes Land weltweit ein Selbstbestimmungsgesetz verabschiedete und sogar eine Quote einführte, nach der ein Prozent der Arbeitsplätze in Behörden mit trans Personen besetzt sein sollen.

Fazit: Solidarität statt Spaltung

Der Fall Liebich zeigt einmal mehr, wie die extreme Rechte versucht, marginalisierte Gruppen gegeneinander auszuspielen und demokratische Errungenschaften zu untergraben. Liebichs Posse diffamiert vor allem trans Frauen und knüpft an ein bekanntes Muster an: Sie sollen als grundsätzlich gefährlich, kriminell oder übergriffig erscheinen, ihre Existenz grundlegend infrage gestellt werden.

Die LGBTQ+-Community und ihre Verbündeten müssen jetzt zusammenstehen. Das Selbstbestimmungsgesetz ist kein Einfallstor für Missbrauch, sondern ein längst überfälliger Schritt zur Anerkennung der Menschenwürde von trans*, inter* und nicht-binären Menschen. Statt auf die Provokationen einzelner Rechtsextremer einzugehen, sollte die Gesellschaft sich auf den Schutz und die Unterstützung derjenigen konzentrieren, die täglich unter Diskriminierung und Gewalt leiden.

Die wahre Gefahr geht nicht vom Selbstbestimmungsgesetz aus, sondern von denjenigen, die es nutzen, um Hass zu säen und demokratische Werte zu untergraben. Es ist Zeit, dass Deutschland - wie viele andere Länder vor uns - trans* Menschen die Würde und den Respekt entgegenbringt, die ihnen als Mitmenschen zustehen.


Wenn Scham zur tödlichen Waffe wird: Der Fall Justin R. und die Gefahr internalisierter Homophobie

Ein tragischer Fall aus Schleswig-Holstein wirft ein grelles Licht auf die gefährliche Verbindung zwischen internalisierter Homophobie und Gewalt. Wie der Originalartikel berichtet, steht der 21-jährige Justin R. vor dem Landgericht Itzehoe wegen Mordes an einem Grindr-Date vor Gericht. Der Fall offenbart die zerstörerische Kraft von Selbsthass und gesellschaftlicher Stigmatisierung.

Die doppelte Tragödie

Am 22. Januar wurde der 56-jährige Jörg M. in der Wohnung des Angeklagten erstochen. Was die Freunde des Täters vor Gericht aussagten, ist erschütternd: Justin R. soll hoch verschuldet gewesen sein und erfand eine Geschichte über eine wohlhabende Frau namens "Larissa", um seine finanziellen Probleme und die sexuellen Kontakte zu verschleiern.

Besonders aufschlussreich ist die Aussage der Freunde, dass der Angeklagte sich für homosexuelle Kontakte geschämt hätte, wenn diese im Freundeskreis bekannt geworden wären. Diese Scham – ein klassisches Zeichen internalisierter Homophobie – kann verheerende Folgen haben.

Internalisierte Homophobie: Der Feind im eigenen Inneren

Internalisierte Homophobie bezeichnet negative Gefühle, Gedanken oder Verhaltensweisen gegenüber der eigenen Homosexualität, die oft unbewusst sind. Betroffene erleben einen inneren Konflikt zwischen gesellschaftlichen Normen und ihren eigenen Gefühlen. Typisch sind Minderwertigkeitsgefühle, das Gefühl, als Person falsch und weniger wert zu sein, sowie Angst vor Zurückweisung, Selbstablehnung bis hin zu Selbsthass, Scham, Depressionen, Angststörungen und in extremen Fällen Suizidalität.

Die häufigsten Gefühle des Menschen mit internalisierter Homophobie sind Angst und Scham. Angst vor seinem Leben wegen gesellschaftlicher Vorurteile und Scham, weil er das Gefühl hat, nicht zum aktuellen System zu gehören. Diese toxischen Gefühle können sich gegen die eigene Person richten – oder wie im Fall von Justin R. möglicherweise nach außen gewendet werden.

Gesellschaftliche Stigmatisierung als Nährboden

Deutschland gilt als fortschrittlich in LGBTQ+-Rechten, doch die Realität zeigt ein anderes Bild. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 17.007 Fälle von Hasskriminalität erfasst. Davon richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen – ein besorgniserregender Anstieg. Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.

45% der Teilnehmenden einer Befragung in Baden-Württemberg wurden in den letzten 12 Monaten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität diskriminiert. Drei von vier befragten LSBTIQ*-Personen haben in diesem Zeitraum Gewalt gegen sich oder ihre Gleichbehandlung erfahren.

Die Gefahr von Dating-Apps in einer homophoben Gesellschaft

Dating-Apps wie Grindr bieten LGBTQ+-Menschen wichtige Räume für Kontakte und Beziehungen. Doch sie bergen auch Risiken, besonders für Menschen, die ihre Sexualität verheimlichen. Verheimlichungsstress ist enorm belastend und eine der am schwersten zu ertragenden Stressarten.

Der Fall Justin R. ist nicht einzigartig. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 222 vollendete Morde polizeilich erfasst. Die Zahl der Mordfälle stieg das zweite Jahr in Folge. Während die meisten Morde andere Hintergründe haben, zeigt dieser Fall die besondere Vulnerabilität der LGBTQ+-Community.

Was können wir tun?

Die Lösung liegt nicht nur in besseren Sicherheitsvorkehrungen bei Dating-Apps, sondern in gesellschaftlichem Wandel. 44 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, Homosexuelle sollten aufhören, "so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen". Diese subtilen Formen der Homophobie schaffen ein Klima, in dem sich Menschen für ihre Sexualität schämen.

  • Aufklärung und Sensibilisierung in Schulen und Bildungseinrichtungen
  • Psychologische Unterstützung für Menschen mit internalisierter Homophobie
  • Stärkung von LGBTQ+-Beratungsstellen
  • Konsequente Verfolgung von Hasskriminalität
  • Förderung positiver LGBTQ+-Rollenbilder in Medien und Gesellschaft

Ein Appell an die Community

Dieser Fall sollte uns alle wachrütteln. Er zeigt, dass internalisierte Homophobie nicht nur die Betroffenen selbst zerstört, sondern auch andere gefährdet. Jeden Tag werden in Deutschland Menschen angegriffen, bloß weil sie lieben, wie sie lieben oder sind wie sie sind. LSBTIQ* bleiben eine verwundbare gesellschaftliche Gruppe.

Für die LGBTQ+-Community bedeutet das: Wir müssen aufeinander achten. Wir müssen sichere Räume schaffen, in denen Menschen ihre Sexualität ohne Scham leben können. Und wir müssen jene unterstützen, die noch mit ihrer eigenen Identität kämpfen.

Der Tod von Jörg M. ist eine Tragödie, die niemals hätte passieren dürfen. Justin R. wird sich vor Gericht für seine Tat verantworten müssen. Doch als Gesellschaft müssen wir uns fragen: Welche Rolle spielen wir dabei, wenn Menschen ihre eigene Sexualität so sehr hassen, dass daraus tödliche Gewalt wird?

Die Antwort liegt in mehr Akzeptanz, mehr Sichtbarkeit und weniger Scham. Nur so können wir verhindern, dass sich solche Tragödien wiederholen.