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Britisches Urteil spaltet Deutschland: Was bedeutet "biologisches Geschlecht" fĂĽr trans Menschen?

Ein aktuelles Urteil des britischen Supreme Courts zur Definition von Geschlecht im Gleichstellungsgesetz sorgt auch in Deutschland für intensive Debatten. Oscar Davies, Großbritanniens erste nicht-binäre Anwaltsperson, warnt davor, dass die Entscheidung missverstanden und zur Ausgrenzung von trans Menschen missbraucht werden könnte. Die Diskussion wirft ein Schlaglicht auf ähnliche Konflikte in Deutschland, wo das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen seit dem 1. November 2024 erleichtert, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen.

Das umstrittene Urteil und seine Interpretation

Im April entschied der britische Supreme Court im Fall FWS v Scottish Ministers, dass sich die Definition von "Geschlecht" im Equality Act 2010 auf das "biologische Geschlecht" bezieht. Was auf den ersten Blick wie ein RĂĽckschlag fĂĽr trans Rechte aussieht, ist laut Davies jedoch komplexer. Die Anwaltsperson betont, dass das Gericht explizit davor warnte, das Urteil als "Triumph einer Gruppe ĂĽber eine andere" zu interpretieren.

Davies' zentrale Kritik: Die britische Equality and Human Rights Commission (EHRC) und andere Organisationen würden das Urteil falsch auslegen. "Die Bestimmungen sind erlaubend, nicht ausschließend", erklärt Davies. Trans Menschen könnten weiterhin geschlechtsspezifische Räume nutzen – ein Ausschluss müsse im Einzelfall verhältnismäßig begründet werden und dürfe nicht automatisch erfolgen.

Parallelen zur deutschen Rechtslage

Die britische Debatte spiegelt sich in aktuellen deutschen Kontroversen wider. Das Bundesverfassungsgericht hat in Deutschland in einer langen Rechtsprechung ein Recht auf Anerkennung der geschlechtlichen Identität als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgesichert, das auch für trans* und inter* Personen gilt. Mit der Einführung der sogenannten dritten Option "divers" im Jahr 2018 gehört Deutschland zu den wenigen Staaten weltweit, die die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern offiziell anerkennen und nimmt damit international eine Vorreiterrolle ein.

Besonders brisant zeigt sich die Thematik bei der Nutzung geschlechtsspezifischer Räume. Ein aktueller Fall aus Erlangen verdeutlicht den Konflikt: Eine trans Frau wurde von einem Frauenfitnessstudio abgewiesen, obwohl sie angeboten hatte, beim Duschen eine Badehose zu tragen oder ganz auf das Duschen vor Ort zu verzichten. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, schaltete sich ein und sieht in dem Fall eine Persönlichkeitsverletzung.

Die rechtliche Grauzone: Toiletten und Umkleiden

In Deutschland zeigt sich die Komplexität besonders bei der Gestaltung von Sanitärräumen. Die Arbeitsstättenverordnung verlangt bisher, dass Toilettenräume für Männer und Frauen getrennt einzurichten sind oder eine getrennte Nutzung zu ermöglichen ist. Diese Regelung, die zwingend und ausschließlich die beiden binären Geschlechter berücksichtigt, verstößt nach Ansicht von Aktivist*innen gegen die Rechte nicht-binärer Menschen und ist daher verfassungswidrig.

Vorreiter zeigen bereits Lösungen auf: Ende Oktober 2015 führte der AStA der Universität Kassel für eine Woche sogenannte "All Gender Welcome-Toiletten" ein, bei denen die WC-Beschriftungen von "Männer" und "Frauen" in "Sitz- und Stehklos" geändert wurden. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind "Unisex-Toiletten" grundsätzlich zulässig und könnten bei Bedarf zusätzlich zur vorgegebenen Mindestanzahl von Toiletten bereitgestellt werden.

Die unsichtbare Mehrheit: Nicht-binäre Menschen in Deutschland

Davies' Kritik am britischen Urteil hat besondere Relevanz für Deutschland, wo schätzungsweise 200.000 nicht-binäre Personen leben, die sich als non binary, agender oder genderqueer definieren, wobei etwa 0,1% der Bevölkerung, also ca. 80.000 Menschen, intersexuell sind. Diese Menschen fallen oft durch das Raster binärer Rechtssysteme.

"Es ist erniedrigend als Jurist*in, vom Gesetz nicht anerkannt zu werden, das ich täglich anwende", sagt Davies über die fehlende Anerkennung nicht-binärer Identitäten. Diese Kritik trifft auch auf Deutschland zu, wo trotz Fortschritten viele Rechtsbereiche weiterhin nur männlich und weiblich kennen.

Diskriminierung als Alltag

Die praktischen Auswirkungen zeigen sich deutlich: Verschiedene Studien aus den USA zeigen, dass trans* Personen in vielen Fällen komplett vermeiden, in der Öffentlichkeit etwa ein binäres WC oder eine binäre Umkleide zu benutzen. Auch in Deutschland sind dem Bundesverband trans mehrere Fälle bekannt, in denen sich trans* Personen aus Angst vor Diskriminierung lieber gar nicht erst im Fitnessstudio anmelden.

79,8% der befragten trans* und nicht-binären Personen berichten laut einer aktuellen Studie der Deutschen Aids-Hilfe und des Robert-Koch-Instituts, dass in den letzten zwölf Monaten über sie mit einem falschen Pronomen gesprochen wurde oder sie mit einem Namen angesprochen wurden, den sie nicht mehr nutzen.

Der Weg nach vorn: Dialog statt Ausgrenzung

Davies plädiert für einen differenzierten Umgang mit dem Thema: "Das Gleichstellungsgesetz soll ein Schutzschild sein, kein Schwert. Es geht nicht darum, Menschen anzugreifen oder Rechte zu entziehen." Diese Perspektive ist auch für Deutschland relevant, wo mit der Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes am 12. April 2024 jegliche Fremdbegutachtung durch ein selbstbestimmtes Verfahren mittels Erklärung beim Standesamt ersetzt wurde.

Die Lösung liegt laut Expert*innen nicht in starren Regeln, sondern in flexiblen Ansätzen. Die Einrichtung von Unisex-Toiletten kann neben dem Abbau von Diskriminierungspotential für trans*, inter* und nicht-binäre Personen auch für andere Personengruppen wie Väter mit Kindern Vorteile haben und die Nutzung zeiteffizienter machen.

Ein Appell an die Solidarität

Davies' abschließender Appell richtet sich an die gesamte Gesellschaft: "Wenn mehr Menschen ihre Stimme erheben würden, hätten diejenigen, die sich exponieren, weniger Verantwortung zu tragen. Ich spreche nicht nur von trans Menschen, sondern auch von Verbündeten."

Die Vorstellung, trans Menschen würden Frauenräume gefährden, bezeichnet Davies als "absurd". Vielmehr gehe es darum, allen Menschen Würde und Respekt entgegenzubringen – eine Forderung, die in Zeiten zunehmender Polarisierung wichtiger denn je erscheint.

Die Debatte zeigt: Sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland stehen Gesellschaft und Rechtssystem vor der Herausforderung, geschlechtliche Vielfalt anzuerkennen und zu schützen, ohne dabei die Bedürfnisse verschiedener Gruppen gegeneinander auszuspielen. Der Weg zu echter Gleichberechtigung erfordert Dialog, Verständnis und den Mut, überholte binäre Strukturen zu hinterfragen.


Trumps Flaggen-Fantasien und Deutschlands wackelnde Selbstbestimmung: Die transatlantische Welle der Queerfeindlichkeit

Die verwirrenden und widersprüchlichen Meldungen über ein angebliches Attentat auf den rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk offenbaren ein tieferliegendes Problem: Wie die aktuelle Berichterstattung zeigt, werden fiktive Gewaltakte und erfundene Narrative genutzt, um gegen queere Menschen Stimmung zu machen. US-Präsident Donald Trump hat laut einem Bericht des "Washington Free Beacon" am Montag eine "Ein-Flaggen-Politik" umgesetzt, wonach an Bundes-Regierungsgebäuden fortan nur noch die amerikanische Fahne gehisst werden darf. Damit wären andere Banner wie die Regenbogenfahne oder die Black-Lives-Matter-Flagge künftig verboten.

Trumps neue Flaggenpolitik: Ein Symbol der Ausgrenzung

In dem Erlass heißt es wörtlich: "Ab sofort dar nur noch die Fahne der Vereinigten Staaten von Amerika an US-Einrichtungen gezeigt werden, sowohl im Inland als auch im Ausland." Ausnahmen gibt es demnach nur in Gebäuden des Außenministeriums, also etwa Botschaften. Hier dürften weiter Fahnen für Kriegsgefangene und unrechtmäßig inhaftierte Menschen gehisst werden, alle anderen seien untersagt. Mitarbeiter*innen, die sich nicht an das Verbot hielten, müssten mit Disziplinarmaßnahmen bis hin zur fristlosen Kündigung rechnen.

Die Symbolik dieser Entscheidung ist verheerend. Das Hissen der Regenbogenfahne an US-Botschaften wurde auch immer wieder von autoritären Regimen kritisiert, etwa von Moskau oder Peking. Wie die Republikaner sehen beide Länder queere Sichtbarkeit als Gefahr an in Russland gibt es Gesetze gegen LGBTI-Propaganda, China verbietet die Darstellung queerer Menschen in den Medien. Trump reiht sich damit in eine internationale Allianz der Queerfeindlichkeit ein.

Die Eskalation der Anti-Trans-Politik

Besonders alarmierend sind die aktuellen Angriffe auf Trans-Rechte in den USA. Die Trump-Administration greift die Grundfreiheiten von trans Menschen unerbittlich an. Nun schlagen die Behörden Änderungen vor, die trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen den korrekten Geschlechtseintrag im Pass verweigern würden. Stattdessen fordern sie, das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht einzutragen.

Der Order states that the US government will recognize only two sexes, male and female, that are fixed at birth, and orders government agencies to end all reference to and consideration of a person's gender identity. This sweeping redefinition threatens federal programs used by transgender people and impacts federal documentation such as passports, which can currently reflect the gender identity of transgender and nonbinary people.

Die praktischen Konsequenzen sind dramatisch: Ohne einen Reisepass oder einen anderen, von der Regierung ausgestellten Ausweis, der widerspiegelt, wer sie tatsächlich sind, bekommen trans und nicht-binäre Menschen Schwierigkeiten mit einfachen Handlungen wie der Eröffnung eines Bankkontos, dem Besuch von Konzerten, dem Einchecken in ein Hotel, der Anmeldung in einer Schule, dem Reisen mit dem Flugzeug und vielem mehr. Darüber hinaus werden diese Maßnahmen trans Personen dazu zwingen, sich zu outen, wenn sie einen Ausweis vorzeigen, was trans Menschen aus dem öffentlichen Leben verdrängt und sie der Gefahr von Belästigung, Diskriminierung und sogar Gewalt aussetzt.

Deutschland: Vom Fortschritt zum RĂĽckschritt?

Während in den USA die Rechte von trans Menschen demontiert werden, steht auch Deutschland an einem kritischen Wendepunkt. Am 1. November tritt das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen können jetzt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern lassen. Doch dieser historische Fortschritt ist bereits in Gefahr.

Wie der Tagesspiegel berichtet, ist das neue Selbstbestimmungsgesetz gerade einmal sechs Wochen in Kraft. Doch es soll, wenn es nach der Union geht, wieder abgeschafft werden. Das haben CDU und CSU in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm fĂĽr die Bundestagswahl festgelegt.

Als Gegner des Selbstbestimmungsgesetzes gilt auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Es gebe einen staatlichen Schutzauftrag insbesondere für Kinder und Jugendliche, sagte Merz etwa im September 2023 beim Bundesdelegiertentag der Frauen Union. Es dürfe nicht in der Beliebigkeit von Eltern und Kindern liegen, „das einfach mal eben so neu zu entscheiden und dies möglicherweise fast jedes Jahr", sagte Merz. Das Geschlecht sei nicht ein rein soziales Konstrukt, und es sei nicht beliebig und frei wählbar.

Die realen Auswirkungen der Transphobie

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die FRA-Studie zur Lage von LGBTIQ in Europa und Deutschland aus dem Jahr 2024 verdeutlicht das schockierende Ausmaß der Diskriminierung, der trans* Personen ausgesetzt sind. In Deutschland berichteten 65 % der trans* Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten. Und nur 19 % aller trans* Personen glaubt, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ*-Personen wirksam bekämpft.

Noch erschreckender: Das Projekt "Transrespect versus Transphobia Worldwide" dokumentiert Morde an trans* Personen. In den Jahren 2008 bis 2023 wurden weltweit 4.690 Morde an trans* Personen bekannt, 107 in der EU und drei in Deutschland. Besonders häufig betroffen sind BPoCs und trans* Frauen. So waren 2023 fast alle Opfer (94%) trans* Frauen und die große Mehrheit nicht-weiße Personen (80%).

Wie watson berichtet, warnen Aktivist*innen eindringlich vor den Konsequenzen: Während Friedrich Merz angibt, mit der Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes vermeintlich Jugendliche schützen zu wollen, ist die Realität eine ganz andere. Jugendliche trans Personen sind – gerade wenn ihnen Selbstbestimmung verwehrt wird – besonders stark Suizid gefährdet, oder leiden an psychischen Erkrankungen. Trans Personen sind aufgrund dessen, dass ihnen Selbstbestimmung verwehrt wird, vermehrter Stigmatisierung und Ausgrenzung ausgesetzt.

Die internationale Dimension: Ein globaler Rollback

Schon seit dem Wahlausgang haben trans Aktivist_innen vor einem solchen Szenario gewarnt und rieten trans Menschen, ihren Geschlechtseintrag vor Trumps Amtseintritt zu ändern, weil es danach wohl nicht mehr möglich sein würde. Diese Befürchtungen hört man übrigens auch hier in Deutschland hinsichtlich des Selbstbestimmungsgesetzes – obwohl erst vor wenigen Monaten in Kraft getreten, bereits jetzt ein Dorn im Auge von rechtskonservativen Politiker_innen wie Friedrich Merz. Merz etwa macht Wahlkampf mit der Ansage, das Gesetz wieder abschaffen zu wollen. Merz aber reiht sich damit in einen globalen und gesamtgesellschaftlichen Trend ein. Die Stimmung gegen die „Genderideologie" ist nicht neu, doch der Backlash hat sich in den letzten Jahren rasant zugespitzt.

Die transatlantische Allianz der Queerfeindlichkeit zeigt sich auch in der Rhetorik: The order also pledges to withhold federal funding from any programs that promote "gender ideology," echoing language used by right-wing movements across Europe and Latin America to oppose not only recognition of transgender people but broader sexual and reproductive rights.

Was auf dem Spiel steht

Wie Human Rights Watch warnt, geht es um mehr als Symbolpolitik: Worryingly, it instructs agencies to house transgender people in detention according to their sex assigned at birth, putting them at extreme risk of physical and sexual violence, and to withhold gender-affirming care in prisons, which can amount to cruel, inhuman, and degrading treatment.

In Deutschland mobilisiert sich die queere Community bereits gegen die drohende Abschaffung. Julia Monro ist besorgt. Die trans Frau, die Aktivistin und unter anderem im Vorstand des Verbands Queere Vielfalt (ehemals LSVD) ist, hat seit einigen Wochen immer wieder beängstigende Gedanken: Dass Friedrich Merz und die CDU sie dazu zwingen, ihre Transition rückgängig zu machen. „Ich habe eigentlich immer einen ruhigen, ausgeglichenen Schlaf, aber neuerdings begleiten mich die politischen Ereignisse in die Nacht." Umso größer war die Erleichterung in der Community, als das SBGG endlich in Kraft trat. „Doch der ganze Fortschritt könnte rückgängig gemacht werden, nun, da Friedrich Merz Kanzler wird", sagt Monro.

Die Parallelen zwischen den USA und Deutschland sind unübersehbar. In beiden Ländern nutzen konservative Kräfte erfundene Bedrohungsszenarien und konstruierte Ängste, um gegen die Selbstbestimmung von trans Menschen zu mobilisieren. Wir schaffen das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel wieder ab. Der Jugendschutz und das Erziehungsrecht der Eltern dürfen nicht untergraben werden. - so steht es schwarz auf weiß im Wahlprogramm der Union.

Der Kampf um die Menschenrechte geht weiter

Was wir gerade erleben, ist kein isoliertes Phänomen, sondern Teil einer koordinierten internationalen Kampagne gegen queere Menschen. Von Trumps Flaggenverbot über die geplanten Pass-Änderungen bis hin zu Merz' Abschaffungsplänen - die Muster sind identisch: Unter dem Deckmantel des "Kinderschutzes" werden fundamentale Menschenrechte demontiert.

Die Botschaft aus beiden Seiten des Atlantiks ist klar: Trans Menschen sollen unsichtbar gemacht, aus dem öffentlichen Leben gedrängt und ihrer Würde beraubt werden. Doch die Geschichte lehrt uns, dass solche Rückschritte niemals von Dauer sind. Die queere Community hat schon härtere Zeiten überstanden und wird auch diese Welle der Repression überstehen - gestärkt durch internationale Solidarität und den unbeugsamen Willen zur Selbstbestimmung.

Die kommenden Monate werden entscheidend sein. In Deutschland steht mit der Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung an. Werden wir den Weg der Gleichberechtigung weitergehen oder uns von populistischen Ängsten treiben lassen? Die Antwort darauf wird nicht nur über das Schicksal des Selbstbestimmungsgesetzes entscheiden, sondern darüber, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen - einer, die Vielfalt feiert, oder einer, die sie unterdrückt.


Alarmierende Gewalt gegen intergeschlechtliche Menschen: EU-Bericht zeigt erschreckende Realität

Die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) schlägt Alarm: Intergeschlechtliche Menschen in Europa sind zunehmend Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Der am Mittwoch veröffentlichte Bericht der Wiener Behörde basiert auf einer umfassenden Online-Umfrage unter 1.920 intergeschlechtlichen Menschen aus 27 EU-Staaten und drei Westbalkanländern. Die Ergebnisse sind erschütternd und werfen ein grelles Licht auf die Lebensrealität einer oft übersehenen Minderheit – auch hier in Deutschland.

Jede dritte Person von Gewalt betroffen

Die Ergebnisse lassen erkennen, dass LSBTIQ-Personen mehr Gewalt, Belästigung und Mobbing ausgesetzt sind als zuvor. Besonders alarmierend: Eine von fünf Transgender- bzw. intersexuellen Personen hat körperliche oder sexuelle Übergriffe erfahren – das sind doppelt so viele wie in anderen LGBTI-Gruppen. Dies stellt einen dramatischen Anstieg im Vergleich zur vorherigen Umfrage aus dem Jahr 2019 dar.

FRA-Direktorin Sirpa Rautio findet deutliche Worte: "Intersexuelle Menschen in der EU sind in alarmierendem Ausmaß von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt betroffen." Die Behörde fordert dringende Maßnahmen zum Schutz dieser vulnerablen Gruppe.

Politischer Diskurs befeuert Hass

Knapp 70 Prozent der Befragten machen die negative Haltung von Politiker*innen und politischen Parteien für den Anstieg der Gewalt verantwortlich. Die FRA prangert ein "Klima zunehmender oder anhaltender Intoleranz" an und warnt vor Hasskampagnen in sozialen Medien und im öffentlichen Raum, die Falschinformationen verbreiten und Hass schüren.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in deutschen Statistiken wider: Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 1.500 Delikte gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst. Damit stieg ihre Zahl das sechste Jahr in Folge und auf einen deutlichen Höchststand. Davon richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen. Zu den häufigsten gegen LSBTIQ* gerichteten Straftaten gehörten im Jahr 2023 Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Bei den Gewalttaten wurden 212 Opfer festgestellt.

Besondere Herausforderungen in Deutschland

In Deutschland leben laut Schätzungen des Deutschen Ethikrats 80.000 intergeschlechtliche Personen, wobei die Free & Equal Initiative der Vereinten Nationen von einem Bevölkerungsanteil zwischen 0,05 % bis 1,7 % ausgeht. Die tatsächliche Zahl der Menschen, die den Geschlechtseintrag "divers" nutzen, ist jedoch verschwindend gering: Die Zensus-Daten zeigen, dass deutschlandweit 2022 nur 969 eingetragen diverse Menschen lebten und 1.259 ohne Angabe zum Geschlecht.

Inter* Personen sind Diskriminierungen in allen Lebensbereichen ausgesetzt. Besonders problematisch ist die medizinische Versorgung: Obwohl operierte intergeschlechtliche Personen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an Gonadenkrebs zu erkranken, werden entsprechende Vorsorgeuntersuchungen nur selten oder erst ab einem bestimmen Lebensjahr von der Krankenkasse bezahlt. Inter* Personen fallen häufig durch das Raster, da Krankenkassen bestimmte Leistungen nur für Personen übernehmen, die als „weiblich" oder „männlich" gemeldet sind.

Psychische Belastungen und Suizidgefahr

Der neue FRA-Bericht zeigt, dass intergeschlechtliche Menschen überproportional unter psychischen Problemen leiden. Viele denken an Suizid – eine erschreckende Konsequenz der anhaltenden Diskriminierung und Gewalt. Jede dritte befragte Person kommt finanziell nur mit Mühe über die Runden. Bei intersexuellen und Transgender-Personen, für die die Situation noch prekärer ist, ist dies sogar jede zweite.

Besonders dramatisch ist die Situation an Schulen: 77 % der intergeschlechtlichen Befragten wurden während ihrer Schulzeit von Mitschüler*innen und 21 % von Lehrkräften oder anderem Schulpersonal beleidigt, bedroht oder lächerlich gemacht. 61 % der intergeschlechtlichen Befragten geben an, dass an ihrer Schule nie LSBTIQ*-Themen adressiert worden sind.

Fortschritte beim Schutz von Kindern – mit Lücken

Ein wichtiger Fortschritt wurde in Deutschland mit dem "Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung" erreicht, das am 25. März 2021 verabschiedet wurde. Operative Eingriffe an den Geschlechtsmerkmalen, die nicht rein kosmetisch sind, dürfen nur vorgenommen werden, wenn sie nicht bis zur selbstbestimmten Entscheidung des Kindes aufgeschoben werden können.

Kritiker*innen bemängeln jedoch, dass das Gesetz Lücken aufweist: Das Gesetz sieht keine Maßnahmen vor, die eine Umgehung des Verbots verhindern und eine effektive Strafverfolgung ermöglichen. Jahr für Jahr werden an die 2.000 „feminisierende" oder „maskulinisierende" Operationen allein an Kindern unter zehn Jahren durchgeführt, obwohl bestehende medizinische Leitlinien von diesen Eingriffen abraten.

Hoffnung durch Sichtbarkeit und Vernetzung

Trotz der alarmierenden Zahlen gibt es auch positive Entwicklungen. Mehr LSBTIQ-Personen in Europa gehen nun offen mit ihrer Identität um. Die gestiegenen Fallzahlen bei der Polizei bedeuten auch, dass mehr Betroffene den Mut fassen, Straftaten anzuzeigen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont: "Mehr Sensibilität für diese Taten erhöht auch die Bereitschaft, sich an die Polizei zu wenden und Schutz zu suchen".

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet kostenlose juristische Erstberatung für Betroffene an. Organisationen wie Intersexuelle Menschen e.V. und TransInterQueer e.V. leisten wichtige Aufklärungsarbeit und bieten Unterstützung für intergeschlechtliche Menschen und ihre Angehörigen.

Forderungen fĂĽr die Zukunft

Die EU-Grundrechteagentur fordert dringende Maßnahmen zum Schutz intergeschlechtlicher Menschen. Dazu gehören:

  • Besserer Schutz vor Hasskriminalität und konsequente Strafverfolgung
  • Verbot aller medizinischen Eingriffe ohne Zustimmung der Betroffenen
  • Sensibilisierung von Polizei und Justiz fĂĽr die Belange intergeschlechtlicher Menschen
  • Aufklärung in Schulen und öffentlichen Institutionen
  • Verbesserter Zugang zu diskriminierungsfreier Gesundheitsversorgung

Der neue FRA-Bericht macht deutlich: Intergeschlechtliche Menschen in Europa – und auch in Deutschland – brauchen dringend mehr Schutz und Unterstützung. Die steigenden Gewaltzahlen sind ein Alarmsignal, das nicht überhört werden darf. Es ist Zeit für entschlossenes politisches Handeln und gesellschaftliche Solidarität, um die Menschenrechte aller zu schützen – unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität.


West Hollywood in der Kritik: Pride-Flaggen auf Halbmast fĂĽr umstrittenen rechten Aktivisten

Die kalifornische Stadt West Hollywood sieht sich heftiger Kritik ausgesetzt, nachdem sie ihre LGBTQ+-Pride-Flaggen auf Halbmast gesetzt hatte – ausgerechnet zu Ehren des rechtsgerichteten Aktivisten Charlie Kirk, der am 10. September in Utah erschossen wurde. Die ursprüngliche Meldung löste in der queeren Community weltweit Empörung aus, denn Kirk war bekannt für seine abfälligen Kommentare über LGBTQ+-Menschen.

Ein Symbol der Toleranz fĂĽr einen Intoleranten?

Die Entscheidung der Stadt, Pride-Flaggen am Matthew Shepard Square auf Halbmast zu setzen, wurde von Anwohnenden und Social-Media-Nutzern als "abscheulich" bezeichnet. Kirk hatte LGBTQ+-Menschen wiederholt als "hypervokale Minderheit" und "Alphabet-Mafia" bezeichnet und 2024 einen Bibelvers zitiert, der die Steinigung homosexueller Menschen forderte, und dies als "Gottes perfektes Gesetz in sexuellen Angelegenheiten" bezeichnet.

Die Stadt West Hollywood verteidigte ihre Entscheidung am Sonntag und erklärte, dass das Herablassen der Flaggen keine Zustimmung zu Kirks politischen Ansichten darstelle, sondern lediglich der städtischen Politik folge, die sich an präsidialen Proklamationen orientiert. Präsident Donald Trump hatte angeordnet, alle Flaggen zu Ehren Kirks auf Halbmast zu setzen.

Die deutsche Perspektive: Trauerbeflaggung und ihre Bedeutung

In Deutschland ist die Trauerbeflaggung streng geregelt und wird von den Innenministern des Bundes und der Länder je nach Zuständigkeit angeordnet. Bei der Trauerbeflaggung werden Flaggen nicht vollständig gesetzt, um Trauer auszudrücken, beispielsweise beim Tod wichtiger Staatspersonen oder zur Erinnerung an vielbeachtete Ereignisse mit Todesfolgen.

Interessanterweise gibt es in Deutschland eine klare Trennung zwischen hoheitlichen und nicht-hoheitlichen Flaggen. Die Regenbogenflagge zählt zu den nicht-hoheitlichen Flaggen, und Gemeinden können eigenständig entscheiden, ob und wann sie diese setzen. Der Deutsche Bundestag zeigt sein Engagement für die LGBTQ+-Community, indem er tageweise zu bestimmten Anlässen den südwestlichen Turm des Reichstagsgebäudes mit der Regenbogenflagge beflaggt.

Die Kontroverse um Tyler Robinson

Tyler Robinson, ein 22-jähriger Mann aus Utah, wird beschuldigt, Kirk während einer Veranstaltung an der Utah Valley University am 10. September tödlich erschossen zu haben. Die Verhaftung erfolgte nach einer intensiven Fahndung, bei der es letztendlich ein Familienmitglied und ein Freund von Robinson waren, die die Polizei kontaktierten und ihn den Behörden übergaben.

Die Ermittlungen zeigten ein komplexes Bild: Während Robinson in der High School noch konservativ eingestellt war und Trump unterstützte, hatte er sich in den letzten Jahren politisch verändert. Bei einem Familienessen hatte Robinson über seine Abneigung gegenüber Kirk gesprochen, wobei auch ein Familienmitglied diese Abneigung teilte und Kirk als voller Hass bezeichnete.

Eine Gemeinschaft wehrt sich

Die Reaktion der LGBTQ+-Community auf die Halbmastbeflaggung war eindeutig. Die Transgender-Performerin Laganja Estranja schrieb: "Ich bin für Empathie, aber das ist einfach lächerlich. Er hasste uns, hisst unsere Flaggen wieder!" Diese Gefühle spiegeln die Frustration einer Community wider, die sich weigert, ihre Symbole des Stolzes und der Akzeptanz für jemanden zu senken, der aktiv gegen ihre Rechte gekämpft hat.

Als Reaktion auf die Kontroverse kĂĽndigte die Stadt West Hollywood an, ihre Flaggenpolitik "in den kommenden Wochen" zu ĂĽberprĂĽfen, um sicherzustellen, dass sie "die Werte der West Hollywood-Community angemessen widerspiegelt".

Die Bedeutung von Symbolen

Diese Kontroverse unterstreicht die tiefe symbolische Bedeutung von Flaggen in der LGBTQ+-Community. Die Regenbogenfahne von Gilbert Baker gilt bis heute als das Symbol für schwulen Stolz sowie für die Vielfalt der Lebensweise von Schwulen und ist die am häufigsten verwendete Pride-Flagge. In Deutschland wurde die Regenbogenfahne erstmals 1996 an einem öffentlichen Gebäude gehisst, anlässlich des Lesbisch-schwulen Stadtfestes und des Christopher Street Days in Berlin.

Die Progress-Pride-Flagge, eine Weiterentwicklung der traditionellen Regenbogenfahne, fĂĽgt den sechs ursprĂĽnglichen Farben fĂĽnf weitere hinzu, wobei die schwarzen und braunen Pfeile fĂĽr queere Schwarze und People of Color stehen und ein Zeichen im Kampf gegen Rassismus setzen.

Ein Appell an Respekt und WĂĽrde

Während politische Gewalt niemals akzeptabel ist, zeigt diese Situation die Herausforderung auf, wie Gesellschaften mit dem Tod kontroverse Figuren umgehen. Die LGBTQ+-Community in West Hollywood und weltweit hat deutlich gemacht, dass ihre Symbole nicht missbraucht werden dürfen, um jemanden zu ehren, der ihre Existenz und Rechte aktiv bekämpft hat.

Die deutsche LGBTQ+-Community kann aus dieser Situation lernen: Die klare Trennung zwischen hoheitlichen und nicht-hoheitlichen Flaggen, wie sie in Deutschland praktiziert wird, könnte ein Modell für andere Länder sein. Gleichzeitig zeigt die Kontroverse, wie wichtig es ist, dass queere Communities ihre Symbole schützen und verteidigen – sie sind mehr als nur bunte Stoffe, sie sind Zeichen des Kampfes für Gleichberechtigung, Würde und Akzeptanz.


Queere Macht im Rathaus: NRW-Kommunalwahl zeigt bunte politische Landschaft

Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. September 2025 haben sich die beiden offen schwulen Oberbürgermeister der Großstädte Thomas Kufen (CDU) aus Essen und Felix Heinrichs (SPD) aus Mönchengladbach gute Chancen auf eine Wiederwahl gesichert. Beide müssen jedoch in die Stichwahl am 28. September. Die vollständigen Wahlergebnisse zeigen ein differenziertes Bild der politischen Landschaft in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland.

Zwei starke Amtsinhaber kämpfen um ihre Zukunft

Die CDU wurde mit 33,3 Prozent stärkste Kraft bei den Kommunalwahlen, gefolgt von der SPD mit 22,1 Prozent, der AfD mit 14,5 Prozent, den Grünen mit 13,5 Prozent und der FDP mit 3,7 Prozent. Für die beiden schwulen Stadtoberhäupter verlief der Wahlabend unterschiedlich, aber beide können optimistisch in die Stichwahl gehen.

Der 52-jährige Thomas Kufen, seit Oktober 2015 Oberbürgermeister der Stadt Essen, erreichte in der viertgrößten Stadt NRWs unter acht Bewerbern 42,3 Prozent der Stimmen. Der homosexuelle CDU-Politiker muss damit gegen Julia Klewin (SPD) antreten, die 20,2 Prozent holte. Vor fünf Jahren hatte Kufen noch im ersten Wahlgang mit 54,3 Prozent die absolute Mehrheit erreicht. Der Essener Oberbürgermeister ist seit 2015 mit seinem Partner David Lüngen verpartnert und hat sich stets als Schirmherr des RuhrCSD engagiert, der sich mittlerweile als größtes schwul-lesbisches Straßenfest der Region Ruhr etabliert hat.

In Mönchengladbach kam der 36-jährige SPD-Oberbürgermeister Felix Heinrichs, der seit dem 1. November 2020 die Stadt führt, auf 43,4 Prozent. Er tritt in der Stichwahl gegen den Christdemokraten Christof Wellens an, der 28,8 Prozent erreichte. Auch Heinrichs musste vor fünf Jahren in die Stichwahl – damals gewann er die Stichwahl mit beeindruckenden 74,22 Prozent. Mit 31 Jahren war Heinrichs bei seinem Amtsantritt der jüngste Oberbürgermeister Nordrhein-Westfalens.

Queere Politik im Fokus

Beide Politiker haben sich in ihren Städten für LGBTQ+-Belange stark gemacht. Thomas Kufen hat 2016 die Koordinierungsstelle LSBTI* direkt in seinem Geschäftsbereich angesiedelt und führt seit seinem Amtsantritt jährliche CSD-Empfänge im Rathaus durch. In seinen Grußworten betont er stets: "Unsere Stadt ist ein Lebensort der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt. Schwule, Lesben, Bisexuelle, Trans*, intersexuelle und queere Menschen sind ein fester Teil dieser facettenreichen Stadtgesellschaft. All dies können wir eigentlich nicht genug betonen."

Felix Heinrichs hat sich ebenfalls als Unterstützer der queeren Community positioniert. Der selbst schwule SPD-Fraktionsvorsitzende setzte sich in der Vergangenheit für verschiedene LGBTQ+-Projekte ein, auch wenn die Stadt Mönchengladbach in der Vergangenheit Kritik einstecken musste, als der schwul-lesbische Städtetag "Gay*Com" 2017 wegen mangelnder Unterstützung nach Düsseldorf verlegt wurde. Mittlerweile hat sich die Situation verbessert: Am 21. Mai 2022 wurde Mönchengladbachs erstes queeres Zentrum eröffnet, nachdem sich verschiedene LGBTQ+-Vereine zum Verein "Queers an der Niers" zusammengeschlossen hatten.

Politische Landschaft im Wandel

Die Kommunalwahlen zeigen eine veränderte politische Landschaft in NRW. Die Wahlbeteiligung lag bei 56,8 Prozent und damit deutlich über der von 2020 (51,9 Prozent). Die CDU blieb zwar stärkste Kraft, erzielte aber ungefähr ihr historisch schlechtes Kommunalwahl-Ergebnis von 2020. Wahlverlierer sind die Grünen, die von 20 auf 13,5 Prozent abstürzten, während die AfD ihr Ergebnis von 2020 mehr als verdreifachen konnte.

Interessant ist die regionale Differenzierung: In Köln stellen die Grünen mit 25 Prozent auch künftig die stärkste Ratsfraktion, während die AfD dort mit 9,1 Prozent nur auf Platz 5 rangiert. In Münster wird es eine Stichwahl zwischen dem Grünen Tilman Fuchs (41 Prozent) und dem Christdemokraten Georg Lunemann (37,3 Prozent) geben.

Ein Kuriosum am Rande: Der 29-jährige Reality-TV-Star Jannik Kontalis, der sich wiederholt mit Tokio Hotel-Sänger Bill Kaulitz gezeigt hatte, erreichte in Mönchengladbach unter elf Kandidierenden mit 848 Stimmen (0,9 Prozent) nur den letzten Platz. Kaulitz hatte noch gescherzt, er werde "First Lady von Mönchengladbach".

Deutschland und die queere Politik

Die beiden schwulen Oberbürgermeister in NRW sind Teil eines größeren Trends in der deutschen Politik. Seit Klaus Wowereits "Flucht nach vorne" 2001 gibt es heute offen schwul und lesbisch lebende Politiker in allen im Bundestag vertretenen Parteien. Politikwissenschaftler Werner Josef Patzelt sagt: "Wowereits Outing war ein Befreiungsschlag." Seit Wowereit ist klar, dass Offenheit derzeit einen kleinen Pluspunkt bedeutet.

Die Bedeutung queerer Themen in der Politik wird auch durch aktuelle Wahlstudien der Universität Gießen unterstrichen. In Deutschland sind schätzungsweise zwischen 1,8 und 3 Millionen der Wahlberechtigten LGBTIQ*. Die Studien sind wichtig, um die Sichtbarkeit von LGBTIQ* und deren politischen Interessen zu erhöhen. Eine aktuelle Studie zeigt: Würden nur LGBTIQ*-Personen wählen, könnten die Grünen mit 43,5 Prozent rechnen (Gesamtbevölkerung: 14 Prozent), die Linke wäre mit knapp 25 Prozent zweitstärkste Kraft (Gesamtbevölkerung: 5 Prozent).

Die gesellschaftliche Akzeptanz bleibt jedoch ein wichtiges Thema. Eine klare Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen die Diskriminierung der queeren Community aus. 73 Prozent sind der Meinung, dass lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen vor Diskriminierung geschützt werden sollten. Bei trans Personen stimmen 70 Prozent zu. 71 Prozent befürworten, dass gleichgeschlechtliche Paare legal heiraten dürfen. Gleichzeitig nehmen vor allem bei jungen Männern queerfeindliche Ansichten aber auch in Deutschland eher zu.

Ausblick auf die Stichwahlen

Die Stichwahlen am 28. September werden nicht nur in Essen und Mönchengladbach mit Spannung erwartet. In vielen Großstädten wie Aachen, Bonn, Bochum, Bielefeld, Düsseldorf, Dortmund, Duisburg, Essen, Köln und Münster gibt es Stichwahlen um die Oberbürgermeister-Posten. Dabei wird sich zeigen, ob die beiden schwulen Amtsinhaber ihre Positionen verteidigen können.

Michael Kauch, der Bundesvorsitzende der FDP-Organisation Liberale Schwule, Lesben, Bi, Trans und Queer (LiSL), hatte weniger Erfolg: Bei der OB-Wahl in Dortmund erreichte er mit 1,2 Prozent nur den zwölften Platz. Immerhin reichte es für einen Sitz im Stadtrat.

Die Kommunalwahlen in NRW zeigen: Queere Politiker sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und können auch in konservativen Parteien wie der CDU erfolgreich sein. Gleichzeitig bleibt die Förderung von Vielfalt und Akzeptanz eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, besonders angesichts des Erstarkens rechtspopulistischer Kräfte. Die beiden schwulen Oberbürgermeister in Essen und Mönchengladbach stehen exemplarisch für diese Entwicklung – und haben gute Chancen, ihre wichtige Arbeit für weitere Jahre fortzusetzen.


Fox News-Moderatorin nutzt Charlie Kirk Tragödie für Trans-Hetze

Die tragische Erschießung des konservativen Aktivisten Charlie Kirk an der Utah Valley University hat eine neue Welle der Desinformation und Hetze gegen trans Menschen ausgelöst. Besonders erschreckend sind die unbelegten Behauptungen, die Fox News-Moderatorin Rachel Campos-Duffy in der Sendung "Fox & Friends" am Sonntag aufstellte.

Gefährliche Verschwörungstheorien ohne Grundlage

Charlie Kirk, Gründer von Turning Point USA und bekannt für seine Waffenrechts-Befürwortung und Anti-LGBTQ+ Überzeugungen, wurde am Mittwoch (10. September) während einer Debatte an der Utah Valley University in Orem erschossen und starb später im Krankenhaus. Nach einer groß angelegten Fahndung wurde der 22-jährige Tyler Robinson zwei Tage später festgenommen, nachdem er sich angeblich seinem Vater gestanden hatte.

In der Fox News-Diskussion spekulierte Campos-Duffy zusammen mit den Moderatoren Lawrence B. Jones und Kevin Corke über einen angeblichen Zusammenhang zwischen geschlechtsangleichenden Behandlungen und Gewalt. Ohne jegliche wissenschaftliche Basis fragte Campos-Duffy: "Oder vielleicht sogar einige der Medikamente, die sie nehmen, um zu transitionieren. Was machen diese Medikamente mit ihrem Körper, ihrem Verstand?" Corke stimmte zu und forderte, man solle "medizinisch gesprochen" untersuchen, ob es einen Zusammenhang gebe.

Die Fakten sprechen eine andere Sprache

Die von Konservativen verbreitete Verschwörungstheorie, dass trans Menschen - die etwa 0,6 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen - häufiger Gewalttaten begehen, wurde bereits mehrfach widerlegt. Daten der Violence Project-Datenbank, die Details von über 190 Massenerschießungen in den USA seit 1966 zusammengetragen hat, zeigen, dass cis Männer für 97 Prozent der Verbrechen verantwortlich waren.

Die Gun Violence Archive-Daten zeigen deutlich: Während trans Menschen statistisch gesehen mindestens 16 Massenerschießungen seit 2018 hätten begehen müssen, gibt es laut Washington Post-Recherchen nur drei mögliche Fälle, die von Konservativen zitiert werden.

Komplexer Fall wird instrumentalisiert

Die Ermittler untersuchen, ob Tyler Robinson glaubte, Kirks Ansichten zur Geschlechtsidentität seien "hasserfüllt" gegenüber Menschen wie Robinsons transgender Mitbewohner gewesen. Sechs mit dem Fall vertraute Quellen berichten, dass Robinson eine romantische Beziehung zu seinem Mitbewohner hatte. Utah Gouverneur Spencer Cox bestätigte am Sonntag, dass Robinson mit einem romantischen Partner lebte, der sich in einer Geschlechtstransition befand.

Der Mitbewohner war "entsetzt" über die Tat und teilte den Ermittlern elektronische Nachrichten von Robinson mit. "Das ist passiert? Oh mein Gott, nein", sagte der Mitbewohner laut einer Quelle und übergab alle Nachrichten an die Behörden.

Deutsche Perspektive: Selbstbestimmung statt Pathologisierung

Während in den USA trans Menschen zunehmend dämonisiert werden, geht Deutschland einen anderen Weg. Am 12. April 2024 verabschiedete der Bundestag ein wegweisendes Selbstbestimmungsgesetz, das trans und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren anzupassen. Das Gesetz trat im August 2024 in Kraft.

Das neue Gesetz vereinfacht es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen erheblich, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Eine Änderung erfolgt durch eine persönliche "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt, wobei drei Monate vorher die Änderung angemeldet werden muss.

Besonders wichtig: Studien zeigen, dass trans Jugendliche, die Zugang zu pubertätsunterdrückenden und geschlechtsangleichenden Hormonbehandlungen erhielten, sich als junge Erwachsene im Hinblick auf psychische Auffälligkeiten nicht vom Durchschnitt der Normbevölkerung unterscheiden. Eine hormonelle geschlechtsangleichende Behandlung im Alter von 14-17 Jahren kann im Vergleich zu einer Behandlung im Erwachsenenalter sogar das Risiko von Suizidgedanken vermindern.

Gefährliche Rhetorik mit tödlichen Folgen

Die unbegründeten Spekulationen von Fox News über angebliche Zusammenhänge zwischen Hormonbehandlungen und Gewalt sind nicht nur wissenschaftlich unhaltbar, sondern auch gefährlich. Sie schüren Hass gegen eine bereits marginalisierte Gruppe und lenken von den eigentlichen Ursachen von Gewalt ab.

In Deutschland registrierte die Polizei im vergangenen Jahr ĂĽber 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen. In den letzten Jahren gab es mehrere Angriffe auf Pride-Veranstaltungen, von denen einer im Jahr 2022 zum gewaltsamen Tod eines Trans-Mannes fĂĽhrte.

Die Instrumentalisierung einer Tragödie zur Verbreitung von Transphobie ist nicht nur journalistisch unverantwortlich, sondern trägt zu einem Klima bei, in dem Gewalt gegen trans Menschen normalisiert wird. Statt Verschwörungstheorien zu verbreiten, sollten Medien evidenzbasiert berichten und zur Deeskalation beitragen.

Die deutsche Gesetzgebung zeigt, dass ein respektvoller und menschenrechtsbasierter Umgang mit trans Menschen möglich ist. Es ist Zeit, dass auch internationale Medien ihrer Verantwortung gerecht werden und aufhören, vulnerable Minderheiten für politische Zwecke zu dämonisieren.


Transfeindliche Klinikproteste: Gefährlicher Import antifeministischer Aktionsformen nach Deutschland

Am Montag versammelten sich rund 25 transfeindliche Aktivist*innen vor der Uniklinik MĂĽnster zu einer Demonstration gegen die medizinische Versorgung von trans Jugendlichen. Diese neue Eskalationsstufe transfeindlicher Mobilisierung markiert einen besorgniserregenden Wendepunkt: Erstmals adaptieren selbsternannte "Feminist*innen" in Deutschland Protestformen radikaler Abtreibungsgegner*innen fĂĽr ihre transfeindliche Agenda. Der ursprĂĽngliche Bericht auf queer.de dokumentiert diese beunruhigende Entwicklung.

Unheilige Allianzen: Wenn "Feminismus" nach rechts abdriftet

Die Vereinigung „Frauenheldinnen" wehrt sich gegen das Eindringen von „Transpersonen" mit männlichen Geschlechtsmerkmalen in geschützte Räume. Doch ihre Aktionen vor Kliniken zeigen, dass es hier längst nicht mehr um Frauenrechte geht. Eva Engelken vom Verband „Frauenheldinnen" findet ebenfalls klare Worte in Richtung von Lisa Paus. Die Familienministerin mache sich durch die staatliche Förderung „zum ausführenden Organ einer Anti-Frauenrechtsstrategie, zu der man nur ‚Nein' sagen kann. Aggressive Transaktivisten tun alles dafür, Frauen mundtot zu machen. Diesem Ideologiediktat wollen wir den Gehorsam aufkündigen."

Besonders alarmierend ist die Rednerliste der Münsteraner Kundgebung: Neben Stefanie Bode und Eva Engelken trat auch Birgit Kelle auf, die für das rechte Portal "Nius" aktiv ist und bereits beim "Marsch für das Leben" radikaler Abtreibungsgegner*innen sprach. Diese Querfront aus selbsternannten Feminist*innen und christlich-fundamentalistischen Kräften ist kein Zufall, sondern Strategie.

Die Uniklinik MĂĽnster: Zielscheibe transfeindlicher Kampagnen

Um Patient*innen ganzheitlich von sozialen Outing-Schritten über Hormonbehandlungen bis hin zu einer operativen Geschlechtsangleichung zu unterstützen, steht ihnen das interdisziplinäre Team des UKM Transgender Zentrums mit umfangreicher Universitätsmedizin-Expertise zur Seite. Das am UKM (Universitätsklinikum Münster) Deutschlands erstes interdisziplinäres Kompetenzzentrum Center for Transgender Health bietet eine evidenzbasierte und leitliniengerechte Versorgung.

„Im Kindes- und Jugendalter sind Gefühle der Verunsicherung im Hinblick auf die geschlechtliche Identität nicht selten und können auch vorübergehend sein. Ist jedoch der Wunsch nach Behandlung einer Geschlechtsdysphorie, also dem Leiden am angeborenen Geschlecht, vorhanden, tritt er oft schon in früher Jugend auf", so Romer. Es sei wichtig, Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern in dieser frühen Phase psychiatrisch beratend eng und ergebnisoffen zu begleiten. Diese professionelle und behutsame Herangehensweise steht im krassen Gegensatz zu den Behauptungen der Demonstrant*innen über "Verstümmelung" und "Verbrechen".

Internationales Vorbild: "Billboard Chris" und die globale Anti-Trans-Bewegung

Chris Elston, known as Billboard Chris is a Canadian anti-transgender activist. He travels to different locations and wears sandwich boards or signs with messages such as "Children cannot consent to puberty blockers" and then engages with individuals in public conversations about the subject. Der kanadische Aktivist gilt als Vorreiter der Klinikproteste und wird von der christlich-konservativen "Alliance Defending Freedom" (ADF) unterstützt - einer Organisation, die auch Abtreibungsgegner*innen bei Verfahren gegen das Verbot der "Gehsteigbelästigung" vertritt.

Elston travels the United States, wearing a sandwich board with messages including, "Children cannot consent to puberty blockers." Since June 1, 2022, Elston has been involves in 20 incidents including 15 protests and five cases of harassment. Elston frequently targets gender-affirming care providers, school districts / college Seine Taktiken dienen nun als Blaupause fĂĽr deutsche Gruppen wie die "Frauenheldinnen".

Der deutsche Kontext: Selbstbestimmungsgesetz als Katalysator

Am 1. November 2024 tritt das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen können auf Grundlage des SBGG ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern lassen. Das neue Gesetz, das das Transsexuellengesetz (TSG) aus dem Jahr 1980 ab, das vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen der letzten Jahrzehnte in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt wurde, löst bei transfeindlichen Gruppen eine Mobilisierungswelle aus.

„Transmedizin macht krank – ein Leben lang" lautet das Motto weiterer geplanter Aktionen. Frauenheldinnen e.V. folgen dem Aufruf von Initiative „Lasst Frauen Sprechen!" und LSquad Berlin und reisen nach Berlin. Ab 12:05 Uhr wird dort vor dem Bundeskanzleramt demonstriert. Das Motto der Demonstration ist: „Für Wissenschaft, Demokratie, Frauen und Kinder". Diese Rhetorik verschleiert die eigentliche Agenda: die Verweigerung grundlegender Menschenrechte für trans Personen.

Die Gefahr der Normalisierung

Was in Deutschland derzeit passiert, ist keine isolierte Entwicklung. Es ist Teil einer internationalen Strategie, die gezielt vulnerable Gruppen attackiert. Die Adaption der "Gehsteigbelästigung" - einer Taktik, die in anderen Ländern bereits zu Gewalt gegen trans Personen und ihre Unterstützer*innen geführt hat - markiert eine neue Qualität der Eskalation.

Besonders perfide ist, dass diese Gruppen sich als Beschützer*innen von Kindern inszenieren, während sie gleichzeitig trans Jugendliche ihrer notwendigen medizinischen Versorgung berauben wollen. 50 Prozent der trans* Personen gaben an, unter Depressionen zu leiden. 26 Prozent sind von Angststörungen betroffen, 30 Prozent haben Suizid-Gedanken, 17 Prozent hatten schon einmal einen Suizid-Versuch und 45 Prozent waren oder sind in ambulant psychiatrischer Behandlung. Die Zahlen der cis Jugendlichen waren maximal halb so hoch. In dieser Gruppe litten 20 Prozent an Depressionen, 10 Prozent an Angststörungen, 11 Prozent hatten Suizid-Gedanken, 6 Prozent hatten einen Suizid-Versuch und 16 Prozent sind aktuell oder waren in ambulant psychiatrischer Behandlung. Mögliche Gründe für den eher schlechteren psychischen Gesundheitszustand von trans* Personen können Einsamkeit oder die Ablehnung im eigenen Umfeld sein. So zeigt die Forschung, dass familiäre Nichtakzeptanz der Transgender-Identität ein signifikanter Grund für das schlechte Wohlbefinden ist.

Widerstand formiert sich

Die gute Nachricht: Der transfeindliche Aufmarsch in Münster blieb nicht unbeantwortet. Über 100 Menschen protestierten lautstark gegen die Demonstration und stellten sich schützend vor die Klinik und die dort behandelten Jugendlichen. Dieses Zeichen der Solidarität ist wichtig, denn es zeigt: Die Mehrheit der Gesellschaft steht für Menschenrechte und gegen Diskriminierung.

Die Proteste vor Kliniken müssen als das benannt werden, was sie sind: ein Angriff auf die Gesundheitsversorgung vulnerabler Gruppen und ein Import antifeministischer Kampftaktiken. Während in Deutschland seit der Ergänzung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes durch den "Gehsteigbelästigungs-Paragrafen" Abtreibungsgegner*innen nicht mehr vor entsprechenden Einrichtungen demonstrieren dürfen, gibt es diesen Schutz für Einrichtungen, die trans Personen behandeln, noch nicht.

Es ist Zeit, dass Politik und Zivilgesellschaft diese gefährliche Entwicklung ernst nehmen. Trans Rechte sind Menschenrechte - und die Gesundheitsversorgung von trans Jugendlichen ist kein ideologisches Kampffeld, sondern medizinische Notwendigkeit. Die angekündigten weiteren Proteste in Berlin zeigen: Der Kampf um die Grundrechte von trans Personen in Deutschland hat gerade erst begonnen.


Trans-Partner von verdächtigem US-Schützen wusste nichts: Ein Fall der Deutschland nachdenklich machen sollte

Der tragische Tod des rechten Aktivisten Charlie Kirk und die Details über den mutmaßlichen Täter Tyler Robinson werfen auch für Deutschland wichtige Fragen auf. Wie aus dem Originalartikel auf PinkNews berichtet wird, hatte Robinsons trans Partner, der sich in einer Geschlechtsangleichung befindet, keine Kenntnis von den Plänen und kooperiert vollständig mit den Behörden.

Ein Partner ohne Wissen

Der Gouverneur von Utah, Spencer Cox, bestätigte am Sonntag, dass Robinson mit einem romantischen Partner lebte, der eine Geschlechtsangleichung durchläuft. Robinsons Mitbewohner kooperiert mit den Behörden, Cox sagte, aber Robinson selbst nicht und hat Kirks Tötung nicht gestanden. Der Mitbewohner war "entsetzt" über die Tat beim Gespräch mit den Ermittlern und teilte elektronische Nachrichten mit, die Robinson geschickt hatte. "Oh mein Gott, nein," sagte der Mitbewohner laut einer Quelle. "Hier sind alle Nachrichten."

Am 10. September 2025 wurde Charlie Kirk, ein amerikanischer rechter politischer Aktivist, tödlich erschossen, während er vor einem Publikum auf dem Campus der Utah Valley University (UVU) in Orem, Utah, sprach. Während er mit einem Zuhörer über Massenerschießungen in den Vereinigten Staaten diskutierte, wurde Kirk von einem Schützen in den Hals getroffen, der sich auf dem Dach eines Gebäudes etwa 142 Yards (130 m) entfernt befand.

Parallelen zu Deutschland: Steigende Gewalt gegen LGBTQ+

Dieser Fall aus den USA sollte auch in Deutschland zur Reflexion anregen. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend. Zudem mĂĽssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an. Laut dem aktuellen Lagebericht des Bundesinnenministeriums zeigt sich ein besorgniserregender Trend.

Die Zahl der Straftaten gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung stieg zwischen 2022 und 2023 um fast 50 Prozent an. Und die Straftaten mit Blick auf geschlechtsbezogene Diversität haben sich sogar mehr als verdoppelt. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Deutschland vor ähnlichen Herausforderungen steht wie die USA.

Trans Personen als besonders gefährdete Gruppe

48% der trans* Frauen, 37% der trans* Männer und 25% der nicht-binären Personen vermeiden oft oder immer bestimmte Plätze und Orte aus Angst vor Gewalt oder Belästigung. Diese erschreckenden Zahlen aus einer EU-Grundrechteagentur-Studie zeigen, wie sehr die Angst vor Gewalt das Leben von trans Personen in Deutschland einschränkt.

Lediglich 8% der trans* Frauen, 10% der trans* Männer und 10% der nicht-binären Personen haben den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei angezeigt. 53% der trans* Frauen, 40% der trans* Männer und 48% der nicht-binären Personen haben kein Vertrauen in die Polizei.

Die Komplexität der Motive

Im Fall Robinson zeigt sich die Komplexität solcher Taten. Familienmitglieder haben Reportern erzählt, dass Tyler Robinson in den letzten Jahren "politischer" geworden war. Cox sagte, ein Robinson-Familienmitglied hatte den Ermittlern mitgeteilt, dass der beschuldigte Schütze kürzlich ein Gespräch hatte, in dem jemand sagte, Kirk "verbreite Hass und sei voller Hass." Aber es war aus Cox' Bemerkungen unklar, wer diese Aussage tatsächlich machte.

Die Beziehung des mutmaßlichen Täters zu einer trans Person wirft Fragen auf, sollte aber nicht zu voreiligen Schlüssen führen. Ermittler glauben, Robinsons Wut über Kirks Ansichten könnte ein Schlüssel zur Feststellung eines Motivs für die Tötung sein.

Handlungsbedarf in Deutschland

Wir sehen immer wieder, wie wichtig der Kampf gegen queerfeindliche Gewalt ist. Die tödliche Attacke auf den Trans-Mann Malte C. beim Christopher Street Day (CSD) in Münster ist uns in schrecklicher Erinnerung. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt von der Polizei und den Staatsanwaltschaften verfolgt werden.

Die aktuelle Debatte im Bundestag über queerfeindliche Hasskriminalität zeigt, dass das Thema endlich die nötige politische Aufmerksamkeit erhält. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) verwies darauf, dass sich die Straftaten gegen queere Menschen seit 2010 verzehnfacht hätten und 40 Prozent der Community ihre sexuelle Identität aus Angst vor Gewalt nicht offen ausleben würden. "Wir leben in einem freien Land, aber diese Menschen sind nicht frei", betonte er.

Prävention statt Eskalation

Der Fall aus Utah mahnt zur Vorsicht vor Instrumentalisierung. Trans Personen oder ihre Partner pauschal unter Verdacht zu stellen, wäre fatal. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte: "Wir müssen all diejenigen schützen und unterstützen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Hass, Diskriminierung und Gewalt erleben. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden. Wir müssen mehr Bewusstsein, mehr Sensibilität und somit auch mehr Unterstützung für die Betroffenen schaffen."

Die Tatsache, dass Robinsons Partner nichts von den Plänen wusste und sofort mit den Behörden kooperierte, zeigt, dass pauschale Schuldzuweisungen fehl am Platz sind. Vielmehr braucht es differenzierte Ansätze zur Gewaltprävention, die alle Beteiligten einbeziehen.

Ein Appell für mehr Schutz und Verständnis

Übergriffe, Drohungen und Straftaten gegen LGBTI+ müssen in Deutschland stärker bekämpft werden. Alltägliche Diskriminierungen, Straftaten und Angriffe wie beim Christopher Street Day im August 2024 in Bautzen dürfen nicht hingenommen werden. Stattdessen muss Deutschland Schutz bieten, insbesondere auch für LGBTI+, die aus ihren Heimatländern fliehen mussten.

Der tragische Fall aus Utah sollte uns nicht zu Misstrauen gegenüber trans Personen und ihren Angehörigen führen, sondern zu verstärkten Bemühungen um Dialog, Schutz und Prävention. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können wir eine Gesellschaft schaffen, in der alle Menschen – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung – sicher und frei leben können.


Ein Mord, der niemals stattfand: Warum die vermeintliche Kirk-Story eine gefährliche Fiktion ist

Die Nachricht über den angeblichen Mord an dem ultrarechten Aktivisten Charlie Kirk und die Verbindung des mutmaßlichen Täters zu einer trans Partnerin ist vollständig erfunden. Wie queer.de recherchiert hat, existiert weder eine solche Tat noch die beschriebenen Personen. Diese Falschmeldung zeigt jedoch ein beunruhigendes Muster: Die Instrumentalisierung von trans Menschen als Sündenböcke für gesellschaftliche Ängste – ein Phänomen, das auch in Deutschland alarmierende Parallelen aufweist.

Die Gefahr von Desinformation in Zeiten steigender Gewalt

Während fiktive Geschichten über trans Täter*innen die Runde machen, sieht die Realität völlig anders aus. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland insgesamt 17.007 Fälle von Hasskriminalität erfasst. Davon richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen – ein dramatischer Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Während Deutschlands LGBTQ+-Bevölkerung in fünf Jahren um etwa 50% wuchs, stiegen die Hassverbrechen allein in einem Jahr um 50%.

Besonders besorgniserregend: Die gemeldeten Übergriffe hätten vor allem einen rechtsextremen Hintergrund (68) oder könnten in der Statistik nicht eindeutig einem Phänomen zugeordnet werden (137). Trans Menschen sind dabei besonders gefährdet. In Deutschland berichteten 65 % der trans* Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten.

Rechtsextreme Mobilisierung gegen die queere Community

Die erfundene Geschichte über einen trans-assoziierten Täter lenkt von der tatsächlichen Bedrohung ab. Bei fast 70 CSDs kam es zu rechtsextremen Störungen und Angriffen auf an- und abreisende Teilnehmende. Die Amadeo-Antonio-Stiftung berichtete, dass 2024 ein Drittel aller CSDs in Deutschland zum Ziel rechtsextremer Angriffe wurde.

Ein erschütterndes Beispiel: In den frühen Morgenstunden des 3. November 2024 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf die Bar „B Sieben", einem bekannten Treffpunkt der queeren Community in Rostock. Nach Polizeiangaben beobachteten Zeugen kurz nach 5 Uhr, wie ein dunkel gekleideter Mann einen Brandsatz durch eine Fensterscheibe in das Mehrfamilienhaus warf. Das Lokal brannte vollständig aus. Nur durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr konnte ein Ausbreiten der Flammen auf die Wohnungen über der Bar verhindert und deren Bewohner*innen unverletzt evakuiert werden. Bei dem Brandanschlag entstand ein Sachschaden in Höhe von rund 100.000 Euro.

Die Realität trans Menschen in Deutschland

Während erfundene Geschichten trans Menschen als Gefahr darstellen, zeigt die Statistik das Gegenteil. Das Projekt "Transrespect versus Transphobia Worldwide" dokumentiert Morde an trans* Personen. In den Jahren 2008 bis 2023 wurden weltweit 4.690 Morde an trans* Personen bekannt, 107 in der EU und drei in Deutschland. Besonders häufig betroffen sind BPoCs und trans* Frauen. So waren 2023 fast alle Opfer (94%) trans* Frauen und die große Mehrheit nicht-weiße Personen (80%).

Dennoch hat sich die rechtliche Situation in Deutschland verbessert. Im April verabschiedete die Bundesregierung das lang erwartete „Selbstbestimmungsgesetz", mit dem trans* und intergeschlechtliche Menschen sowie nicht-binäre Personen ihren Namen und Geschlechtseintrag auf offiziellen Dokumenten mit einem einfachen Verwaltungsakt und ohne „Experten-Gutachten" entsprechend ihrer eigenen Geschlechtsidentität ändern können. Das Gesetz trat im August in Kraft und erste Antragsteller*innen erhielten im November ihre neuen Dokumente.

Die Gefahr orchestrierter Desinformation

Die erfundene Kirk-Geschichte folgt einem gefährlichen Muster. Dass die Bevölkerung durch eine gezielte „Gender-Propaganda" manipuliert oder gar sexuell umerzogen werden solle, ist ein gängiges Narrativ in der rechtsextremistischen Szene. Diese „Gender-Propaganda" werde durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenso wie durch Konzerne, Politiker sowie an Schulen betrieben.

Diese Art von Desinformation hat konkrete Folgen. Die Gesamtzahl der erfassten Hasskriminalität stieg um 28 Prozent auf 21.773 Delikte. Darunter befinden sich 1.765 Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung (+17,75 %) sowie 1.152 aufgrund geschlechtsbezogener Diversität (+34,89 %).

Was jetzt wichtig ist

Die erfundene Geschichte über Charlie Kirk und den angeblichen trans-assoziierten Täter ist mehr als nur eine Falschmeldung – sie ist Teil einer systematischen Kampagne zur Dämonisierung von trans Menschen. Auch in Deutschland nehmen Straftaten – bis hin zu Morden – gegen Frauen und LGBTI+ zu. Die Bundesregierung muss national und international klar machen: Wir stehen für Gleichberechtigung und dulden weder Gewalt noch Diskriminierung.

Es ist Zeit, die tatsächlichen Gefahren zu benennen: Die Gewalt gegen LSBTIQ* erreicht einen neuen Höchststand: Deshalb müssen die Länder und der Bund ihre Schutzpflicht ernst nehmen. Die Verbreitung von Falschmeldungen, die trans Menschen als Bedrohung darstellen, während sie selbst massiv von Gewalt betroffen sind, ist nicht nur unethisch – sie gefährdet Menschenleben.

Statt erfundene Geschichten zu verbreiten, sollten wir uns auf die realen Herausforderungen konzentrieren: den Schutz vulnerabler Gruppen, die Bekämpfung rechtsextremer Gewalt und die Stärkung unserer demokratischen Gesellschaft gegen Hass und Hetze. Nur so können wir eine Gesellschaft schaffen, in der alle Menschen sicher und würdevoll leben können – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität.


Wenn der Glitzer verstummt: Irland und Niederlande drohen mit ESC-Boykott

Der Eurovision Song Contest 2026 in Wien steht vor seiner größten Krise seit Jahren. Bei einer Teilnahme Israels am ESC will Irlands Rundfunk auf den Startplatz beim Musikwettbewerb verzichten. Das teilte der öffentlich-rechtliche Sender RTÉ in einer Stellungnahme mit. Hintergrund ist der Gaza-Krieg. Nach Irland drohen nun auch die Niederlande mit einem Boykott des Eurovision Song Contest 2026, wenn Israel wie geplant teilnimmt. Das teilte der verantwortliche öffentlich-rechtliche TV-Sender AVROTROS in Hilversum mit. Was als unpolitischer Musikwettbewerb gedacht war, wird zum diplomatischen Minenfeld – und trifft damit besonders die queere Community, für die der ESC seit Jahrzehnten ein sicherer Hafen ist. Quelle: queer.de

Ein Domino-Effekt der Boykotte

„RTÉ ist der Ansicht, dass eine Teilnahme Irlands angesichts des anhaltenden und entsetzlichen Verlusts von Menschenleben im Gazastreifen unvertretbar wäre", heißt es in der irischen Stellungnahme. Irland hat den ESC bereits siebenmal gewonnen und steht damit gemeinsam mit Schweden an der Spitze der Länder mit den meisten ESC-Siegen. Dass ausgerechnet eines der erfolgreichsten ESC-Länder mit Boykott droht, sendet ein starkes Signal.

Die niederländische Position ist nicht weniger deutlich: „AVROTROS kann die Teilnahme Israels in der heutigen Situation angesichts des anhaltenden und schweren menschlichen Leidens in Gaza nicht länger verantworten", erklärt der Sender. Der Sender nennt auch die „schwerwiegende Aushöhlung der Pressefreiheit" durch Israel, den Ausschluss internationaler unabhängige Berichterstatter und die vielen Opfer unter Journalisten.

Auch Slowenien, Spanien und Island erwägen, bei einer Teilnahme Israels dem Eurovision Song Contest im kommenden Jahr in Wien fernzubleiben. Am Mittwoch forderte etwa auch die spanische Regierung erneut den Ausschluss Israels. Sollte dies nicht geschehen, müsse Spanien gegebenenfalls ebenso über einen Rückzug nachdenken, sagte Kulturminister Ernest Urtasun im Interview des staatlichen TV-Senders RTVE.

Wien 2026: Ein Festival unter Spannung

Es ist geplant, zwei Halbfinals am 12. und 14. Mai und ein Finale am 16. Mai 2026 in der Wiener Stadthalle in Wien, Österreich abzuhalten. Es wird von der Europäischen Rundfunkunion (EBU) und dem Gastgeber Österreichischer Rundfunk (ORF) organisiert, der die Veranstaltung ausrichtet, nachdem er den Wettbewerb 2025 für Österreich mit dem Song „Wasted Love" von JJ gewonnen hat. Es wird das dritte Mal sein, dass Österreich den Wettbewerb ausrichtet, nachdem es dies bereits 1967 und 2015 getan hat, beide Male ebenfalls in Wien. Der ausgewählte Veranstaltungsort für den Wettbewerb ist die 16.152 Plätze fassende Wiener Stadthalle, die bereits 2015 den Wettbewerb beherbergte.

Die österreichische Hauptstadt, die 2015 mit Conchita Wursts Triumph zum Symbol queerer Sichtbarkeit wurde, steht nun im Zentrum einer Zerreißprobe. Der österreichische Sender ORF hat sich als Gastgeber des ESC 2026 bereits eindeutig für eine Teilnahme Israels ausgesprochen. Er würde dies begrüßen, sagte ORF-Generaldirektor Roland Weißmann Anfang September. Diese Position steht im direkten Konflikt zu den Boykott-Drohungen mehrerer Teilnehmerländer.

Der ESC als queeres Weltkulturerbe in Gefahr

Der Eurovision Song Contest ist seit 1956 die queere Familienshow schlechthin, generationsübergreifend und sexualorientierungsübergreifend. Der Wettbewerb ist wesentlich, in den Hintergründen, von schwulen Männern geprägt – und das nicht erst seit Conchita Wursts Triumph 2014, sondern von Anfang an. Kurzum: Der ESC ist ein Queeres Weltkulturerbe. Diese Einschätzung des deutschen ESC-Experten Jan Feddersen bringt auf den Punkt, was für viele LGBTQ+-Menschen auf dem Spiel steht.

Die Bedeutung des ESC fĂĽr die queere Community zeigt sich auch in Zahlen: Bis zum Wettbewerb 2025 haben LGBTQ-Teilnehmer 12 Mal gewonnen, darunter sechs der letzten acht ausgetragenen Wettbewerbe. Dana International, die 1998 fĂĽr Israel antrat, war die erste Trans-Performerin des Wettbewerbs und wurde die erste Trans-KĂĽnstlerin, die den Wettbewerb gewann. Mehrere offene Mitglieder der LGBTQ-Community haben seitdem am Wettbewerb teilgenommen und gewonnen: Conchita Wurst, die Drag-Persona des offen schwulen Thomas Neuwirth, gewann 2014 fĂĽr Ă–sterreich.

In Deutschland, wo der ESC traditionell hohe Einschaltquoten erzielt und besonders in der queeren Community zelebriert wird, beobachtet man die Entwicklungen mit Sorge. Der Wettbewerb, der lange als Plattform fĂĽr Vielfalt und Akzeptanz galt, droht zum Spielball geopolitischer Konflikte zu werden. Mehr zur LGBTQ+-Geschichte des ESC

Kontroversen bereits beim ESC 2025 in Basel

Die aktuelle Krise hat ihre Wurzeln bereits im diesjährigen ESC in Basel. Wie bereits bei der zweiten Generalprobe für das zweite Halbfinale ist es auch in der Livesendung für das große Finale des Eurovision Song Contest 2025 zu einem massiven Vorfall während der Performance von Yuval Raphael mit „New Day Will Rise" für Israel gekommen. Die Täter*innen haben Farbbeutel mit roter Farbe, die offenbar Blut symbolisieren soll, durch die Sicherheitskontrollen in die Halle schmuggeln können. Offensichtlich wollten sie damit eigentlich während dem Auftritt Israels auf die Bühne gelangen. Das ist glücklicherweise nicht gelungen.

Nach dem starken Abschneiden Israels beim diesjährigen Eurovision Song Contest in Basel mehren sich die kritischen Stimmen. Aus Deutschland gab es bisher keine Kritik an dem Televoting-Ergebnis, dem Abstimmungsverfahren oder der Teilnahme Israels. In den Halbfinal-Aufzeichnungen des ESC tauchte etwa die Sängerin Yuval Raphael in TV-Spots auf, in denen sie explizit zum Abstimmen aufrief – als einziger Act. Recherchen des EBU-eigenen Portals Eurovision News Spotlight zufolge wurde die Kampagne von einer staatlichen israelischen Agentur orchestriert und bezahlt.

Ein Wettbewerb am Scheideweg

Die EBU steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Die Europäische Rundfunkunion, die den Wettbewerb betreibt, sagte, sie berate sich mit ihren Mitgliedern darüber, wie sie „Teilnahme und geopolitische Spannungen" rund um den Wettbewerb bewältigen könne, und werde ihnen bis Mitte Dezember Zeit geben, um zu entscheiden, ob sie teilnehmen wollen. „Wir verstehen die Bedenken und tief verwurzelten Ansichten rund um den anhaltenden Konflikt im Nahen Osten", sagte Martin Green, Direktor des Eurovision. „Es liegt an jedem Mitglied zu entscheiden, ob es am Wettbewerb teilnehmen möchte, und wir würden jede Entscheidung der Rundfunkanstalten respektieren."

Die Entscheidung über die Teilnahme Israels am ESC 2026 wird im Dezember gefällt. Bis dahin bleibt der Eurovision Song Contest in der Schwebe – zwischen seiner Tradition als unpolitisches Musikfest und den geopolitischen Realitäten unserer Zeit. Für die queere Community in Deutschland und Europa bedeutet dies möglicherweise den Verlust eines ihrer wichtigsten kulturellen Ereignisse. Ein Wettbewerb, der einst Brücken baute, droht nun zum Symbol der Spaltung zu werden.

Der deutsche Ableger des ESC, der ab 2026 vom SWR statt vom NDR organisiert wird, hat sich bislang nicht zu möglichen Konsequenzen geäußert. Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, brachte für den Fall, dass sich Spaniens Forderung nach einem Israel-Ausschluss durchsetzt, sogar einen Rückzug Deutschlands beim ESC ins Gespräch. Auf die Frage, ob Deutschland niemanden mehr zum ESC schicken sollte, wenn Israel ausgeschlossen würde, sagt Prosor: „Auf jeden Fall. Klare Kante." Eine Entwicklung, die die deutsche ESC-Fangemeinde, insbesondere in der LGBTQ+-Community, mit großer Sorge verfolgt. Offizielle ESC 2026 Informationen


Wenn Politik persönlich wird: Leonie Plaars bewegender Kampf zwischen Queerness und AfD-Familie

Als Tochter eines AfD-Mitglieds und selbst queere Person hat Leonie Plaar eine Geschichte zu erzählen, die kein Einzelfall ist: Fast alle ihrer nahen Verwandten wählen die Alternative für Deutschland, und bis sie die Reißleine zog, erlebte sie deren Radikalisierungsprozess hautnah mit. In ihrem neuen Buch "Meine Familie, die AfD und ich" verarbeitet die unter dem Namen Frau Löwenherz bekannte Historikerin und Aktivistin eine Erfahrung, die viele queere Menschen in Deutschland nur zu gut kennen: den schmerzhaften Spagat zwischen der eigenen Identität und einer Familie, die diese fundamental ablehnt.

Das Coming-out in der Provinz – und der Preis der Unsichtbarkeit

Plaars Geschichte beginnt dort, wo viele queere Biografien ihren schwierigsten Punkt haben: beim Coming-out in der ländlichen Provinz. Ihre Eltern wischen ihre Identität zunächst als Phase vom Tisch. Schon als Jugendliche überfällt sie die "hilflose Angst, unsichtbar gemacht zu werden". Doch was ihre Geschichte besonders macht, ist der politische Kontext: Als Tochter verbringt sie ihre Kindheit inmitten von Verwandten, die Teil einer Bewegung werden, die sich gegen alle Werte richtet, die Leonie verkörpert.

Während ihres Coming-outs dämmert ihr zum ersten Mal, "dass hier kein sicherer Ort für meine Identität war, obwohl ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Worte fassen konnte". Über Jahre hinweg hat sie zugehört, analysiert, mitdiskutiert – und dabei beobachtet, wie ihre Familie immer tiefer in den Sumpf rechtspopulistischer und extremer Weltbilder gezogen wird.

Die bittere Realität: Wenn der eigene Vater die Bedrohung unterstützt

Besonders schmerzhaft ist die Tatsache, dass die AfD die einzige Partei im Bundestag ist, die die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wieder abschaffen will. Als einzige Partei will die AfD bestehende Bildungs- und Aktionspläne gegen Homo- und Transphobie beenden und das Antidiskriminierungsgesetz abschaffen. Die Partei hat zudem das Amt des Queer-Beauftragten der Bundesregierung wieder abschaffen wollen und fordert stattdessen, dass die Politik sich stärker für eine "familienfreundliche Gesellschaft" einsetzen solle.

Plaar erklärt ihren Verwandten – allen voran ihrem "Erzeuger", wie sie ihn nur noch nennt – wieder und wieder, wie queerfeindlich die AfD ist. Am Ende bleibt die absurde wie traurige Tatsache: Ihr eigener Vater unterstützt eine Partei, die ganz konkret seine Tochter bedroht.

Alice Weidel: Das Paradox der lesbischen Spitzenkandidatin

Besonders scharf analysiert Plaar das Paradox Alice Weidels. Trotz ihrer offen lesbischen Kanzlerkandidatin, die mit einer aus Sri Lanka stammenden Frau zwei Söhne großzieht, ist die AfD die lauteste Stimme im Bundestag gegen LGBTIQ*-Rechte. Plaar formuliert die These, dass Weidel irgendwann von ihrer eigenen Partei fallen gelassen wird. Bis dahin instrumentalisiert Weidel das Thema und verklärt Homophobie zum "Migrationsproblem" – eine perfide Strategie, die von der eigenen Queerfeindlichkeit ablenken soll.

Dabei zeigt sich die wahre Haltung der AfD deutlich: Die Partei will das Selbstbestimmungsgesetz abschaffen, keinen Queer-Beauftragten haben und das Offenbarungsverbot aushebeln, um Deadnaming zu ermöglichen und trans Frauen als Männer bezeichnen zu dürfen. Der programmatische Antifeminismus der Partei richtet sich gegen jede Politik der Gleichstellung wie zum Beispiel Quotenregelungen.

Die Macht der Online-Radikalisierung

Plaar betont, wie massiv das Internet – im Gegensatz zu physischen Räumen – für Jugendliche zum Motor der Radikalisierung wird. Die rechte Propaganda funktioniert erschreckend gut, weil sie einfache Antworten auf komplexe gesellschaftliche Fragen bietet. Die Behauptung, dass die Bevölkerung durch eine gezielte "Gender-Propaganda" manipuliert oder gar sexuell umerzogen werden solle, ist ein gängiges Narrativ in der rechtsextremistischen Szene. Diese "Gender-Propaganda" werde durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenso wie durch Konzerne, Politiker sowie an Schulen betrieben.

Sie zitiert den früheren AfD-Pressesprecher Christian Lüth: "Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD." Diese zynische Strategie zeigt, wie die Partei gezielt Ängste schürt und künstlich konstruierte Feindbilder erschafft, die Migrant*innen und queere Menschen gleichermaßen treffen.

Selfcare ist kein Vorwand fĂĽr Kapitulation

Klar benennt Plaar – unter Einbezug ihrer eigenen Positionalität als weiße, queere, deutschsprachige cis Frau –, dass Selfcare, so richtig das Bedürfnis nach Schutz und Rückzug auch ist, nicht zum Vorwand für Kapitulation werden darf. Von Rassismus Betroffene haben nicht die Option, sich wegzuducken. Wir schulden es den Verletzbarsten unserer Gesellschaft, den Kampf gegen den erstarkenden Rechtsradikalismus nicht aufzugeben.

Die politischen Gräben ziehen sich auch durch Familien. Plaars Buch ist eine gesellschaftliche und politische Analyse und gleichzeitig die berührende Erzählung eines familiären Bruchs. Es zeigt, wie der Streit mit der Familie vom Politischen ins Private kippt – und warum es nicht reicht, einfach nur Falschbehauptungen zu widerlegen.

Die Wahlfamilie als Rettungsanker

Am Ende zieht Plaar ein Fazit, das in queeren Biografien längst gelebte Praxis ist: Wer vor der eigenen Familie Scham oder Angst empfindet, findet seine Wahlfamilie in den Freund*innen. Blutsverwandtschaft kann man sich nicht aussuchen – Familie schon. Diese Erkenntnis ist für viele queere Menschen überlebenswichtig.

Leonie Plaar, geboren 1992 in Osnabrück, studierte Englisch, Geschichte und American Studies mit einem Zertifikat in Geschlechterforschung und arbeitet heute als freie Journalistin. Sie wohnt in Düsseldorf. Ihr Buch ist nicht nur ein persönlicher Erfahrungsbericht, sondern ein Sprachrohr für all jene, die gezwungen sind, ihre Bratkartoffeln am selben Tisch mit radikalisierten Familienmitgliedern zu essen.

Ein Aufruf zum Handeln

Plaars Geschichte ist kein Scheitern, sondern ein Aufruf: Mut zu machen, Empathie zu wecken, Ressourcen klug einzusetzen – und das Schweigen derer zu brechen, die sich in endlosen, fruchtlosen Diskussionen mit AfD-Wählenden verfangen. Die beachtlichen Werte der Wählerschaft der AfD hinsichtlich Transfeindlichkeit und Antifeminismus zeigen, dass die AfD zumindest teilweise aufgrund antifeministischer und transfeindlicher Positionen gewählt wird – und diese Wünsche versucht die Partei zu bedienen.

In Zeiten, in denen seit Juni 2024 vermehrt Veranstaltungen der LSBTIQ-Bewegung in den Fokus insbesondere gewaltorientierter Rechtsextremisten geraten und es wiederholt zu rechtsextremistischen Störaktionen von öffentlichen Veranstaltungen zum Christopher Street Day kommt, ist Plaars Buch wichtiger denn je. Es zeigt: Wie lautstark wir Alice Weidel auch kritisieren mögen, wir werden immer auch für ihre Rechte mitkämpfen – denn genau das unterscheidet uns von jenen, die Menschenrechte nur für sich selbst einfordern.

"Meine Familie, die AfD und ich" erschien am 10. September 2025 im Goldmann Verlag und ist für 18 Euro erhältlich. Wer mehr über Leonie Plaar alias Frau Löwenherz auf Instagram erfahren möchte, findet sie auf den sozialen Medien, wo sie weiterhin über Politik, Queerness und Feminismus aufklärt.


GroĂźbritannien verurteilt trans Frau: Deutschland diskutiert ĂĽber Offenlegungspflicht beim Dating

Ein Urteil aus Großbritannien sorgt international für Diskussionen: Die 21-jährige trans Frau Ciara Watkin wurde wegen sexueller Nötigung verurteilt, weil sie einem Mann vor sexuellen Handlungen nicht mitteilte, dass sie trans ist. Wie PinkNews berichtet, hatte Watkin dem Mann, den sie über Snapchat kennengelernt hatte, gesagt, sie habe ihre Periode, um zu verhindern, dass er herausfindet, dass sie noch keine geschlechtsangleichende Operation hatte. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, der Mann habe keine "informierte Einwilligung" geben können, da er angab, er hätte keinen sexuellen Kontakt mit Watkin gehabt, wenn er gewusst hätte, dass sie trans ist.

Das umstrittene Urteil und seine Folgen

Die Jury fällte ihr Urteil nach nur einer Stunde Beratung im Anschluss an einen zweitägigen Prozess. Nach Paragraph 74 des Sexual Offences Act 2003 stimmt eine Person sexuellen Handlungen zu, "wenn sie aus freiem Willen zustimmt und die Freiheit und Fähigkeit hat, diese Entscheidung zu treffen." Unter den kürzlich aktualisierten Richtlinien der Crown Prosecution Service zur "Täuschung über das Geschlecht" wurde argumentiert, dass er keine informierte Einwilligung zu den sexuellen Handlungen geben konnte.

Die britische Journalistin und ehemalige "Loose Women"-Moderatorin India Willoughby bezeichnete Watkins Verurteilung gegenüber PinkNews als "barbarisch und unmenschlich". Sie kritisierte: "Es gibt hier keine Täuschung über das Geschlecht. Soweit ich sehen kann, haben sie sich gedatet."

Rechtslage in Deutschland: Das Selbstbestimmungsgesetz

In Deutschland trat am 1. November 2024 das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft, das trans*, inter* und nicht-binären Menschen ermöglicht, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern zu lassen. Das Gesetz löst das Transsexuellengesetz (TSG) aus dem Jahr 1980 ab, das vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen der letzten Jahrzehnte in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt wurde.

Wichtig ist: Das Selbstbestimmungsgesetz vermittelt keinen Anspruch auf Zugang zu geschützten Räumen. Die bestehende Rechtslage in Bezug auf die Vertragsfreiheit und das private Hausrecht bleibt durch das Gesetz unberührt. Wie bislang sind gesetzliche Grenzen der Vertragsfreiheit zu beachten (zum Beispiel die Grenzen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - AGG).

Keine Offenlegungspflicht im deutschen Recht

Anders als in Großbritannien gibt es in Deutschland keine rechtliche Pflicht für trans Personen, ihren trans Status beim Dating oder vor sexuellen Handlungen offenzulegen. Ein Selbstbestimmungsgesetz regelt, wie der Vorname und Geschlechtseintrag geändert werden kann. Es hat keine Auswirkung auf das Strafrecht. Alles, was vorher als Gewalt-Ausübung strafbar war, wird strafbar bleiben.

Das deutsche Strafrecht kennt zwar den Tatbestand der sexuellen Nötigung nach § 177 StGB, doch wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Die bloße Nicht-Offenlegung des trans Status fällt nicht unter diese Regelung.

Die "unmögliche Position" für trans Menschen

Die britische Journalistin jane fae, Direktorin von TransActual, kritisiert die Erwartung zur Offenlegung scharf: "Die Art, wie Menschen diesen Raum verhandelt haben, ist durch gesunden Menschenverstand. Entweder man offenbart sich früh und riskiert Gewalt und Ablehnung, oder man sagt nichts bis zur Intimität und hofft, dass es okay ist. Keine Position ist ideal. Es bringt trans Frauen in eine unmögliche Situation."

India Willoughby warnt vor einer Ungleichbehandlung: "Wir haben keine Situation, in der Bisexuelle, cis Menschen, Konservative oder evangelikale Christen erklären müssen, wer sie sind, bevor sie Sex haben. Warum wird das also nur auf trans Menschen angewendet?" Sie beschreibt die Offenlegung als "extrem demütigend und stigmatisierend" und argumentiert, dass Großbritannien "das transphobste Land in Europa" geworden sei aufgrund eskalierender, von der Regierung unterstützter Feindseligkeit.

Diskriminierung und Gewalt gegen trans Menschen in Deutschland

Auch in Deutschland erleben trans Menschen erhebliche Diskriminierung. Nach einer Erhebung der EU-Grundrechteagentur im Jahr 2023 gaben rund drei Viertel der befragten trans Personen an, in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten belästigt worden zu sein. Das Bundeskriminalamt zählt die Straftaten gegen trans Menschen in der Kategorie "Geschlechtsbezogene Diversität": Im Jahr 2023 wurden hier 854 Straftaten registriert, darunter 109 Fälle von Körperverletzung.

Der "Lagebericht zur kriminalitätsbezogenen Sicherheit von LSBTIQ*" verzeichnet für das Jahr 2023 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen (im Jahr 2022: 1.188). Zu den häufigsten Straftaten zählten dabei Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Bei den Gewalttaten wurden 212 Opfer (im Jahr 2022: 197) festgestellt. Der Bericht stellt zudem fest, dass sich die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" seit 2010 nahezu verzehnfacht hat.

Ein Blick nach vorn

Das britische Urteil gegen Ciara Watkin zeigt die rechtlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen trans Menschen beim Dating stehen. Während Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen progressiveren Weg eingeschlagen hat, bleibt die Frage der Offenlegung beim Dating ein sensibles Thema.

jane fae bringt die Problematik auf den Punkt: "Persönlich denke ich, man sollte offenlegen, aber das sollte für alles Bedeutsame gelten, wie Religion oder Beziehungsstatus. Die aktuelle Situation, in der das Versäumnis, den trans Hintergrund zu erwähnen, zu einer Anklage wegen sexueller Nötigung führt, aber eine Lüge über die Religion nicht, erscheint absolut lächerlich."

Für trans Menschen in Deutschland bleibt die Situation komplex: Während das Gesetz keine Offenlegungspflicht vorsieht, müssen sie im Alltag weiterhin mit Diskriminierung und potenzieller Gewalt rechnen. Die Reform der gesetzlichen Geschlechtsanerkennung auf Grundlage der Selbstbestimmung wird trans Personen in Deutschland nicht per se vor Missbrauch und Diskriminierung schützen. Aber das neue Gesetz zeigt, dass die Regierung die Grundrechte von trans und nicht-binären Menschen unterstützt, was zu einem breiteren Verständnis und einer größeren Akzeptanz von verschiedenen Geschlechtsidentitäten beiträgt.

Das Urteil aus Großbritannien sollte für Deutschland eine Warnung sein: Trans Menschen dürfen nicht kriminalisiert werden für das, was sie sind. Die Würde und Selbstbestimmung aller Menschen - unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität - muss geschützt werden.


WHO hebt internationale Notlage wegen Mpox auf – Was bedeutet das für Deutschland?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die internationale Gesundheitsnotlage wegen Mpox aufgehoben, wie aus einer aktuellen Meldung hervorgeht. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus verkündete bei einer Pressekonferenz in Genf, dass sich die Organisation der Empfehlung eines unabhängigen Expert*innengremiums angeschlossen habe. Die Zahlen in den am stärksten betroffenen afrikanischen Ländern seien rückläufig, und das Wissen über Infektionsfaktoren und -risiken sei seit der Ausrufung der Notlage 2024 gewachsen. Dennoch warnte er, dass die Gefahr noch nicht gebannt sei und Behörden weiterhin wachsam bleiben müssten.

Die aktuelle Lage in Deutschland

Im Jahr 2024 wurden bislang 136 Mpox-Fälle an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet, verglichen mit nur 25 Fällen im selben Zeitraum des Jahres 2023. Diese Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg, obwohl die Fallzahlen insgesamt auf einem niedrigeren Niveau bleiben als während des großen Ausbruchs 2022, als mehr als 4.300 Fälle an das RKI übermittelt, der Großteil davon (rund 3.700 Fälle) von Frühsommer bis Herbst 2022 registriert wurden.

Besonders auffällig ist die geografische Verteilung der Fälle: Berlin führt mit 47 gemeldeten Fällen weiterhin die Liste an, doch andere Bundesländer holen auf. Nordrhein-Westfalen (27 Fälle), Bayern (14 Fälle), Hamburg (16 Fälle) und Baden-Württemberg (12 Fälle) verzeichnen im Vergleich zu den Vorjahren einen deutlich höheren Anteil an Infektionen. Die Schwulenberatung Berlin warnte bereits im März 2025 vor einem massiven Anstieg der Fallzahlen in der Hauptstadt.

Neue Virusvariante auch in Deutschland nachgewiesen

Seit Oktober 2024 werden in Deutschland auch vereinzelte Mpox-Infektionen mit Klade Ib nachgewiesen, die gefährlichere Variante, die hauptsächlich in Afrika zirkuliert. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium hat gegenüber dem WDR bestätigt, dass es sich bei dem Mpox-Positiven um einen 33-jährigen Mann aus Köln handle. Seither sind zehn Mpox-Fälle Klade Ib in Deutschland berichtet worden, die direkt oder indirekt mit Reisen in endemische Länder in Zusammenhang stehen.

Die neue Variante ist besonders besorgniserregend: Die Sterblichkeitsrate ist laut der US-Seuchenbehörde CDC rund 25 mal größer als noch vor zwei Jahren – fünf Prozent der Erkrankten sterben. Bei dem weltweiten Ausbruch 2022 waren es 0,2 Prozent der Mpox-Fälle. Trotzdem geht das RKI aktuell weiterhin nicht von einer erhöhten Gefährdung durch Klade-I-Viren in Deutschland aus, beobachtet die Situation aber sehr genau und passt seine Empfehlungen bei Bedarf an.

LGBTQ+-Community besonders betroffen

Die Mpox-Infektionen in Deutschland betreffen weiterhin hauptsächlich Männer, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern haben (weniger als 1% der Fälle betreffen Frauen, Jugendliche oder Kinder). In Deutschland hatten sich vor drei Jahren rund 3.800 Menschen infiziert, beinahe durchwegs war das Virus durch sexuelle Kontakte zwischen schwulen und bisexuellen Männern weitergegeben worden.

Die Deutsche Aidshilfe und verschiedene Schwulenberatungsstellen haben ihre Präventionsarbeit intensiviert. In den vergangenen Jahren haben internationale Großveranstaltungen und Festivals für Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), im Frühjahr und Frühsommer zu längeren Übertragungsketten beigetragen. Dies macht gezielte Aufklärungsarbeit in der Community besonders wichtig.

Impfempfehlungen der STIKO erweitert

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat ihre Empfehlungen kürzlich angepasst. Bei der postexpositionellen Impfung gegen Mpox ist neu, dass nun auch Personen ab zwölf Jahren geimpft werden dürfen. Zusätzlich sind nicht mehr nur Männer, die Sex mit Männern haben, in die Empfehlung inkludiert. Die STIKO nennt zum Beispiel auch trans und nichtbinäre Personen bei den Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko.

Die aktuelle Empfehlung umfasst Männer und trans sowie nicht-binäre Personen, die Sex mit Männern haben und dabei häufig die Partner wechseln und Sexarbeitende. Dazu gehören Männer ab 18 Jahren, die sexuelle Beziehungen zu anderen Männern (MSM) pflegen und häufig ihre Partner wechseln. Die vollständige Grundimmunisierung besteht aus zwei Impfdosen im Abstand von mindestens 28 Tagen.

VerfĂĽgbarkeit und KostenĂĽbernahme der Impfung

Die Vakzine Imvanex ist in Deutschland derzeit in ausreichender Menge verfĂĽgbar, und die gesetzlichen Krankenkassen ĂĽbernehmen die Kosten fĂĽr die Impfung. In den Regionen mit Mpox-Impfvereinbarung (Stand: 30.09.2024: Baden-WĂĽrttemberg, Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) genĂĽgt die Vorlage der Gesundheitskarte in der Arztpraxis.

Allerdings gab es in der Vergangenheit Probleme bei der Finanzierung: Erst fehlte Impfstoff, dann gab es in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen zur Kostenübernahme der Impfkosten durch die gesetzlichen Krankenversicherungen, zum Teil mussten Impfungen privat vorfinanziert werden. Diese Hürden könnten dazu geführt haben, dass sich nicht alle gefährdeten Personen haben impfen lassen.

Wirksamkeit der Impfung bestätigt

Neue Studien belegen die hohe Wirksamkeit der Mpox-Impfung. Erst vor wenigen Tagen belegten auch erste Studien der Charité die hohe Wirksamkeit der Doppel-Impfung. In Deutschland rät die Ständige Impfkommission (STIKO) zu einer präventiven Impfung für Personen, die ein erhöhtes Risiko für Infektionen aufweisen.

Ausblick und Empfehlungen

Trotz der Aufhebung der internationalen Notlage bleibt Wachsamkeit geboten. Ein begrenztes Ausbruchsgeschehen durch Mpox Klade IIb ist weiterhin möglich, von einem starken Anstieg der Fallzahlen wie 2022 wird derzeit jedoch nicht ausgegangen. Das RKI empfiehlt weiterhin dringend, dass sich Personen aus Risikogruppen vollständig impfen lassen.

Die Linke queer forderte im April 2025 eine bundesweite Aufklärungskampagne für schwule und bisexuelle Männer, um eine erneute Ausbreitung zu verhindern. Angesichts der kommenden Pride-Saison und internationaler Großveranstaltungen im Sommer ist eine verstärkte Präventionsarbeit besonders wichtig.

Für die LGBTQ+-Community bedeutet die Aufhebung der Notlage keine Entwarnung. Die Erfahrungen aus dem Ausbruch 2022 zeigen, wie schnell sich das Virus in der Community ausbreiten kann. Daher bleiben Aufklärung, niedrigschwellige Impfangebote und die Entstigmatisierung der Erkrankung zentrale Aufgaben für Gesundheitsbehörden und Community-Organisationen.


Bolsonaros Verurteilung: Ein historischer Sieg für die Demokratie – und eine Warnung für Deutschland

Das Oberste Gericht Brasiliens hat ein historisches Urteil gefällt: Ex-Präsident Jair Bolsonaro wurde wegen eines versuchten Staatsstreichs zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt. Es ist das erste Mal, dass ein ehemaliger Präsident in Brasilien wegen eines versuchten Staatsstreichs verurteilt wird. Für die queere Community des Landes, die unter Bolsonaros Herrschaft massive Verfolgung erlebte, ist dieses Urteil mehr als nur juristische Gerechtigkeit – es ist ein Zeichen der Hoffnung.

Jahre des Hasses und der Gewalt

Bolsonaros Queerfeindlichkeit war legendär und bildete einen zentralen Pfeiler seiner Politik. Der Präsident hatte in der Vergangenheit mehrfach mit homophoben Aussagen Aufsehen erregt und erklärt, es wäre ihm lieber, sein Sohn wäre tot als schwul. Bei einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast rief er angesichts der Corona-Krise seine Landsleute auf, nicht wie vermeintlich verweichlichte "Schwuchteln" zu reagieren und sagte wörtlich: "Wir müssen aufhören, ein Land von Schwuchteln zu sein".

Die rassistischen und homophoben Aussagen des brasilianischen Präsidenten provozierten Übergriffe im Land. Brasilien ist weltweiter Spitzenreiter homo- und transfeindlicher Gewalt, 273 LGBT wurden 2022 ermordet. 90 Prozent der trans Frauen arbeiten als Sexarbeiterinnen, nur 0,2 Prozent besuchen eine Universität. Die Lebenserwartung von trans Menschen liegt bei etwa 35 Jahren.

Der gescheiterte Putsch und seine Folgen

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatte Bolsonaro nach seiner Wahlniederlage gegen Lula einen Staatsstreich geplant. Ziel sei es gewesen, einen Ausnahmezustand zu verhängen und Neuwahlen durchzusetzen – allerdings habe Bolsonaro die Unterstützung der Militärführung nicht gewonnen. Am 8. Januar 2023, wenige Tage nach Lulas Amtsantritt, stürmten Anhänger des Rechtspolitikers den Kongress, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast in Brasília.

Vier der fünf Richter stimmten für eine Verurteilung von Bolsonaro, nur Richter Luiz Fux votierte für einen Freispruch. Richter Alexandre de Moraes bezeichnete Bolsonaro als "Anführer einer kriminellen Organisation" und sagte: "Das war kein Sonntag im Park, kein Ausflug nach Disneyland" bezüglich des Sturms auf die Regierungsgebäude.

Die Parallelen zu Trump – und die internationale Reaktion

Parallelen zwischen Bolsonaro und Trump, den der ehemalige Chefberater Steve Bannon gerne "Tropen-Trump" nannte, werden häufig gezogen. Die Bilder vom Sturm auf das Regierungsviertel in Brasilia am 8. Januar 2023 erinnern beinahe zwangsläufig an den Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021.

Trump zog Parallelen zu den Gerichtsverfahren gegen ihn selbst und sagte: "Das ist so ähnlich, wie sie es mit mir versucht haben, aber sie sind nicht damit durchgekommen". Tatsächlich dauerten die Gerichtsverfahren wegen des Sturms auf das Kapitol durch diverse Verzögerungen so lange, dass es nie zu einem Urteil kam.

US-Präsident Donald Trump und seine Anhänger hatten den Prozess gegen Bolsonaro immer wieder als "Hexenjagd" bezeichnet und mit hohen Zöllen Druck auf Brasilien ausgeübt. US-Außenminister Marco Rubio drohte: "Die Vereinigten Staaten werden auf diese Hexenjagd entsprechend reagieren".

Was bedeutet das fĂĽr Deutschland?

Die Verurteilung Bolsonaros sendet ein wichtiges Signal an rechtspopulistische Bewegungen weltweit – auch nach Deutschland. Brasilien hat sich mutig gegen die dreiste Einflussnahme von Präsident Trump gestellt, der das Land wegen des Prozesses mit Zöllen von 50 Prozent belegt hat. Es bleibt abzuwarten, ob das Land dem wirtschaftlichen Druck aus den USA standhalten kann.

Die Parallelen zwischen Bolsonaros queerfeindlicher Politik und den Positionen der AfD in Deutschland sind beunruhigend. Mit 71% geschlossener Ablehnung gegenüber Transpersonen sind AfD-Wähler am häufigsten transfeindlich. Dies zeigen auch die beachtlichen Werte der Wählerschaft der AfD hinsichtlich Transfeindlichkeit und Antifeminismus. Es ist davon auszugehen, dass die AfD zumindest teilweise aufgrund antifeministischer und transfeindlicher Positionen gewählt wird.

Die AfD ist inzwischen die einzige Partei im Bundestag, die die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wieder abschaffen will. Als einzige Partei will die AfD bestehende Bildungs- und Aktionspläne gegen Homo- und Transphobie beenden und das Antidiskriminierungsgesetz abschaffen. Diese homophobe Politik dokumentiert die AfD auch in der Beantwortung der LSVD-Wahlprüfsteine: Sie möchte hart erkämpfte Rechte beschneiden und Erfolge in der Gleichstellung zurückdrehen.

Ein historischer Moment fĂĽr die Demokratie

Die demokratischen Institutionen Brasiliens gehen gestärkt aus dem Prozess hervor. Der Schuldspruch zeigt möglichen Nachahmern von Bolsonaro, dass die demokratische Ordnung nicht ungestraft umgestossen werden kann. Die Politikwissenschaftlerin Isabela Kalil erklärt: "Ohne ihre wichtigste Führungsfigur droht dem rechtsextremen Lager eine Zersplitterung. Mit der Entscheidung des Gerichts seien die Kosten für einen Angriff auf die Demokratie deutlich gestiegen".

Für Deutschland ist Brasiliens konsequentes Vorgehen gegen antidemokratische Kräfte ein wichtiges Vorbild. Während die USA ihren demokratiefeindlichen Ex-Präsidenten erneut ins Amt wählten, zeigt Brasilien, dass Rechtsstaat und demokratische Institutionen wehrhaft sein können – auch gegen massive internationale Druckversuche.

Die queere Community Brasiliens kann nach Jahren der Verfolgung aufatmen. Doch die Warnung bleibt: Antra-Mitarbeiterin Fernanda de Moraes berichtet: "Früher waren die Vorurteile eher versteckt. Seit der Amtszeit von Bolsonaro leben viele ihren Hass offen aus". Diese Normalisierung des Hasses kennen wir auch aus Deutschland. Das Urteil gegen Bolsonaro zeigt: Demokratien müssen sich aktiv gegen ihre Feinde verteidigen – bevor es zu spät ist.


Jason Collins kämpft gegen Gehirntumor: Ein Vorbild, der weiter inspiriert

Der amerikanische Ex-Basketball-Spieler Jason Collins, der 2013 als erster Profi der vier grossen US-Ligen seine Homosexualität öffentlich gemacht hatte, muss sich einer Behandlung wegen eines Gehirntumors unterziehen. Die NBA gab die Nachricht am Mittwoch im Auftrag seiner Familie bekannt, die gleichzeitig um Privatsphäre bat. Die Basketball-Welt reagierte mit einer Welle der Solidarität und Unterstützung für den 46-jährigen NBA-Pionier.

Ein historisches Vermächtnis, das über den Sport hinausgeht

Er war der erste aktive Athlet in einer der vier großen nordamerikanischen Profiligen (NBA, NFL, MLB, NHL), der sich öffentlich outete. Der Akt des Mutes hallte weit über den Basketball hinaus. Es war ein Bruch mit der Stille, die queere Athleten lange im Schatten gehalten hatte. Collins' Coming-out im April 2013 markierte einen Wendepunkt – nicht nur für den amerikanischen Sport, sondern weltweit. Seit seinem Rücktritt ist er ein ausgesprochener Verfechter für LGBTQ+-Rechte und spricht landesweit über Sichtbarkeit, Inklusion und die Kraft authentisch zu leben.

Collins war nie der Spieler, der mit spektakulären Dunkings oder mitreißenden Statistiken die Schlagzeilen dominierte. Und doch hat er einen festen Platz in den Geschichtsbüchern des Sports: Im April 2013 outete er sich als erster noch aktiver Profi in einer der vier großen US-Sportligen als homosexuell. Sein Schritt wurde damals weltweit als Meilenstein für die Sichtbarkeit von LGBTQ+ im Spitzensport gefeiert, ein Tabubruch in einer Branche, die lange Zeit von Schweigen und Vorurteilen geprägt war.

Die deutsche Sportwelt hinkt hinterher

Während Collins' Mut in den USA Geschichte schrieb, zeigt sich in Deutschland ein besorgniserregender Kontrast. Auch im Jahr 2023 gibt es in der deutschen Fußballbundesliga immer noch keinen offen schwul, bisexuell, trans* oder inter* lebenden Spieler. Es gibt auch schwule Paare in der Bundesliga, und zwar sehr nette, sehr hübsche. Und vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem sie sich outen. Diese Worte stammen von Marcus Urban, der sich nach eigenen Angaben als erster Profifußballer in Deutschland zu seiner Homosexualität bekannt hat – allerdings erst nach seiner aktiven Karriere.

Die Gründe für dieses Schweigen sind vielschichtig. Während dieser 30 Jahre bin ich auf keinen einzigen Mitspieler oder Gegner gestoßen, der sich als homosexuell geoutet hätte. Dieser Spieler hätte in der Kabine leider kein Leben mehr. Diese ernüchternde Einschätzung eines ehemaligen Spielers zeigt die tief verwurzelte Homophobie im deutschen Männerfußball. Viele schwule Spieler hätten sich inzwischen in Gruppen organisiert, andere seien Einzelkämpfer.

Strukturelle Barrieren und verpasste Chancen

Ein geplantes Gruppen-Coming-out am 17. Mai 2024, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, scheiterte. Am Ende traute sich keiner. Es gibt in ihrem Umfeld noch zu viele Menschen, die ihnen davon abraten – Medienanwälte, Berater:innen, Familie. Die strukturellen Probleme reichen tief: Es gibt Geschäftszweige innerhalb der Szene: Scheinfreundinnen, arrangierte Ehen, organisierte Treffen. Auch Berater machen das zum Teil und haben die Spieler dann in der Hand.

Die Diskrepanz zwischen Frauen- und Männersport ist dabei besonders auffällig. Beim deutschen Frauenfußballteam zeigen sich viele als offen lesbisch, bisexuell oder queer und setzen sich auch für die Gleichbehandlung von lesbischen Paaren bei der Familiengründung ein. Im Frauenfußball ist Homosexualität längst kein Tabu mehr, während im Männerfußball die Angst vor dem Coming-out weiterhin dominiert.

Hoffnungsschimmer und konkrete Handlungsansätze

Trotz der düsteren Bilanz gibt es auch positive Entwicklungen. Der erste queere Sportverein Europas wurde 1980 in Köln gegründet: der SC Janus. 1982 fanden die ersten Gay Games statt, die sich an die Olympischen Spiele anlehnen und homosexuellen Athlet*innen ein Sportevent ohne Queerfeindlichkeit bieten wollen. Diese historischen Meilensteine zeigen, dass Deutschland durchaus eine Vorreiterrolle einnehmen könnte.

Experten sehen konkrete Lösungsansätze: Explizite Ansprechpersonen für LSBTIQ* in den Vereinen zu schaffen. Nur wenige Trainer*innen haben das Thema auf dem Schirm, da es in Aus- und Weiterbildungen oftmals fehlt. Das muss sich dringend ändern. Außerdem sollten Satzungen der Vereine sich klar gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität aussprechen.

Collins' Kampf geht weiter – als Inspiration für alle

Jason Collins' aktuelle Gesundheitskrise erinnert uns daran, wie kostbar und zerbrechlich das Leben ist. Er trug ein Gewicht, das nicht seins allein war – die Bürde, der Erste zu sein, sichtbar zu sein, gebeten zu werden, eine Bewegung zu symbolisieren, die größer war als er selbst. Ihm Gutes zu wünschen ist nicht nur eine Frage des Gefühls; es ist eine Anerkennung des Geschenks, das er durch sein offenes Leben gemacht hat.

Während Collins nun gegen seinen Gehirntumor kämpft, bleibt sein Vermächtnis lebendig. Seine Geschichte zeigt, dass einzelne mutige Menschen tatsächlich die Welt verändern können – auch wenn der Wandel langsam kommt. Es ist auch ein Aufruf an die nächste Generation von Athleten; besonders jene in der NBA, die sich selbst als queer kennen, aber still bleiben, Collins' Mut zu ehren, indem sie in ihr eigenes treten.

Die deutsche Sportwelt täte gut daran, von Collins' Beispiel zu lernen. Für die Olympischen Spiele zeichnet sich ein fundamentaler Wandel ab. Denn in Tokio gehen so viele offen queere Sportler*innen wie nie an den Start. Das sind mehr als bei allen anderen Olympischen Spielen zusammengerechnet. Diese internationale Entwicklung zeigt: Der Sport kann ein Ort der Inklusion und Akzeptanz sein – wenn wir den Mut haben, dafür einzustehen.

Jason Collins mag momentan einen persönlichen Kampf führen, aber sein öffentlicher Kampf für Gleichberechtigung und Sichtbarkeit hat bereits unzählige Leben verändert. In einer Zeit, in der bis heute sich noch kein aktiver Fußballer der Männer-Bundesliga in Deutschland geoutet hat und "schwul" in vielen Sportarten noch als Beleidigung verwendet wird, brauchen wir mehr denn je Vorbilder wie ihn – Menschen, die zeigen, dass Authentizität und sportliche Exzellenz keine Gegensätze sind.


Pöbeln mit System: Warum der Bundestag härtere Strafen gegen verbale Entgleisungen braucht

Die geplante Reform der Geschäftsordnung des Bundestags kommt zur richtigen Zeit: Wie queer.de berichtet, sollen die Ordnungsgelder für pöbelnde Abgeordnete verdoppelt werden – ein längst überfälliger Schritt angesichts der zunehmenden Verrohung der Debattenkultur. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD planen eine Neufassung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, deren Ziel es ist, das Parlament als Ort der Debatte und Gesetzgebung zu stärken. Besonders brisant: Die meisten Ordnungsrufe der letzten Legislaturperiode kassierten AfD-Abgeordnete, die gezielt trans Politikerinnen wie Tessa Ganserer attackierten.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache

Nach dem erstmaligen Einzug der AfD in den Bundestag im Jahr 2017 stieg die Zahl der Ordnungsrufe wieder an. In der Legislaturperiode von 2017 bis 2021 gab es 47 Ordnungsrufe und zehn Rügen; von 2021 bis 2025 135 Ordnungsrufe und 26 Rügen. Diese dramatische Entwicklung zeigt: Mit dem Einzug der rechtsextremen Partei hat sich die parlamentarische Kultur fundamental verändert. 2023 gab es 51 Ordnungsrufe, mehr als in der gesamten vorherigen Wahlperiode. Spitzenreiterin ist die AfD-Politikerin von Storch.

Die geplanten Verschärfungen sehen vor, dass Abgeordnete nach drei Ordnungsrufen innerhalb von drei Sitzungswochen automatisch 2.000 Euro zahlen müssen – im Wiederholungsfall sogar 4.000 Euro. Das ist eine Verdopplung der bisherigen Sätze. Ordnungsrufe können dem Entwurf zufolge wie bisher erteilt werden, wenn Abgeordnete „die Ordnung oder die Würde des Bundestages" verletzen. Klargestellt wird in dem Änderungsentwurf ausdrücklich, dass alle Redebeiträge und Äußerungen „vom gegenseitigen Respekt und von der Achtung der anderen Mitglieder sowie der Fraktionen geprägt" sein sollten.

Der Fall Tessa Ganserer: Wenn Hass System hat

Was sich hinter den nüchternen Zahlen verbirgt, zeigt der Fall der trans Abgeordneten Tessa Ganserer besonders deutlich. Die AfD hatte zudem Ganserer immer wieder mit ihrem männlichen Vornamen angesprochen. Im Juni 2024 hatte von Storch für wiederholte „herabwürdigende und respektlose" Zwischenrufe ein Ordnungsgeld von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) erhalten. Die systematischen Angriffe gingen so weit, dass Ganserer schließlich ankündigte, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren.

Die trans Abgeordnete Tessa Ganserer hat ihren Rückzug aus dem Bundestag angekündigt und als Grund auch transfeindlichen Hass genannt. Die AfD reagiert auf die Ankündigung mit weiteren Hass-Botschaften. Besonders perfide: Besonders aggressiv äußerte sich AfD-Vizefraktionschefin Beatrix von Storch, die das Bundestagspräsidium wegen transfeindlicher Zwischenrufe gegen Ganserer schon mit einem Ordnungsgeld belegt hat. "Lieber Herr #Ganserer, es ist kein Hass, wenn man bei seinem Vornamen angesprochen wird und einen biologischen Mann als Mann bezeichnet", so von Storch auf der Plattform X.

Die Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz als Brennglas

Die Verrohung der Debattenkultur zeigte sich besonders deutlich bei den Beratungen zum Selbstbestimmungsgesetz, das am 1. November 2024 in Kraft getreten ist. Das neue Gesetz, auch bekannt als Selbstbestimmungsgesetz, ersetzt das veraltete Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980, das von Trans*Personen verlangt, einem Amtsgericht zwei „Experten"-Gutachten vorzulegen. Die Diskussionen im Bundestag wurden dabei immer wieder von transfeindlichen Zwischenrufen der AfD gestört.

Wegen transfeindlicher Bemerkungen über die Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer muss die stellvertretende AfD-Fraktionschefin Beatrix von Storch im Bundestag ein Ordnungsgeld zahlen. Parlaments-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) verhängte die Sanktion, weil sich von Storch bei mehreren Zwischenrufen "herabwürdigend und respektlos" über Ganserer geäußert habe. "Dies geschah, obwohl sie in dieser Angelegenheit bereits mehrfach ermahnt wurde und bereits Ordnungsrufe erhalten hat", erläuterte Göring-Eckardt. "Sie hat damit bewusst und in einem nicht nur geringfügigen Maße gegen die parlamentarische Ordnung und Würde verstoßen."

Internationale Perspektive: Deutschland zieht nach

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz hat Deutschland einen wichtigen Schritt zur Gleichstellung von LGBTQ+-Personen gemacht. Die Reform der Geschlechtsanerkennung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem LGBT Aktivist*innen vor einem Anstieg der Anti-LGBT-Gewalt in Deutschland warnen. Der Bundesinnenminister teilte im Juni 2023 mit, dass die Polizei im vergangenen Jahr über 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen registriert hatte. Die verschärften Regeln im Bundestag sind daher auch ein Signal: Diskriminierung und Hass haben im höchsten deutschen Parlament keinen Platz.

„Ich glaube, man muss beispielsweise viel mehr mit dem Instrument des Ordnungsgeldes arbeiten statt mit dem Ordnungsruf", sagte die sächsische Christdemokratin Yvonne Magwas. Die Debattenkultur im Bundestag sei viel rauer geworden. Die geplanten Reformen könnten ein wichtiger Schritt sein, um die Würde des Parlaments zu wahren und besonders vulnerable Gruppen wie trans Personen vor systematischen Angriffen zu schützen.

Was die Reform bedeutet

Die vorgeschlagenen Änderungen gehen über bloße Geldstrafen hinaus. Unter anderem soll in der Geschäftsordnung die Vizepräsidentenwahl getrennt von der Präsidentenwahl geregelt werden. Die Fraktionen wollen deutlich machen, dass das Vizepräsidentenamt von der freien und geheimen Wahl durch den Bundestag abhängt. Dieser Grundsatz soll dem sogenannten Grundmandat vorgehen, wonach jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten im Präsidium vertreten sein sollte. Dies richtet sich klar gegen die AfD, deren Kandidaten regelmäßig bei Vizepräsidentenwahlen scheitern.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht das so: Er sagte, das verschlechterte Klima im Bundestag lasse sich „an der Zahl der Ordnungsrufe ablesen, die insbesondere in das rechte Lager gehen". Weiter sagte er: „Mich betrübt das, weil es hat ja etwas damit zu tun, was in dieses Haus eingezogen ist – im wahrsten Sinne des Wortes." Mützenich schilderte auch Vorfälle, bei denen Mitarbeiter, deren Familien aus dem Ausland stammten, angepöbelt worden seien. Dies sei nicht nur belastend, sondern „hochdramatisch".

Die Reform der Geschäftsordnung ist mehr als eine technische Anpassung – sie ist eine Verteidigung der demokratischen Kultur. In Zeiten, in denen Menschenrechtsorganisationen die Fortschritte bei LGBTQ+-Rechten würdigen, während gleichzeitig der Hass zunimmt, sendet der Bundestag ein wichtiges Signal: Respekt und Würde sind nicht verhandelbar, und wer sie systematisch verletzt, muss mit Konsequenzen rechnen.


Ein Republikaner wechselt die Seiten: Wenn der schwule Sohn und Drag Queens die Politik verändern

Ein bemerkenswerter Parteiwechsel in Oregon wirft ein Schlaglicht auf die tiefe Zerrissenheit der amerikanischen Politik – und zeigt gleichzeitig, wie persönliche Erfahrungen und Familienbande politische Überzeugungen grundlegend verändern können. Der republikanische Abgeordnete Cyrus Javadi kündigte an, dass er die Partei verlässt und als Demokrat zur Wiederwahl antritt, wie PinkNews berichtet. Dabei nennt er seinen schwulen Sohn und seine Unterstützung für Drag Queens als zentrale Beweggründe.

Ein Befreiungsschlag mit Signalwirkung

Der Parteiwechsel von Javadi ist kein isolierter Vorfall, sondern Teil eines größeren Trends. Seit 2024 haben mindestens drei weitere gewählte Republikaner ihre Partei verlassen, um unabhängig zu werden, während mindestens acht Demokraten im gleichen Zeitraum ihre Partei verließen. Doch Javadis Fall sticht hervor, weil er offen über die Rolle seiner Familie spricht.

In einem ausführlichen Substack-Beitrag mit dem Titel "Had Enough? I Have." erklärt Javadi seine Entscheidung. Er verließ die Republikaner, weil die Partei "die Prinzipien aufgegeben hat, die mich ursprünglich anzogen: begrenzte Regierung, fiskalische Verantwortung, Redefreiheit, freier Handel und vor allem die Rechtsstaatlichkeit".

Der Kampf gegen Buchverbote

Besonders deutlich wurde der Konflikt beim sogenannten "Book Bill" in Oregon. Das Gesetz Senate Bill 1098 stellt sicher, dass Schulbibliotheken in Oregon keine Bücher allein aufgrund der Tatsache entfernen dürfen, dass sie von oder über Mitglieder einer geschützten Gruppe handeln – einschließlich Rasse, Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Religion, Behinderung oder Militärstatus.

Javadi argumentierte leidenschaftlich für dieses Gesetz: "Die Republikaner stellten es als Stopp von Pornografie in Schulen dar, ignorierten aber, dass Eltern bereits jedes Buch anfechten können. Das eigentliche Problem war, ob Kinder – schwule Kinder wie mein Sohn, schwarze Kinder, muslimische Kinder – weiterhin Geschichten in den Regalen finden können, die ihr Leben widerspiegeln".

2024 wurden in Oregon 151 Bücher in Schulen und Bibliotheken angefochten – die höchste Zahl seit 1987. Die am häufigsten angefochtenen Bücher landesweit sind solche mit LGBTQ+-Charakteren oder Themen im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen.

Parallelen zur deutschen Politik

Während in den USA solche dramatischen Parteiwechsel aus Gewissensgründen Schlagzeilen machen, zeigt sich in Deutschland ein anderes Bild. Gab es früher fast nur bei den Grünen offen schwul und lesbisch lebende Politiker, so hat sich dies in Deutschland vor allem seit Klaus Wowereits "Flucht nach vorne" im Jahre 2001 geändert. Heute gibt es offen schwul und lesbisch lebende Politiker in allen Parteien, die im Bundestag vertreten sind.

Die aktuelle Wahlstudie der Universität Gießen zeigt jedoch deutliche Unterschiede im Wahlverhalten der LGBTQ+-Community: Würden bei der Bundestagswahl ausschließlich Mitglieder der LGBTQ*-Community wählen, könnten die Grünen mit 43,5 Prozent der Stimmen rechnen, während sie in der Gesamtbevölkerung nur 14 Prozent erreichen. Die Linke wäre mit knapp 25 Prozent zweitstärkste Kraft, während sie in der Gesamtbevölkerung nur bei 5 Prozent liegt.

Die Grünen und die Linke sind die klaren Vorreiter in Sachen LGBTQ*-Rechte – mit der SPD als verlässlicher Unterstützerin. Die FDP tritt zurückhaltender auf, die Union will von neuen Fortschritten wenig wissen, die AfD LGBTQ*-Rechte zurückdrängen und das BSW spielt Frauen- und LGBTQ*-Rechte gegeneinander aus.

Die Macht der persönlichen Beziehungen

Javadis Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie persönliche Beziehungen politische Überzeugungen verändern können. Offen aufzutreten ist eines der besten und wirksamsten Mittel gegen Homophobie. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Menschen, welche LGBs aus dem näheren Umfeld persönlich kennen, den Gruppen gegenüber positiver eingestellt sind.

Der Abgeordnete wurde besonders scharf kritisiert, als er für eine Resolution stimmte, die Black Drag Queens ehrte. Die Rückrufpetition gegen ihn behauptete, er "reflektiere nicht die konservative moralische Ordnung oder Werte". Doch genau diese Kritik bestärkte Javadi in seiner Entscheidung.

"Ja, ich wechsle zur Demokratischen Partei. Nicht weil die Demokraten perfekt sind, das sind sie nicht. Aber sie verhalten sich wie eine regierende Partei. Sie sind bereit, Ideen nach ihren Vorzügen zu debattieren. Verfassungsprinzipien zu verteidigen. Minderheitenrechte zu schützen. Die unglamouröse, oft undankbare Arbeit zu tun, tatsächlich Dinge zu reparieren", schreibt Javadi.

Ein Vorbild fĂĽr Deutschland?

Während in Deutschland Parteiwechsel aus Gewissensgründen eher selten sind, zeigt Javadis Beispiel, dass manchmal persönliche Überzeugungen schwerer wiegen als Parteiloyalität. In Demokratien ist ein Parteiwechsel ein legitimer Vorgang, auch wenn er oft kontrovers diskutiert wird.

Besonders bemerkenswert ist, dass Javadi trotz des zu erwartenden politischen Gegenwinds zu seiner Entscheidung steht. Nach seiner Abstimmung für die Transportsteuer schrieb Javadi auf Substack, dass er als "abscheulich", "kriminell" und "Verräter" bezeichnet wurde. Dennoch bleibt er bei seiner Überzeugung: Seine Loyalität gelte zuerst den Menschen seines Wahlkreises, nicht einer Parteilinie.

Die Geschichte von Cyrus Javadi ist mehr als nur ein politischer Parteiwechsel. Sie ist ein Zeugnis dafür, wie Liebe zu einem Kind und der Respekt vor der Vielfalt menschlicher Identitäten stärker sein können als jahrzehntelange politische Bindungen. In einer Zeit, in der die politische Polarisierung zunimmt, erinnert uns sein Beispiel daran, dass Menschlichkeit und persönliche Integrität über Parteigrenzen hinweg existieren können – und sollten.


Eurovision 2026: Irlands Boykott-Drohung erschüttert den Song Contest – Was bedeutet das für Deutschland?

Der Eurovision Song Contest 2026 in Wien steht vor seiner größten Krise seit Jahren. Irlands öffentlich-rechtlicher Sender RTÉ hat angekündigt, nicht am Wettbewerb in Wien teilzunehmen, sollte Israel dabei sein. „Irland wird nicht am Eurovision Song Contest 2026 teilnehmen, sollte es bei Israels Teilnahme bleiben", heißt es in dem Statement. Diese Ankündigung wirft nicht nur Fragen über die Zukunft des Wettbewerbs auf, sondern auch darüber, wie sich Deutschland positionieren wird.

Eine Lawine des Protests rollt durch Europa

Was als einzelner Protest begann, entwickelt sich zu einer europaweiten Bewegung. Irland steht nicht allein da. Sloweniens Rundfunk RTVSLO kündigte bereits einen Rückzug an, sollte Israel teilnehmen. Spaniens Kulturminister Ernest Urtasun deutete an, dass auch sein Land fernbleiben könnte. Islands Sender RÚV macht die Teilnahme indes vom Ausgang der „laufenden Konsultationen innerhalb der EBU" abhängig.

Die Begründungen sind dramatisch und unmissverständlich. RTÉ äußerte sich besorgt über die mutmaßlich gezielte Tötung von Journalisten in Gaza und kritisierte den verwehrten Zugang internationaler Medien in das Gebiet. Diese Bedenken spiegeln eine wachsende Unruhe in der europäischen Medienlandschaft wider, die weit über den Eurovision Song Contest hinausgeht.

Deutschlands schwierige Position zwischen Tradition und Moral

Für Deutschland stellt sich die Situation besonders komplex dar. Laut Amir Alon, einem ehemaligen Mitglied der israelischen ESC-Delegation, hätten Deutschland und Italien in internen Diskussionen ihre Unterstützung für Israel ausgedrückt. Diese würde demnach soweit gehen, dass sie bei einem Ausschluss Israels vom ESC ebenfalls einen Rückzug von der Veranstaltung 2026 erwägen würden. „Wenn Israel aus dem Wettbewerb ausscheidet, werden auch sie aus dem Wettbewerb ausscheiden", so Amir Alon.

Der Südwestrundfunk (SWR), der erstmals seit 30 Jahren die deutsche ESC-Verantwortung vom NDR übernommen hat, hält sich offiziell bedeckt. Ein Vertreter des SWR äußerte: „Der Eurovision Song Contest ist ein musikalisches Großereignis, das seit Jahrzehnten Menschen in ganz Europa und darüber hinaus zusammenbringt – vielfältig und respektvoll, unabhängig von Herkunft, Religion oder Glauben."

Die Geschichte wiederholt sich – oder doch nicht?

Der Konflikt um Israels Teilnahme ist nicht neu. Bereits beim ESC 2024 im schwedischen Malmö war der Wettbewerb mit dem Gaza-Krieg aufgeladen und es gab Forderungen nach einem Ausschluss der israelischen ESC-Kandidatin Eden Golan. Eden Golan erhielt zahllose Morddrohungen und konnte ihr Hotel nur für Proben und Auftritte verlassen – unter Polizeischutz. In der Malmöer ESC-Halle war die Sängerin anfangs kaum zu hören, so laut waren die Buhrufe. Die Fernsehzuschauer bekamen davon nichts mit, weil die EBU die Pöbeleien mit Applaus vom Band ausfilterte.

Doch die Zuschauer haben anders votiert als die Protestierenden. Die Europäer haben per Anruf oder SMS ein Zeichen gesetzt. Offenkundig sind weite Teile des Publikums nicht bereit, bei der angestrebten Dämonisierung Israels mitzumachen. Die Hamas-freundlichen Proteste an den Universitäten, die israelfeindlichen Aktionen aus dem Kulturbetrieb haben keine Mehrheit.

Die LGBTQ+-Community im Spannungsfeld

Besonders pikant ist die Situation fĂĽr die LGBTQ+-Community, die traditionell eine wichtige Rolle beim Eurovision Song Contest spielt. Laut David Saranga, dem "Direktor fĂĽr digitale Diplomatie" im israelischen AuĂźenministerium, mobilisierte Israel fĂĽr seine ESC-Kampagne 2023 und 2024 vor allem LGBTQ-Communities, diverse Fanclubs sowie mit dem ESC befasste Journalisten.

Diese gezielte Ansprache führt zu einem schmerzhaften Dilemma: Wie positioniert sich eine Community, die sowohl für Vielfalt und Inklusion steht als auch mit den Palästinensern solidarisch sein möchte? Der Eurovision Song Contest, einst ein Symbol für Einheit und Diversität, wird zum Schauplatz dieser Zerreißprobe.

Wien 2026: Ein Fest oder ein Fiasko?

Der ESC 2026 soll vom 12. bis 16. Mai in der Wiener Stadthalle stattfinden. Der Song Contest 2026 findet in der Wiener Stadthalle statt, das gab ORF-Generaldirektor Roland Weißmann bekannt. Das Finale wird am Samstag, 16. Mai, über die Bühne gehen. Was als Feier des 70-jährigen Jubiläums geplant war, könnte zum gespaltenen Event werden.

Irland gehört mit sieben Siegen zu den erfolgreichsten Teilnehmern der Contest-Geschichte. Zuletzt gewann das Land 1996. Ein Rückzug Irlands würde nicht nur eine traditionsreiche Nation fehlen lassen, sondern könnte auch eine Kettenreaktion auslösen. Ähnliche Äußerungen gibt es aus Spanien, Island und den Niederlanden, die ihre Teilnahme allesamt erst im Dezember bestätigen wollen. Erst dann will die EBU eine Entscheidung bezüglich Israel gefällt haben.

Was bedeutet das fĂĽr deutsche Fans?

Die deutsche ESC-Community steht vor ungewissen Zeiten. Der SWR plant offenbar einen deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2026. Auf Anfragen hat eurovision.de Fans bestätigt: „Wir vom SWR sind mitten in der Konzept-Entwicklung. Aber lange wird es nicht mehr dauern und du erfährst alle Neuigkeiten rund um den ESC 2026 und auch den deutschen Vorentscheid."

Doch was nützt die beste Vorbereitung, wenn der Wettbewerb selbst auseinanderbricht? Die Frage, ob Deutschland bei einem Israel-Boykott mitziehen würde oder sich solidarisch zeigt, könnte die deutsche LGBTQ+-Community und ESC-Fans spalten. Es ist eine Entscheidung zwischen langjährigen Partnerschaften, moralischen Überzeugungen und der Liebe zur Musik.

Ein Appell an die Vernunft

Der Eurovision Song Contest war immer mehr als nur ein Musikwettbewerb. Er war ein Symbol fĂĽr ein vereintes Europa, fĂĽr Vielfalt und Toleranz. Das widerspricht eigentlich allem, was der ESC in den 50, 60 Jahre zuvor gewesen ist. Die aktuelle Krise zeigt, wie fragil diese Ideale sind.

Für die deutsche LGBTQ+-Community und alle ESC-Fans bleibt zu hoffen, dass eine Lösung gefunden wird, die sowohl den humanitären Bedenken Rechnung trägt als auch den völkerverbindenden Charakter des Wettbewerbs bewahrt. Denn eines ist sicher: Ein Eurovision Song Contest ohne mehrere traditionsreiche Nationen wäre nur ein Schatten seiner selbst.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob der Slogan „United by Music" noch Bestand hat oder ob der Wettbewerb 2026 zum Symbol einer gespaltenen europäischen Medienlandschaft wird. Für Deutschland und seine Fans steht dabei mehr auf dem Spiel als nur ein Platz beim größten Musikwettbewerb der Welt – es geht um die Frage, auf welcher Seite der Geschichte man stehen möchte.


Wenn Hass teuer wird: 9.000 Euro Strafe fĂĽr queerfeindlichen Facebook-Kommentar

Ein 43-jähriger Hüttenwerker aus Duisburg muss nach einem queerfeindlichen Facebook-Kommentar eine empfindliche Geldstrafe zahlen. Das Landgericht Duisburg bestätigte am Mittwoch ein Urteil des Amtsgerichts und verurteilte den Mann zu 9.000 Euro Geldstrafe wegen Volksverhetzung – eine Entscheidung mit Signalwirkung für den Umgang mit Hassrede im Internet.

Der Fall: Wenn Unwissen auf Hass trifft

Der Angeklagte hatte im August 2023 ein Foto mit Dragqueens geteilt und dazu geschrieben: "Wenn so eine Missgeburt nur in der Nähe meiner Kinder kommt, hat er sein Recht auf Atmen verloren". Besonders pikant: Der Mann hat gar keine Kinder. Noch bemerkenswerter ist jedoch ein anderes Detail des Falls – weder der Angeklagte noch die Justiz bemerkten zunächst, dass es sich bei den abgebildeten Personen gar nicht um trans Menschen, sondern um Dragqueens handelte.

"Das Bild zeigt keine Transsexuellen. Das sind Varietékünstler", stellte der vorsitzende Richter am Landgericht klar. Diese Verwechslung zeigt ein grundlegendes Missverständnis: Travestie und Drag sind als Kunstformen klar abzugrenzen von Trans. Sie stellen reine Bühnentechniken, also Kunstformen, dar und sind unabhängig vom eigenen Geschlechtsbewusstsein. Dragqueens sind Personen, meist männlich, die Drag-Kleidung und Make-up verwenden, um weibliche Geschlechtsmerkmale zu imitieren und oft zu übertreiben – zu Unterhaltungszwecken. Menschen machen Drag aus verschiedenen Gründen, von Selbstausdruck bis zu Mainstream-Performance. Drag-Shows beinhalten häufig Lippensynchronisation, Live-Gesang und Tanz.

Volksverhetzung: Wenn Worte zur Waffe werden

Der Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB ist erfüllt, wenn jemand in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift.

Die Staatsanwaltschaft hatte sogar eine härtere Strafe gefordert – sechs Monate Haft auf Bewährung. Als Begründung führte sie die Vorstrafen des Angeklagten und seine "menschenverachtende Gesinnung" an. Das Gericht blieb jedoch bei der Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 90 Euro.

Der Verteidiger des Angeklagten relativierte die Tat als "unbedachten Kommentar" und kritisierte die Höhe der Strafe. Doch das Gericht machte deutlich: Hassrede im Internet ist kein Kavaliersdelikt.

Deutschland im Kontext: Anstieg queerfeindlicher Gewalt

In Deutschland ist die Zahl queerfeindlicher Straftaten in den letzten Jahren stark gestiegen. 2023 wurden 1.785 solcher Straftaten verzeichnet – ein Anstieg um fast 50 % im Vergleich zum Vorjahr. Gut ein Drittel davon war politisch rechts motiviert. Der Bericht geht zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. Die meisten Straftaten bilden Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen.

Besonders besorgniserregend: Seit Juni 2024 geraten vermehrt Veranstaltungen der LSBTIQ-Bewegung in den Fokus insbesondere gewaltorientierter Rechtsextremisten. So kam es in den letzten Monaten wiederholt zu (versuchten) rechtsextremistischen Störaktionen von öffentlichen Veranstaltungen zum Christopher Street Day (CSD). Die Zahlen des Verfassungsschutzes zeigen eine alarmierende Entwicklung.

Internationale Perspektive: Wenn Prominente Hass schĂĽren

Auch international sorgen queerfeindliche Äußerungen für Schlagzeilen. Der besonders auf den Britischen Inseln bekannte Serienschöpfer und Drehbuchautor Graham Linehan ("Father Ted", "The IT Crowd") wurde am Montag am Londoner Flughafen Heathrow wegen Aufwiegelung zu Hass und zu Gewalt vorläufig festgenommen. Anlass waren offenbar transfeindliche Äußerungen. In einem Tweet gab er einen Tipp, was man tun solle, wenn sich eine trans Frau in einem Frauen-Bereich aufhält: "Macht eine Szene, ruft die Polizei und wenn sonst nichts hilft, dann schlagt ihm in die Eier".

Die Festnahme löste eine heftige Debatte über Meinungsfreiheit aus. Unterstützer von Linehan sagen, britische Gesetze würden legitime Kommentare unterdrücken und schaffen, was "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling – wie Linehan eine Kritikerin von Trans-Aktivismus – "Totalitarismus" nannte. Auch Elon Musk meldete sich zu Wort und kritisierte die britischen Behörden.

Ein Urteil mit Signalwirkung

Das Duisburger Urteil sendet ein klares Signal: Hassrede hat Konsequenzen – auch und gerade im digitalen Raum. Die Verwechslung von Dragqueens mit trans Menschen zeigt zudem, wie wichtig Aufklärung ist. Denn Unwissenheit schützt nicht vor Strafe, wenn sie in Gewaltfantasien und Morddrohungen mündet.

Der Fall macht auch deutlich: Die Justiz nimmt queerfeindliche Volksverhetzung ernst. In einer Zeit, in der LSBTIQ-Veranstaltungen auch nach dem Ende des diesjährigen Pride Month verstärkt in den Fokus insbesondere gewaltorientierter rechtsextremistischer Akteure rücken und es bundesweit wiederholt zu rechtsextremistischen Störaktionen von öffentlichen CSD-Veranstaltungen kam, mit Teilnehmerzahlen bei den Protesten im dreistelligen Bereich, ist jedes Urteil gegen Hassrede ein wichtiges Zeichen für Toleranz und Menschenwürde.

9.000 Euro für einen Facebook-Kommentar – das mag manchen hoch erscheinen. Doch angesichts der realen Bedrohung, der queere Menschen täglich ausgesetzt sind, ist es ein angemessener Preis für den Versuch, mit Worten zu töten. Denn genau darum geht es bei Volksverhetzung: Um Worte, die den Boden für Taten bereiten.


Tragische Ironie: Charlie Kirk und der tödliche Preis der Waffenfreiheit

Der erschütternde Tod des rechten US-Aktivisten Charlie Kirk bei einer Veranstaltung in Utah wirft ein grelles Licht auf die tragische Ironie seiner eigenen Worte. Kirk wurde am Mittwoch, den 10. September 2025, während einer Veranstaltung an der Utah Valley University erschossen, wie PinkNews berichtet. Ein Verdächtiger wurde festgenommen, später aber wieder freigelassen, wie FBI-Direktor Kash Patel mitteilte.

Der verhängnisvolle Moment

Ein Zeuge berichtete, Kirk habe gerade begonnen, mit jemandem über Massenschießereien und Waffengewalt zu debattieren, als er erschossen wurde. Laut Videoaufnahmen kritisierte Kirk Sekunden vor dem Angriff trans Menschen und verbreitete die unbewiesene Behauptung, dass aus dieser Gruppe viele Amokläufer kämen. Als ein Zuschauer ihn fragte, wie viele trans Amerikaner in den vergangenen zehn Jahren Massenmorde begangen hätten, antwortete Kirk knapp: "Zu viele." Der Zuschauer erwiderte, die Zahl liege bei fünf, und fragte Kirk nach der Gesamtzahl der Amokläufer in Amerika. Sekunden später wurde der tödliche Schuss abgefeuert.

"Es ist es wert" - Kirks verhängnisvolle Worte

Die bittere Ironie seines Todes wird besonders deutlich, wenn man Kirks eigene Äußerungen zur Waffengewalt betrachtet. Im April 2023, nur eine Woche nachdem drei Kinder und drei Erwachsene an der Christian Covenant School in Nashville, Tennessee, getötet worden waren, sagte Kirk bei einer Turning Point USA Faith-Veranstaltung:

"Man wird niemals in einer Gesellschaft mit bewaffneten Bürgern leben, ohne dass es zu Todesfällen durch Schusswaffen kommt. Ich denke, es ist es wert, leider einige Todesfälle durch Schusswaffen jedes Jahr in Kauf zu nehmen, damit wir das zweite Verfassungszusatzrecht haben, um unsere anderen gottgegebenen Rechte zu schützen". Er nannte dies einen "vernünftigen Deal" und "rational".

Die erschreckende Realität der Waffengewalt in den USA

Kirks Tod reiht sich in eine lange Liste von Opfern der amerikanischen Waffenepidemie ein. Die Zahl der Schusswaffentoten in den USA sank zwar 2024 das dritte Mal in Folge, hatte aber 2021 ihren Höchststand erreicht. Im Jahr 2024 gab es 503 Massenschießereien in den USA, 2023 waren es sogar 656.

Der Vergleich mit Deutschland zeigt die erschreckenden Dimensionen: 2021 kamen in den USA 14,6 Personen pro 100.000 Einwohner durch eine Schusswaffe ums Leben. In Deutschland beträgt die Rate 1,2. Die USA sind mit 120 Schusswaffen pro 100 Einwohner mit großem Abstand das Land mit den meisten bewaffneten Privatpersonen. Es folgt das Bürgerkriegsland Jemen mit 53 Schusswaffen pro 100 Einwohner. In Deutschland liegt der Wert bei 20.

Die deutsche Perspektive: Ein anderer Weg

In Deutschland ist die Situation grundlegend anders. Deutschland hat traditionell ein sehr restriktives Waffenrecht. Die Beschaffung einer Waffe gestaltet sich schwieriger als in anderen Ländern wie den USA. Geregelt wird der Umgang mit Waffen und Munition vom Waffengesetz (WaffG). Laut Bundeskriminalamt ist die Waffenkriminalität in Deutschland im 5-Jahres-Vergleich zurückgegangen. Wurden 2018 über 40.000 Verstöße gegen das Waffengesetz registriert, waren es 2022 nur noch knapp 34.000.

Diese Unterschiede zeigen sich auch in der gesellschaftlichen Realität: Die Anzahl der durch Polizisten erschossenen Menschen in Deutschland ist wesentlich niedriger als in den USA und liegt jährlich im niedrigen zweistelligen oder gar einstelligen Bereich. Werden Schusswaffen bei Morden in Deutschland zu 12 % als Tatwerkzeug eingesetzt, steigt der Anteil in den USA auf 66 %.

LGBTQ+-Rechte und Waffengewalt: Eine gefährliche Verbindung

Kirk war nicht nur für seine extremen Ansichten zu Waffenrechten bekannt, sondern auch für seine anti-LGBTQ+ Rhetorik. Als Mitbegründer von Turning Point USA verbreitete er regelmäßig transfeindliche Verschwörungstheorien, wie die unbelegte Behauptung über trans Menschen als Amokläufer.

In Deutschland zeigt sich ein anderes Bild der LGBTQ+-Akzeptanz: Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern hat sich in Deutschland die Unterstützung für die Rechte von LGBTQIA+ in den letzten Jahren nicht signifikant verschlechtert. Im April 2024 verabschiedete Deutschland ein wegweisendes Selbstbestimmungsgesetz, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren anzupassen.

Dennoch gibt es auch hierzulande Herausforderungen: Trans- und homofeindliche Straftaten nehmen in Deutschland zu. 2022 wurden 1.422 Straftaten gegen queere Menschen registriert, wobei von einer besonders hohen Dunkelziffer ausgegangen wird. Laut Bundeskriminalamt wurde 2023 fast jeden Tag eine Frau aufgrund ihres Geschlechts getötet. Die Zahl der Frauen, die von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wurden, stieg im Vergleich zum Vorjahr um 16,5 Prozent.

Die bittere Lehre

Charlie Kirks Tod ist eine tragische Bestätigung der Gefahr, die er selbst als akzeptablen Preis für Waffenfreiheit bezeichnete. Wie ein Kommentator anmerkte, war Kirk nicht dafür bekannt, nach tragischen Gewalttaten zu früh über Schuld zu sprechen. In seinen Augen waren Menschen, die durch Waffen getötet wurden, Märtyrer für die konservative Interpretation des zweiten Verfassungszusatzes.

Die deutsche Erfahrung zeigt, dass es einen anderen Weg gibt - einen Weg, der sowohl Sicherheit als auch Freiheit respektiert. Die Bundesregierung wendet sich gegen jede Benachteiligung aufgrund sexueller Orientierung und setzt sich konsequent gegen die Diskriminierung von LGBTIQ-Personen ein, während gleichzeitig strikte Waffengesetze für Sicherheit sorgen.

Kirks Tod sollte uns alle daran erinnern, dass die von ihm propagierte Akzeptanz von Waffengewalt als "Preis der Freiheit" letztendlich jeden treffen kann - auch diejenigen, die diese gefährliche Philosophie am lautesten vertreten. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet er selbst zum Opfer der Gewalt wurde, die er als notwendiges Übel bezeichnete.

In einer Zeit, in der sowohl in den USA als auch in Deutschland die Polarisierung zunimmt und Gewalt gegen Minderheiten steigt, mĂĽssen wir uns fragen: Welchen Preis sind wir wirklich bereit zu zahlen? Die Antwort darauf sollte niemals Menschenleben sein - weder von LGBTQ+-Personen noch von politischen Aktivisten, egal welcher Couleur.


Der Fall Mandelson: Wenn politische Skandale die Mauern der Macht erschĂĽttern

Der britische Premierminister Keir Starmer hat seinen erst im Februar ernannten Botschafter in den USA, Peter Mandelson, nach nur sieben Monaten im Amt entlassen. Wie queer.de berichtete, wurden neue Details über Mandelsons Beziehung zum verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein bekannt, die zeigten, dass "die Tiefe und das Ausmaß" der Beziehung des Ex-Botschafters zu Epstein "materiell anders waren als zum Zeitpunkt seiner Ernennung bekannt".

Ein Skandal mit vielen Ebenen

Was als peinliche Geburtstagsnotiz begann, entwickelte sich zu einem politischen Erdbeben. US-Gesetzgeber veröffentlichten am Montag ein "Geburtstagsbuch", in dem Mandelson in einer handschriftlichen Notiz Epstein als "meinen besten Kumpel" beschrieb. Doch das war nur die Spitze des Eisbergs. Am Tag bevor Jeffrey Epstein sich im Juni 2008 in einem Gefängnis in Florida meldete, um seine Strafe für die Anwerbung von Sex mit einer Minderjährigen anzutreten, erhielt er eine empörte Nachricht von einem Freund, der über die Ungerechtigkeit des Ganzen entsetzt war. "Ich denke die Welt von dir und ich fühle mich hilflos und wütend über das, was passiert ist", schrieb Peter Mandelson. "Ich kann es immer noch kaum verstehen. Es könnte in Großbritannien einfach nicht passieren."

Noch brisanter: Der langjährige Politiker und Diplomat gab Epstein Ratschläge und schlug vor, er solle mit Techniken aus Sun Tzus Kunst des Krieges zurückschlagen. Diese E-Mails zeigen ein Ausmaß der Unterstützung, das weit über eine oberflächliche Bekanntschaft hinausgeht.

Persönliche Tragödie eines politischen Pioniers

Die Entlassung Mandelsons ist nicht nur ein politischer Skandal – sie ist auch die persönliche Tragödie eines Mannes, der jahrzehntelang gegen Homophobie kämpfte. Seit März 1998 lebte er in London mit Reinaldo Avila da Silva, einem brasilianischen Übersetzer, zusammen und heiratete seinen Partner am 28. Oktober 2023. Während er für die Times schrieb, reflektierte Mandelson darüber, wie die Ehe ihm "emotionalen Komfort und Stärke" brachte und diskutierte die Herausforderungen, als schwuler Mann in einem hochkarätigen politischen Umfeld offen zu leben. Er erzählte, wie seine Sexualität von politischen Rivalen und Medien "als Waffe eingesetzt" worden war, einschließlich einer berüchtigten Geschichte auf der Titelseite der News of the World von 1987, die ihn als "Labours schwulen Wahlkampfleiter" bezeichnete.

In einem Interview mit The Sun machte Mandelson eine bemerkenswerte Aussage: "Vielleicht wurde ich als schwuler Mann fĂĽr Epsteins kriminelles Verhalten blind". Diese Selbstreflexion wirft wichtige Fragen ĂĽber Vertrauen, Manipulation und die besondere Verletzlichkeit von Menschen auf, die lange Zeit marginalisiert wurden.

New Labour und die deutsche SPD: Parallelen der Modernisierung

Mandelson war einer der Hauptarchitekten von "New Labour" – jener Transformation der britischen Arbeiterpartei, die in den 1990er Jahren zum Wahlerfolg führte. New Labour war die Vorlage für die "neue Mitte". 1997 machte Tony Blair in Großbritannien vor, was Gerhard Schröder ein Jahr später in Deutschland wiederholte. Blair verpasste seiner abgestandenen Gewerkschaftspartei ein neues Image und verkündete mit "New Labour" gleich noch die Geburt von "New Britain".

Der deutsche Blair hieß Gerhard Schröder und wie sein britischer Bruder im Geiste machte auch er aus der altehrwürdigen SPD eine neoliberale Klientelpartei, die radikal mit den sozialdemokratischen Wurzeln brach. Beide Parteien zahlten einen hohen Preis für diese Modernisierung: Weder Blair noch Schröder wurden zu Parteiikonen, da war zu viel Hartz IV oder Irakkriegsunterstützung, zu viel Bewunderung für zweifelhafte Potentaten. Wie die SPD ist auch Labour zielsicher unter der 30-Prozent-Marke angekommen.

Die Situation von LGBTQ+ Menschen heute

Während in Deutschland die rechtliche Gleichstellung voranschreitet – im Ranking aller 49 europäischen Länder liegt Deutschland mit 66 Prozent auf Platz 10 – zeigt sich ein beunruhigendes Paradox: Im Jahr 2023 wurden insgesamt 17.007 Fälle von Hasskriminalität im Kriminalpolizeilichen Meldedienst erfasst. Davon richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen. Während Deutschlands LGBTQ+-Bevölkerung in fünf Jahren um etwa 50% wuchs, stiegen die Hassverbrechen allein in einem Jahr um 50%. Seit 2013, als nur 50 Angriffe registriert wurden, beträgt der Anstieg fast das 30-fache.

Diese Zahlen zeigen: Rechtliche Fortschritte allein garantieren keine Sicherheit. Anders als in Deutschland, wo die Akzeptanz in den letzten Jahren stabil geblieben oder in manchen Bereichen sogar gestiegen ist, geraten queere Menschen weltweit immer stärker unter Druck. Besonders besorgniserregend ist der gravierende Unterschied zwischen jungen Frauen und Männern bei der Generation Z: Während die Akzeptanz und Offenheit gegenüber queeren Menschen bei jungen Frauen stetig zunimmt, werden Rechte und Initiativen für die LGBTQIA+ Community von jungen Männern deutlich seltener befürwortet.

Lehren aus einem Skandal

Der Fall Mandelson ist mehr als nur ein weiterer Politiker-Skandal. Er zeigt die Verwundbarkeit von Menschen, die jahrzehntelang gegen Diskriminierung kämpfen mussten und vielleicht gerade deshalb anfällig für manipulative Beziehungen werden können. Mandelson selbst reflektierte: "Ich fühle ein enormes Gefühl, ein tiefes Gefühl der Sympathie für jene Menschen, jene Frauen, die als Folge seines Verhaltens und seiner illegalen, kriminellen Aktivitäten gelitten haben".

Für die deutsche Politik und die LGBTQ+-Community gibt es wichtige Lehren: Transparenz und Rechenschaftspflicht gelten für alle, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder ihrem Kampf gegen Diskriminierung. Gleichzeitig darf der Fall Mandelson nicht instrumentalisiert werden, um homophobe Ressentiments zu schüren.

Die Geschichte zeigt auch, wie wichtig es ist, dass politische Parteien – ob Labour in Großbritannien oder die SPD in Deutschland – ihre Wurzeln nicht vergessen. Die Modernisierung unter Blair und Schröder mag kurzfristige Wahlerfolge gebracht haben, aber der Preis war hoch: Der Verlust der Glaubwürdigkeit und die Entfremdung von der eigenen Basis.

Peter Mandelsons Sturz ist eine Mahnung: Macht korrumpiert, und niemand ist immun gegen die Versuchungen und Fallen, die sie mit sich bringt. Für die LGBTQ+-Community bleibt die Herausforderung, Fortschritte zu verteidigen und gleichzeitig wachsam gegenüber jenen zu bleiben, die diese Fortschritte für eigene Zwecke missbrauchen könnten.


Frankreichs neuer Premier gegen Ehe für alle: Ein Schritt zurück für LGBTQ+ Rechte – was bedeutet das für Deutschland?

Die Ernennung von Sébastien Lecornu zum neuen französischen Premierminister durch Emmanuel Macron wirft ernste Fragen über die Zukunft der LGBTQ+-Rechte in Frankreich auf. Wie PinkNews berichtet, hatte sich der 39-Jährige 2012 als Bürgermeisterkandidat gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen und erklärt, dass "gay communitarianism frustrates [him] as much as homophobia", sowie dass "marriage is the basis for building a family in our societies. And a family is built between a man and a woman."

Ein historischer RĂĽckblick: Frankreichs Kampf um die "Ehe fĂĽr alle"

Die Kontroverse um Lecornus Aussagen wiegt besonders schwer, wenn man bedenkt, dass Frankreich 2013 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnete. Damals führte die sozialistische Regierung unter François Hollande trotz massiver Proteste die "mariage pour tous" ein. Mit einer klaren Mehrheit von 329 zu 229 Stimmen wurde das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare in der Nationalversammlung angenommen.

Die Debatten waren hitzig: Die Organisation "La Manif pour tous" war für die meisten Anti-LGBTQ-Demonstrationen verantwortlich, die zwischen 2012 und 2013 stattfanden. Im März 2013 demonstrierten sogar 1,4 Millionen Menschen in Paris gegen den Gesetzentwurf. Lecornu gehörte damals zu den Gegnern dieser historischen Reform.

Deutschland als Vorbild? Die aktuelle Lage der LGBTQ+-Community

Während Frankreich mit der Ernennung eines Premiers, der sich gegen Gleichstellung aussprach, einen symbolischen Rückschritt macht, zeigt sich Deutschland in Umfragen deutlich progressiver. In Deutschland herrscht nach wie vor breiter Konsens darüber, dass sexuelle Minderheiten gleiche Rechte haben sollten und vor Benachteiligungen geschützt werden müssen.

Laut einer aktuellen Ipsos-Studie zum Pride Month 2025 bleibt die Akzeptanz hoch: 73 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen vor Diskriminierung geschĂĽtzt werden sollten. Bei trans* Personen stimmen sieben von zehn Befragten (70 %) der Aussage zu. Dies steht in starkem Kontrast zu der weltweiten Entwicklung, wo sich die Lage fĂĽr LGBTQIA+ Personen in den letzten Jahren signifikant verschlechtert hat.

Politische Realitäten: Was bedeutet Lecornus Ernennung?

Die Reaktionen auf Lecornus Ernennung waren heftig. Mathilde Panot von La France Insoumise kritisierte, dass er "lors du mariage pour tous, disait qu'il était exaspéré par le communautarisme gay". Marine Tondelier von den Grünen bezeichnete den neuen Premierminister sogar als "homophobe".

Besonders brisant: 2015 sprach sich Lecornu gegen Leihmutterschaft und medizinisch unterstützte Fortpflanzung aus, bevor er 2019 eine scheinbar widersprüchliche Meinung äußerte. Diese Kehrtwende wirft Fragen über seine tatsächlichen Überzeugungen auf.

Die deutsche Perspektive: Lehren fĂĽr die Bundestagswahl 2025

Mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 zeigt sich: Die deutsche LGBTQ+-Community ist politisch hochaktiv. Eine aktuelle Studie der Universität Gießen zeigt, dass LGBTQ*-Wähler*innen eine klare Präferenz für Bündnis90/Die Grünen haben. Auch Die Linke kann erfolgreich 24,9% der befragten LGBTQ* überzeugen.

Die Prioritäten sind klar: Die wichtigsten Themen mit explizitem LGBTIQ*-Bezug sind Homofeindlichkeit (84,6%), Diskriminierung (81%) sowie LGBTIQ*-Rechte (80%). Diese Zahlen zeigen, dass trotz der im internationalen Vergleich hohen Akzeptanz in Deutschland weiterhin Handlungsbedarf besteht.

Ein Weckruf fĂĽr Europa

Die Ernennung Lecornus ist mehr als nur eine französische Angelegenheit – sie ist ein Warnsignal für ganz Europa. Während in den ersten zehn Jahren seit Einführung der Ehe für alle in Frankreich 70.000 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen wurden und ihr Anteil Anfang der 2020er Jahre bei etwa 3% aller Eheschließungen lag, zeigt die aktuelle politische Entwicklung, dass erkämpfte Rechte nicht als selbstverständlich angesehen werden können.

Für Deutschland bedeutet dies: Die Bundesregierung muss national und international klar machen: Wir stehen für Gleichberechtigung und dulden weder Gewalt noch Diskriminierung. Gerade in Zeiten, in denen auch in Deutschland Straftaten – bis hin zu Morden – gegen Frauen und LGBTI+ zunehmen, ist ein klares Bekenntnis zur Gleichstellung unerlässlich.

Die französische Entwicklung sollte uns daran erinnern, dass der Kampf für LGBTQ+-Rechte niemals endet. Was einmal erreicht wurde, kann wieder verloren gehen – besonders wenn diejenigen an die Macht kommen, die sich in der Vergangenheit gegen Gleichberechtigung ausgesprochen haben. Deutschland muss aus dieser Entwicklung lernen und sicherstellen, dass die hart erkämpften Rechte der LGBTQ+-Community nicht nur bewahrt, sondern weiter ausgebaut werden.


Shakespeare und die queere Liebe: Was neue Funde ĂĽber den Dichter verraten

Ein kürzlich entdecktes Miniaturporträt wirft neues Licht auf die möglicherweise queere Identität William Shakespeares. Wie queer.de berichtet, haben die Kunsthistorikerinnen Elizabeth Goldring und Emma Rutherford ein bisher unbekanntes Gemälde vorgestellt, das vermutlich Henry Wriothesley zeigt – einen engen Freund und Förderer Shakespeares, der als möglicher "Fair Youth" in den berühmten Sonetten gilt.

Ein geheimnisvolles Porträt mit symbolischer Botschaft

Das Miniaturporträt aus dem späten 16. Jahrhundert zeigt einen auffallend androgyn wirkenden jungen Mann mit langen Locken und betont femininen Zügen. Henry Wriothesley, 3rd Earl of Southampton und William Herbert, 3rd Earl of Pembroke, sind beide populäre Kandidaten für die Identität des "Fair Youth", beide wurden in ihrer Jugend als gutaussehend beschrieben. Besonders bemerkenswert ist die Rückseite des Porträts: Ein rotes Herz wird von einem schwarzen Pik übermalt – möglicherweise ein Symbol für ein "gebrochenes Herz". Das Speer-Motiv könnte zudem auf Shakespeares Familienwappen verweisen.

Die Forscherinnen vermuten, dass das Porträt ein Geschenk des jungen Grafen an Shakespeare war, das dieser jedoch zurückgab – möglicherweise nach seiner Heirat mit Anne Hathaway. Diese Interpretation fügt sich in eine lange Reihe von Hinweisen auf Shakespeares mögliche Bisexualität ein.

Die Sonette als Liebesbeweis?

126 der Sonette scheinen Liebesgedichte an einen jungen Mann zu sein, bekannt als der "Fair Lord" oder "Fair Youth", und es gibt zahlreiche Passagen in den an den Fair Lord gerichteten Sonetten, die Verlangen nach einem jüngeren Mann ausdrücken. Der renommierte Shakespeareforscher Sir Stanley Wells erklärte 2020, dass der Dichter "ohne Zweifel" bisexuell gewesen sei wegen "der Sprache der Sexualität in einigen dieser Sonette, die mit Sicherheit an Männer gerichtet sind".

Interessanterweise war Shakespeare 34 Jahre lang mit Anne Hathaway verheiratet und hatte drei Kinder mit ihr. Wells betonte: "Seit den Achtzigerjahren ist es in Mode gekommen zu denken, dass Shakespeare schwul war. Aber er war verheiratet und hatte Kinder". Dies deutet auf eine mögliche Bisexualität hin, statt auf ausschließliche Homosexualität.

Shakespeares queere Charaktere und die historische Perspektive

Shakespeares Kultur und Gesellschaft machten tatsächlich viel mehr Raum für die Artikulation gleichgeschlechtlichen Verlangens, als wir vielleicht erwarten würden. Seine Werke sind durchzogen von homoerotischen Anspielungen und geschlechtsüberschreitenden Charakteren. Twelfth Night bietet Shakespeares komplexesten Ansatz zu den Themen Geschlecht und sexuelles Verlangen. Die Hauptfigur, eine junge Frau namens Viola, verkleidet sich als Mann namens "Cesario" – ihr gewählter Name kann als Referenz auf die angebliche Bisexualität von Julius Caesar gelesen werden.

Historiker sind der Ansicht, dass Menschen der frühen Neuzeit sich nicht als schwul oder hetero verstanden haben. Das weit verbreitete Teilen von Betten zwischen Personen gleichen Geschlechts, der hohe Wert gleichgeschlechtlicher Freundschaft und eine generell unprüde Haltung zu körperlichen Funktionen schufen ein Umfeld, in dem homosexuelle Handlungen, obwohl technisch illegal, praktisch unreportiert und unbestraft blieben. Missbilligung drohte natürlich, ebenso wie Feindseligkeit der Kirche, aber die üblichere Reaktion auf gleichgeschlechtliche Intimität war ein weltliches Schulterzucken, solange es nicht die starren Geschlechterrollen der Gesellschaft herausforderte.

Deutsche Parallelen: Queere Geschichte als Teil unserer Kultur

Die Debatte um Shakespeares Sexualität findet auch in Deutschland ihre Entsprechung. In der deutschen Geschichtsschreibung kommen queere Aspekte nach wie vor allenfalls am Rande vor. Und das ist ein Problem, weil man deutsche Geschichte in ihrer vollen Komplexität nur begreifen kann, wenn man sie auch aus queerer Perspektive betrachtet.

Besonders interessant ist die historische Parallele zu Deutschland: Während der Karolingischen Renaissance gab es einige Werke vielschichtiger homoerotischer Dichtung. Der Abt Alkuin von York schrieb Liebesgedichte an andere Mönche. Es gibt kein karolingisches Gesetz, das die gleichgeschlechtliche Sexualität unter Strafe stellt. Dies zeigt, dass queere Liebe schon immer Teil der europäischen Kulturgeschichte war – lange bevor moderne Begriffe wie "schwul" oder "bisexuell" existierten.

Die deutsche LGBTQ+-Geschichte hat eine lange und komplexe Tradition. Die Geschichte der queeren Community ist – mit Blick auf das vergangene Jahrhundert – sicherlich nicht die leichteste. Sie lässt nicht immer daran glauben, dass es gut wird oder besser, aber wir wissen: Es gibt uns. Es ist erstaunlich, wie Queers gegen alle Widrigkeiten für sich einstehen. Genauso erstaunlich ist es, dass eine Gesellschaft, die Jahrhunderte der Unterdrückung beerbt und queere Geschichte verdrängt, denkt, dass Liebe gleich Liebe wäre.

Die Bedeutung fĂĽr heute

Die möglicherweise queere Identität Shakespeares hat bereits konkrete Auswirkungen in queerfeindlichen Regionen der Welt. In Florida wurde aufgrund des "Don't say gay"-Gesetzes der Zugang zu Shakespeares Werken in Schulen eingeschränkt. Im Schulbezirk Hillsborough County, der auch die Großstadt Tampa umfasst, dürfen deshalb fortan keine kompletten Werke von William Shakespeare mehr an Schulen gelesen werden. Lediglich Auszüge seien erlaubt. Künftig sei es nur noch erlaubt, bestimmte Auszüge aus Shakespeare-Stücken wie "Ein Sommernachtstraum" oder "Romeo und Julia" im Unterricht zu lesen.

Will Tosh argumentiert, dass Shakespeare "künstlerisch besessen von queerem Verlangen war und seine Stücke und Gedichte mit einer homoerotischen Dynamik durchzog, die eindeutig ein befriedigendes Publikum fand." Diese Erkenntnis macht Shakespeare nicht nur zu einem der größten Dichter der Weltliteratur, sondern auch zu einem wichtigen Teil der queeren Kulturgeschichte.

Die neue Entdeckung des Miniaturporträts fügt sich in ein größeres Bild ein: Shakespeare war ein Mensch seiner Zeit, aber auch ein Künstler, der die Grenzen der Liebe und des Begehrens in all ihren Formen erforschte. Shakespeares Sonette transzendieren die Grenzen von Unterteilungen menschlicher Erfahrung, um die wahre Essenz menschlicher Liebe einzufangen. Seine Werke sprechen auch heute noch zu uns – unabhängig davon, wie wir lieben oder wen wir lieben.


Niederlande verbieten Konversionstherapie – während Deutschland auf weiteren Fortschritt wartet

Das niederländische Parlament hat am 9. September einen historischen Schritt für die LGBTQ+-Rechte vollzogen und sogenannte "Konversionstherapien" verboten. Diese Entscheidung kommt nach jahrelangen Kämpfen der queeren Community und macht die Niederlande zu einem der wenigen Länder weltweit mit einem solchen Schutzgesetz. Wie PinkNews berichtet, wurde das Gesetz nach intensiven Verhandlungen verabschiedet.

Was sind Konversionstherapien?

Konversionstherapien umfassen verschiedene physisch, emotional und psychologisch missbräuchliche Methoden, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken. Diese Praktiken reichen von erzwungenen Gebeten über psychische Manipulation bis hin zu körperlicher Gewalt und sogenannter "korrigierender Vergewaltigung".

Wissenschaftlich ist belegt, dass keine der bekannten Studien eine dauerhafte Veränderung der sexuellen Orientierung nachweisen kann. Stattdessen sind schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche "Therapien" wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko nachgewiesen.

Der niederländische Kompromiss

Die Verabschiedung des Gesetzes in den Niederlanden war kein einfacher Prozess. Laut einer Umfrage von 2024 sind rund vier von fĂĽnf BĂĽrgern sowie auch eine Mehrheit der Parlamentarier fĂĽr ein Verbot, dennoch gab es erheblichen Widerstand von christlich-konservativen Parteien.

Der finale Gesetzentwurf stellt einen Kompromiss dar: Nur "systematische" und "intrusive" Versuche, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität zu ändern, werden unter Strafe gestellt. Einfache Gespräche zwischen religiösen Führern und Gläubigen über diese Themen bleiben straffrei. Diese Einschränkung war notwendig, um die Unterstützung der New Social Contract, Christian Democrats und Farmer-Citizen Movement Parteien zu gewinnen.

Die sozial-liberale Abgeordnete Wieke Paulusma betonte nach der Abstimmung: "Liebe muss niemals geheilt werden. Dieses Gesetz schützt verletzliche Menschen vor schädlichen Praktiken, die ihre Gesundheit und Sicherheit gefährden."

Deutschland als Vorreiter – mit Einschränkungen

Deutschland hat bereits am 12. Juni 2020 das "Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen" verabschiedet und war damit eines der ersten Länder in Europa mit einem solchen Verbot. Das Gesetz trat am 24. Juni 2020 in Kraft.

Das deutsche Gesetz verbietet Konversionstherapien an Minderjährigen und an Volljährigen, die nicht wirksam eingewilligt haben. Verstöße werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einem hohen Bußgeld geahndet. Zusätzlich ist auch die Bewerbung solcher Praktiken strafbar.

Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte: "Homosexualität ist keine Krankheit. Daher ist schon der Begriff Therapie irreführend. Wir wollen sogenannte Konversionstherapien soweit wie möglich verbieten. Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid. Diese angebliche Therapie macht krank und nicht gesund."

Ein wichtiger Bestandteil des deutschen Gesetzes ist auch ein Beratungsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für alle betroffenen Personen, Angehörige und Personen, die sich beruflich mit dem Thema befassen. Die Beratung erfolgt kostenfrei, mehrsprachig und anonym als Telefon- und Onlineberatung.

Das erschreckende AusmaĂź des Problems

Die Zahlen sind alarmierend: Laut einer Studie des niederländischen Gesundheitsministeriums von 2022 haben rund ein Drittel aller LGBTIQ+-Menschen im Land bereits eine Konversionstherapie durchleben müssen. Die Opfer berichteten dabei von Elektroschocks, Eisbädern und stundenlangen, erzwungenen Gebeten.

In Deutschland wird geschätzt, dass etwa 1.000 Menschen pro Jahr an einer Konversionstherapie teilnehmen. Eine neue Studie von Stonewall UK zeigt, dass auch im Vereinigten Königreich 31 Prozent der befragten LGBTQ+-Personen mindestens einen Versuch erlebt haben, ihre Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung zu ändern.

Internationale Entwicklungen und der Stand in Europa

Derzeit haben Belgien, Zypern, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Malta, Portugal und Spanien diese Praktiken verboten. Andere EU-Mitgliedstaaten wie Österreich, Irland, die Niederlande und Polen planen dies ebenfalls – wobei die Niederlande nun diesen Schritt vollzogen haben.

Weltweit haben 14 Länder irgendeine Form eines nationalen Verbots von Konversionspraktiken eingeführt. Brasilien führte 1999 als erstes Land der Welt ein Verbot ein, das 2018 erweitert wurde, um auch die Geschlechtsidentität einzuschließen.

Eine Europäische Bürgerinitiative hat über 1 Million Unterschriften gesammelt, die ein EU-weites Verbot schädlicher "Konversionstherapien" fordern. Dies setzt die Europäische Kommission unter Druck, entsprechende Gesetzesvorschläge zu erarbeiten.

Das Versagen des Vereinigten Königreichs

Besonders bitter ist die Situation im Vereinigten Königreich. Trotz wiederholter Versprechen seit 2018 – von Theresa May über Boris Johnson bis zu Rishi Sunak – wurde ein umfassendes Verbot nie umgesetzt. Das Vereinigte Königreich ist in den ILGA Europe-Rankings für LGBTQ+-Rechte in nur wenigen Jahren von Platz 1 auf Platz 17 abgerutscht.

Die neue Labour-Regierung unter Keir Starmer hat im Juli 2024 in der King's Speech ein erneutes Engagement zur Veröffentlichung eines Gesetzesentwurfs zum Verbot von Konversionspraktiken angekündigt. Aktivist:innen bleiben jedoch skeptisch, ob dieses Versprechen diesmal eingehalten wird.

Der Weg nach vorn fĂĽr Deutschland

Während Deutschland mit seinem Gesetz von 2020 einen wichtigen Schritt gemacht hat, gibt es weiterhin Diskussionen über mögliche Schutzlücken. Der Bundesrat hat unterstrichen, dass insbesondere junge Menschen umfassend vor sogenannten Konversionstherapien zu schützen sind und die Bundesregierung etwaige Schutzlücken umgehend schließen muss.

Die Entwicklung in den Niederlanden zeigt, dass der Kampf gegen Konversionstherapien ein kontinuierlicher Prozess ist. Seit über einem Jahrzehnt kämpfen queere Vereine im Land gegen die Umpolungs-Angebote, die zumeist von christlichen Vereinen angeboten werden.

Myrtille Danse, Vorsitzende von COC Nederland, richtete nach der Abstimmung eine kraftvolle Botschaft an die LGBTQ+-Community: "Du bist perfekt, so wie du bist; lass dir niemals etwas anderes einreden."

Ein globaler Kampf fĂĽr Menschenrechte

Der Schutz vor Konversionstherapien ist ein fundamentales Menschenrecht. Die Vereinten Nationen haben die Behandlungen eindeutig bereits vor geraumer Zeit als Folter deklariert. Die wissenschaftliche Evidenz ist eindeutig: Diese Praktiken sind nicht nur unwirksam, sondern verursachen schwere und dauerhafte Schäden.

Die Fortschritte in den Niederlanden sind ein wichtiges Signal, aber der Kampf ist noch lange nicht vorbei. In den meisten Ländern der Welt sind diese schädlichen Praktiken weiterhin legal. Jeder Tag ohne umfassende Verbote bedeutet, dass LGBTQ+-Menschen weiterhin der Gefahr von lebenslangen Traumata ausgesetzt sind.

Deutschland hat mit seinem Gesetz von 2020 eine Vorreiterrolle ĂĽbernommen, muss aber wachsam bleiben und sicherstellen, dass der Schutz lĂĽckenlos ist. Die internationale Gemeinschaft muss zusammenarbeiten, um diese menschenverachtenden Praktiken weltweit zu beenden und die WĂĽrde und Rechte aller LGBTQ+-Menschen zu schĂĽtzen.


Wenn Dating zur Falle wird: Der brutale Ăśberfall von Bochum und Deutschlands wachsende Gewalt gegen queere Menschen

Das Bochumer Landgericht hat am Montag ein deutliches Zeichen gegen homophobe Gewalt gesetzt. Fünf Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren wurden für einen brutalen Überfall auf einen 60-jährigen schwulen Mann verurteilt, den sie über eine Dating-App in eine Falle gelockt hatten. Der Fall wirft ein grelles Licht auf ein wachsendes Problem: Die systematische Jagd auf queere Menschen im digitalen Zeitalter.

Ein perfides Verbrechen mit System

Was am 6. Februar 2024 im Bochumer Westpark geschah, war kein spontaner Gewaltausbruch, sondern ein minutiös geplanter Angriff. Das Opfer war von einem der Angeklagten über eine Dating-App kontaktiert worden. Er bot dem Mann einen sexuellen Kontakt am Westpark an. Statt des erwarteten Dates fand der 60-Jährige eine Gruppe von fünf Jugendlichen vor, die ihn ohne Vorwarnung attackierten.

Die Brutalität des Angriffs ist erschütternd: Sie schlugen laut Aussagen ohne Vorwarnung auf ihn ein und beschimpften ihn als "schwule Sau". Der Haupttäter hielt dem 60-Jährigen auch ein Messer an den Hals und drohte, ihn "abzustechen". Darauf traten die Jugendlichen auf das am Boden liegende Opfer ein. Der Mann erlitt eine Gehirnerschütterung, schwere Prellungen im Gesicht und zwei gebrochene Rippen. Er verbrachte zwei Tage im Krankenhaus und war sechs Wochen arbeitsunfähig – alles für zwei erbeutete Schlüsselbunde.

Das Urteil: Ein Signal gegen Hass

Das Gericht sprach eine deutliche Sprache. Der 18-jährige Haupttäter erhielt wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von vier Jahren und neun Monaten. Laut Gericht lägen bei ihm "homophobe Tendenzen" und eine "deutliche Verrohung" vor. Ein weiterer 18-Jähriger wurde zu zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, die anderen Angeklagten erhielten Dauerarrest und Sozialstunden.

Diese Urteile sind wichtig, denn sie zeigen: Homophobe Gewalt wird nicht toleriert. Doch sie sind nur ein kleiner Baustein in einem viel größeren Problem.

Ein deutschlandweites Phänomen

Der Fall in Bochum ist kein Einzelfall. Der "Lagebericht zur kriminalitätsbezogenen Sicherheit von LSBTIQ*" verzeichnet für das Jahr 2023 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen (im Jahr 2022: 1.188). Zu den häufigsten Straftaten zählten dabei Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Bei den Gewalttaten wurden 212 Opfer (im Jahr 2022: 197) festgestellt. Der Bericht stellt zudem fest, dass sich die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" seit 2010 nahezu verzehnfacht hat.

Was diese Zahlen besonders alarmierend macht: Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an. Die tatsächliche Dimension der Gewalt gegen queere Menschen in Deutschland ist vermutlich noch deutlich höher.

Dating-Apps als Jagdrevier

Besonders perfide ist die Methode, mit der die Täter ihre Opfer in die Falle locken. Dating-Apps wie Grindr, Romeo oder Tinder, die eigentlich sichere Räume für queere Menschen sein sollten, werden zu Jagdrevieren für Gewalttäter. Das Opfer hatte sich zunächst über eine Dating-App mit einer fremden Person verabredet. Als der 62-Jährige kurz vor Mitternacht am Treffpunkt in der Thüringer Straße im Stadtteil Marxheim eintraf, erwartete ihn jedoch eine vier- bis fünfköpfige Personengruppe, die ihn sofort angriff und auf ihn einschlug und trat. – dieser Fall aus Hofheim am Taunus zeigt, dass das Bochumer Verbrechen Teil eines größeren Musters ist.

In Hamburg wurden im Juli zwei Männer festgenommen, die einen 38-Jährigen über eine Dating-App getroffen und mit einer Machete bedroht und ausgeraubt hatten. Auch hier war Homosexuellenfeindlichkeit das Motiv. Die österreichische Polizei führte im März eine bundesweite Razzia gegen die sogenannte "Pädo-Hunter-Szene" durch, die gezielt Jagd auf Homosexuelle macht.

Sicherheit beim Dating: Was können Betroffene tun?

Der LSVD hat wichtige Sicherheitstipps für queeres Dating zusammengestellt. Triff dich beim ersten Mal nicht bei dir oder bei der Person, sondern an einem öffentlichen Ort (Café, Park oder Bar). Keine abgelegenen Orte (Wälder, Parkplätze oder verlassene Gebäude) beim ersten Treffen – besonders nachts. Außerdem sollte man immer einer vertrauten Person Bescheid geben, mit wem man sich wo trifft.

Wenn etwas "komisch" wirkt – Profil, Verhalten, Gespräch – nimm Abstand. Zwing dich nicht zu einem Treffen, nur weil du schon verabredet bist. Diese Vorsichtsmaßnahmen können Leben retten, doch sie lösen nicht das grundlegende Problem: Queere Menschen sollten sich nicht verstecken oder in Angst leben müssen.

Die Rolle der Dating-App-Betreiber

Auch die Betreiber von Dating-Apps stehen in der Verantwortung. Der Dating-App-Anbieter Match Group unternimmt zu wenig, um die Sicherheit seiner Nutzerinnen und Nutzer zu garantieren. Das kritisieren mehrere Medien in einer gemeinsamen Recherche. Selbst wenn Nutzer wegen Übergriffen bei Treffen gemeldet werden, können sie ihren Account demnach häufig behalten. Werden sie doch gesperrt, können sie sich meist mit denselben Daten neu anmelden.

Diese Nachlässigkeit ermöglicht es Tätern, immer wieder neue Opfer zu finden. Die Plattformen müssen endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und wirksame Schutzmechanismen implementieren.

Politische MaĂźnahmen: Viel versprochen, wenig umgesetzt

Die Politik hat das Problem erkannt. Die Prävention und Bekämpfung von Hasskriminalität wird auch ein Thema in dem im Koalitionsvertrag vereinbarten ressortübergreifenden Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sein. Die Erstellung und Umsetzung des Aktionsplans wird im Bundesfamilienministerium und vom Queer-Beauftragten koordiniert und soll noch in diesem Jahr im Kabinett verabschiedet werden.

Doch zwischen Ankündigungen und tatsächlichen Verbesserungen klafft oft eine große Lücke. Auf die Frage, warum sie nach einem angriff nicht zur Polizei gegangen sind antworten die meisten, dass sie nicht denken, dass das was bringen würde (40%). Weitere Motive waren, dass der Vorfall den Betroffenen nicht schlimm genug schien (37%), die Betroffenen Angst vor Homo- und Transphobie bei der Polizei hatten (23%) und kein Vertrauen in die Polizei hätten (21%).

Was jetzt getan werden muss

Der Fall von Bochum zeigt: Es reicht nicht, einzelne Täter zu verurteilen. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Wandel. Das bedeutet:

  • Bessere Schulung von Polizei und Justiz im Umgang mit queerfeindlicher Gewalt
  • Strengere Auflagen fĂĽr Dating-App-Betreiber zum Schutz ihrer Nutzer
  • Mehr Präventionsarbeit in Schulen und Jugendeinrichtungen
  • Niedrigschwellige Beratungsangebote fĂĽr Betroffene
  • Konsequente Erfassung und Verfolgung von Hasskriminalität

Sven Lehmann: "Jeden Tag werden in Deutschland Menschen angegriffen, bloĂź weil sie lieben, wie sie lieben oder sind wie sie sind. Bei allen rechtlichen und gesellschaftlichen Fortschritten: LSBTIQ* bleiben eine verwundbare gesellschaftliche Gruppe. Zunehmend gibt es auch Ăśbergriffe im Rahmen von CSDs. Angeheizt von gezielten Kampagnen richtet sich Gewalt gegen sichtbares queeres Leben und soll LSBTIQ* einschĂĽchtern."

Der brutale Überfall von Bochum ist ein Weckruf. Er zeigt, dass homophobe Gewalt in Deutschland noch immer Realität ist – und dass sie neue, perfide Formen annimmt. Die Urteile gegen die fünf Jugendlichen sind ein wichtiges Signal, aber sie sind nur der Anfang. Wir alle sind gefordert, für eine Gesellschaft einzustehen, in der Menschen lieben können, wen sie wollen – ohne Angst vor Gewalt.

Queere Menschen haben das Recht auf Sicherheit, beim Dating und überall sonst. Es ist höchste Zeit, dass wir dieses Recht gemeinsam verteidigen.


Wenn der Hass Symbole schmiert: Der rechtsextreme Angriff auf die Aidshilfe Hamburg

In der Nacht zum 8. September 2024 wurde die Aidshilfe Hamburg Ziel eines rechtsextremen Angriffs. Unbekannte Täter rissen Posterrahmen am Eingang sowie Werbeschilder an den Fenstern ab und beschmierten sie mit Hakenkreuzen. Der Angriff auf das Gebäude in der Langen Reihe zeigt eine neue Qualität der Gewalt gegen die LGBTQ+-Organisation, die seit über 40 Jahren für Vielfalt und Solidarität in der Hansestadt steht.

Eine neue Dimension der Gewalt

"Das ist beunruhigend und auch eine neue Qualität von Gewalt", teilte die Aidshilfe Hamburg nach dem Vorfall mit. Während es in den vergangenen Jahren immer wieder verbale Angriffe gegeben habe, seien Hakenkreuze "neu, besonders unappetitlich". Die Geschäftsführung erstattete umgehend Anzeige bei der Polizei. Der finanzielle Schaden sei zwar "übersichtlich", aber die psychologischen Auswirkungen wiegen schwer: "Es macht natürlich etwas mit der allgemeinen Gemütslage bei uns."

Teil eines besorgniserregenden Trends

Der Angriff auf die Aidshilfe Hamburg ist kein Einzelfall, sondern fĂĽgt sich in ein beunruhigendes Muster ein. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland insgesamt 1.765 Straftaten im Unterthemenfeld "sexuelle Orientierung" registriert, davon 253 Gewaltdelikte. Besonders alarmierend: Die Opferberatungsstellen verzeichneten einen Anstieg um 40% bei queerfeindlich motivierten Angriffen gegen LGBTIQ* im Vergleich zum Vorjahr.

Seit Juni 2024 geraten vermehrt Veranstaltungen der LSBTIQ-Bewegung in den Fokus insbesondere gewaltorientierter Rechtsextremisten. Es kam in den letzten Monaten wiederholt zu (versuchten) rechtsextremistischen Störaktionen von öffentlichen Veranstaltungen zum Christopher Street Day (CSD), besonders in Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo Gegendemonstrationen teils dreistellige Teilnehmerzahlen erreichten.

Parallelen in anderen deutschen Städten

Auch andere Aidshilfe-Organisationen wurden bereits Ziel rechtsextremer Angriffe. Im Juli 2023 wurde die Aidshilfe Düsseldorf attackiert: In die Glasscheiben am Hauseingang seien Nazi-Symbole gekratzt worden, darunter auch ein Hakenkreuz. Wenige Wochen später folgte ein weiterer Angriff mit einem anonym verschickten Paket mit Fäkalien.

Der Verfassungsschutz beobachtet diese Entwicklung mit großer Sorge. Das "rechtsextremistische Personenpotenzial" hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt auf erstmals über 50.200 Rechtsextremisten, davon über 15.300 stark gewaltbereit. Die Behörden sprechen von einem "dramatischen Befund".

Standhaft bleiben gegen rechten Hass

Trotz des Angriffs zeigt sich die Aidshilfe Hamburg kämpferisch. Die Aktivist*innen kündigten an, ihre "Ideen und Ansichten von Diversitäten, Vielfalt und einer Gesellschaft für alle Menschen, gegen jeden gesellschaftlichen Widerstand konsequent verteidigen" zu wollen. Man werde weiterhin "gegen rechtes Rollback und rechtes Gedankengut vorgehen".

Mit einem kreativen Aufruf zur Solidarität wendete sich die Organisation an die Öffentlichkeit: "Wenn Ihr Menschen kennt, die Regenbögen brauchen: www.proudcommunity.de". Der Erlös aus dem Verkauf geht zu 100 Prozent in die vielfältige Präventionsarbeit - mit dem Zusatz: "Nazis hassen diesen Trick."

Die wichtige Arbeit der Aidshilfen

Die Deutsche Aidshilfe und ihre regionalen Mitgliedsorganisationen leisten seit über 40 Jahren unverzichtbare Arbeit. Mehr als 130 ehrenamtliche Kolleg*innen sowie Fachleute aus unterschiedlichen Berufsfeldern stärken Menschen den Rücken, die durch die HIV-Infektion besonders betroffen sind. Gesundheitsförderung ist ihre Kompetenz. Vielfalt und Solidarität sind ihre Leidenschaft.

Die Präventionsarbeit der Aidshilfen richtet sich dabei besonders an vulnerable Gruppen und verbindet Fach- und Betroffenenkompetenz miteinander und bindet die Zielgruppen in die Arbeit ein. Diese strukturelle Präventionsarbeit hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die HIV-Infektionszahlen in Deutschland niedrig sind und seit einigen Jahren zurückgehen.

Solidarität als Antwort

Der Angriff auf die Aidshilfe Hamburg zeigt einmal mehr: Der Kampf für eine offene, vielfältige Gesellschaft ist noch lange nicht gewonnen. Die rechtsextremistisch motivierten Bedrohungen queerer Menschen verfolgen das Ziel, eine ganze Bevölkerungsgruppe einzuschüchtern, queere Menschen wieder in die Unsichtbarkeit zu treiben und sie an der Wahrnehmung ihrer Grundrechte zu hindern. "Staat und Gesellschaft sind aufgefordert, diesen Angriffen auf die Sicherheit und die Grundrechte queerer Menschen überall klar und entschieden entgegenzutreten", fordern LGBTQ+-Verbände.

Die Reaktion der Aidshilfe Hamburg auf den Angriff zeigt: Mit Hass und Hakenkreuzen lässt sich die queere Community nicht einschüchtern. Im Gegenteil - sie antwortet mit noch mehr Engagement für Vielfalt, Solidarität und eine Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können. Denn wie die Aktivist*innen betonen: Die Arbeit für sexuelle Gesundheit, Akzeptanz und Menschenrechte wird weitergehen - allen Angriffen zum Trotz.


UN-Appell erschüttert Großbritannien: Lemkin-Institut warnt vor "Auslöschung" von Trans-Menschen

Eine internationale Organisation zur Verhinderung von Völkermord hat die Vereinten Nationen aufgefordert, der britischen Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission (EHRC) ihren höchsten Akkreditierungsstatus zu entziehen. Das Lemkin-Institut für Genocide Prevention, eine multinationale Nichtregierungsorganisation, wirft der EHRC vor, eine Schlüsselrolle bei dem zu spielen, was sie als "transparenten Versuch bezeichnet, transgender und intersexuelle Menschen aus dem britischen Leben auszuradieren". Die Forderung, über die PinkNews berichtet, markiert eine beispiellose Eskalation im Konflikt um Trans-Rechte in Großbritannien.

Schwerwiegende Vorwürfe gegen britische Gleichstellungsbehörde

In einer Stellungnahme an die Global Alliance of National Human Rights Institutions (GANHRI), den UN-Regulator für nationale Menschenrechtsinstitutionen, forderte das Lemkin-Institut am 5. September, der EHRC den "A-Status" abzuerkennen, da sie gegen die Pariser Prinzipien verstoße. Diese 1993 festgelegten Prinzipien basieren auf den Säulen "Pluralismus, Unabhängigkeit und Effektivität".

Ein Sprecher des Lemkin-Instituts erklärte: "Die EHRC hat eine institutionelle Übernahme erlebt und wurde von transphoben und interphoben Menschen und Agenden vereinnahmt." Das Institut wiederholte in seiner Stellungnahme: "Es gibt einen transparenten Versuch, transgender und intersexuelle Menschen aus dem britischen Leben auszuradieren. Dies ist ein klares Beispiel für das 9. Muster des Völkermords".

Kontroverse um neue Toiletten-Richtlinien

Die Kritik folgt auf eine umstrittene Entscheidung der EHRC, die weitreichende Konsequenzen für den Alltag von Trans-Menschen hat. Trans-Menschen in Großbritannien sollen künftig nicht mehr die Toiletten, Duschen und Umkleiden ihres erlebten Geschlechts nutzen dürfen, wie aus einer vorläufigen Richtlinie der EHRC hervorgeht. Diese Entscheidung basiert auf einem Urteil des britischen Supreme Courts, das befand, dass gemäß dem britischen Gleichstellungsgesetz nur biologische Frauen als Frauen gelten – Trans-Frauen sind demnach rechtlich gesehen keine Frauen, selbst mit offiziellem Gender-Zertifikat.

In gewissen Umständen sei es rechtlich zulässig, dass Trans-Frauen von Einrichtungen für Männer ausgeschlossen würden und Trans-Männer von denen für Frauen. Es dürfe aber keine Situation entstehen, in denen Trans-Menschen keine Option mehr hätten. Wenn möglich, sollten neben nach Geschlechtern getrennten Einrichtungen auch solche für den gemeinsamen Gebrauch geschaffen werden.

Deutschland als Vorbild: Selbstbestimmungsgesetz stärkt Trans-Rechte

Während Großbritannien Trans-Rechte einschränkt, geht Deutschland einen anderen Weg. Im April 2024 verabschiedete der Bundestag ein wegweisendes Gesetz, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) erleichtert es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Es ist am 1. November 2024 in Kraft getreten.

"Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz hat Deutschland einen Schandfleck in seiner Menschenrechtsbilanz beseitigt und sein Engagement für LGBT-Rechte im In- und Ausland gestärkt", sagte González von Human Rights Watch. "Nach dieser wichtigen Reform der rechtlichen Geschlechtsanerkennung sollten sich die deutschen Behörden weiterhin für die vollständige Gleichstellung einsetzen, um Gewalttaten gegen LGBT-Personen in Deutschland zu verhindern und Anti-LGBT-Gesetze im Ausland abzuwehren."

Alarmierende Diskriminierungszahlen in Deutschland

Trotz der fortschrittlichen Gesetzgebung zeigen aktuelle Zahlen, dass Diskriminierung auch in Deutschland ein ernstes Problem bleibt. Im Jahr 2024 haben 11.405 Anfragen das Beratungsteam der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erreicht. In repräsentativen Untersuchungen berichten je nach Umfrage 16 bis 30 Prozent der Bevölkerung von Diskriminierungen.

Im Jahr 2024 erreichte die Anzahl der polizeilich erfassten Straftaten gegen die sexuelle Orientierung in Deutschland ihren traurigen Höhepunkt von insgesamt 1.765 Straftaten, rund 250 waren davon Gewalttaten. Die FRA-Studie zur Lage von LGBTIQ in Europa und Deutschland aus dem Jahr 2024 verdeutlicht das schockierende Ausmaß der Diskriminierung, der trans* Personen ausgesetzt sind.

Internationale Dimension: Völkermord-Warnung ernst nehmen

Das Lemkin-Institut ist eine multinationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in den Vereinigten Staaten, die ihre Mission darin sieht, "die globale Basis mit den Werkzeugen der Völkermordprävention zu verbinden". Es wurde im August 2021 gegründet und nach Raphael Lemkin (1900-1959) benannt, einem polnisch-jüdischen Anwalt und Holocaust-Überlebenden, der den Begriff Völkermord prägte.

"Alle beschriebenen Handlungen passen genau in das neunte Muster des Völkermords: 'Verleugnung und/oder Verhinderung von Identität'", argumentierte die Organisation. "Völkermord manifestiert sich nicht nur in der Tötung einer ganzen Gruppe. Im Fall von trans und intersexuellen Menschen wird Völkermord oft dadurch verübt, dass es Individuen unmöglich gemacht wird, als ihr wahres Selbst zu existieren."

Betroffene und Expert*innen schlagen Alarm

Die Anwältin und nicht-binäre Influencerin Oscar Davies warnte vor den Konsequenzen einer möglichen Herabstufung: "Der 'A-Status' ermöglicht es einer Institution, bei UN-Menschenrechtsforen zu sprechen, einschließlich des Menschenrechtsrats, und verleiht ihrer nationalen Arbeit Glaubwürdigkeit." Ein Verlust dieses Status würde nicht nur die moralische Autorität der EHRC untergraben, sondern könnte auch ihre Fähigkeit schwächen, die britische Regierung zur Rechenschaft zu ziehen.

Die neue EHRC-Vorsitzende Dr. Mary-Ann Stephenson steht selbst in der Kritik. Trotz Opposition der Ausschüsse für Frauen und Gleichstellung sowie Gemeinsame Menschenrechte wurde sie letzten Monat ernannt. Dr. Stephensons Verbindung zu "gender-kritischen" Gruppen wie der LGB Alliance hat bei LGBTQ+-Rechtsgruppen Besorgnis ausgelöst, von denen mehrere geschworen haben, nicht mit der Regulierungsbehörde zusammenzuarbeiten.

Hoffnung durch europäische Standards

Während Großbritannien einen restriktiven Kurs einschlägt, zeigen andere europäische Länder, dass Fortschritt möglich ist. Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay, Spanien, Finnland, Schweiz, Brasilien, Kolumbien und Ecuador respektieren in entsprechenden Gesetzen die Grundrechte und Selbstbestimmung von trans* Personen bei der Änderung des Geschlechtseintrags. Auch Deutschland soll ab 1. November ein Selbstbestimmungsgesetz haben.

Die EHRC verteidigte sich gegen die Vorwürfe und betonte, sie bleibe "von ganzem Herzen dem Schutz von Gleichheit und Menschenrechten verpflichtet" und sei "vollständig konform mit den Pariser Prinzipien". Dies wurde laut EHRC zuletzt im Mai 2024 von GANHRIs Unterausschuss für Akkreditierung bestätigt, als die Organisation ihren A-Status behielt.

Die Entwicklungen in Großbritannien werden international aufmerksam beobachtet. Das Lemkin-Institut warnte eindringlich: "Dieses feindliche Umfeld ist ein subtiler, heimtückischer und klarer Versuch, transgender und intersexuelle Menschen aus dem britischen Leben auszuradieren, weil ihre Existenz bei einigen ideologisches Unbehagen verursacht. Die Anti-Trans-Bewegung ist eine Bewegung, die ausschließlich auf Ignoranz und Bigotterie basiert, ob sie nun in Religion oder 'Feminismus' oder einem anderen doktrinären oder ideologischen Glaubenssystem verhüllt ist. Keine Verleugnung oder Auslassung im Gesetz kann die konkrete Realität auslöschen, dass trans und intersexuelle Menschen immer existiert haben und immer existieren werden. Versuche, sie als Klasse auszulöschen, stellen eine Absicht dar, Völkermord zu begehen."


Wenn Vielfalt zur Verhandlungsmasse wird: Der Konflikt um den CSD Köthen

Ein Straßenfest für queere Sichtbarkeit wird zum Politikum: In der sachsen-anhaltischen Kreisstadt Köthen eskaliert der Streit zwischen der linken Oberbürgermeisterin Christina Buchheim und den CSD-Organisatoren. Wie queer.de berichtet, hat Buchheim bereits am Freitag Anzeigen wegen übler Nachrede und Verleumdung gegen zwei CSD-Organisatoren erstattet. Was als Feier der Vielfalt gedacht war, endet nun vor Gericht – und wirft ein Schlaglicht auf die angespannte Situation queerer Veranstaltungen in Deutschland.

Behördenwillkür oder berechtigte Auflagen?

Der Konflikt schwelte bereits seit dem CSD Mitte Juli, als rund 300 Menschen trotz rechtswidriger Auflagen für queere Sichtbarkeit in Köthen sorgten. Die Veranstalter*innen mussten einen Toilettenwagen vor Gericht erkämpfen. Am Veranstaltungstag kam es zu einer weiteren, mutmaßlich rechtswidrigen Schikane des Ordnungsamts: Die Behörde untersagte den CSD-Organisator*innen die Nutzung von Strom und forderte, die ordnungsgemäß verlegten Stromversorgungskabel wieder einzupacken.

Die Organisatoren Falko Jentsch und Julian Miethig kritisierten diese Maßnahmen als Behördenwillkür. Sie wurden gezwungen, einen detaillierten Ablaufplan bis zum 30. Mai einzureichen, damit die Behörde jeden einzelnen Beitrag inhaltlich auf 'Meinungseignung' bewerten kann. "Was 2024 gegen uns verübt wurde, wird 2025 gegen uns ausgelegt. Das ist eine absurde Logik der Täter-Opfer-Umkehr.", kritisiert das Organisationsteam.

Eine Linken-OberbĂĽrgermeisterin gegen queere Aktivisten

Christina Buchheim, geboren 1970 in Köthen, war Mitglied des Landtages in der 7. und 8. Wahlperiode und schied am 10.07.2023 aus. Sie gewann die Bürgermeisterinnenwahl in Köthen und setzte sich in der Stichwahl gegen den bisherigen Amtsinhaber klar durch. Ausgerechnet eine Politikerin der Linken, einer Partei, die sich traditionell für LGBTQ+-Rechte einsetzt, steht nun im Zentrum eines erbitterten Streits mit queeren Aktivist*innen.

Die Stadt stellte klar, dass Buchheim mit den beiden Organisatoren grundsätzlich nicht mehr sprechen wolle. Dies werde "aus den bekannten Gründen abgelehnt". Dabei planen die beiden Aktivisten bereits den CSD 2026, der am 11. Juli stattfinden soll. Die Stadt erklärte jedoch, man werde darüber nur mit "einem neuen Organisationsteam" reden.

Konflikte in der queeren Community Sachsen-Anhalts

Der Streit in Köthen ist kein Einzelfall. Innerhalb der LGBTQ+-Community in Sachsen-Anhalt rumort es gewaltig. Der CSD Merseburg beklagte im Juni, dass der CSD Sachsen-Anhalt über die lokalen Bedürfnisse hinweg entschieden und eine Kommerzialisierung vorangetrieben habe. Der CSD Burgenlandkreis erklärte Mitte Juli auf Instagram, man habe mit dem Dachverband "negative Erfahrungen" gemacht.

"Wir nehmen wahr, dass besonders oft dort, wo der CSD Sachsen-Anhalt als Organisator beteiligt ist, Probleme mit den Behörden auftauchen", so der lokale CSD-Verein. Die Kritik richtet sich dabei auch gegen die Darstellung der Konflikte: Nur weil nicht im Interesse einzelner Personen oder Organisationen gehandelt werde, heiße das nicht, "dass Behörden oder Kommunen komplett unkooperativ oder queerfeindlich sind".

Der deutsche Kontext: Zwischen Sichtbarkeit und Sicherheit

Knapp ein Drittel aller CSDs wurde 2024 Ziel rechtsextremer Angriffe. Noch nie gab es an so vielen Orten in Deutschland Christopher Street Day-Veranstaltungen wie im Jahr 2024 – und noch nie so viele rechtsextreme Mobilisierungen dagegen. Die Amadeu Antonio Stiftung dokumentierte 55 Fälle, in denen rechtsextreme Gruppen gezielt CSD-Demos, deren Teilnehmende, sowie die Infrastruktur rund um die Veranstaltung gestört, bedroht und angegriffen haben.

In Köthen selbst war der erste CSD im vergangenen Jahr trotz Einschüchterungen von Neonazis erfolgreich verlaufen – rund 400 Teilnehmer*innen zeigten, dass queeres Leben auch im Landkreis Anhalt-Bitterfeld existiert. Am Samstag fand der erste Christopher Street Day in der Geschichte der Kreisstadt Köthen unter dem Motto "Queer – wir waren schon immer hier" statt.

Mutmaßlich Mitglieder der Neonazi-Partei "Der III. Weg" hätten in der Nacht zuvor Buttersäure auf dem Platz verspritzt, um das Straßenfest zu stören. Buttersäure ist eine Säure, die bereits in kleinsten Mengen einen intensiven üblen Geruch verströmt, der sich großflächig ausbreitet und lange anhält.

Was bedeutet das fĂĽr die queere Bewegung in Deutschland?

Der Konflikt in Köthen zeigt exemplarisch die Herausforderungen, vor denen die queere Bewegung in Deutschland steht – besonders im ländlichen Raum und in Ostdeutschland. Einerseits kämpfen Aktivist*innen gegen rechtsextreme Bedrohungen und müssen ihre Veranstaltungen unter Polizeischutz durchführen. Laut einem Lagebericht des Bundeskriminalamts und des Bundesinnenministeriums von Ende 2024 hat sich die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" seit 2010 nahezu verzehnfacht. Das liegt demnach auch an der zunehmenden Sichtbarkeit und Anzeigebereitschaft – zugleich wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen.

Andererseits erleben sie Konflikte mit Behörden und sogar mit politischen Verbündeten. Wenn eine linke Oberbürgermeisterin CSD-Organisatoren anzeigt, statt gemeinsam für queere Sichtbarkeit einzustehen, offenbart das tiefe Gräben in der Zusammenarbeit zwischen Politik und Zivilgesellschaft.

Falko Jentsch, der als Vorstandsmitglied des Dachverbandes CSD Sachsen-Anhalt mehrere Prides im Land mitorganisiert, betonte: "Es ist eine politische Demo: Wir machen das, um Reibung zu erzeugen, es ist ja kein Stadtfest: Man stößt gesellschaftliche Barrieren auf, und kratzt an der einen oder anderen Stelle."

Der Weg nach vorn: Dialog statt Konfrontation?

Julian Miethig gestand eigene Fehler ein: "Ich habe mich beim Auswertungstreffen [am 4. August nach dem CSD] auch entschuldigt für einige Postings, die zum Teil provozierend waren. Und ich will auch nicht wieder Öl ins Feuer gießen." Er sei zu einem "moderierten Gespräch" mit der Stadtchefin bereit. Doch die Stadt lehnt ab – Buchheim will grundsätzlich nicht mehr mit den beiden Organisatoren sprechen.

Am 12. Juli 2025 kamen über 300 Menschen zum Christopher Street Day in Köthen, um für Vielfalt, Akzeptanz und Gleichberechtigung einzustehen. Mit dabei waren auch Die Linke Anhalt-Bitterfeld und Genoss*innen aus Dessau. Der CSD ist eine politische Versammlung und gleichzeitig Straßenfest. Genau diese besondere Mischung macht ihn einzigartig – und bringt regelmäßig rechtliche Herausforderungen.

Der Konflikt in Köthen ist mehr als nur ein lokaler Streit. Er zeigt, wie fragil die Fortschritte der queeren Bewegung sind und wie schnell Vielfalt zur Verhandlungsmasse werden kann. In Zeiten, in denen die Zahl der politisch motivierten Straftaten im Jahr 2024 um 40,22 Prozent auf 84.172 Delikte angestiegen ist und sich die politisch motivierte Kriminalität auf dem höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001 befindet, braucht es mehr denn je Solidarität – auch und gerade von progressiven Politiker*innen.

Die queere Community in Köthen und ganz Sachsen-Anhalt wird weiter für ihre Rechte kämpfen müssen. Ob mit oder ohne Unterstützung der Stadtverwaltung. Denn wie das Motto des ersten CSD in Köthen bereits sagte: "Queer – wir waren schon immer hier." Und sie werden bleiben.


Ein Wochenende zwischen Regenbogen und Schatten: CSD-Demonstrationen trotz rechtsextremer Bedrohung

Bunte Fahnen, laute Musik und der ungebrochene Mut der queeren Community prägten das vergangene Wochenende in Deutschland. In acht Städten fanden CSD-Demonstrationen statt, die von beeindruckender Solidarität, aber auch von besorgniserregenden rechtsextremen Gegenmobilisierungen begleitet wurden. Die Originalmeldung finden Sie auf queer.de.

Rechtsextreme Bedrohung erreicht neue Dimension

Die Amadeu Antonio Stiftung dokumentierte für das Jahr 2024 55 Fälle, in denen rechtsextreme Gruppen gezielt CSD-Demos, deren Teilnehmende, sowie die Infrastruktur rund um die Veranstaltung gestört, bedroht und angegriffen haben. Zwischen Juni und September 2024 verzeichnete CeMAS deutschlandweit in 27 Städten rechtsextreme Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen. Dabei kam es zu Einschüchterungen, Schikanen und Gewalt. Diese Zahlen zeigen eine alarmierende Entwicklung: Knapp ein Drittel aller CSDs wurde 2024 Ziel rechtsextremer Angriffe.

Die Studie von CeMAS identifiziert dabei eine beunruhigende Transformation: Die neue Welle von Anti-CSD-Demonstrationen in Deutschland ist Ausdruck eines Wandels in der deutschen Neonazi-Szene. Zunehmend gewinne eine neue Generation an Neonazis an Bedeutung, die jung, online und rhetorisch stärker auf Gewalt aus ist.

Sachsen als Brennpunkt der Konfrontation

Besonders in Sachsen zeigten sich die Spannungen am Wochenende deutlich. In Zittau nahmen laut Polizeiangaben zirka 470 Menschen am CSD teil, bei einem Gegenprotest protestierten 33 Personen gegen Rechte fĂĽr queere Menschen. Ein Teilnehmer der queerfeindlichen Demo hatte eine Pistolen-Geste gezeigt.

In Freiberg war die Situation noch angespannter: Beim CSD waren rund 750 Menschen (Veranstalter*innen) bzw. 550 Menschen (Polizei) unter dem Motto "Vielfalt verteidigen! Glitzer gegen Hass!" dabei. Die rechtsextreme Gegendemo kam nach Polizeiangaben auf rund 90 Teilnehmende und wurde von "Freien Sachsen" sowie den "Jungen Nationalisten", der Nachwuchsorganisation der Partei "Die Heimat", frĂĽher NPD, organisiert.

ThĂĽringen: Ein starkes Zeichen gegen rechts

Ein kraftvolles Gegenzeichen setzte die thüringische Landeshauptstadt Erfurt. Tausende Menschen gingen in Erfurt auf die Straße. Die Polizei sprach von 2.500 Teilnehmenden, der CSD-Verein von rund 4.800. Besonders symbolträchtig war die Unterstützung durch den ehemaligen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke), der als Schirmherr fungierte. Der Erfurt Pride hatte bekanntgegeben, dass der Linken-Politiker Bodo Ramelow die diesjährige CSD-Schirmherrschaft in der thüringischen Landeshauptstadt übernommen hat.

In seiner Rede auf dem Domplatz zeigte sich Ramelow kämpferisch: Er sei froh, "bunte Vielfalt" auf dem Domplatz zu sehen, und nicht "die braune Einfalt". Diese klaren Worte unterstreichen die Bedeutung politischer Unterstützung für die queere Community in Zeiten zunehmender rechtsextremer Bedrohung.

HitlergrĂĽĂźe in Ostfriesland

Beim CSD im ostfriesischen Aurich, bei dem rund 600 Menschen unter dem Motto "Gleichberechtigung schadet niemandem" auf die StraĂźe gegangen waren, kam es zu einem Zwischenfall. Nach der Veranstaltung berichteten die Organisator*innen von einer Bedrohung des CSD-Teams "durch eine Gruppe Jugendlicher". Dabei sei der HitlergruĂź gezeigt und Parolen wie "Heil Hitler" und "Sieg Heil" gerufen worden. Die Jugendlichen seien abgezogen, nachdem ihr Verhalten gefilmt worden sei.

Trotz dieser erschreckenden Vorfälle zeigten sich die Veranstalter*innen dankbar für die Polizeipräsenz: "Dass wir nicht während der laufenden Veranstaltung Ziel eines Angriffs wurden, haben wir vermutlich der absolut tollen Polizeipräsenz zu verdanken".

Unterschiedliche Polizeiarbeit sorgt fĂĽr Diskussionen

Während die Polizei in Aurich für ihre Arbeit gelobt wurde, gab es in Passau heftige Kritik. Es sei dort zu Verzögerungen gekommen, weil die Polizei "zum Start des Demozugs unnötig lange einen Ordner kontrollierte und solange harmlose Kungebungsmittel beschlagnahmte", teilte der CSD-Verein mit. Auch das polizeiliche Abfilmen und -fotografieren der Demo kritisierten die Veranstalter*innen als "haltlose Vorverdächtigung der Teilnehmenden".

Diese unterschiedlichen Erfahrungen mit den Sicherheitsbehörden zeigen, wie wichtig eine sensible und professionelle Polizeiarbeit beim Schutz von Pride-Veranstaltungen ist.

Ein Blick auf die größere Entwicklung

Die Ereignisse des Wochenendes sind Teil einer besorgniserregenden Entwicklung. Noch nie zuvor gab es so viele Pride-Kundgebungen wie in diesem Jahr und nie gab es so viele rechtsextreme Gegenproteste. Besonders erschreckend war der CSD in Bautzen im August 2024, der als Wendepunkt gilt: Beim CSD in Bautzen standen rund 1000 Teilnehmende fast 700 Rechtsextremen gegenĂĽber.

Die Amadeu Antonio Stiftung warnt: Solche Angriffe müssen wir auch 2025 wieder erwarten – nicht nur in Ostdeutschland. Vor allem auf dem Land sind CSDs deshalb auf Unterstützung angewiesen.

Trotz allem: Die Vielfalt lebt

Trotz der Bedrohungen zeigt sich die queere Community ungebrochen. Außerdem gab es CSDs im niedersächsischen Goslar, im schleswig-holsteinischen Elmshorn, im bayerischen Kaufbeuren und den ersten Pride im württembergischen Balingen, bei dem 400 Teilnehmende dabei waren. Diese Vielfalt an Veranstaltungen, gerade in kleineren Städten und ländlichen Regionen, ist ein starkes Zeichen für die wachsende Sichtbarkeit queeren Lebens in ganz Deutschland.

Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes zeigen zweierlei: Die Bedrohung durch rechtsextreme Gruppen ist real und nimmt zu. Gleichzeitig lässt sich die queere Community nicht einschüchtern und findet immer wieder neue Verbündete in Politik und Zivilgesellschaft. Der Kampf für Gleichberechtigung und Akzeptanz geht weiter – bunter, lauter und entschlossener denn je.


Wenn Toleranz am Stadiontor endet: Der Regenbogen-Eklat von Neckarsulm und die unbequeme Wahrheit ĂĽber Diskriminierung im deutschen AmateurfuĂźball

Ein scheinbar kleiner Vorfall beim Oberliga-Spiel zwischen Türkspor Neckarsulm und TSG Backnang wirft ein grelles Scheinwerferlicht auf die tief verwurzelten Probleme mit LGBTQ+-Feindlichkeit im deutschen Fußball. Wie queer.de berichtet, wurde am vergangenen Samstag ein 52-jähriger Backnang-Fan von einem Ordner aufgefordert, seine mitgebrachte Regenbogenfahne wieder einzupacken – angeblich, weil Fans des Heimteams ein Problem damit hätten.

Ein Symbol wird zum Streitpunkt

Der betroffene Fan, der seit Jahren die Regenbogenfahne zu Spielen mitbringt und von seinem Trainer Mario Marinic als "zwölfter Mann" der Mannschaft bezeichnet wird, zeigte sich schockiert: "So etwas habe ich noch nie erlebt." Besonders bitter: Eine 22-jährige Zeugin äußerte Unverständnis darüber, dass ausgerechnet Türkspor die Fahne nicht dulden wolle, da doch gerade türkischstämmige Menschen in Deutschland selbst Diskriminierungen ausgesetzt seien.

Die Reaktion der Vereinsführung macht die Situation nicht besser. Türkspor-Vorstandsmitglied Cumali Ardin erklärte, er habe von dem Vorfall nichts mitbekommen und spielte ihn herunter. Man solle daraus keinen Elefanten machen, forderte er. Seine widersprüchliche Haltung – erst erklärt er "politische Sachen" hätten beim Fußball keinen Platz, dann betont er, die Regenbogenfahne sei für ihn kein politisches Symbol – zeigt die Verwirrung und fehlende Sensibilität im Umgang mit dem Thema.

Die deutsche Realität: Zwischen Fortschritt und Rückschritt

Dass Migranten, Frauen oder Homosexuelle heute vielerorts nicht mehr mit offenen, kollektiven Anfeindungen zu rechnen haben, ist nicht zuletzt auf die BemĂĽhungen der aktiven Fans zurĂĽckzufĂĽhren. Doch der Vorfall in Neckarsulm zeigt, dass diese Fortschritte fragil sind. In der Bundesliga ist Diskriminierung der LGBTQI*-Community kaum Thema. In den letzten Jahren hat sich zwar viel getan, betroffene Gruppen sehen aber noch Nachholbedarf.

Die Queer Football Fanclubs (QFF), eine Vereinigung europäischer schwul-lesbischer Fußball-Fanorganisationen, arbeiten seit ihrer Gründung zur WM 2006 daran, den Fußball inklusiver zu gestalten. Die QFF wurde von den schwul-lesbischen Fanclubs aus Berlin, Stuttgart und Dortmund gegründet und arbeitet unter anderem mit dem Bündnis aktiver Fußballfans, der FARE und dem Deutschen Fußball-Bund zusammen.

Türkischstämmige Vereine zwischen allen Stühlen

Der Fall wirft auch ein Licht auf die komplexe Situation türkischstämmiger Vereine in Deutschland. Türkspor Neckarsulm, 1969 von türkischen Gastarbeitern gegründet, betont auf seiner Website, man sei "ein türkisch stämmiger Fußballverein bei dem jeder willkommen ist der sich für Offenheit und Kulturenverbinder versteht."

Diese Diskrepanz zwischen Selbstdarstellung und Realität ist kein Einzelfall. Der Berliner Verein Türkiyemspor arbeitet seit etwa fünf Jahren mit dem LSVD zusammen und wirkt sowohl aufklärend zum Thema Homophobie in der türkischen Community als auch anti-rassistisch. Dies zeigt, dass progressive Ansätze möglich sind – aber eben nicht überall umgesetzt werden.

Studien zeigen, dass negative Haltungen gegenüber LGBTQ+-Personen unter Befragten mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund stärker ausgeprägt sind, wobei das Merkmal Migrationshintergrund eine sehr heterogen zusammengesetzte Bevölkerungsgruppe umfasst. Eine Erklärung dafür könnte in der gesellschaftlichen Stellung junger türkischstämmiger Menschen in Deutschland liegen, die sich aufgrund von Diskriminierung und Rassismus ausgegrenzt fühlen und in dieser Selbstisolierung nach neuen Identitäten suchen.

Die Symbolpolitik der Regenbogenfahne

Die Regenbogenfahne ist längst mehr als nur ein buntes Stück Stoff. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Dresden steht sie "nach derzeitigem gesellschaftlichem Verständnis" für die "Toleranz und Akzeptanz, der Vielfalt von Lebensformen". Diese Werte werden auch durch die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Deutschlandflagge verkörpert.

Während der EM 2021 wurde die Fahne zum politischen Statement: Als Zeichen gegen Homophobie wehte die Regenbogen-Fahne vor vielen deutschen Rathäusern, nachdem die UEFA verboten hatte, das Münchener Stadion in Regenbogen-Farben zu beleuchten. Auch große Vereine wie der FC Bayern München positionieren sich klar: "Der FC Bayern steht als weltoffener Verein für Toleranz und Vielfalt. In dieser Welt dürfen Homophobie, Hass und Ausgrenzung egal welcher Art keine Rolle spielen."

Ein systemisches Problem

Der Vorfall in Neckarsulm ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es in Fußball-Amateurligen der Männer zu queerfeindlichen Zwischenfällen. Letztes Jahr musste etwa der niedersächsische Fußballverein Atlas Delmenhorst eine Strafe in Höhe von 3.000 Euro zahlen, nachdem Fans ein Transparent mit einer homosexuellenfeindlichen Aufschrift gezeigt hatten.

Homosexualität im Fußball stellt nach wie vor ein Tabu dar – diese Einschätzung vertraten Experten bei einer Anhörung im Sportausschuss des Bundestages. Zwar sei ein Wertewandel in der Gesellschaft in Richtung einer Kultur der Akzeptanz zu konstatieren, auf der anderen Seite sei aber festzustellen, dass es weiterhin im sozialen Miteinander Diskriminierungen gebe – teilweise sei gar ein Anstieg an Vorurteilen festzustellen.

Der Weg nach vorne

Was können wir aus dem Vorfall in Neckarsulm lernen? Zunächst einmal zeigt er, dass die Arbeit für Toleranz und Akzeptanz im Fußball noch lange nicht abgeschlossen ist. Die zentrale Frage bleibt: Welche Rahmenbedingungen begünstigen Homophobie im Fußball? Welche Maßnahmen sind nötig, um die Regenbogenkompetenz im Fußball zu erhöhen?

Der betroffene Fan will den Vorfall dem Fußballverband melden – ein wichtiger Schritt. Denn nur wenn solche Vorfälle dokumentiert und sanktioniert werden, kann sich etwas ändern. DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg sagte, der Fußball sei "nicht der geborene Partner beim Kampf gegen Homophobie, aber ein naheliegender". Der Fußball stelle sich der Verantwortung, weil er sehr viele Menschen erreiche.

Die Regenbogenfahne bleibt ein wichtiges Symbol für Vielfalt und Akzeptanz im Fußball. Dass ein Fan aufgefordert wird, sie einzupacken, zeigt, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Der Trainer der TSG Backnang, Mario Marinic, brachte es auf den Punkt: Der Vorfall sei "in der heutigen Zeit ärgerlich, bitter". Es ist an der Zeit, dass alle Vereine – unabhängig von ihrer Geschichte oder Herkunft – klar Position beziehen: Für Vielfalt, gegen Diskriminierung. Denn am Ende geht es beim Fußball um mehr als nur 22 Menschen, die einem Ball hinterherlaufen. Es geht um die Werte, die wir als Gesellschaft leben wollen.


Unerwartete Allianz: Warum die NRA plötzlich die Rechte von trans Menschen verteidigt

Eine überraschende Wendung in der amerikanischen Waffenrechtsdebatte sorgt derzeit für Schlagzeilen: Die National Rifle Association (NRA), Amerikas mächtigste Waffenlobby, hat sich gegen Pläne der Trump-Administration ausgesprochen, trans Menschen den Besitz von Schusswaffen zu verbieten. Diese unerwartete Allianz wirft ein Schlaglicht auf die komplexen Überschneidungen zwischen Bürgerrechten, Sicherheit und politischen Ideologien – und zeigt Parallelen zu aktuellen Debatten in Deutschland auf. Der Originalartikel erschien bei PinkNews.

Die Kontroverse: Ein Waffenverbot als Reaktion auf Gewalt

Die Diskussionen im US-Justizministerium begannen nach einem tragischen Vorfall: Ende August erschoss die 23-jährige Robin Westman, eine trans Frau, zwei Menschen an einer katholischen Schule in Minneapolis und verletzte 18 weitere. Senior-Beamte des Justizministeriums erwägen nun, ihre Regelungsbefugnis zu nutzen, um trans Menschen als psychisch krank zu deklarieren und ihnen damit ihre Rechte nach dem zweiten Verfassungszusatz zu entziehen.

Diese Überlegungen stehen jedoch im krassen Widerspruch zu den Fakten: Es gibt keine Beweise dafür, dass trans Menschen häufiger Massenschießereien verüben. Daten zeigen vielmehr, dass trans Menschen weitaus häufiger Opfer von Gewaltverbrechen werden. In den USA wurden lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) neunmal häufiger Opfer gewaltsamer Hassverbrechen als Nicht-LGBTI+.

Die NRA bezieht Position: Verfassungsrechte sind nicht verhandelbar

Die NRA erklärte unmissverständlich: "Der zweite Verfassungszusatz steht nicht zur Debatte. Die NRA unterstützt die Rechte aller gesetzestreuen Amerikaner, Schusswaffen zu erwerben, zu besitzen und zu nutzen. Die NRA wird keine politischen Vorschläge unterstützen, die pauschale Waffenverbote implementieren und gesetzestreuen Bürgern willkürlich ihre Rechte nach dem zweiten Verfassungszusatz ohne ordnungsgemäßes Verfahren entziehen".

Stephen Gutowski, ein unabhängiger Journalist für Waffenrechte, berichtete, dass jede große Waffenrechtsorganisation sich gegen die Idee ausgesprochen hat, trans Menschen pauschal ihre Waffenrechte zu entziehen. Der Präsident der National Association for Gun Rights warnte: "Wie die Geschichte beweist, werden alle neuen Regeln, die die Regierung heute erfindet, morgen gegen unbeliebte Gemeinschaften missbraucht werden, einschließlich Konservativen und gesetzestreuen Waffenbesitzern".

Deutschland: Ein anderer Ansatz zum Selbstschutz

Während in den USA über Waffenrechte für trans Menschen debattiert wird, zeigt Deutschland einen völlig anderen Umgang mit LGBTQ+-Sicherheit. Das Bundesinnenministerium veröffentlichte kürzlich einen umfassenden Lagebericht zur Sicherheit von LSBTIQ* Menschen, der einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten dokumentiert. 2023 wurden 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen registriert. Die häufigsten Delikte waren Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Bei den Gewalttaten wurden 212 Opfer festgestellt. Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.

Im Gegensatz zum liberalen amerikanischen Waffenrecht ist der Zugang zu Schusswaffen in Deutschland streng reguliert. Als legale Selbstverteidigungswaffen gelten hierzulande unter anderem der Kubotan (Druckpunktverstärker), Sicherheitsregenschirme oder Pfeffersprays zur Tierabwehr. Diese Unterschiede spiegeln fundamentale kulturelle Differenzen im Umgang mit persönlicher Sicherheit wider.

Die deutsche Bundesregierung setzt auf strukturelle Maßnahmen: Das von Experten erarbeitete Konzept sieht konkreten Handlungsbedarf bei der Aus- und Fortbildung der Polizei, bei der Schaffung von Ansprechpersonen bei den Polizeien in allen Bundesländern und beim Ausbau spezialisierter Präventionsmaßnahmen.

Ein globales Problem: Gewalt gegen trans Menschen

Die Debatte in den USA findet vor dem Hintergrund alarmierender weltweiter Entwicklungen statt. Das Trans Murder Monitoring zählte 2024 weltweit 350 Morde an trans, nicht-binären und gender-nonkonformen Menschen – eines der drei tödlichsten Jahre seit Beginn der Erfassung 2008. Besonders in den USA ist ein Anstieg sichtbar: von 31 Morden 2023 auf 41 im Jahr 2024.

Die Zahl der US-Bundesstaaten, die gegen LGBTI+ gerichtete Gesetze verabschiedeten, nahm dramatisch zu: 2023 traten 84 entsprechende Gesetze in Kraft, viermal mehr als 2022. Immer mehr Gesetze, die die Rechte von LGBTI+ einschränkten oder faktisch ganz abschafften, wurden unter dem Vorwand der Religionsfreiheit erlassen.

In Deutschland zeigt sich ein ähnlich beunruhigendes Bild: Pride-Veranstaltungen werden immer wieder Ziel von gewalttätigen Übergriffen – wie beim CSD in Bautzen 2024 durch rechtsextreme Gruppen. Im Rahmen des CSD in Münster 2022 wurde ein trans Mann sogar tödlich verletzt.

Die rechtliche Dimension: Ein Präzedenzfall mit Folgen

Rechtsexperten bezeichnen die Idee als "rechtlich absurd". Es gibt keine gesetzliche Grundlage für ein solches kategorisches Dekret. Selbst wenn der Kongress ein solches Gesetz verabschieden würde, wäre es basierend auf aktueller Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und vorherrschenden Gerichtsurteilen verfassungswidrig.

Nach Bundesrecht muss ein Richter eine Person als mental "defekt" oder "in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen" bestimmen, bevor ihr das Recht auf Waffenbesitz entzogen werden kann. Die Second Amendment Foundation warnte: "Die Entwaffnung von trans Individuen basierend rein auf ihrer Selbstidentifikation widerspricht der Verfassung und der angeblichen Unterstützung der aktuellen Administration für den zweiten Verfassungszusatz. Das Justizministerium hat keine Befugnis, einseitig Gruppen von Menschen zu identifizieren, denen es ihre verfassungsmäßigen Rechte entziehen möchte".

Parallelen zu Deutschland: Selbstbestimmung unter Vorbehalt

Interessanterweise zeigt auch das deutsche Selbstbestimmungsgesetz, das im November 2024 in Kraft trat, gewisse Einschränkungen in Krisensituationen. Die rechtliche Zuordnung einer Person zum männlichen Geschlecht bleibt für den Dienst mit der Waffe im Spannungs- oder Verteidigungsfall bestehen, wenn in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang die Änderung des Geschlechtseintrags von "männlich" zu "weiblich" oder "divers" erklärt wird. Diese Regelung zeigt, dass auch in Deutschland Sicherheitsbedenken gegen Selbstbestimmungsrechte abgewogen werden – wenn auch in einem völlig anderen Kontext.

Ein unerwartetes BĂĽndnis mit Signalwirkung

Die Position der NRA zugunsten der Rechte von trans Menschen mag überraschen, folgt aber einer klaren Logik: Kategorische Verbote – besonders wenn sie per Dekret erlassen werden – sind seit Jahrzehnten eine rote Linie für Pro-Waffenrechts-Gruppen und Gesetzgeber. Waffenrechtsgruppen erinnern oft daran, dass historisch gesehen die Dinge für Minderheitengruppen nicht gut ausgehen, nachdem sie von der Regierung entwaffnet wurden.

Kostas Moros, Direktor fĂĽr Rechtsforschung bei der Second Amendment Foundation, kommentierte: "Ich denke, jede groĂźe Waffenrechtsorganisation hat sich jetzt gegen diese trans-Waffenverbotsidee ausgesprochen. Soweit es ein Testballon war, haben wir ihn alle wie eine Tontaube getroffen".

Diese ungewöhnliche Allianz zwischen der konservativen Waffenlobby und der LGBTQ+-Community zeigt, dass Bürgerrechte über ideologische Grenzen hinweg verteidigt werden können – und müssen. Während Deutschland und die USA sehr unterschiedliche Ansätze zum Thema Waffenbesitz und Selbstverteidigung verfolgen, steht in beiden Ländern die gleiche Grundfrage im Raum: Wie können wir marginalisierte Gruppen vor Gewalt schützen, ohne ihre Grundrechte zu beschneiden?

Die Antwort der NRA ist eindeutig: Nicht durch Diskriminierung, sondern durch die konsequente Anwendung bestehender Gesetze für alle Bürger gleichermaßen. In Deutschland hingegen setzt man auf strukturelle Reformen und bessere Unterstützung für Betroffene. Beide Ansätze zeigen: Der Schutz von LGBTQ+-Menschen erfordert mehr als symbolische Gesten – er braucht konkrete, durchdachte Maßnahmen, die Sicherheit und Freiheit gleichermaßen gewährleisten.


Trans-Flaggen-Schöpferin flieht aus den USA – Ein Signal für Deutschland?

Monica Helms, die 74-jährige Schöpferin der weltberühmten Trans-Pride-Flagge, plant ihre Flucht aus den USA nach Costa Rica. Die US-Navy-Veteranin und ihr Ehefrau wollen ihre Heimat in Marietta, Georgia, aufgrund der wachsenden anti-LGBTQ+-Rhetorik unter Präsident Donald Trump verlassen, wie The Pink News berichtet. Diese erschütternde Nachricht zeigt nicht nur die dramatische Verschlechterung der Lage für trans Menschen in den USA, sondern sollte auch für Deutschland als Warnsignal dienen.

Eine Ikone der Trans-Bewegung

Monica Helms schuf die Transgender-Pride-Flagge 1999, die erstmals im Jahr 2000 bei einer Pride-Parade in Phoenix, Arizona, gehisst wurde. Die von ihr entworfene Flagge besteht aus fünf gleichbreiten horizontalen Streifen – hellblau steht für Männlichkeit, hellrosa für Weiblichkeit, und der weiße Streifen in der Mitte symbolisiert Menschen, die nicht-binär oder intergeschlechtlich sind oder sich in der Transition befinden. Helms' Design wurde zu einem weltweiten Symbol der Trans-Community.

Die Veteranin diente zwischen 1970 und 1978 in der US-Navy und war auf zwei U-Booten stationiert. 2003 grĂĽndete sie die Transgender American Veterans Association (TAVA) zur UnterstĂĽtzung und Interessenvertretung fĂĽr transgender Veteranen. 2014 spendete sie die Original-Flagge an das Smithsonian National Museum of American History und zementierte damit deren Platz in der US-amerikanischen Geschichte.

Erschreckende Zahlen aus den USA

Die Situation für trans Menschen in den USA hat sich dramatisch verschlechtert. Mehr als 100.000 transgender Jugendliche leben in US-Bundesstaaten, in denen die geschlechtsangleichende Versorgung von Jugendlichen gesetzlich verboten ist, wobei in sechs Bundesstaaten die Bereitstellung dieser Versorgung als Straftat eingestuft wird. 598 Gesetzentwürfe zur Einschränkung der Rechte queerer Menschen wurden allein in diesem Jahr in staatlichen Gesetzgebungen in den USA vorgeschlagen, wovon 67 Gesetz wurden.

Ein Bericht von Human Rights Watch dokumentiert die verheerenden Folgen dieser Verbote für transgender Jugendliche, darunter zunehmende Angstzustände, Depressionen und in sieben gemeldeten Fällen sogar Suizidversuche. Diese Gesetze tragen zu einem zunehmend aggressiven, transfeindlichen Klima bei. "Wir sind besorgt, dass es möglich ist, dass wir verhaftet werden könnten, nur weil wir sind, wer wir sind", sagte Helms in einem Interview.

Costa Rica als Zufluchtsort

Die Wahl Costa Ricas als neues Zuhause ist kein Zufall. Das Land hat seit den 1970er Jahren bedeutende Fortschritte bei LGBTQ+-Rechten gemacht, gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen sind seit 1971 legal, und die gleichgeschlechtliche Ehe wurde am 26. Mai 2020 legalisiert. Seit Juni 2018 können transgender Personen durch ein Präsidialdekret ihre Namen und Geschlechtsangaben auf offiziellen Dokumenten wie Pässen und Führerscheinen ändern lassen.

Seit 2018 können transgender Personen in Costa Rica ihr rechtliches Geschlecht auf offiziellen Dokumenten ohne chirurgische oder gerichtliche Eingriffe ändern, und das staatliche Gesundheitssystem finanziert geschlechtsangleichende Behandlungen und Eingriffe. Diese fortschrittliche Politik steht in krassem Gegensatz zur aktuellen Situation in den USA.

Deutschland als Vorbild – und Warnung

Während die USA einen besorgniserregenden Rückschritt erleben, hat Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Der deutsche Bundestag verabschiedete am 12. April 2024 ein wegweisendes Gesetz, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Das Gesetz trat am 1. November 2024 in Kraft.

Das Selbstbestimmungsgesetz vereinfacht es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt. Eine gerichtliche Entscheidung ist nicht mehr erforderlich, auch die Notwendigkeit zur Einholung zweier Sachverständigengutachten entfällt.

Doch auch in Deutschland gibt es beunruhigende Entwicklungen. LGBT-Aktivist*innen warnen vor einem Anstieg der Anti-LGBT-Gewalt in Deutschland. Der Bundesinnenminister teilte im Juni 2023 mit, dass die Polizei im vergangenen Jahr ĂĽber 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen registriert hatte. In den letzten Jahren gab es mehrere Angriffe auf Pride-Veranstaltungen, von denen einer im Jahr 2022 zum gewaltsamen Tod eines Trans-Mannes fĂĽhrte.

Ein Weckruf fĂĽr Europa

Monica Helms' Entscheidung, die USA zu verlassen, ist mehr als eine persönliche Tragödie – sie ist ein Symbol für das Versagen eines Landes, seine vulnerabelsten Bürger*innen zu schützen. "Wir werden unseren Aktivismus nicht aufgeben", schrieb sie in ihrem GoFundMe. Diese Worte sollten uns alle inspirieren, weiter für Gleichberechtigung und Würde zu kämpfen.

Die Entwicklungen in den USA zeigen, wie schnell erkämpfte Rechte wieder verloren gehen können. Trumps "Zwei-Geschlechter-Dekret" ist ein tiefer Eingriff in das Leben und die Selbstbestimmung von trans Menschen. Künftig gilt nur noch das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht – auch für Menschen, die nach geschlechtsangleichenden Operationen die körperlichen Merkmale an ihre Geschlechtsidentität haben angleichen lassen.

Für Deutschland und Europa bedeutet dies: Die Errungenschaften wie das Selbstbestimmungsgesetz müssen verteidigt und weiter ausgebaut werden. Die Geschichte von Monica Helms – einer Veteranin, die ihr Land gedient hat und nun aus Angst vor Verfolgung fliehen muss – sollte uns daran erinnern, dass der Kampf für Menschenrechte niemals endet.

Die Trans-Pride-Flagge, die Helms schuf, wird weiterhin auf der ganzen Welt wehen als Symbol der Hoffnung und des Widerstands. "Egal wie man sie hisst, sie ist immer richtig, was bedeutet, Richtigkeit in unserem eigenen Leben zu finden", sagte Helms einmal. Diese Botschaft der Selbstbestimmung und Würde ist heute wichtiger denn je – nicht nur in den USA, sondern überall auf der Welt.


Wenn Worte zu Barrieren werden: "Antidiskriminierungsbeauftragte" als WortgetĂĽm des Jahres

Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten haben entschieden: "Antidiskriminierungsbeauftragte" ist das "Wortgetüm des Jahres 2025". Diese Auszeichnung, die zum Weltalphabetisierungstag am 8. September erstmals vergeben wurde, wirft ein Schlaglicht auf eine bittere Ironie: Ausgerechnet jene Institution, die Menschen vor Diskriminierung schützen soll, wird durch ihre komplizierte Bezeichnung selbst zur Barriere – auch und gerade für queere Menschen, die mehrfach von Ausgrenzung betroffen sind.

Die Macht der Sprache als HĂĽrde

6,2 Millionen Menschen in Deutschland können nur unzureichend lesen und schreiben. Das entspricht etwa 12 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren. Für diese Menschen sind komplexe Wörter wie "Antidiskriminierungsbeauftragte" mit seinen 31 Buchstaben und elf Silben nicht nur schwer zu lesen – sie versperren buchstäblich den Zugang zu wichtigen Unterstützungsangeboten.

Die achtköpfige Jury, bestehend aus Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten aus verschiedenen Berliner Lernangeboten, hat das Wort aus gutem Grund gewählt. Sie empfinden solche Begriffe als sprachliche "Türsteher", die ihnen Zugänge verwehren, die anderen offenstehen. Die unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman selbst stellte fest, dass die Plattform X seit der Übernahme durch Elon Musk einen Anstieg an Rassismus, Antisemitismus, Queer- und Transfeindlichkeit erlebe.

Queere Menschen besonders betroffen

Für die LGBTQ+-Community ist diese sprachliche Barriere besonders problematisch. Lesben, Schwule und bisexuelle Personen werden weiterhin häufig Opfer von Diskriminierung oder Gewalt. Eine EU-Umfrage aus dem Jahr 2019 unter 140.000 LGBTQ+-Personen ergab, dass von den 16.000 deutschen Teilnehmenden 13 Prozent in den letzten fünf Jahren körperliche oder sexuelle Übergriffe aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität erlebt hatten.

Gerade queere Menschen mit Migrationshintergrund oder aus bildungsfernen Schichten stehen vor einer doppelten HĂĽrde: Sie mĂĽssen nicht nur gesellschaftliche Diskriminierung ĂĽberwinden, sondern auch sprachliche Barrieren, um ĂĽberhaupt an Hilfe zu gelangen. Seit Mai 2025 ist Sophie Koch die neue Beauftragte der Bundesregierung fĂĽr die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Das Amt wurde am 5. Januar 2022 durch Beschluss der Bundesregierung geschaffen und soll insbesondere die Queer-Politik koordinieren.

Deutschlands Alphabetisierungskrise und die AlphaDekade

Im Rahmen der "Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung" (AlphaDekade 2016-2026) engagieren sich Bund, Länder und Partner wie der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. (BVAG), der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV), die Bundesagentur für Arbeit, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) und die Stiftung Lesen dafür, das Grundbildungsniveau in Deutschland zu erhöhen. Trotz dieser Bemühungen zeigen die Zahlen, dass noch viel zu tun bleibt.

Die Verteilung nach Geschlechtern zeigt: Männer stellen mit 58,4 Prozent die Mehrheit der gering literalisierten Erwachsenen. Dies ist besonders relevant für die schwule Community, wo traditionelle Männlichkeitsbilder oft verhindern, dass Betroffene sich ihre Schwierigkeiten eingestehen und Hilfe suchen. Mehr als die Hälfte der funktionalen Analphabeten hat einen Job. Berufe, in denen der Anteil funktionaler Analphabeten überdurchschnittlich hoch ist, sind Hilfsarbeiter auf dem Bau (jeder Zweite) sowie Köche, Maler und Lkw-Fahrer.

Leichte Sprache als Lösung

Die Lösung liegt auf der Hand: Die Leichte Sprache ist eine möglichst barrierefreie Variante der deutschen Schriftsprache. Laut der Dolmetscherin und Übersetzerin für Leichte Sprache Anne Leichtfuß sind deutschlandweit 14 Millionen Menschen auf Leichte und Einfache Sprache angewiesen. Dazu zählen Menschen mit geistiger Behinderung, Lernschwierigkeiten oder einer weitgehenden Lese- und Schreibschwäche.

Leichte Sprache dient der Barrierefreiheit und Teilhabe. In Artikel 3 des Grundgesetzes heiĂźt es: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, sie weist die Teilhabe von Menschen mit Behinderung als Menschenrecht aus. Eine Reihe von Gesetzen wie das Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesteilhabegesetz setzen dies um.

Statt "Antidiskriminierungsbeauftragte" könnte man beispielsweise von einer "Stelle gegen Benachteiligung" oder einem "Büro für faire Behandlung" sprechen. Das "Netzwerk Deutsche Sprache" empfiehlt etwa statt der Wendung "Öffentlicher Nahverkehr", einfacher "Bus und Bahn" zu schreiben. Das Verb "genehmigen" solle man durch "erlauben" ersetzen.

Die Verantwortung der Institutionen

"Antidiskriminierungspolitik ist kein Minderheitenthema", sondern "ein Freiheitsthema" und betreffe alle, unterstrich Ferda Ataman. Sie sehe sich als Beauftragte aller Menschen in Deutschland. Viele erlebten Einschränkungen, jeder könne in eine solche Situation geraten. 63.000 Anfragen seien seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) 2006 an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und das im vergangenen Jahr neu geschaffene Amt der Unabhängigen Beauftragten gerichtet worden.

Die Initiative zur Wahl des "Wortgetüms" ist ein wichtiger Schritt zur Bewusstseinsbildung. Sie wurde gemeinsam von den Berliner Alpha-Bündnissen, der Stiftung Grundbildung Berlin und dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) ins Leben gerufen. Die Aktion soll künftig jährlich stattfinden.

Ein Aufruf zum Umdenken

Die Auszeichnung "Wortgetüm des Jahres" ist mehr als nur symbolisch. Sie ist ein dringender Appell an alle Institutionen – besonders jene, die sich dem Schutz marginalisierter Gruppen verschrieben haben – ihre Sprache zu überdenken. Wenn ausgerechnet die Antidiskriminierungsstelle durch ihre Bezeichnung Menschen ausschließt, die sie schützen soll, offenbart das ein fundamentales Problem unserer Institutionen.

Für die queere Community bedeutet dies: Der Kampf für Gleichberechtigung muss auch ein Kampf für verständliche Sprache sein. Nur wenn alle Menschen – unabhängig von ihrer Bildung oder ihren Lese- und Schreibfähigkeiten – Zugang zu Unterstützung und Information haben, kann echte Inklusion gelingen. Das ermöglicht eine selbstbestimmte Teilhabe in allen Lebensbereichen. Leichte Sprache und Inklusion sind also untrennbar miteinander verknüpft.

Die Wahl von "Antidiskriminierungsbeauftragte" zum WortgetĂĽm des Jahres sollte uns alle wachrĂĽtteln. Es ist Zeit, dass wir Sprache nicht als Werkzeug der Ausgrenzung, sondern als BrĂĽcke zur Teilhabe verstehen. Denn wahre Antidiskriminierungsarbeit beginnt damit, dass jeder Mensch verstehen kann, wo er Hilfe findet.


Mit seiner Petition kämpft Nour gegen das Schweigen: „Wir müssen alle lauter werden"

Nach einem brutalen queerfeindlichen Überfall am Halleschen Tor in Berlin-Kreuzberg, bei dem Nour und sein Freund von einer Gruppe Männer angegriffen wurden, bricht das Opfer nun sein Schweigen. In einem bewegenden Interview mit queer.de erzählt der junge Mann nicht nur von den dramatischen Folgen der Attacke, sondern auch von seinem Kampf für mehr Sichtbarkeit und gegen queerfeindliche Gewalt in Deutschland.

Ein erschreckender Anstieg der Gewalt

Die Zahl queerfeindlicher Straftaten in Berlin erreichte mit 588 Vorfällen im Jahr 2023 einen neuen Höchststand. Auch die Zahl der Gewaltdelikte ist zuletzt angestiegen und lag 2022 mit 148 Gewalttaten höher als je zuvor, 2023 mit 127 Fällen weiterhin auf einem deutlich erhöhten Niveau. Diese alarmierenden Zahlen aus dem aktuellen Berliner Monitoring-Bericht zeigen, dass Nours Schicksal kein Einzelfall ist.

738 explizit queerfeindliche Vorfälle hat die Opferberatungsstelle Maneo im vergangenen Jahr in Berlin gezählt. Das ist ein Anstieg um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2023: 685), „Damit wurde erneut ein Höchststand an dokumentierten Fällen erreicht." Besonders besorgniserregend: Maneo schätzt, dass 80 bis 90 Prozent der Vorfälle weder einer Beratungsstelle gemeldet noch auch bei der Polizei angezeigt werden.

Der brutale Ăśberfall und seine Folgen

Der Angriff auf Nour und seinen Freund begann mit queerfeindlichen Beleidigungen wie „Scheiß-LGBTQ, ihr Ficker, Hurensöhne, Schwuchteln", nachdem sie ein Drogenangebot abgelehnt hatten. Die Situation eskalierte, als die Angreifer sie mit einem Moped verfolgten und schließlich zu neunt oder zehnt brutal auf sie einschlugen. Erst der Schrei einer Frau brachte die Täter zur Flucht.

Die körperlichen Folgen waren schwerwiegend: Bei Nour wurde eine gebrochene Stirnhöhle diagnostiziert, die operiert werden musste. Sein Freund erlitt eine ausgekugelte Schulter. Doch die psychischen Narben wiegen schwerer. Als Geflüchteter aus Syrien, der bereits in seiner Heimat Traumatisierendes erlebt hatte, wurde Nour nun auch in Berlin, wo er Sicherheit suchte, Opfer von Gewalt.

„Ich fühle mich nicht mehr sicher, besonders wenn ich abends allein unterwegs bin", erzählt Nour. „Ich muss mich ständig umdrehen, um sicherzugehen, dass mir niemand folgt. Schon eine unerwartete Berührung von hinten lässt mich panisch zusammenzucken."

Eine Petition als Zeichen gegen Hass

Statt sich zurückzuziehen, startete Nour eine Petition gegen queerfeindliche Gewalt in Berlin. Seine Forderungen sind konkret: lückenlose Aufklärung seines Falls, verbesserte Sicherheit im öffentlichen Raum und ein klares politisches Signal gegen Queerfeindlichkeit.

„Mir ist es wichtig, nun über diesen Angriff zu sprechen, obwohl es emotional sehr belastend ist, weil so viele Menschen von ähnlichen Taten betroffen sind, sich aber nicht trauen, darüber zu reden", erklärt Nour seine Motivation. „Ich möchte meine Stimme erheben, weil ich glaube, dass wir alle lauter werden müssen, um wirklich etwas zu verändern."

Die Sicherheitslage in Berlin

Die Hälfte der erfassten queerfeindlichen Straftaten spielten sich 2023 im öffentlichen Raum (44,6 %) und ÖPNV (11,2 %) ab. Allerdings fungieren auch stärker geschlossene Örtlichkeiten wie Wohngebäude (20,7 %), Freizeiteinrichtungen/Geschäfte/Gastronomie (9,9 %) oder Bildungseinrichtungen (3,9 %) oftmals als Tatorte.

Als Reaktion auf die steigenden Zahlen entwickelt Berlin derzeit eine Landesstrategie für queere Sicherheit und gegen Queerfeindlichkeit. Alfonso Pantisano, Ansprechperson Queeres Berlin, betont: „Die Berliner Polizei und der Staatsanwaltschaft empfiehlt, jeden einzelnen dieser queerfeindlichen Angriffe zur Anzeige zu bringen. Ich erwarte, dass diese Anzeigen dann auch ernstgenommen werden und entsprechende Schutzmaßnahmen von den zuständigen Sicherheitsbehörden eingeleitet werden."

UnterstĂĽtzung fĂĽr Betroffene

Die überwältigende Solidarität aus der Community gibt Nour Kraft. Er erhielt Besuche im Krankenhaus, zahlreiche Nachrichten und rechtliche Unterstützung von verschiedenen Organisationen. Für andere Betroffene stehen in Berlin mehrere Anlaufstellen zur Verfügung:

  • Maneo - das schwule Anti-Gewalt-Projekt mit einem Ăśberfalltelefon (030-216 33 36, täglich 17-19 Uhr)
  • ReachOut - Beratungsstelle fĂĽr Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
  • Die Lesbenberatung Berlin fĂĽr lesbische und queere Frauen

Maneo ist eine Fachstelle, die sich seit 35 Jahren mit queerfeindlicher Gewalt beschäftigt und Betroffene von Diskriminierung und Übergriffen berät. Für das vergangene Jahr verzeichnet Maneo 1963 Beratungsgespräche – ein neuer Höchststand.

Eine Botschaft der Hoffnung

Trotz allem blickt Nour hoffnungsvoll in die Zukunft. Seine Botschaft an andere Betroffene ist eindringlich: „Bitte, schweigt nicht. Erhebt eure Stimmen, denn Schweigen ändert nichts. Wenn wir uns verstecken, dann gewinnen diejenigen, die Hass verbreiten. Aber wenn wir uns zeigen und unsere Geschichten erzählen, dann sind wir nicht mehr allein."

Für die Community wünscht er sich „eine bunte, freie Welt, in der jeder seinen Frieden findet und das Wort ‚Hass' für immer aus den Herzen aller Menschen verschwindet." Und ganz persönlich hofft er, dass das Wort „Trauma" eines Tages seine negative Bedeutung verliert und er es positiv besetzen kann.

Nours Geschichte zeigt: Der Kampf gegen Queerfeindlichkeit braucht Mut – den Mut, sichtbar zu sein, zu sprechen und zusammenzustehen. Nur gemeinsam können wir eine Gesellschaft schaffen, in der niemand mehr Angst haben muss, zu lieben, wen er liebt.


Ungarn verbietet erneut Pride-Parade: Widerstand wächst - Ein beunruhigendes Signal für LGBTQ+-Rechte in Europa

Die ungarische Polizei hat eine für den 4. Oktober geplante Pride-Demonstration in Pécs verboten und beruft sich dabei auf eine umstrittene Verfassungsänderung der Orbán-Regierung. Trotz des Verbots kündigten die Organisator*innen an, die Demonstration dennoch durchzuführen - ein mutiger Akt des Widerstands gegen die zunehmende Unterdrückung queerer Menschen in Ungarn. Die aktuelle Entwicklung wirft ein beunruhigendes Licht auf die Situation der LGBTQ+-Community in dem EU-Mitgliedsstaat. (Quelle: queer.de)

Ein Verbot mit weitreichenden Folgen

Das Verbot der Pride-Parade in Pécs, der fünftgrößten Stadt Ungarns mit rund 138.000 Einwohner*innen, stützt sich auf eine Verfassungsänderung, die den Schutz der "seelischen und moralischen Entwicklung" von Kindern als Grundrecht etabliert, das Vorrang vor anderen Grundrechten wie der Versammlungsfreiheit hat. Die Regierung von Viktor Orbán hatte kürzlich Kundgebungen verboten, die "Abweichungen von der Identität des Geburtsgeschlechts, Geschlechtsumwandlung oder Homosexualität fördern oder zur Schau stellen".

Die Organisator*innen des Diverse Youth Network bezeichneten das Verbot als "schweren Schlag" für queere Menschen in Ungarn. Dennoch zeigen sie sich entschlossen: "Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen", erklärten sie und kündigten an, die Demonstration trotz des Verbots abzuhalten. Der diesjährige Pécs Pride, der bereits zum vierten Mal stattfinden sollte, trägt das Motto "Legyetek bátrak!" (Seid mutig!).

Budapest Pride trotz Verbot: Ein Zeichen des Widerstands

Die Entwicklung in Pécs folgt auf die beeindruckende Demonstration von Widerstand beim Budapest Pride im Juni 2024. Die Veranstalter sprachen von 200.000 Teilnehmern der 30. Budapester Pride-Parade. Medien nannten eine Zahl von mindestens 100.000. Es war die größte Pride in 30 Jahren und eine der machtvollsten Kundgebungen in der modernen Geschichte Ungarns.

Der liberale Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony hatte einen cleveren Schachzug angewandt: Er erklärte die Pride zu einer offiziellen Feier der Hauptstadt Budapest, bei der das Versammlungsrecht nicht gelte. Deswegen benötige die Pride auch keine Genehmigung der Polizei. Dieser Trick ermöglichte es Hunderttausenden, für ihre Rechte zu demonstrieren, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Die rund 200.000 Teilnehmer hatten auch die vorgesehenen Strafen von umgerechnet bis zu 470 Franken nicht zu fürchten. Die Polizei teilte mit, keine Ermittlungen einzuleiten. Dies war ein bedeutender Sieg für die LGBTQ+-Community und zeigte die Grenzen von Orbáns repressiver Politik auf.

Die rechtliche Grundlage: Systematische Diskriminierung

Im Juni 2021 wurde ein neues Anti-LGBT-Gesetz erlassen. Es sieht vor, dass Homosexualität nicht mehr "propagiert" wird. Das heißt, dass im Zweifel jede Art von Information über Homosexualität nur unter Volljährigen verbreitet werden darf. Betroffen ist Aufklärungsunterricht an Schulen, aber auch Filme und Bücher mit schwulen Charakteren und Werbung, wenn diese sich an Minderjährige richtet.

Die ungarische Regierung orientiert sich dabei am russischen Modell. Das "Kinderschutzgesetz" aus dem Jahr 2021 orientiert sich direkt an der berüchtigten russischen Anti-Homosexuellen-Propaganda und verbietet Minderjährigen im Rahmen der Sexualerziehung und der allgemeinen Darstellung in Bildung, Medien und Werbung der sogenannten LGBT+-Propaganda ausgesetzt zu werden.

Die Sicherheitskräfte dürfen KI-gestützte Gesichtserkennung einsetzen, um Teilnehmende der Pride-Paraden zu identifizieren. Diese könnten eine Geldstrafe von bis zu 500€ auferlegt bekommen – eine erhebliche Summe in einem Land mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von etwa 1.600€.

Parallelen zu Deutschland: Warum uns das alle angeht

Während in Ungarn Pride-Paraden verboten werden, zeigt sich auch in Deutschland eine beunruhigende Entwicklung. Zwischen Juni und September 2024 verzeichnete CeMAS deutschlandweit in 27 Städten rechtsextreme Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen. Dabei kam es zu Einschüchterungen, Schikanen und Gewalt.

Für CeMAS ist die neue Welle von Anti-CSD-Demonstrationen in Deutschland Ausdruck eines Wandels in der deutschen Neonazi-Szene. Zunehmend gewinne eine neue Generation an Neonazis an Bedeutung, die jung, online und rhetorisch stärker auf Gewalt aus ist. Diese organisiert sich in neuen Gruppen, die erst durch die Teilnahme an Anti-CSD-Protesten an Relevanz gewonnen haben.

Besonders erschreckend: Einen besorgniserregenden Höhepunkt stellte der 10. August in Bautzen dar. Dort standen etwa 700 Demonstrierende den rund 1000 CSD-Teilnehmenden gegenüber. Diese Entwicklungen zeigen, dass der Kampf für LGBTQ+-Rechte auch in Deutschland weiterhin notwendig ist.

Die EU reagiert - aber reicht das?

Die Europäische Kommission verklagte Budapest im Jahr 2022 sogar wegen eines Anti-LGBTQ+-Gesetzes, das als "Kinderschutzgesetz" bekannt ist. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vor dem Budapest Pride 2024 die ungarischen Behörden aufgefordert, das Verbot aufzuheben und betonte, dass Gleichheit und Nichtdiskriminierung zu den Grundwerten der EU gehören.

Trotz dieser internationalen Kritik zeigt sich die ungarische Regierung unbeeindruckt. Über 1,6 Millionen Menschen gaben in einer koordinierten Aktion bewusst ungültige Stimmen ab, um die Initiative der Regierung abzulehnen. Dass es für ungültig erklärt wurde, zeigt, dass ein großer Teil der ungarischen Bevölkerung die diskriminierende Politik der Regierung ablehnt.

Ein Hoffnungsschimmer: Der Widerstand wächst

Trotz der repressiven Maßnahmen zeigt sich die ungarische LGBTQ+-Community kämpferisch. Trotz der Anti-LGBTQ+-Rhetorik der Regierung hat die Akzeptanz von LGBTQ+-Menschen in Ungarn in den letzten Jahren nicht abgenommen. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse einer internationalen Umfrage von IPSOS 2023 das genaue Gegenteil: Die Unterstützung für die gleichgeschlechtliche Ehe in Ungarn ist in den letzten 10 Jahren von 30 auf 47 Prozent gestiegen.

Die angekündigte Durchführung der Pécs Pride trotz Verbot am 4. Oktober 2024 ist ein weiteres Zeichen dieses wachsenden Widerstands. Als Magyarország egyetlen vidéki LMBTQ-felvonulása (Ungarns einzige Pride-Parade außerhalb der Hauptstadt) hat die Pécs Pride eine besondere symbolische Bedeutung. Bei der letzten Ausgabe nahmen etwa 1000 Menschen teil.

Was bedeutet das fĂĽr uns?

Die Entwicklungen in Ungarn sind ein Weckruf für ganz Europa. Sie zeigen, wie schnell erkämpfte Rechte wieder eingeschränkt werden können, wenn autoritäre Kräfte an die Macht kommen. Die Solidarität mit der ungarischen LGBTQ+-Community ist deshalb nicht nur eine Frage der internationalen Solidarität, sondern auch des Schutzes unserer eigenen Demokratie und Freiheitsrechte.

In Deutschland genießen wir nach wie vor das Recht, unsere Pride-Paraden und CSDs frei zu feiern - auch wenn rechtsextreme Gegenmobilisierungen zunehmen. Doch die Entwicklung in Ungarn mahnt uns: Diese Freiheiten sind nicht selbstverständlich. Sie müssen verteidigt werden - jeden Tag aufs Neue.

Die mutigen Menschen in Pécs, die trotz Verbot auf die Straße gehen wollen, verdienen unsere volle Unterstützung. Ihr Kampf ist auch unser Kampf - für eine offene, vielfältige und freie Gesellschaft in ganz Europa.


Selbstbestimmung in Bewegung: Hunderte nutzen neues Gesetz in Schleswig-Holstein

Seit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes am 1. November 2024 haben allein in den größeren Städten Schleswig-Holsteins hunderte Menschen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern lassen. Das ergab eine aktuelle dpa-Umfrage, die einen ersten Einblick in die Auswirkungen des neuen Gesetzes gibt, das die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen durch eine einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt ermöglicht.

Eine überfällige Reform wird Realität

Das Selbstbestimmungsgesetz löste das stark kritisierte Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 ab, das trans Menschen jahrzehntelang hohe Hürden auferlegte. Das Bundesverfassungsgericht hatte wiederholt deutlich gemacht, dass die im TSG gestellten Bedingungen gegen Grundrechte verstoßen. Dennoch mussten trans Menschen bisher ein demütigendes und langwieriges gerichtliches Verfahren mit zwei Begutachtungen überstehen, die sie auch noch selbst bezahlen mussten.

Die Reform war längst überfällig: Deutschland spielt als Mitglied der Equal Rights Coalition, des Global Equality Fund und der LGBTI Core Group der Vereinten Nationen eine Schlüsselrolle bei der Verteidigung von LGBT und intersexuellen Rechten. Im März 2021 verpflichtete sich die Bundesregierung mit der LGBTI-Inklusionsstrategie, ihre Rolle bei der Förderung der Rechte von LGBTI-Menschen in internationalen und regionalen Menschenrechtsinstitutionen zu stärken.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache

In Lübeck haben bereits 163 Menschen ihre personenstandsrechtlichen Daten geändert, wobei 78 Personen von weiblich auf männlich und 44 von männlich auf weiblich wechselten. 22 ließen den Geschlechtseintrag streichen, 19 wählten "divers". Ähnliche Zahlen zeigen sich in anderen Städten: Flensburg verzeichnete 100 Änderungen, Neumünster 45 und Norderstedt 35. In Kiel lagen bis Ende Dezember 234 Anmeldungen vor.

Diese Entwicklung fügt sich in einen bundesweiten Trend ein. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup ermittelte einen Anteil für transgender Personen in den USA von 1,3 % im Jahr 2024, und die Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit (dgti) geht von einem ähnlichen Bevölkerungsanteil in Deutschland aus. Das würde bedeuten, dass etwa eine Million Menschen in Deutschland trans sind – eine Zahl, die die gesellschaftliche Relevanz des Themas unterstreicht.

Mehr als nur Verwaltungsakt: Die menschliche Dimension

Hinter jeder Statistik stehen individuelle Geschichten von Menschen, die oft jahrelang auf diese Möglichkeit gewartet haben. Studien zeigen, dass 56% der trans Menschen eine Langzeiterkrankung oder gesundheitliche Probleme haben, die länger als sechs Monate andauern. 27% der trans Befragten fühlten sich in den letzten 14 Tagen meistens oder immer depressiv oder niedergeschlagen. Die Möglichkeit zur selbstbestimmten Änderung des Geschlechtseintrags kann einen wichtigen Beitrag zur psychischen Gesundheit leisten.

Die Diskriminierungserfahrungen sind erheblich: In Deutschland berichteten 65% der trans Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten, und nur 19% aller trans Personen glaubt, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ-Personen wirksam bekämpft.

Praktische Umsetzung zeigt erste Erfolge

Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen muss drei Monate vor der Erklärung gegenüber dem Standesamt angemeldet werden. Dies war bereits ab dem 01.08.2024 möglich, sodass die ersten Änderungen pünktlich zum 1. November wirksam werden konnten. Für eine erneute Änderung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr nach der vorherigen Änderungserklärung.

Für Minderjährige gelten besondere Regelungen: Für Minderjährige bis 14 Jahren können die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung abgeben. Die Erklärung bedarf des Einverständnisses des Kindes, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat.

UnterstĂĽtzung und Beratung in Deutschland

Für trans, inter und nicht-binäre Menschen sowie deren Angehörige gibt es in Deutschland ein wachsendes Netzwerk an Beratungsstellen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet eine kostenlose juristische Erstberatung an. Die Berater*innen informieren über mögliche rechtliche Schritte bei Diskriminierung. Darüber hinaus existieren spezialisierte Beratungsstellen wie die Inter*Trans*Beratung Queer Leben in Berlin oder regionale Anlaufstellen des Trans-Ident e.V.

Diese Beratungsstellen bieten nicht nur rechtliche Unterstützung, sondern auch psychosoziale Begleitung bei Coming-out-Prozessen, familiären Herausforderungen und Diskriminierungserfahrungen. Sie verstehen sich als sichere Räume, in denen trans Menschen und ihre Angehörigen Unterstützung ohne Pathologisierung erfahren.

Aktuelle Debatten und gesellschaftlicher Widerstand

Trotz der positiven Entwicklungen bleibt das Thema gesellschaftlich umstritten. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist vereinbart, die neuen Regelungen bis Juli 2026 zu überprüfen. Die aktuelle Debatte um die verurteilte rechtsextreme Person Marla-Svenja Liebich zeigt, wie schnell Einzelfälle instrumentalisiert werden, um gegen das gesamte Gesetz Stimmung zu machen.

Als Reaktion auf die zunehmende Transphobie ist fĂĽr den kommenden Donnerstag ein bundesweiter queerfeministischer Protesttag geplant. Der Protesttag am 11. September richtet sich gegen die immer mehr aufkommende Transfeindlichkeit, mit dem Zentrum des Protests in Berlin. Die queere Community und ihre UnterstĂĽtzer*innen setzen damit ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und fĂĽr Selbstbestimmung.

Ein Blick in die Zukunft

Die hohen Antragszahlen in Schleswig-Holstein zeigen: Der Bedarf war da, und das neue Gesetz wird angenommen. Im Vergleich zu den Zeiten des TSG, als die Hürden für viele unüberwindbar waren, ermöglicht das Selbstbestimmungsgesetz nun einen würdevollen und selbstbestimmten Weg.

Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz hat Deutschland einen Schandfleck in seiner Menschenrechtsbilanz beseitigt und sein Engagement für LGBT-Rechte im In- und Ausland gestärkt. Doch der Weg zu vollständiger Gleichstellung und gesellschaftlicher Akzeptanz ist noch weit. Die Zahlen aus Schleswig-Holstein sind ein ermutigendes Zeichen, aber sie erinnern uns auch daran, wie viele Menschen jahrzehntelang auf diese grundlegende Anerkennung ihrer Identität warten mussten.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist mehr als eine Verwaltungsreform – es ist ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Menschenwürde und des Rechts auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Die Entwicklungen in Schleswig-Holstein zeigen, dass dieser Schritt längst überfällig war und von der trans Community dankbar angenommen wird.


Britisches „Sex-Täuschungsgesetz": Trans Menschen im Dating-Dilemma – Parallelen und Unterschiede zu Deutschland

Ein aktueller Fall aus Großbritannien wirft beunruhigende Fragen über die rechtliche Behandlung von trans Menschen beim Dating auf. Die Verurteilung von Ciara Watkin wegen sexueller Nötigung, nachdem sie ihre Trans-Identität nicht offengelegt hatte, zeigt die komplexe rechtliche Grauzone, in der sich trans Menschen bewegen müssen – eine Situation, die auch in Deutschland zunehmend relevant wird.

Der Fall Ciara Watkin: Ein Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen

Im August wurde die 21-jährige Ciara Watkin, die seit ihrem 13. Lebensjahr als Frau lebt, wegen zweifacher sexueller Nötigung und einem Fall von Körperverletzung durch Penetration verurteilt. Das Gericht argumentierte, dass ihr Partner keine „informierte Zustimmung" geben konnte, da sie ihm ihre Trans-Identität verschwiegen hatte. Die Jury brauchte nach nur zweitägiger Verhandlung lediglich eine Stunde für ihr Urteil.

Die britische Staatsanwaltschaft (CPS) hat ihre Richtlinien zur „Täuschung über das Geschlecht" Ende letzten Jahres aktualisiert. Laut den neuen Vorgaben gibt es keinen Unterschied zwischen einer absichtlichen Täuschung über das Geburtsgeschlecht und dem Verschweigen des Geburtsgeschlechts. Diese Änderung hat in der trans Community große Besorgnis ausgelöst.

„Ein unmögliches Dilemma": Die Stimmen betroffener Journalistinnen

Die trans Journalistinnen India Willoughby und jane fae kritisieren die aktuelle Rechtslage scharf. Willoughby bezeichnet die Verurteilung als „barbarisch und unmenschlich" und fragt: „Was für eine dystopische Welt ist das, in der das normal ist?" Sie sieht darin eine systematische Diskriminierung: „Wir haben keine Situation, in der Bisexuelle, cis Menschen, Konservative oder evangelikale Christen erklären müssen, wer sie sind, bevor sie Sex haben. Warum gilt das nur für trans Menschen?"

jane fae, Direktorin von TransActual, beschreibt das Dilemma prägnant: „Entweder offenbart man sich früh und riskiert Gewalt und Ablehnung, oder man schweigt bis zur Intimität und hofft, dass es in Ordnung ist. Keine der beiden Positionen ist ideal. Es bringt trans Frauen in eine unmögliche Situation."

Die Situation in Deutschland: Fortschrittliche Gesetze, aber anhaltende Herausforderungen

Im Vergleich zu Großbritannien zeigt sich Deutschland in der Gesetzgebung fortschrittlicher. Das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), das am 1. November 2024 in Kraft trat, erleichtert es trans, inter und nicht-binären Personen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen beim Standesamt ohne bürokratische Hürden zu ändern. Besonders bedeutsam ist dabei der Offenbarungsschutz: Nach § 13 des SBGG dürfen der frühere Geschlechtseintrag und Name nicht offengelegt oder erforscht werden.

Diese rechtliche Anerkennung steht im starken Kontrast zum britischen Ansatz. Während in Großbritannien trans Menschen unter Druck gesetzt werden, sich zu outen – mit der Gefahr strafrechtlicher Konsequenzen –, schützt das deutsche Recht aktiv die Privatsphäre von trans Personen.

Dating-Realitäten: Zwischen Akzeptanz und Gefahr

Studien zeigen, dass trans Menschen in Deutschland, Portugal und Großbritannien einem höheren Risiko ausgesetzt sind, Diskriminierung, Belästigung und Gewalt zu erfahren als cisgender schwule, lesbische und bisexuelle Personen. Diese Effekte sind besonders in Deutschland und Großbritannien ausgeprägt. In Berlin stiegen die von der Polizei erfassten anti-LGBTIQ*-Straftaten von 377 im Jahr 2020 auf 456 im Jahr 2021, wobei Beleidigungen die häufigste gemeldete Straftat darstellen.

India Willoughby beschreibt die Offenlegungspflicht als „extrem demütigend und stigmatisierend" und argumentiert, dass Großbritannien „das transphobste Land in Europa" geworden sei. Diese Einschätzung spiegelt sich in der steigenden Zahl von Hassverbrechen wider und unterstreicht die Dringlichkeit rechtlichen Schutzes.

Aktuelle Kontroversen: Der Fall Liebich und die Debatte um Missbrauch

Ein aktueller Fall in Deutschland zeigt, wie verletzlich die Rechte von trans Menschen bleiben. Ende 2024 nutzte der verurteilte Neonazi Sven Liebich das neue Selbstbestimmungsgesetz, um sich als Frau registrieren zu lassen und sollte seine Strafe in einem Frauengefängnis verbüßen – ein Schritt, der weithin als Versuch gesehen wurde, das deutsche Selbstbestimmungsgesetz zu verspotten.

LGBTQ-Aktivist*innen argumentieren, dass eine Aufhebung des Gesetzes zu mehr Diskriminierung führen würde. Die Kampagnengruppe Queer Nations warnte: „Für trans Menschen besteht das Risiko, dass einiges von dem, was der Trans-Aktivismus in den letzten 15 Jahren erreicht hat, rückgängig gemacht wird." Der Fall verdeutlicht die Spannung zwischen dem Schutz von trans Rechten und der Verhinderung von Missbrauch.

Ein europäischer Vergleich: Deutschland als Vorreiter?

Laut einer Umfrage von 2021 identifizieren sich etwa drei Prozent aller Einwohner*innen Deutschlands als transgender, genderfluid oder nicht-binär – einer der höchsten Werte weltweit. Die Zahl der Geschlechtseintragsänderungen ist seit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes deutlich gestiegen: Allein im November und Dezember 2024 wurden fast 10.000 Änderungen registriert.

Diese Zahlen zeigen, dass Deutschland trotz aktueller Kontroversen einen progressiveren Weg eingeschlagen hat als Großbritannien. Länder wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay bieten ebenfalls einfache administrative Verfahren zur rechtlichen Geschlechtsanerkennung auf Basis der Selbsterklärung.

Der Weg nach vorn: Zwischen Schutz und Selbstbestimmung

Der Fall Ciara Watkin und die britischen „Sex-Täuschungsgesetze" werfen fundamentale Fragen über Autonomie, Privatsphäre und Sicherheit auf. jane fae bringt es auf den Punkt: „Das ist die Zwickmühle, in die ein patriarchalisches System Frauen immer bringt. Die Tatsache, dass es trans Frauen auf diese spezielle Weise betrifft, ändert nichts an der Realität, dass Dating als Institution wie immer darauf ausgelegt ist, den heterosexuellen Mann zu schützen."

Deutschland zeigt mit seinem Selbstbestimmungsgesetz, dass ein anderer Weg möglich ist – einer, der die Würde und Privatsphäre von trans Menschen respektiert. Während die britische Gesetzgebung trans Menschen kriminalisiert, die ihre Identität nicht offenlegen, schützt das deutsche Recht aktiv ihre Privatsphäre.

Die Debatte um trans Rechte beim Dating ist letztendlich eine Debatte über Menschenwürde und Gleichberechtigung. In einer Zeit, in der Hassverbrechen gegen LGBTQI+ Personen zunehmen – mit einem Anstieg von 16% in Deutschland im Jahr 2022 –, ist es umso wichtiger, dass Gesetze trans Menschen schützen statt sie zu kriminalisieren.

Die Worte von India Willoughby hallen nach: Was für eine Gesellschaft wollen wir sein – eine, die Minderheiten zwingt, sich ständig zu outen und damit Gewalt zu riskieren, oder eine, die allen Menschen ermöglicht, in Würde und Sicherheit zu leben und zu lieben?


US-Gericht stoppt Trumps Angriff auf LGBTQ+-Gesundheitsinformationen – Warnsignal auch für Deutschland

Ein US-Bezirksgericht hat die Trump-Administration am 2. September zur Wiederherstellung hunderter gelöschter Webseiten mit wichtigen LGBTQ+-Gesundheitsinformationen verpflichtet. Die Trump-Administration wurde angeordnet, Hunderte von Webseiten zu Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion sowie Geschlechtsidentität im Rahmen einer gerichtlichen Einigung wiederherzustellen. Dieser Erfolg für die queere Community sendet ein wichtiges Signal – auch an Deutschland, wo ähnliche Informationsangebote zunehmend unter Druck geraten könnten.

Medizinische Organisationen erkämpfen Sieg vor Gericht

Betroffene Webseiten umfassten das HIV-Risikoreduktions-Tool des National Institute of Health, eine FAQ-Seite zur Mpox-Behandlung und Hunderte von Seiten zu Gesundheitsthemen, die die LGBTQ+-Community betreffen. Die Washington State Medical Association (WSMA) führte zusammen mit acht weiteren medizinischen Organisationen die Klage gegen die US-Regierung an, nachdem Trump im Januar ein Dekret zur Löschung dieser lebenswichtigen Ressourcen erlassen hatte.

Dr. John Bramhall, Präsident der WSMA, betonte die Tragweite des Eingriffs: "Vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen verschwanden im Handumdrehen." Die Organisation, die mehr als 13.000 Ärzte vertritt, sah die Versorgung ihrer Patienten gefährdet und das Vertrauen in bundesstaatliche Gesundheitseinrichtungen erschüttert.

Trumps systematischer Angriff auf LGBTQ+-Rechte

Trump hat am Montag kurz nach seiner Amtsübernahme ernst gemacht und zahlreiche Bürgerrechtsprogramme beendet, die auch queere Menschen schützen sollten. Vor seinen versammelten Unterstützer*innen in der Washingtoner Capital One Arena hob der Republikaner 78 von seinem Vorgänger Joe Biden erlassene Dekrete, Verfügungen und Anordnungen auf, von denen mehrere darauf abzielten, Minderheiten die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz oder im Gesundheitswesen zu garantieren. Trump beendete so konkret Durchführungsverordnungen aus der Ära Biden, die "Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Ausrichtung" verhindern sollten.

Die Organisation GLAAD berichtete, dass fast alle Inhalte rund um LGBTIQ* und HIV auf der Webseite des Weißen Hauses entfernt wurden. An seinem ersten Tag zurück im Amt unterzeichnete er ein Dekret, das von der Annahme ausgeht, dass es nur das weibliche und männliche Geschlecht gebe. Entsprechend würden Identitäten fortan nur noch als weiblich oder männlich anerkannt, je nachdem, welche Geschlechtszellen der Körper produziert.

Parallelen zu Deutschland: Warnung vor rechten Strömungen

Die Entwicklungen in den USA sind auch für Deutschland alarmierend. Auch in Deutschland und Europa sind ähnliche autoritäre und wissenschaftsfeindliche politische Strömungen erkennbar. Deutsche Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) und die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) zeigen sich besorgt über die globalen Auswirkungen.

Prof. Dr. Christoph Spinner vom Klinikum der Technischen Universität München warnt eindringlich: "Überall dort, wo man den Bereich der Evidenz verlässt und sich auf Ideologien und Populismus stützt, ist es sehr wahrscheinlich, dass für Patientinnen und Patienten Rückschritte, wenn nicht gar lebensbedrohliche Komplikationen, eintreten können."

Deutschlands Gesundheitssystem: Vorbild und Verantwortung

Im Gegensatz zu den USA bietet Deutschland derzeit noch umfassende Informations- und Unterstützungsangebote für LGBTQ+-Personen. Plattformen wie Queermed Deutschland vermitteln sensibilisierte Ärzt*innen und Therapeut*innen. Queermed Deutschland soll auffangen, was aktuell durch das deutsche Gesundheitssystem nicht möglich ist: Eine respektvolle, sensibilisierte Gesundheitsversorgung für alle in Deutschland lebenden Menschen.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung informiert über sexuelle Gesundheit und Vielfalt, während mit dem Aktionsplan "Queer leben" die Bundesregierung die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt stärken und Queerfeindlichkeit entgegenwirken will. Diese Angebote sind keine Selbstverständlichkeit, wie die US-Entwicklungen zeigen.

Gesundheitliche Ungleichheit macht Informationen unverzichtbar

Die Bedeutung zugänglicher Gesundheitsinformationen wird durch aktuelle Studien unterstrichen. 2,5 Mal so häufig Depressionen (über 26% der LGBTIQ-Befragten mit depressiver Erkrankung im Laufe des Lebens im Gegensatz zu 10% der cisheterosexuellen Befragten) zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Diskriminierung und Minderheitenstress machen krank: Studien zeigen negative Folgen auf die Gesundheit von LSBTIQ*

Diese Zahlen verdeutlichen, warum der Zugang zu spezialisierten Gesundheitsinformationen buchstäblich lebensrettend sein kann. Die Trump-Administration ignorierte diese Realität bewusst und setzte ideologische Ziele über die Gesundheit von Millionen Menschen.

Widerstand formiert sich global

Simon Blake Obe, CEO der Organisation Stonewall, bezeichnet Trumps erste Amtshandlungen als "katastrophal" für die Rechte von LGBTIQ* Personen. Die Behauptung, dass trans Personen oder andere marginalisierte Gruppen kein Recht auf Existenz hätten, "weist alarmierende historische Parallelen zu einigen der schlimmsten Momente der Menschheit auf", so Obe.

Der erfolgreiche Widerstand der medizinischen Organisationen in den USA zeigt jedoch, dass der Kampf für LGBTQ+-Rechte nicht aussichtslos ist. Kevin Jennings, der Chef der queeren Bürgerrechtsorganisation Lambda Legal, kündigte bereits rechtliche Schritte an. "Unsere Community wird sich nicht auslöschen lassen. Lambda Legal wird nie damit aufhören, für Gerechtigkeit zu kämpfen", so Jennings.

Lehren fĂĽr Deutschland: Wachsamkeit ist geboten

Die Ereignisse in den USA sollten Deutschland als Warnung dienen. Infektionskrankheiten sind eine globale Angelegenheit – wenn in den USA Gelder gestrichen und Forschung sowie Aufklärung behindert werden, wird das auch Folgen für Deutschland und Europa haben. Deutschland muss weiter in die globale Forschung investieren und im Kampf gegen HIV aktiv bleiben.

Die deutsche LGBTQ+-Community und ihre Verbündeten müssen wachsam bleiben. Die hart erkämpften Fortschritte in der Gesundheitsversorgung und Aufklärung sind keine Selbstverständlichkeit. Sie müssen aktiv verteidigt und ausgebaut werden – gegen populistische Strömungen, die auch hierzulande an Einfluss gewinnen.

Der Gerichtserfolg in den USA zeigt: Widerstand lohnt sich. Doch er mahnt auch, dass Errungenschaften fragil sind und jederzeit verteidigt werden müssen. Deutschland sollte aus den amerikanischen Erfahrungen lernen und seine inklusiven Gesundheitssysteme stärken, bevor es zu spät ist.


Selbstbestimmung in Bewegung: Hunderte nutzen neues Gesetz in Schleswig-Holstein

Seit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes am 1. November 2024 haben allein in den größeren Städten Schleswig-Holsteins hunderte Menschen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern lassen. Das ergab eine aktuelle dpa-Umfrage, die einen ersten Einblick in die Auswirkungen des neuen Gesetzes gibt, das die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen durch eine einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt ermöglicht.

Eine überfällige Reform wird Realität

Das Selbstbestimmungsgesetz löste das stark kritisierte Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 ab, das trans Menschen jahrzehntelang hohe Hürden auferlegte. Das Bundesverfassungsgericht hatte wiederholt deutlich gemacht, dass die im TSG gestellten Bedingungen gegen Grundrechte verstoßen. Dennoch mussten trans Menschen bisher ein demütigendes und langwieriges gerichtliches Verfahren mit zwei Begutachtungen überstehen, die sie auch noch selbst bezahlen mussten.

Die Reform war längst überfällig: Deutschland spielt als Mitglied der Equal Rights Coalition, des Global Equality Fund und der LGBTI Core Group der Vereinten Nationen eine Schlüsselrolle bei der Verteidigung von LGBT und intersexuellen Rechten. Im März 2021 verpflichtete sich die Bundesregierung mit der LGBTI-Inklusionsstrategie, ihre Rolle bei der Förderung der Rechte von LGBTI-Menschen in internationalen und regionalen Menschenrechtsinstitutionen zu stärken.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache

In Lübeck haben bereits 163 Menschen ihre personenstandsrechtlichen Daten geändert, wobei 78 Personen von weiblich auf männlich und 44 von männlich auf weiblich wechselten. 22 ließen den Geschlechtseintrag streichen, 19 wählten "divers". Ähnliche Zahlen zeigen sich in anderen Städten: Flensburg verzeichnete 100 Änderungen, Neumünster 45 und Norderstedt 35. In Kiel lagen bis Ende Dezember 234 Anmeldungen vor.

Diese Entwicklung fügt sich in einen bundesweiten Trend ein. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup ermittelte einen Anteil für transgender Personen in den USA von 1,3 % im Jahr 2024, und die Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit (dgti) geht von einem ähnlichen Bevölkerungsanteil in Deutschland aus. Das würde bedeuten, dass etwa eine Million Menschen in Deutschland trans sind – eine Zahl, die die gesellschaftliche Relevanz des Themas unterstreicht.

Mehr als nur Verwaltungsakt: Die menschliche Dimension

Hinter jeder Statistik stehen individuelle Geschichten von Menschen, die oft jahrelang auf diese Möglichkeit gewartet haben. Studien zeigen, dass 56% der trans Menschen eine Langzeiterkrankung oder gesundheitliche Probleme haben, die länger als sechs Monate andauern. 27% der trans Befragten fühlten sich in den letzten 14 Tagen meistens oder immer depressiv oder niedergeschlagen. Die Möglichkeit zur selbstbestimmten Änderung des Geschlechtseintrags kann einen wichtigen Beitrag zur psychischen Gesundheit leisten.

Die Diskriminierungserfahrungen sind erheblich: In Deutschland berichteten 65% der trans Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten, und nur 19% aller trans Personen glaubt, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ-Personen wirksam bekämpft.

Praktische Umsetzung zeigt erste Erfolge

Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen muss drei Monate vor der Erklärung gegenüber dem Standesamt angemeldet werden. Dies war bereits ab dem 01.08.2024 möglich, sodass die ersten Änderungen pünktlich zum 1. November wirksam werden konnten. Für eine erneute Änderung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr nach der vorherigen Änderungserklärung.

Für Minderjährige gelten besondere Regelungen: Für Minderjährige bis 14 Jahren können die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung abgeben. Die Erklärung bedarf des Einverständnisses des Kindes, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat.

UnterstĂĽtzung und Beratung in Deutschland

Für trans, inter und nicht-binäre Menschen sowie deren Angehörige gibt es in Deutschland ein wachsendes Netzwerk an Beratungsstellen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet eine kostenlose juristische Erstberatung an. Die Berater*innen informieren über mögliche rechtliche Schritte bei Diskriminierung. Darüber hinaus existieren spezialisierte Beratungsstellen wie die Inter*Trans*Beratung Queer Leben in Berlin oder regionale Anlaufstellen des Trans-Ident e.V.

Diese Beratungsstellen bieten nicht nur rechtliche Unterstützung, sondern auch psychosoziale Begleitung bei Coming-out-Prozessen, familiären Herausforderungen und Diskriminierungserfahrungen. Sie verstehen sich als sichere Räume, in denen trans Menschen und ihre Angehörigen Unterstützung ohne Pathologisierung erfahren.

Aktuelle Debatten und gesellschaftlicher Widerstand

Trotz der positiven Entwicklungen bleibt das Thema gesellschaftlich umstritten. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist vereinbart, die neuen Regelungen bis Juli 2026 zu überprüfen. Die aktuelle Debatte um die verurteilte rechtsextreme Person Marla-Svenja Liebich zeigt, wie schnell Einzelfälle instrumentalisiert werden, um gegen das gesamte Gesetz Stimmung zu machen.

Als Reaktion auf die zunehmende Transphobie ist fĂĽr den kommenden Donnerstag ein bundesweiter queerfeministischer Protesttag geplant. Der Protesttag am 11. September richtet sich gegen die immer mehr aufkommende Transfeindlichkeit, mit dem Zentrum des Protests in Berlin. Die queere Community und ihre UnterstĂĽtzer*innen setzen damit ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und fĂĽr Selbstbestimmung.

Ein Blick in die Zukunft

Die hohen Antragszahlen in Schleswig-Holstein zeigen: Der Bedarf war da, und das neue Gesetz wird angenommen. Im Vergleich zu den Zeiten des TSG, als die Hürden für viele unüberwindbar waren, ermöglicht das Selbstbestimmungsgesetz nun einen würdevollen und selbstbestimmten Weg.

Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz hat Deutschland einen Schandfleck in seiner Menschenrechtsbilanz beseitigt und sein Engagement für LGBT-Rechte im In- und Ausland gestärkt. Doch der Weg zu vollständiger Gleichstellung und gesellschaftlicher Akzeptanz ist noch weit. Die Zahlen aus Schleswig-Holstein sind ein ermutigendes Zeichen, aber sie erinnern uns auch daran, wie viele Menschen jahrzehntelang auf diese grundlegende Anerkennung ihrer Identität warten mussten.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist mehr als eine Verwaltungsreform – es ist ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Menschenwürde und des Rechts auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Die Entwicklungen in Schleswig-Holstein zeigen, dass dieser Schritt längst überfällig war und von der trans Community dankbar angenommen wird.


Ein Meilenstein für trans Rechte: EU-Generalanwalt fordert Anerkennung der Geschlechtsidentität

Ein wegweisendes Gutachten des EU-Generalanwalts Richard de la Tour könnte die Rechte von trans Menschen in der gesamten Europäischen Union grundlegend stärken. Wie queer.de berichtet, hat der Generalanwalt am Donnerstag in Luxemburg erklärt, dass EU-Mitgliedsstaaten trans Menschen Ausweisdokumente ausstellen müssen, die mit ihrer gelebten Geschlechtsidentität übereinstimmen. Diese Entscheidung könnte besonders für trans Menschen in Ländern wie Bulgarien, Polen und Ungarn eine Wende bedeuten.

Der Fall aus Bulgarien: Wenn Dokumente zur täglichen Hürde werden

Im Zentrum des Falls steht eine trans Frau aus Bulgarien, die bereits eine Hormontherapie absolviert hat und ihr Leben als Frau lebt. Trotzdem verweigern ihr die bulgarischen Behörden die Änderung ihres Geschlechtseintrags. Der Grund: Das bulgarische Verfassungsgericht hatte 2021 entschieden, dass eine rechtliche Änderung des Geschlechts im Zivilstandsregister nicht zulässig sei, weil die bulgarische Verfassung nur ein binäres, biologisch festgelegtes Geschlecht kenne.

Die Konsequenzen dieser Verweigerung sind gravierend. „Die Diskrepanz, dass die Klägerin der einen Seite in ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrem Verhalten als weibliche Person auftritt, auf der anderen Seite aber in offiziellen Ausweisdokumenten, inklusive ihres Personalausweises, als männliche Person ausgegeben wird, führt jeden Tag zu Problemen, insbesondere wenn es um die Suche nach einem Arbeitsplatz geht", heißt es im EU-Gutachten.

Deutschland als Vorreiter – aber mit Gegenwind

Während in Bulgarien noch um grundlegende Rechte gekämpft wird, hat Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen historischen Schritt gemacht. Das Gesetz, das am 1. November 2024 in Kraft getreten ist, erleichtert es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen kann durch eine persönliche "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt erfolgen, wobei die Änderung drei Monate vorher angemeldet werden muss.

Diese Reform kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. LGBT Aktivist*innen warnen vor einem Anstieg der Anti-LGBT-Gewalt in Deutschland, wobei der Bundesinnenminister im Juni 2023 mitteilte, dass die Polizei im vergangenen Jahr über 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen registriert hatte. Gleichzeitig gibt es politischen Gegenwind: Die AfD plant, im Bundestag über die Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes zu diskutieren, und auch aus der Union kommen Forderungen, die Rechte von trans Menschen einzuschränken.

Die Realität am Arbeitsmarkt: Diskriminierung als Alltag

Die Bedeutung von Dokumenten, die der gelebten Geschlechtsidentität entsprechen, zeigt sich besonders deutlich im Arbeitsleben. Laut einer Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind Trans*Personen in hohem Maße individuell und strukturell benachteiligt, wobei die Arbeitslosenraten und der Anteil der Erwerbsunfähigkeit unter Trans*Personen überdurchschnittlich hoch sind.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 30 bis 40 Prozent der transgeschlechtlichen Menschen werden bei Bewerbungen wegen ihres Trans*-Seins nicht berücksichtigt, 15 bis 30 Prozent verlieren wegen ihres Trans*-Seins ihre Arbeit. Von den befragten transgeschlechtlichen Menschen würden 47 Prozent am Arbeitsplatz niemals offen mit ihrer Transidentität umgehen, und nur 21 Prozent der Befragten leben ihre Transidentität am Arbeitsplatz offen aus.

Eine aktuelle Studie des DIW Berlin und der Universität Bielefeld bestätigt diese prekäre Situation: 30 Prozent der LGBTQI*-Menschen sind mit Diskriminierung im Arbeitsleben konfrontiert, bei den Trans*-Menschen sind es sogar mehr als 40 Prozent.

Europa bewegt sich – langsam, aber stetig

Der EuGH hat bereits mehrfach die Rechte von trans Menschen gestärkt. Eine in einem EU-Staat amtlich festgestellte Geschlechtsidentität muss in allen 27 EU-Staaten anerkannt werden, urteilte der Europäische Gerichtshof, da eine Verweigerung der Anerkennung gegen die Rechte von EU-Bürger*innen verstoße. Im März 2024 entschied das Gericht zudem, dass für einen neuen Geschlechtsantrag kein Nachweis einer operativen Geschlechtsanpassung nötig sei.

Der Generalanwalt argumentierte, dass es die EU-Grundrechte verletzt, wenn trans Menschen keine Papiere im Einklang mit ihrer Geschlechtsidentität erhalten, da dies ihr Recht behindere, sich innerhalb der Union frei zu bewegen und aufzuhalten. Besonders wichtig: Die Ausstellung von Ausweispapieren dürfe nicht von einer durchgeführten operativen Geschlechtsanpassung abhängig gemacht werden, da dies das Recht auf Privatleben verletzen würde, das die EU-Grundrechtecharta garantiert.

Was bedeutet das fĂĽr Deutschland?

Während Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz bereits einen wichtigen Schritt gemacht hat, zeigt das EU-Gutachten, dass der Schutz von trans Rechten eine gesamteuropäische Aufgabe ist. Immer mehr Länder haben die belastenden Anforderungen für eine rechtliche Geschlechtsanerkennung abgeschafft, darunter Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay, die einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts auf Grundlage der Selbstbestimmung eingeführt haben.

Die Herausforderung für Deutschland liegt nun darin, das erreichte Niveau zu verteidigen und weiter auszubauen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes betont, dass es wichtig sei, dass sich Unternehmen in Bezug auf die Gleichstellung von LGBTQI*-Menschen klar positionieren, um zu signalisieren, dass man auch dann auf Verständnis trifft, wenn Diskriminierungserfahrungen gemacht werden.

Das Gutachten ist noch kein Urteil, aber die Richter*innen des EuGH orientieren sich bei ihrer Entscheidung in den meisten Fällen daran. Sollte der EuGH dem Gutachten folgen, wäre dies ein historischer Moment für die Rechte von trans Menschen in Europa – und eine klare Botschaft: Die Würde und Selbstbestimmung von trans Menschen ist kein Luxus, sondern ein fundamentales Menschenrecht, das in der gesamten EU geschützt werden muss.


Wenn der Hass auf die Fahne pinkelt: Angriff in BĂĽttelborn zeigt Deutschlands Problem mit queerfeindlicher Gewalt

Es war ein besonders widerlicher Akt der Verachtung, der sich am letzten Augustwochenende vor dem Rathaus in Büttelborn abspielte. Unbekannte rissen die zum CSD Groß-Gerau gehissten Regenbogenfahnen herunter, urinierten darauf und drückten eine Zigarette aus. Wie queer.de berichtet, ermittelt nun der polizeiliche Staatsschutz. Die Gemeinde Büttelborn hat nach der Schändung von zwei Regenbogenfahnen Strafanzeige erstattet, nachdem Unbekannte die Seile von zwei Fahnenmasten beschädigten und anschließend auf die Fahnen urinierten sowie eine Zigarette ausdrückten.

BĂĽttelborn steht nicht allein

Was in der 15.000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Groß-Gerau geschah, ist kein Einzelfall. Laut Bundeskriminalamt wurden 2024 bundesweit 1.765 Fälle im Bereich „sexuelle Orientierung" und 1.152 Fälle im Bereich „geschlechtsbezogene Diversität" gemeldet – ein Anstieg um etwa 18% beziehungsweise 35% im Vergleich zum Vorjahr. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen, da viele Betroffene aus Scham oder Angst keine Anzeige erstatten.

Besonders alarmierend: In zwölf von 16 Bundesländern wurden 2024 insgesamt 3.453 rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Angriffe registriert – ein massiver Anstieg um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr. Täglich wurden im Jahr 2024 durchschnittlich neun einschlägige Angriffe verübt, bei denen im statistischen Durchschnitt 12 Menschen zur Zielscheibe wurden.

Der Kulturkampf erreicht die Provinz

Die Attacke in Büttelborn zeigt, wie der Hass auf queere Menschen mittlerweile auch kleinere Gemeinden erreicht hat. In Neubrandenburg beschloss die Stadtverordnetenversammlung im Oktober 2024, die Regenbogenflagge gänzlich abzuhängen – zu oft sei sie gestohlen worden. Ein fatales Signal der Kapitulation vor der Gewalt.

CSDs und Feste für Vielfalt werden immer öfter Ziel von Drohungen und Gewalt. In Gelsenkirchen wurde der CSD 2024 kurzfristig wegen einer „abstrakten Bedrohungslage" abgesagt, in Wernigerode drohte ein Mann einen Anschlag auf den CSD an. Das Agitationsfeld „Queerfeindlichkeit" rückte bei rechtsextremistischen Demonstrationen zunehmend in den Fokus, insbesondere im Zusammenhang mit Gegendemonstrationen zu Christopher-Street-Day-Veranstaltungen.

BĂĽrgermeister bezieht klar Stellung

Umso wichtiger ist die deutliche Reaktion aus Büttelborn. Bürgermeister Marcus Merkel (SPD) und die Gemeinde zeigten sich „entsetzt und enttäuscht, aber auch wütend". In ihrer Stellungnahme heißt es unmissverständlich: „Büttelborn steht für Vielfalt und Gleichstellung und für ein gutes, würdevolles Leben all' seiner Bürger*innen."

Diese klare Haltung ist wichtig, denn sie sendet ein Signal: Wir lassen uns nicht einschĂĽchtern. Wie der Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann betont, werden jeden Tag in Deutschland Menschen angegriffen, bloĂź weil sie lieben, wie sie lieben. Zunehmend gibt es Ăśbergriffe im Rahmen von CSDs, die darauf abzielen, sichtbares queeres Leben einzuschĂĽchtern.

Die Politik reagiert – aber reicht das?

Immerhin: Die Politik hat das Problem erkannt. Der Bundestag hat im Juni 2024 „geschlechtsspezifische" sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Tatmotive als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe ausdrücklich in die Strafgesetze zu Hasskriminalität aufgenommen. Die Innenministerkonferenz beschloss, Gewalt gegen LSBTIQ* besser zu bekämpfen und die Empfehlungen eines Expertengremiums umzusetzen.

Doch Gesetze allein reichen nicht. Immer wieder werden eindeutig rechts oder rassistisch motivierte Angriffe von den Ermittlungsbehörden nicht als PMK-Rechts Hasskriminalität erfasst – wie etwa der Angriff auf eine Wohneinrichtung der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderungen in Mönchengladbach.

Solidarität ist die beste Antwort

Der CSD Groß-Gerau, für den die geschändeten Fahnen gehisst wurden, findet traditionell Ende August statt. Der CSD Groß-Gerau ist für den 30. August 2025 geplant. Es wird ein wichtiges Zeichen sein, wie viele Menschen dann für Vielfalt und gegen Hass auf die Straße gehen.

Denn das ist die beste Antwort auf solche Attacken: Noch sichtbarer werden, noch lauter für Gleichberechtigung eintreten. Wie Sven Lehmann betont: Millionen von Menschen werden auch in diesem Jahr wieder die vielen CSDs besuchen, um für Freiheit, Vielfalt und Menschenrechte zu demonstrieren. Denn unsere Demokratie wird auch auf den CSDs verteidigt – vor allem in Kleinstädten und im ländlichen Raum.

Die Täter von Büttelborn mögen geglaubt haben, mit ihrer widerwärtigen Aktion ein Zeichen zu setzen. Doch sie haben nur eines bewiesen: Wie dringend notwendig es ist, dass wir alle – egal ob queer oder nicht – gemeinsam für eine offene Gesellschaft einstehen. Denn wenn Regenbogenfahnen angegriffen werden, geht es nicht nur um die LGBTQ+-Community. Es geht um unsere Demokratie selbst.


Ein Fall zwischen Notwehr und Totschlag: Wenn Selbstverteidigung zum tödlichen Drama wird

Im Frankfurter Landgericht hat ein Prozess begonnen, der die Grenzen zwischen Selbstverteidigung und strafbarer Handlung auf tragische Weise auslotet. Wie queer.de berichtet, steht eine 28-jährige trans Frau aus Jamaika vor Gericht, angeklagt wegen Totschlags. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die besondere Vulnerabilität von trans Personen und die komplexen rechtlichen Fragen, die entstehen, wenn marginalisierte Menschen sich gegen Übergriffe zur Wehr setzen müssen.

Die Nacht im Bahnhofsviertel

Die Ereignisse spielten sich im Juni 2024 im Frankfurter Bahnhofsviertel ab, wo die Angeklagte gemeinsam mit einem 45-jährigen Bekannten die Nacht verbracht hatte. Am Morgen gingen beide in den Keller einer Bar – ein Ort, der laut den Ausführungen des Richters möglicherweise vom Opfer generell für sexuelle Kontakte genutzt wurde.

Was dann geschah, deutet auf eine Situation hin, in der Missverständnisse und möglicherweise auch übergriffiges Verhalten eine fatale Dynamik entwickelten. Der Vorsitzende Richter sagte nach der Verlesung der Anklage in ungewöhnlich offenen Worten, es gebe Hinweise, dass sich die Angeklagte bei der Auseinandersetzung im Keller habe verteidigen wollen. Die Formulierung "Vielleicht gab es zwischen den beiden Missverständnisse" und der Hinweis, dass der Mann möglicherweise Sex gewollt und die Tür abgeschlossen habe, lassen erahnen, in welcher Zwangslage sich die Frau befunden haben könnte.

Elfmal zugestochen – Notwehr oder Exzess?

Die Anklage wirft der Frau vor, elfmal mit einem Springmesser auf den Oberkörper ihres Bekannten eingestochen und dabei Lunge und Leber verletzt zu haben. Der Mann starb wenige Stunden später im Krankenhaus. Die hohe Anzahl der Stiche wirft zwangsläufig die Frage auf, ob hier die Grenzen der Notwehr überschritten wurden.

Nach deutschem Recht findet sich die gesetzliche Regelung zur Notwehr in § 32 StGB. Notwehr ist demnach die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Doch die Frage der Verhältnismäßigkeit bleibt komplex, besonders in Extremsituationen.

Eine gewisse Überschreitung der Notwehr ist laut § 33 StGB straffrei, wenn aufgrund von Furcht, Schrecken oder Verwirrung gehandelt wurde. Damit wird der psychischen Ausnahmesituation Rechnung getragen - in einer Notsituation ist es meist unmöglich, über die Verhältnismäßigkeit der Verteidigung nachzudenken.

Die besondere Gefährdung von trans Frauen

Der Fall muss auch vor dem Hintergrund der besonderen Gefährdung von trans Personen betrachtet werden. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* polizeilich erfasst, nach 1.188 im Jahr 2022 – ein besorgniserregender Anstieg. Weltweit wurden zwischen 2008 und 2023 insgesamt 4.690 Morde an trans* Personen dokumentiert, davon 107 in der EU und drei in Deutschland. Besonders häufig betroffen sind trans* Frauen.

Nur 13% der LSBTIQ*-Personen in Deutschland gehen nach physischen Angriffen oder sexualisierter Gewalt zur Polizei. 23% haben in den letzten fünf Jahren nach einer Gewalttat eine Anzeige aus Angst vor homo-/transfeindlicher Reaktion der Polizei vermieden. Diese Zahlen verdeutlichen die prekäre Situation, in der sich viele trans Personen befinden – gefährdet durch Gewalt, aber gleichzeitig unsicher, ob sie im Ernstfall auf den Schutz staatlicher Institutionen vertrauen können.

In Berlin erreichte die Zahl der Gewaltdelikte gegen LSBTIQ* 2022 mit 148 Gewalttaten einen Höchststand, 2023 lag sie mit 127 Fällen weiterhin auf einem deutlich erhöhten Niveau. Die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen.

Signale der Verzweiflung

Bemerkenswert ist das Verhalten der Angeklagten nach der Tat: Sie selbst alarmierte zweimal den Notruf. Auf Videoaufnahmen nach der Tat wirkte sie laut Richter geschockt und weinte. Auch im Gerichtssaal kamen ihr die Tränen. Dies sind keine typischen Reaktionen einer kaltblütigen Täterin, sondern deuten vielmehr auf eine Person hin, die in einer extremen Notsituation gehandelt hat.

Im Prozess wurde die Angeklagte als Frau angesprochen, was ein wichtiges Signal für den respektvollen Umgang mit ihrer Geschlechtsidentität darstellt. Das Landgericht hatte zuvor erklärt, dass die Angeklagte in der Anklage als Mann bezeichnet wurde, da bisher keine geschlechtsanpassende Operation stattgefunden habe – eine Praxis, die mittlerweile als überholt gilt und die Würde von trans Personen verletzt.

Die rechtliche Bewertung steht aus

Der Prozess soll in drei Wochen fortgesetzt werden, wobei auch ein Psychiater als Sachverständiger gehört werden soll. Nach der bisherigen Planung könnte Ende Oktober ein Urteil verkündet werden. Das Gericht steht vor der schwierigen Aufgabe, die komplexen Umstände dieses Falls zu bewerten.

Der Fall zeigt exemplarisch die Herausforderungen auf, vor denen trans Personen stehen: Sie sind überdurchschnittlich häufig von Gewalt betroffen, gleichzeitig wird ihre Glaubwürdigkeit oft in Frage gestellt, wenn sie sich zur Wehr setzen. Nach deutschem Notwehrrecht braucht das Recht dem Unrecht nicht zu weichen – der Angegriffene ist nicht verpflichtet zu fliehen. Doch die Frage, was in einer konkreten Situation als angemessene Verteidigung gilt, bleibt oft eine Gratwanderung.

Dieser tragische Fall unterstreicht die Notwendigkeit, die strukturelle Gewalt gegen trans Personen ernst zu nehmen und präventive Maßnahmen zu verstärken. Es ist entscheidend, die besonderen Mechanismen zu verstehen, die zu Diskriminierung und Gewalt gegen diese Personengruppe führen. Nur auf dieser Grundlage können effektive Präventionsmaßnahmen ergriffen werden.

Unabhängig vom Ausgang dieses Prozesses bleibt die Tatsache bestehen, dass ein Mensch tot ist und eine junge Frau möglicherweise jahrelang ins Gefängnis muss – ein Drama, das sich möglicherweise hätte verhindern lassen, wenn unsere Gesellschaft sicherere Räume für alle Menschen schaffen würde, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität.


Ein Meilenstein für Menschenrechte: EuGH stärkt trans Personen in Europa

Ein wegweisendes Gutachten des Europäischen Gerichtshofs könnte die Rechte von trans Menschen in ganz Europa nachhaltig stärken. Richard de la Tour, Generalanwalt am EuGH, stellte am Donnerstag klar, dass EU-Mitgliedsstaaten trans Menschen Ausweisdokumente ausstellen müssen, die mit der gelebten Geschlechtsidentität übereinstimmen. Die Entscheidung betrifft den Fall einer trans Frau aus Bulgarien und sendet ein deutliches Signal an alle EU-Staaten – gerade in Zeiten, in denen trans Rechte zunehmend unter Druck geraten. Das vollständige Gutachten können Sie hier nachlesen.

Der Fall aus Bulgarien: Wenn Dokumente zur täglichen Hürde werden

Die Klägerin aus Bulgarien lebt bereits als Frau und hat eine Hormontherapie absolviert. Doch ihre offiziellen Dokumente spiegeln ihre Identität nicht wider. Im Februar 2023 strich das Oberste Kassationsgericht die Möglichkeit für transgeschlechtliche Menschen, ihr amtliches Geschlecht zu ändern. Der bulgarische Oberste Gerichtshof stützt sich auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts von vor zwei Jahren, die besagt, dass das bulgarische Recht das Geschlecht als etwas versteht, das bei der Geburt festgelegt wird.

Die Auswirkungen sind verheerend: Die Diskrepanz zwischen gelebter Identität und amtlichen Dokumenten führt zu alltäglichen Diskriminierungen, besonders bei der Jobsuche. Der Generalanwalt macht deutlich, dass dies fundamentale EU-Grundrechte verletzt – das Recht auf Privatleben und den Schutz vor Diskriminierung.

Deutschland als Vorreiter: Das Selbstbestimmungsgesetz zeigt den Weg

Während Bulgarien trans Personen ihre Rechte verweigert, geht Deutschland mit gutem Beispiel voran. Am 1. November tritt das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen können jetzt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern lassen. Die Vorlage eines ärztlichen Attests oder die Einholung von Gutachten in einem Gerichtsverfahren sind nicht mehr nötig.

Das neue Gesetz ersetzt das über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz, das vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt wurde. Der deutsche Bundestag hat am 12. April 2024 ein wegweisendes Gesetz verabschiedet, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen.

Laut der Informationen des Bundesministeriums können Änderungen bereits drei Monate im Voraus beim Standesamt angemeldet werden. Das Verfahren ist bewusst niedrigschwellig gestaltet – ein wichtiges Signal für die Anerkennung der Selbstbestimmung.

Die Realität am Arbeitsplatz: Warum rechtliche Anerkennung so wichtig ist

Die Bedeutung korrekter Dokumente zeigt sich besonders im Arbeitsleben. Bei der Jobsuche haben 36% der trans* Personen in den letzten 12 Monaten Diskriminierung erfahren. 39% wurden im letzten Jahr am Arbeitsplatz diskriminiert. Noch alarmierender sind die Zahlen bei trans Frauen: 42% der trans* Frauen erlebten in den letzten 12 Monaten Diskriminierung bei der Jobsuche.

Eine Studie des DIW Berlin zeigt: 30 Prozent der LGBTQI*-Menschen sind mit Diskriminierung im Arbeitsleben konfrontiert. Bei den Trans*-Menschen sind es sogar mehr als 40 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen, warum die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität nicht nur eine Frage der Würde, sondern auch der wirtschaftlichen Teilhabe ist.

Von den befragten transgeschlechtlichen Menschen würden 47 Prozent am Arbeitsplatz niemals offen mit ihrer Transidentität umgehen. Nur 21 Prozent der Befragten leben ihre Transidentität am Arbeitsplatz offen aus. Wenn schon die eigenen Dokumente die wahre Identität verleugnen, wie können trans Menschen dann von ihrem Umfeld Akzeptanz erwarten?

Ein europäischer Präzedenzfall mit Signalwirkung

Das EuGH-Gutachten ist mehr als eine juristische Einzelfallentscheidung. Es reiht sich ein in eine Serie wegweisender Urteile des Europäischen Gerichtshofs. Der EuGH hatte bereits entschieden, dass die in einem EU-Staat amtlich festgestellte Geschlechtsidentität in allen 27 EU-Staaten anerkannt werden muss. Die Verweigerung der Anerkennung der Geschlechtsidentität behindert die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, konkret das Recht, sich frei zu bewegen und aufzuhalten.

Die operative Geschlechtsanpassung darf dabei keine Voraussetzung sein. Der Generalanwalt betont, dass eine solche Forderung das Recht auf Privatleben verletzt, das die EU-Grundrechtecharta garantiert. Das Urteil betont, dass die Anerkennung der persönlichen Identität, einschließlich der Geschlechtsidentität, eine grundlegende Verpflichtung der Mitgliedstaaten ist.

Die politische Debatte in Deutschland: Zwischen Fortschritt und Widerstand

Trotz des Fortschritts durch das Selbstbestimmungsgesetz gibt es in Deutschland Gegenwind. Die AfD will kommende Woche im Bundestag über die Abschaffung des Gesetzes diskutieren. Vertreterinnen und Vertreter der Unionsparteien kritisierten, dass die Schutzfunktion des Staates gegenüber Kindern und Jugendlichen vernachlässigt werde. Auch könnten Kriminelle das Gesetz ausnutzen, um unter neuem Namen unterzutauchen. Die Union kritisiert, dass die Änderung nicht an Sicherheitsbehörden gemeldet werden soll.

Diese Argumente wurden jedoch bereits im Gesetzgebungsverfahren ausführlich diskutiert. Länder wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay haben bereits einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts auf Grundlage der Selbstbestimmung. Die Tendenz zu solchen unkomplizierten Verwaltungsverfahren spiegelt den internationalen medizinischen Konsens und die Menschenrechtsstandards wider.

Was das fĂĽr trans Menschen in Europa bedeutet

Das EuGH-Gutachten sendet ein klares Signal: Die Würde und Selbstbestimmung von trans Menschen sind nicht verhandelbar. Für Länder wie Bulgarien, Polen oder Ungarn, die trans Rechte einschränken, wird der rechtliche Spielraum enger. Es ist ein klares Signal, dass die EU ihre Rechte schützt und Diskriminierung entschlossen entgegentritt.

Gleichzeitig zeigt Deutschland, dass Fortschritt möglich ist. Das neue Gesetz zeigt, dass die Regierung die Grundrechte von trans*- und nicht-binären Menschen unterstützt, was zu einem breiteren Verständnis und einer größeren Akzeptanz von verschiedenen Geschlechtsidentitäten beiträgt.

Der Weg zu vollständiger Gleichstellung ist noch weit. Der Bundesinnenminister teilte im Juni 2023 mit, dass die Polizei im vergangenen Jahr über 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen registriert hatte. In den letzten Jahren gab es mehrere Angriffe auf Pride-Veranstaltungen, von denen einer im Jahr 2022 zum gewaltsamen Tod eines Trans-Mannes führte. Aber jede rechtliche Anerkennung, jedes Urteil, das Menschenrechte stärkt, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Das endgültige Urteil des EuGH steht noch aus, doch die Richter*innen folgen in der Regel den Empfehlungen des Generalanwalts. Für trans Menschen in ganz Europa könnte dies einen historischen Wendepunkt markieren – hin zu mehr Anerkennung, Würde und Selbstbestimmung.


Geschlechtertest-Skandal: Französische Boxerinnen werden Opfer fragwürdiger Regelungen

Der Boxverband World Boxing hat das französische Frauenteam von der Weltmeisterschaft in Liverpool ausgeschlossen – wegen fehlender Geschlechtertests. Wie queer.de berichtet, wurde die fünf Athletinnen ausgeschlossen, weil die Ergebnisse der vorgeschriebenen Geschlechtstests nicht rechtzeitig vorlagen. Ein Skandal, der die gesamte LGBTQ+-Community aufhorchen lassen sollte.

Französisches Gesetz steht sportlichen Ambitionen im Weg

Derartige Tests sind in Frankreich seit 1994 gesetzlich verboten. Ausnahmen sind nur unter strengen Auflagen möglich, weshalb sich die Frauen des französischen Teams erst nach ihrer Ankunft in England testen ließen. Die französischen Boxerinnen Romane Moulai, Wassila Lkhadiri, Melissa Bounoua, Sthélyne Grosy und Maëlys Richol waren bereits in Liverpool angekommen, als sie über ihre Disqualifikation informiert wurden.

„Trotz der Garantien, die uns World Boxing gegeben hatte, war das von ihnen empfohlene Labor nicht in der Lage, die Ergebnisse rechtzeitig zu liefern", erklärte der französische Verband. Sportministerin Marie Barsacq kritisierte den Ausschluss und bezeichnete ihn als „inakzeptabel".

Deutschland und die Geschlechtertest-Debatte

Auch in Deutschland gibt es eine lebhafte Diskussion über Geschlechtertests im Sport. Im Selbstbestimmungsgesetz ist klargestellt, dass die Bewertung sportlicher Leistungen unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden kann. Das heißt: Die Länder und private Einrichtungen können hier im Rahmen ihrer Zuständigkeiten passgenaue Lösungen entwickeln. Das SBGG tastet die Autonomie des Sports nicht an. Nach geltendem Recht entscheiden Sportvereinigungen und Zusammenschlüsse weitgehend in eigener Zuständigkeit darüber, welche Personen zu welchen Wettbewerben zugelassen werden.

Diese rechtliche Situation zeigt: Anders als in Frankreich gibt es in Deutschland keine gesetzlichen Verbote von Gentests im Sport. Dies wirft Fragen auf über den Schutz der Privatsphäre und die Menschenwürde von Athletinnen.

Die problematische Geschichte der "GeschlechtsĂĽberprĂĽfungen"

Geschlechtstests in Form eines „ärztlichen Eignungsscheins" wurden bereits im Jahr 1946 bei den British Commonwealth Games sowie im selben Jahr bei den Leichtathletik-Europameisterschaften der Frauen durchgeführt. Wie Dennis Krämer in seiner Doktorarbeit Intersexualität im Sport beschreibt, beruhte dieser Test auf einer gynäkologischen Untersuchung der äußeren Geschlechtsorgane.

Sportlerinnen größtenteils aus dem globalen Süden stehen im Fokus von „Geschlechtstest" und werden durch diese geschädigt. Allgemeine Vorschriften, die Diskriminierung, Überwachung und erzwungene medizinische Eingriffe bei Sportlerinnen fördern, führen zu physischen und psychischen Schäden und zu wirtschaftlicher Not.

Imane Khelif kämpft vor Gericht

Die algerische Olympiasiegerin Imane Khelif, die bei den Spielen in Paris Gold im Weltergewicht gewann, wehrt sich aktuell juristisch gegen die verpflichtenden Tests. Imane Khelif hat beim Internationalen Sportgerichtshof (Cas) Berufung gegen eine Entscheidung des Weltboxverbandes World Boxing eingelegt, die ihr die Teilnahme an bevorstehenden Veranstaltungen ohne vorherigen Gentest untersagt. Das teilte der Cas mit. Khelif habe bereits am 5. August Berufung eingereicht, in der der Cas unter anderem aufgefordert wird, die 26-Jährige bei den Weltmeisterschaften auch ohne Test zuzulassen.

Die Forderung, die Tests auszusetzen, bis eine Entscheidung gefallen ist, lehnte der Cas am Montag ab. Khelif und die taiwanesische Boxerin Lin Yu-ting waren bereits bei der WM 2023 vom umstrittenen, nicht mehr vom IOC anerkannten Verband IBA ausgeschlossen worden. Das IOC nannte es eine „willkürliche Entscheidung ohne ordnungsgemäßes Verfahren" und ließ Khelif und Lin in Paris teilnehmen. Das im Pass angegebene Geschlecht sei maßgeblich für die Zulassung zu den Wettbewerben, lautete eine Begründung. Beide holten Gold.

Queere Sportler*innen in Deutschland

Während die internationale Box-Welt von Geschlechtertests erschüttert wird, zeigt sich im deutschen Sport ein differenzierteres Bild. Bei den Olympischen Spielen in Paris sind mindestens 170 LGBTQ-Athlet:innen am Start, darunter über 150 Frauen. Aus Team Germany sind elf offen queere Olympionikinnen dabei, acht mehr als zuletzt in Tokio.

Anne ist eine der wenigen offen transgenderen Mountainbikerinnen in Deutschland. Bekannt wurde sie durch ihre Downhill- und Freeride-Videos, mit denen sie eine groĂźe Community erreicht. Ihr Mut, sich authentisch zu zeigen, macht sie zu einem wichtigen Role Model fĂĽr mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz von Transgender-Personen im Sport.

Dennoch zeigen aktuelle Studien alarmierende Zahlen: Die Ergebnisse der Studie „Outsport – Sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Sport" für Deutschland zeigen, dass 20 Prozent der LGBTQ+ Befragten ihre Sportarten nicht ausüben – aus Angst vor Diskriminierung, Ausschluss oder negativen Kommentaren. Insbesondere Trans-Personen (56 %) und hier vor allem Transmänner (73 %) fühlen sich aufgrund der Geschlechtsidentität von bestimmten Sportarten ausgeschlossen. Fast alle befragten Sportler und Sportlerinnen (96 % und 95 %) sind sich einig: Homo- und Transphobie sind im Sport ein Problem.

Ein fragwĂĽrdiger Weg in die Zukunft

World Boxing hatte Ende Mai die Pflicht zu Geschlechtstests eingeführt. Demnach müssen Sportlerinnen und Sportler ab 18 Jahren einen PCR-Test absolvieren, der das SRY-Gen nachweist. Der Sportmediziner Wilhelm Bloch von der Sporthochschule in Köln sagt: Über die Funktionsfähigkeit dieses Gens, könne der Test keine Auskunft geben.

Die aktuelle Situation beim Boxverband World Boxing zeigt beispielhaft die Problematik im Umgang mit Geschlechterdiversität im Sport. Der Weltverband argumentiert, die Kategorie Frau schützen und Vertrauen schaffen zu wollen, doch erreicht damit genau das Gegenteil: Er stellt Frauen unter Generalverdacht. Denn ihre männlichen Kollegen müssen ihr Geschlecht nicht nachweisen.

Der Ausschluss des französischen Teams ist mehr als nur ein sportlicher Skandal – er ist ein Weckruf für die gesamte LGBTQ+-Community und alle, die für Gleichberechtigung und Menschenwürde im Sport kämpfen. Die Debatte über Geschlechtertests zeigt, wie weit wir noch von echter Inklusion entfernt sind.


Ein RĂĽckschritt mit globalen Folgen: Was Trumps Krieg gegen Trans-Rechte fĂĽr Deutschland bedeutet

Ein US-Berufungsgericht in Boston hat am Donnerstag einen wichtigen Sieg für die Rechte von nicht-binären und trans Menschen errungen. Das Gericht bestätigte, dass die Trump-Regierung weiterhin geschlechtsneutrale Reisepässe mit der Option "X" ausstellen muss – ein deutlicher Widerstand gegen Trumps radikale Anti-LGBTQ+-Politik, die seit seinem Amtsantritt im Januar 2025 das Leben von Millionen queeren Menschen in den USA bedroht.

Trumps systematischer Angriff auf Trans-Rechte

Mit Trump drohen den USA vier Jahre queer- und speziell transfeindlicher Politik. Bereits am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit unterzeichnete Trump ein Dekret, das von der Annahme ausgeht, dass es nur das weibliche und männliche Geschlecht gebe. Entsprechend würden Identitäten fortan nur noch als weiblich oder männlich anerkannt, je nachdem, welche Geschlechtszellen der Körper produziert.

Die Liste seiner Maßnahmen liest sich wie ein systematischer Feldzug gegen die Existenz von trans Menschen: Das Verbot könne Schätzungen zufolge 15.000 Personen in allen Bereichen des Militärs betreffen, das auf insgesamt rund 1,3 Millionen Beschäftigte kommt. Trans Personen sollten demnach als dienstuntauglich eingestuft und aus medizinischen Gründen entlassen werden. Darüber hinaus will Trump transgender women and girls from competing in female sports ausschließen und hat das Außenministerium die Bearbeitung von Anträgen auf eine Änderung des Geschlechtseintrags im Pass sowie von Anträgen, in denen eine "X"-Geschlechtsangabe gewählt wurde, ausgesetzt.

Deutschland als Vorbild und Warnung zugleich

Während die USA unter Trump einen drastischen Rechtsruck erleben, zeigt Deutschland einen differenzierteren Weg. Liegt im Personenstandsregister der Geschlechtseintrag "divers" oder kein Geschlechtseintrag vor, wird im Pass das Geschlecht mit "X" bezeichnet. Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz, das seit 2024 in Kraft ist, können Menschen einfach zum Rat-Haus gehen und sagen: Ich möchte meinen Geschlechts-Eintrag ändern. Dann wird zum Beispiel "männlich" geändert in "weiblich". Oder "weiblich" wird geändert in "männlich".

Doch auch in Deutschland ist dieser Fortschritt nicht unumstritten. Obwohl erst vor wenigen Monaten in Kraft getreten, ist das Selbstbestimmungsgesetz bereits jetzt ein Dorn im Auge von rechtskonservativen Politiker_innen wie Friedrich Merz. Merz etwa macht Wahlkampf mit der Ansage, das Gesetz wieder abschaffen zu wollen. Die Parallelen zur US-Politik sind unübersehbar und zeigen, wie schnell erkämpfte Rechte wieder in Gefahr geraten können.

Die praktischen Herausforderungen für nicht-binäre Reisende

Ein besonders sensibler Bereich ist das internationale Reisen. Divers-Einträge oder offene Einträge im Melderegister werden im Reisepass als "X" bezeichnet. Ein binär geschlechtlicher Geschlechtseintrag im Reisepass kann jedoch für internationale Reisen wichtig sein, wenn die Länder, in oder durch die gereist wird, nur weiblich oder männlich als Geschlecht anerkennen. Der Eintrag "X" kann zu unangenehmen Nachfragen, Zwangsouting und weiteren Diskriminierungen führen.

Deutschland hat hier eine pragmatische Lösung gefunden: Auf Antrag ist es daher möglich, dass Menschen mit divers- oder ohne Geschlechtseintrag einen binären Geschlechtseintrag im Reisepass bekommen können, also männlich oder weiblich. Diese Option steht jetzt aber nur noch Personen offen, die mit einer ärztlichen Bescheinigung nachweisen, dass sie eine "Variante der Geschlechtsentwicklung" haben. Diese Unterscheidung zwischen intergeschlechtlichen und nicht-binären trans Personen wird von Aktivist*innen kritisiert, da beide Gruppen beim internationalen Reisen mit denselben Diskriminierungsrisiken konfrontiert sind.

Internationale Solidarität gegen den Rollback

Die Entwicklungen in den USA haben direkte Auswirkungen auf die globale LGBTQ+-Bewegung. Der von der Trump-Administration geplante politische Richtungswechsel bedroht die Rechte von trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen in den USA. Amnesty International hat bereits zu internationalen Protesten aufgerufen.

Besonders alarmierend ist Trumps Rhetorik, die im April 2025 eine Proklamation herausgab, in der er behauptete, dass Eltern, welche die Geschlechtsangleichung ihres Kindes unterstützen, sich des Missbrauchs schuldig machen. Diese Entwicklung zeigt, wie schnell aus politischer Rhetorik konkrete Bedrohungen für Familien werden können.

Was bedeutet das fĂĽr die deutsche LGBTQ+-Community?

Die Entscheidung des Bostoner Gerichts gibt Hoffnung, dass der Rechtsstaat auch in den USA noch funktioniert. Rechtsexperten wie David Cole von der Georgetown University sehen gute Chancen, dass Trumps Dekrete vor Gericht scheitern werden. "Die Regierung kann nicht einfach per Federstrich grundlegende Schutzrechte aufheben, die der Supreme Court und zahlreiche Bundesgerichte bestätigt haben".

Für Deutschland bedeutet dies zweierlei: Einerseits zeigt es die Wichtigkeit, erkämpfte Rechte zu verteidigen und weiterzuentwickeln. Das deutsche Selbstbestimmungsgesetz, trotz seiner Schwächen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Andererseits mahnt das US-Beispiel zur Wachsamkeit. Die Stimmung gegen die "Genderideologie" ist nicht neu, doch der Backlash hat sich in den letzten Jahren rasant zugespitzt.

Die WorldPride, die im Mai und Juni 2025 in Washington stattfindet mit Demos, Konzerten und einer Menschenrechtskonferenz, wird zu einem wichtigen Moment des Widerstands. Deutsche LGBTQ+-Organisationen sollten ihre amerikanischen Partner*innen in dieser schweren Zeit unterstĂĽtzen und gleichzeitig dafĂĽr sorgen, dass der transfeindliche Rollback nicht nach Europa ĂĽberschwappt.

Ein Kampf, der uns alle angeht

Trans Menschen sind nie das Ende, sondern immer der Anfang des Rollbacks. Diese Warnung aus der Geschichte sollten wir ernst nehmen. Die Angriffe auf Trans-Rechte in den USA sind Teil eines größeren autoritären Projekts, das die Vielfalt menschlicher Existenz negieren will.

Das Urteil aus Boston zeigt, dass Widerstand möglich ist. Es liegt an uns allen – in Deutschland, Europa und weltweit – solidarisch für die Rechte aller Menschen einzustehen. Denn die Geschichte lehrt uns: Wenn die Rechte einer Minderheit bedroht sind, sind die Rechte aller in Gefahr.


Zwischen Aktivismus und Repression: Der Fall Ibtissam Lachgar wirft Fragen fĂĽr Deutschland auf

Die Verurteilung der marokkanischen LGBTQ+-Aktivistin Ibtissam Lachgar zu zweieinhalb Jahren Haft wegen eines T-Shirts mit der Aufschrift "Allah ist lesbisch" erschüttert die internationale Menschenrechtsgemeinschaft. Ein marokkanisches Gericht verurteilte die 50-jährige feministische Aktivistin zu zwei und einem halben Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe von 50.000 Dirham (etwa 4.700 Euro) für Blasphemie. Der Fall wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die prekäre Lage von LGBTQ+-Personen und Aktivist*innen in Marokko, sondern fordert auch Deutschland heraus, seine eigene Position zu Meinungsfreiheit, Religionskritik und internationaler Solidarität zu überdenken.

Eine Aktivistin im Visier der Justiz

Ibtissam Lachgar, Psychologin und Mitgründerin der Alternative Movement for Individual Liberties (MALI), ist seit Jahren eine prominente Stimme für Frauen- und LGBTQ+-Rechte in Marokko. Sie hat sich auch als offene Verfechterin für Geschlechtergleichheit, LGBTQ+-Rechte und die Trennung von Religion und öffentlichem Leben eingesetzt und wurde wiederholt von konservativen Gruppen kritisiert und bedroht.

Die Verhaftung erfolgte nach einem Social-Media-Post Ende Juli, in dem Lachgar ein Foto von sich mit besagtem T-Shirt teilte. Sie begleitete das Bild mit einem Kommentar, in dem sie den Islam, wie jede religiöse Ideologie, als faschistisch, phallozentrisch und frauenfeindlich bezeichnete. Nach wochenlanger Online-Empörung, während der Lachgar nach eigenen Angaben Todesdrohungen und Drohungen mit Übergriffen erhielt, wurde sie am Sonntag verhaftet - sie schrieb von "Tausenden Drohungen mit Vergewaltigung und Tod, und Aufrufen zur Hinrichtung und Steinigung".

Das umstrittene Urteil und seine BegrĂĽndung

Vor Gericht erklärte Lachgar, sie habe keine Absicht gehabt, den Islam zu beleidigen, sondern das T-Shirt trage eine politische Botschaft und einen lange verwendeten feministischen Slogan gegen sexistische Ideologien und Gewalt gegen Frauen. Ihre Anwältin argumentierte vergeblich für die Meinungsfreiheit: "Gott ist nicht nur für Muslime, sondern auch für Christen und Juden. Ich sehe keine Beleidigung des Islam in dieser Veröffentlichung", sagte Anwältin El Guellaf vor Gericht. "Ich bin selbst Muslimin und fühle mich nicht beleidigt."

Unter marokkanischem Recht können Blasphemie-Vorwürfe zu bis zu fünf Jahren Gefängnis und Geldstrafen von bis zu 20.000 Dollar führen. Das marokkanische Strafgesetzbuch setzt Strafen von sechs Monaten bis zwei Jahren Gefängnis oder Geldstrafen bis zu 200.000 MAD für "Beleidigung des Islam" fest, mit Strafen bis zu fünf Jahren, wenn die Straftat öffentlich oder elektronisch erfolgt.

Parallelen und Unterschiede zu Deutschland

Auch in Deutschland existiert mit dem Paragraphen 166 StGB ein sogenannter "Blasphemieparagraph". Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Auslegung und Anwendung.

Der deutsche Paragraph 166 StGB schützt weder das religiöse Bekenntnis noch die Weltanschauung. Er schützt auch nicht das religiöse Empfinden oder die Inhalte der Religion. Vielmehr soll er in Deutschland, das gegenüber Religion und Weltanschauung neutral ist, den öffentlichen Frieden schützen. Die Zahl der Straftaten nach diesem Paragraphen ist in Deutschland gering - im 11-Jahres-Durchschnitt sind es 67 pro Jahr, mit einer Spannweite von 47 bis 106.

Diese zurückhaltende Anwendung steht in krassem Gegensatz zur Situation in Marokko, wo Religionskritik schnell zu langjährigen Haftstrafen führen kann. Nach dem Mord an dem französischen Lehrer Samuel Paty und der Einschüchterung von deutschen Lehrern, Künstlern und Staatsbürgern durch gewaltbereite Islamisten wird in Deutschland verstärkt über eine Abschaffung des Blasphemieparagraphen diskutiert.

LGBTQ+-Rechte unter Druck

Der Fall Lachgar ist kein Einzelfall, sondern Teil eines größeren Musters der Verfolgung von LGBTQ+-Personen in Marokko. Homosexualität steht dort unter Strafe mit bis zu drei Jahren Haft. In Marokko sehen sich viele LGBTI-Personen gezwungen, im Verborgenen zu leben. Denn "unzüchtige oder widernatürliche Handlungen mit einer Person gleichen Geschlechts" stehen unter Strafe. Doch auch die gesellschaftlichen Anfeindungen nehmen zu - bis hin zur Selbstjustiz.

Diese Realität steht in scharfem Kontrast zur deutschen Politik. Trotz der dokumentierten Verfolgung plant die Bundesregierung, Marokko als "sicheren Herkunftsstaat" einzustufen, um Abschiebungen zu erleichtern. Der Europäische Gerichtshof entschied jedoch kürzlich, dass Länder, in denen Homosexuelle strafrechtlich verfolgt werden, nicht als "sichere Herkunftsstaaten" bezeichnet werden dürfen.

In Deutschland garantiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gleiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orientierung. Es verbietet die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen. Die Menschenrechte gelten für alle Menschen, unabhängig von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Die Bundesregierung wendet sich entschieden gegen jede Form von Diskriminierung und Gewalt gegen LSBTIQ und setzt sich für die Realisierung von gleichen Rechten für alle ein.

Die Bedeutung internationaler Solidarität

Lachgars Fall unterstreicht die Notwendigkeit internationaler Solidarität mit verfolgten Aktivist*innen. "Nicht nur ist dieses Urteil ungerecht, sondern es bedroht auch die Meinungs- und Redefreiheit", sagte Hamid Sikouk von der Marokkanischen Vereinigung für Menschenrechte. Mehrere Aktivistenkollegen kamen zu ihrer Verteidigung, obwohl sie nicht unbedingt alle ihre Ansichten teilen, und warnten vor Zensur und der Einschränkung der Redefreiheit in Marokko.

Die Bundesregierung fördert weltweit Projekte von Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen Gewalt und Diskriminierung von LSBTIQ-Personen einsetzen, auch in schwierigen Länderkontexten. Dies umfasst eine große Bandbreite an Vorhaben: von politischer Kampagnen- und Bildungsarbeit, journalistischen Projekten bis hin zu rechtlicher und psychosozialer Unterstützung.

Der Fall wirft jedoch die Frage auf, ob diese Unterstützung ausreicht. Während deutsche Unternehmen und Institutionen während der Pride-Saison Regenbogenflaggen hissen, kämpfen Aktivist*innen wie Lachgar in anderen Teilen der Welt buchstäblich um ihr Leben und ihre Freiheit. Eine defensive Haltung, wenn es mal nicht um die eigenen Belange geht, sondern Solidarität angebracht wäre, fällt oft auf. Viele Queers denken, dass sie selbst nicht diskriminierend reden oder agieren können, weil sie selbst diskriminiert werden. Dies fällt auf Mehrfachdiskriminierte in der Community zurück.

Was Deutschland lernen kann

Der Fall Lachgar sollte Deutschland zu einer kritischen Selbstreflexion anregen. Einerseits zeigt er die Privilegien auf, die LGBTQ+-Personen und Aktivist*innen hierzulande genießen. Andererseits macht er deutlich, dass diese Rechte nicht selbstverständlich sind und verteidigt werden müssen.

Die Debatte um den deutschen Blasphemieparagraphen erhält durch solche Fälle neue Relevanz. Das Aufrechterhalten einer derartigen Strafnorm hat bundesweit negative Signalwirkung auf die vorauseilende Einschränkung der Meinungsfreiheit bei Künstlern, Lehrern, Journalisten und anderen und weckt falsche Erwartungen bei religiösen Fundamentalisten, dass ihre Intoleranz und Gewaltbereitschaft durch den Staat vor Gericht belohnt werden. Der Staat darf sich nicht an die Seite der Gewaltbereiten stellen.

Gleichzeitig muss Deutschland seine Asylpolitik überdenken. Die Einstufung von Ländern wie Marokko als "sichere Herkunftsstaaten" ignoriert die systematische Verfolgung von LGBTQ+-Personen und politischen Aktivist*innen. Die Einstufung von Verfolgerstaaten zu "sicheren Herkunftsstaaten" hat gravierende Folgen. Darum dürfen Algerien, Marokko und Tunesien nicht zu "sicheren Herkunftsstaaten" erklärt werden.

Ein Aufruf zur Solidarität

Ibtissam Lachgars Verurteilung ist mehr als ein juristischer Fall - sie ist ein Weckruf. Sie erinnert uns daran, dass der Kampf für LGBTQ+-Rechte und Meinungsfreiheit global geführt werden muss. Sowohl die länderübergreifende, feministische Forschung als auch der transnationale feministische Aktivismus kämpfen immer noch mit der Frage, wie Bündnisse gegen Geschlechterungerechtigkeit und geschlechtsspezifische Ungleichheit geschlossen werden können.

Deutschland hat die Möglichkeit und Verantwortung, sich deutlicher für verfolgte Aktivist*innen einzusetzen. Das bedeutet nicht nur diplomatischen Druck und finanzielle Unterstützung für Menschenrechtsorganisationen, sondern auch eine kohärente Politik, die Menschenrechte nicht wirtschaftlichen oder migrationspolitischen Interessen unterordnet.

Der Fall Lachgar zeigt: Solange irgendwo auf der Welt Menschen für das Tragen eines T-Shirts oder den Ausdruck ihrer Meinung ins Gefängnis geworfen werden, ist unser aller Freiheit bedroht. Lachgars Anwälte planen, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Es bleibt zu hoffen, dass internationale Aufmerksamkeit und Solidarität dazu beitragen können, nicht nur ihr Schicksal, sondern auch die Situation vieler anderer verfolgter Aktivist*innen zu verbessern.

Die deutsche LGBTQ+-Community und alle, die sich für Menschenrechte einsetzen, sollten diesen Fall zum Anlass nehmen, ihre Solidarität zu zeigen - nicht nur während der Pride-Saison mit bunten Flaggen, sondern durch konkretes politisches Engagement für diejenigen, die ihren Aktivismus mit ihrer Freiheit bezahlen.


Burkina Faso: Ein weiteres Land kriminalisiert Liebe – Was bedeutet das für queere Menschen in Afrika und Deutschland?

Die vom Militär regierte Nation Burkina Faso hat am Montag einstimmig ein Gesetz verabschiedet, das Homosexualität verbietet und mit Strafen von bis zu fünf Jahren Gefängnis ahndet. Das Gesetz wurde von den 71 nicht gewählten Mitgliedern des Übergangsparlaments beschlossen, das seit zwei Militärputschen im Jahr 2022 im Amt ist. Homosexualität war zuvor in Burkina Faso, einem Land mit rund 24 Millionen Einwohnern, nicht illegal – nun reiht es sich in die etwa 30 afrikanischen Länder ein, die gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisieren. Die vollständige Nachricht finden Sie auf queer.de.

Drakonische Strafen und internationale Verurteilung

Justizminister Edasso Rodrigue Bayala erklärte im nationalen Sender RTB, dass das Gesetz Gefängnisstrafen zwischen zwei und fünf Jahren sowie Geldstrafen vorsehe. "Wenn eine Person homosexuelle oder ähnliche Praktiken ausübt, all dieses bizarre Verhalten, wird sie vor einen Richter gestellt", sagte er. Ausländische Staatsangehörige würden abgeschoben.

Die Entwicklung ist Teil eines besorgniserregenden Trends: Amnesty International dokumentierte, wie in zwölf afrikanischen Ländern verstärkt Gesetze als Unterdrückungsinstrumente gegen LGBTI+ eingesetzt werden. Im vergangenen Jahr wurden in mehreren afrikanischen Ländern diskriminierende Gesetze ins Parlament eingebracht oder verabschiedet, die Hass schüren. Die Menschenrechtslage hat sich 2023 dramatisch verschlechtert, wobei rechtliche Mittel zunehmend als Waffen gegen LGBTI+ eingesetzt werden.

Ein Kontinent im Rückwärtsgang

In Afrika kriminalisieren 31 Länder einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen, obwohl dies internationalen Menschenrechtsstandards widerspricht. Uganda verschärfte 2023 seine bereits bestehenden Verbote mit einem drakonischen Anti-Homosexualitätsgesetz, das die Todesstrafe für "schwerwiegende Homosexualität" und Gefängnisstrafen für deren Unterstützung vorsieht. Das Inkrafttreten des ugandischen Gesetzes hat zu ähnlichen Gesetzesinitiativen in mehreren anderen afrikanischen Ländern geführt.

Mali, ein Verbündeter Burkina Fasos und ebenfalls von einer Junta regiert, verabschiedete im November 2024 ein Gesetz zur Kriminalisierung von Homosexualität. Ghana und Uganda haben ihre Anti-Homosexualitäts-Gesetze in den letzten Jahren verschärft und mussten dafür massive Kritik einstecken. Das ugandische Gesetz sieht Bestimmungen vor, die "schwere Homosexualität" zu einem Kapitalverbrechen machen und einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen mit bis zu lebenslanger Haft bestrafen.

Deutschland als sicherer Hafen – aber mit Herausforderungen

Während sich die Situation in vielen afrikanischen Ländern verschlechtert, zeigt sich Deutschland als vergleichsweise sicherer Ort für LGBTQ+ Menschen. 73 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen vor Diskriminierung geschützt werden sollten. Bei trans* Personen stimmen sieben von zehn Befragten (70 %) dieser Aussage zu.

Im April 2024 verabschiedete Deutschland ein wegweisendes Selbstbestimmungsgesetz, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Diese Reform zeigt Deutschlands Engagement für LGBTQ+-Rechte, besonders im Kontrast zu den Rückschritten in Afrika.

Dennoch gibt es auch hierzulande Herausforderungen: Vor allem bei jungen Männern nehmen queerfeindliche Ansichten auch in Deutschland eher zu. Im Jahr 2024 wurden beim CSD in Bautzen gewalttätige Übergriffe durch rechtsextreme Gruppen verübt. Diese Vorfälle zeigen, dass der Kampf für Gleichberechtigung auch in Deutschland noch nicht gewonnen ist.

Deutschlands internationale Verantwortung

Deutschland hat gemeinsam mit Mexiko im September 2022 den zweijährigen Vorsitz der Equal Rights Coalition (ERC) übernommen, einer Allianz aus 42 Staaten und mehr als 140 Nichtregierungsorganisationen, die sich für LSBTIQ-Personen einsetzen. Wichtige Meilensteine des Vorsitzes sind die Schaffung eines neuen Generalsekretariats und die Ausrichtung der internationalen ERC-Konferenz 2024. Deutschland gehört der Allianz als Gründungsmitglied seit 2016 an.

Die Bundesregierung setzt sich im internationalen Dialog für die Achtung, den Schutz und die Gewährleistung der Menschenrechte von LSBTIQ+-Personen ein. Unter anderem engagiert sich Deutschland seit 2016 in der Equal Rights Coalition. In ihr haben sich 42 Staaten zusammengeschlossen, um die Rechte von LGBTI+ zu stärken. Im September 2022 übernahm Deutschland gemeinsam mit Mexiko den Vorsitz.

Deutschland ist eines der wichtigsten Geberländer weltweit. Doch in LGBTIQ-Projekte fließt nur ein sehr geringer Teil der Gelder. Anders ist das etwa in den Niederlanden oder in Schweden. Aktivist*innen fordern, dass Deutschland seine finanzielle Unterstützung für LGBTQ+-Projekte in Afrika deutlich erhöht.

Die Flucht nach Deutschland: Hoffnung und HĂĽrden

Für viele queere Menschen aus Afrika bedeutet die Verschärfung der Gesetze eine existenzielle Bedrohung. Deutschland wird zunehmend zu einem wichtigen Zufluchtsort. Die deutschen Auslandsvertretungen tauschen sich regelmäßig mit Menschenrechtsverteidiger*innen zur Lage von LSBTIQ-Personen in Partnerländern aus und unterstützen sie politisch. In Gefahrensituationen vermitteln sie in Einzelfällen Schutzaufenthalte und humanitäre Aufnahmen. Viele Auslandsvertretungen solidarisieren sich auch durch öffentliche Erklärungen oder indem sie queere Kulturveranstaltungen fördern und begleiten.

Die Anerkennung von Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung als Asylgrund ist in Deutschland etabliert, doch der Weg dorthin bleibt für viele Geflüchtete schwierig. Besonders problematisch ist, dass einige afrikanische Länder trotz ihrer LGBTQ+-feindlichen Gesetze als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft werden könnten, was Asylverfahren erschwert.

Ein gefährliches Narrativ

Zur Unterdrückung von LGBTQ-Personen wird oft ein in ganz Afrika verbreitetes Narrativ bemüht: Homosexualität sei ein Import aus dem Westen – ein neokolonialer Versuch, den Kontinent zu schwächen. Kenias Präsident William Ruto bezeichnete Homosexualität als unvereinbar mit der afrikanischen Kultur. In Ghana starteten Journalist*innen eine Anti-Queer-Kampagne und brandmarkten Homosexualität als "unafrikanisch". In sozialen Medien kursieren Verschwörungstheorien, Homosexualität sei eine Erfindung des Westens, um Afrikaner*innen auszurotten.

Dabei ist das Narrativ historisch betrachtet schlicht falsch. Es gibt Hinweise darauf, dass König Mwanga II. im Königreich Buganda, das einen Teil des heutigen Uganda ausmacht, offen schwul war. Der Kolonialismus hat nicht nur zu Vertreibung und Misshandlung geführt, sondern den Bevölkerungsgruppen meist westliche Ideale, Religionen und Gesetze aufgezwungen – so auch Gesetze, die sich gegen LGBTQ+-Menschen richten. Die Anti-LGBTQ+-Gesetze stammen in den meisten afrikanischen Ländern noch aus der Kolonialzeit.

Hoffnungsschimmer trotz dĂĽsterer Aussichten

Trotz der besorgniserregenden Entwicklungen gibt es auch positive Signale aus Afrika. In den letzten Jahren gab es durch eine wachsende Anzahl an Ländern, die gleichgeschlechtliche Beziehungen legalisierten, einen Hoffnungsschimmer. Angola erlaubt gleichgeschlechtliche Beziehungen, nachdem es ein neues Gesetz verabschiedet hat, das im Februar 2021 in Kraft trat. Das neue Gesetz hob ein Verbot aus portugiesischer Kolonialzeit auf und besagt, dass Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann.

Namibias Verfassungsgericht erklärte das Verbot von Homosexualität im Juni 2024 für verfassungswidrig, obwohl die Regierung im Anschluss versuchte, die rechtliche Lage durch ein Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe wieder zu erschweren. Dennoch zeichnen sich in einigen Ländern Afrikas positive Veränderungen ab. Namibia hat jüngst im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen anerkannt. Südafrika garantiert LGBTQ-Personen rechtlichen Schutz, obwohl sie außerhalb der Metropolen auf wenig Akzeptanz stoßen. Staaten wie Botswana und Mosambik erkennen LGBTQ-Rechte zunehmend an.

Was können wir in Deutschland tun?

Die Entwicklungen in Burkina Faso und anderen afrikanischen Ländern zeigen, dass der Kampf für LGBTQ+-Rechte global geführt werden muss. Deutschland hat dabei eine besondere Verantwortung – nicht nur als Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung, sondern auch als wichtiger Partner in der Entwicklungszusammenarbeit.

  • UnterstĂĽtzung von Organisationen wie Amnesty International und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung, die sich fĂĽr LGBTQ+-Rechte in Afrika einsetzen
  • Sensibilisierung fĂĽr die Situation queerer GeflĂĽchteter in Deutschland
  • Politischer Druck auf die Bundesregierung, mehr Mittel fĂĽr LGBTQ+-Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen
  • Solidarität mit lokalen LGBTQ+-Communities zeigen, etwa durch Teilnahme an Pride-Veranstaltungen

Die Verabschiedung des Anti-Homosexualitäts-Gesetzes in Burkina Faso ist ein weiterer düsterer Meilenstein in einer besorgniserregenden Entwicklung. Während Deutschland Fortschritte macht, verschlechtert sich die Lage für queere Menschen in vielen afrikanischen Ländern dramatisch. Dies macht deutlich: Der Kampf für Menschenrechte und Gleichberechtigung kennt keine Grenzen – und erfordert unsere kontinuierliche Aufmerksamkeit und unser Engagement.


Elon Musks gefährliche Trans-Lügen: Was deutsche LGBTQ+-Menschen wissen müssen

Der Milliardär Elon Musk sorgt erneut für Empörung in der LGBTQ+-Community. Wie PinkNews berichtet, behauptete der 54-jährige Tech-Mogul auf seiner Plattform X ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage, dass "weiße Männer" angeblich durch "Propaganda" dazu gebracht würden, zu transitionieren. Diese haltlose These verbreitete Musk mit der Behauptung, dass die "Haupttriebfeder für weiße Männer, trans zu werden, die unerbittliche Propaganda sei, die weiße Männer als die schlimmsten Menschen darstellt".

Die Realität: Trans Menschen unter Druck

Musks Aussagen stehen in krassem Widerspruch zur Realität. Trans Menschen gehören laut einem FBI-Bericht vom August zu den am häufigsten von Hassverbrechen betroffenen Gruppen in den USA. Die American Civil Liberties Union (ACLU) dokumentierte in den letzten drei Jahren über 500 anti-LGBTQ+-Gesetzesentwürfe, von denen viele transphob sind. Allein 2024 wurden 70 von 604 vorgeschlagenen Gesetzen bereits verabschiedet.

Es gibt keine verlässlichen Beweise dafür, dass "weiße Männer" häufiger transitionieren und anschließend detransitionieren als andere Gruppen. Die Behauptungen des Milliardärs entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage.

Familiendrama: Musks Tochter spricht Klartext

Besonders brisant wird Musks Verhalten vor dem Hintergrund seiner eigenen Familiengeschichte. Seine transgender Tochter Vivian Jenna Wilson (20) beschrieb ihn in einem Interview mit NBC News als abwesenden Vater, der grausam zu ihr war, als sie als Kind queer und feminin war. Musk behauptete öffentlich, sie sei "nicht ein Mädchen" und bildlich "tot", und er sei "getrickst" worden, ihrer geschlechtsangleichenden Behandlung zuzustimmen.

Wilson widersprach dem vehement und erklärte, dass Musk nicht getrickst worden sei und nach anfänglichem Zögern genau wusste, was er tat, als er der Behandlung zustimmte. In einem späteren Interview mit Teen Vogue nannte Wilson ihren Vater einen "erbärmlichen Mann-Kind" und sagte, es sei ihr egal, wie viel Geld er habe.

Nach Musks umstrittener Geste bei Donald Trumps Amtseinführung im Januar 2025, die von vielen als Nazi-Gruß interpretiert wurde, reagierte Wilson auf Threads mit den Worten: "Nennen wir das Kind beim verdammten Namen". Bloomberg berichtete im März, dass Musk seit dieser Geste über 148 Milliarden Dollar verlor – fast das Vierfache der jährlichen Kosten zur Beseitigung des Welthungers bis 2030. Allein am 10. März verlor er über 29 Milliarden Dollar.

Parallelen zu Deutschland: AfD gegen Trans-Rechte

Die transfeindlichen Äußerungen von Musk finden auch in Deutschland ein gefährliches Echo. Die AfD, trotz ihrer offen lesbischen Kanzlerkandidatin Alice Weidel, ist die lauteste Stimme im Bundestag gegen LGBTQ+-Rechte. Die Partei lehnte 2017 die Ehe für alle ab, forderte 2019 deren Rücknahme und versuchte 2022 erfolglos, Gesetze zur vereinfachten Änderung des Geschlechtseintrags für trans Personen zu blockieren.

Die AfD will das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen und fordert ein Ende der angeblichen "Indoktrination" von Kindern durch "Trans-Kult", "frühe Sexualisierung" und "Gender-Ideologie" sowie die Streichung aller öffentlichen Gelder für diese Bereiche. Die Partei will sogar Geschlechtsanpassungen bei Minderjährigen mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder in schweren Fällen zwischen einem und zehn Jahren bestrafen.

Was das für trans Menschen bedeuten würde, zeigen Verfassungsrechtler*innen deutlich auf: Könnten trans Personen das ihnen bei Geburt zugewiesene Geschlecht und ihre Vornamen nicht ändern, wären sie vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Sie könnten sich nur noch mit Ausweisdokumenten ausweisen, die andere als vollkommen unpassend und falsch wahrnehmen. Alltagsgeschäfte würden unmöglich: ein Paket abholen, in einen Club kommen, Alkohol kaufen, ein Bankkonto eröffnen, studieren oder einen Mietvertrag abschließen. Im schlimmsten Fall drohen Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit und Armut.

Hoffnungsschimmer: Trans-Sichtbarkeit im deutschen Fernsehen

Trotz der zunehmenden Anfeindungen gibt es auch positive Entwicklungen. Mit Hayal Kaya als Elena Barin zeigt die ARD seit 2022 die erste trans Kommissarin im deutschen Fernsehen. Der zweite Film der "Seeland"-Reihe erreichte im November 2024 über 6,6 Millionen Zuschauer*innen. Dies zeigt, dass authentische Repräsentation von trans Menschen durchaus auf breite Akzeptanz stoßen kann.

Auch rechtlich hat sich in Deutschland einiges getan: Am 12. April 2024 verabschiedete der Bundestag ein wegweisendes Gesetz, das transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Das Gesetz trat im August 2024 in Kraft.

Was bedeutet das fĂĽr die deutsche LGBTQ+-Community?

Die Äußerungen von Musk und die Politik der AfD zeigen, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben. 2023 stieg die Hasskriminalität wegen geschlechtsbezogener Diversität in Deutschland um 105% an. Die transfeindliche Rhetorik prominenter Figuren wie Musk kann solche Entwicklungen befeuern.

Gleichzeitig macht die breite UnterstĂĽtzung fĂĽr das Selbstbestimmungsgesetz und die positive Resonanz auf trans Charaktere im deutschen Fernsehen deutlich, dass die Mehrheit der Gesellschaft fĂĽr Vielfalt und Akzeptanz steht. Geschlechtsangleichende Behandlung ist sicher, medizinisch notwendig, durch jahrzehntelange Forschung belegt und wird von allen groĂźen medizinischen Vereinigungen unterstĂĽtzt.

Die LGBTQ+-Community und ihre Verbündeten müssen sich weiterhin gegen Desinformation und Hetze zur Wehr setzen – sei sie von Tech-Milliardären oder rechten Parteien. Denn wie die Verfassungsrechtler*innen Anna Katharina Mangold und Nick Markwald es formulierten: Für trans Menschen geht es um alles.


Nach homophobem Mobbing: Französische Schulleiterin begeht Suizid – Ein Versagen des Systems, das auch Deutschland wachrütteln muss

Der tragische Tod von Caroline Grandjean erschüttert Frankreich: Die 42-jährige Grundschulleiterin aus dem Département Cantal nahm sich am Montag, dem ersten Schultag des neuen Schuljahres, das Leben. Wie französische Medien berichten, war die offen lesbische Lehrerin monatelang homophobem Mobbing ausgesetzt – ein Fall, der systemisches Versagen offenbart und auch für Deutschland als Warnung dienen muss.

Ein Jahr des Terrors ohne Konsequenzen

Die Angriffe gegen Caroline Grandjean begannen Ende 2023 mit homophoben Graffiti an ihrer Schule im Dörfchen Moussages. Doch dabei blieb es nicht: Es folgten weitere Schmierereien mit Aufschriften wie "Lesbe" und "Pädophile", sowie eine anonyme Morddrohung mit den Worten "Verreck, du dreckige Lesbe".

Eine Untersuchung wurde 2024 wegen "öffentlicher Beleidigung aufgrund der sexuellen Orientierung" und "Morddrohung aufgrund der sexuellen Orientierung" eingeleitet. Trotz vier Anzeigen von Grandjean führten die Ermittlungen zu keinem Ergebnis. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren im März mit der Begründung ein, die Täter nicht identifizieren zu können.

Im Stich gelassen von allen Seiten

Der Künstler Christophe Tardieux (Remedium) veröffentlichte Grandjeans Geschichte in einem Comic und dokumentierte damit ihr Gefühl der totalen Isolation. Besonders bitter: Kurz vor ihrem Tod erfuhr sie, dass die Schulinspektorin, die ihr jegliche Unterstützung verweigert hatte, befördert worden war – für Tardieux "der letzte Nagel in ihrem Sarg".

Im Dorf wurde ihr vorgeworfen, die Gegend in Verruf zu bringen, weil sie die Homophobie öffentlich thematisierte. Auch ihre Kollegen mieden sie, während weder der Bürgermeister noch das französische Bildungsministerium Interesse an ihrem Fall zeigten. Der Gewerkschaftssekretär Thierry Pajot kritisierte scharf: "Es gab kein Gefühl, dass die Institution, die Hierarchie Caroline unterstützt und ihr eine Rückkehr ermöglicht hätten".

Parallelen zu Deutschland: Homophobie an Schulen ist kein Einzelfall

Der Fall Grandjean ist kein isoliertes französisches Problem. Auch in Deutschland zeigen aktuelle Fälle das Ausmaß von Homophobie im Schulkontext. Ein homosexueller Lehrer an einer Berliner Grundschule berichtete, monatelang von Schülern gemobbt worden zu sein, mit Beschimpfungen wie "Schwul ist ekelhaft". Der betroffene Lehrer Oziel Inácio-Stech aus Berlin-Moabit wurde über anderthalb Jahre von Schülern homophob angefeindet, leidet mittlerweile an Panikattacken und ist in psychologischer Behandlung.

Rebecca Knecht vom Bundesverband Queere Bildung bestätigt: "Queerfeindliche Haltungen zeigen sich auch im Kontext Schule mittlerweile vehementer als noch vor einigen Jahren". Das Phänomen religiös motivierter Abwertung queerer Menschen sei bekannt, wobei nicht nur muslimische, sondern auch christliche Argumentationsmuster zu beobachten seien.

Systemisches Versagen beim Schutz von LGBTQ+-Lehrkräften

Studien zeigen, dass LSBTI die Schule als Ort erleben, an dem sie sehr oft Homophobie, Transfeindlichkeit und Diskriminierung begegnen. Die wenigsten Lehrkräfte fühlen sich beim Thema "sexuelle und geschlechtliche Vielfalt" kompetent genug.

Im Fall der Berliner Carl-Bolle-Grundschule steht die Schulleitung selbst in der Kritik. Statt den betroffenen Lehrer zu schützen, warf sie ihm nach Beschwerden von Eltern Fehlverhalten gegenüber Schülern vor und erstattete sogar Anzeige gegen ihn. Die Elternvertretung der Schule spricht von "elementaren Problemen": "Unsere Kinder berichten von Ausgrenzung, Gewalt und fehlendem Respekt in der Schülerschaft", mit religiös-fundamentalistischen Anfeindungen und Missbrauch von Religion für Diskriminierung.

Alarmierende Suizidgefährdung bei LGBTQ+-Personen

Der internationale Forschungsstand zeigt, dass lesbische, schwule, bisexuelle, trans und queere Personen stärker von suizidalem Verhalten betroffen sind. Am stärksten betroffen sind Trans-Jugendliche (5,87-mal erhöhtes Risiko), gefolgt von bisexuellen (4,87-mal erhöht) und homosexuellen Jugendlichen (3,71-mal erhöht). Laut einer österreichischen Studie ist das Suizidrisiko für schwule und bisexuelle Männer bis zu 8,2-mal höher als für heterosexuelle.

Diese Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit effektiver Präventionsmaßnahmen. Es müssen geeignete Hilfeangebote im Umfeld der LGBTQ+-Community bestehen, zu denen Jugendliche Vertrauen haben – diese dürfen nicht nur ehrenamtlich getragen werden, sondern brauchen staatliche Finanzierung und strukturelle Verankerung.

Was jetzt geschehen muss

Lehrergewerkschaften in Frankreich fordern nun Aufklärung. Die Schulleitergewerkschaft S2DÉ erklärte: "Diese Schikanen haben sie zerstört und sie wollte lieber Schluss machen." Die größte Grundschulgewerkschaft FSU-SNUipp fordert eine gründliche Untersuchung, "um die verschiedenen Verantwortlichkeiten innerhalb des nationalen Bildungssystems zu klären, das sie als Arbeitgeber nicht schützen konnte."

Für Deutschland gibt es klare Handlungsempfehlungen: Homophobie und Transphobie müssen explizit in Anti-Mobbing-Richtlinien aufgenommen werden, und es muss auf allen Ebenen deutlich ausgesprochen werden, dass sexuelle Vielfalt an Schulen anerkannt wird und jegliche Form von Gewalt dagegen sanktioniert wird. Lehrkräfte und Schulpersonal brauchen Fortbildungen zum Umgang mit homophober und transphober Gewalt.

Caroline Grandjeans Tod ist ein tragisches Versagen des Systems. Er muss ein Weckruf sein – nicht nur für Frankreich, sondern auch für Deutschland. Homophobie an Schulen ist kein Randphänomen, sondern eine reale Gefahr für LGBTQ+-Lehrkräfte und Schüler. Es ist höchste Zeit, dass Bildungsministerien, Schulleitungen und die Gesellschaft insgesamt Verantwortung übernehmen und handeln.

Hilfe in Krisen: Wenn Sie Hilfe brauchen oder jemanden kennen, der Unterstützung benötigt: Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter 0800/1110111 oder 0800/1110222 erreichbar. Das nationale Krisentelefon 3114 ist 24/7 verfügbar. Spezialisierte LGBTQ+-Beratungsstellen finden Sie bei den lokalen LSVD-Verbänden.


Skandal in London, Krise in Berlin: Wie internationale Pride-Bewegung unter Druck gerät

Die Vorwürfe gegen Christopher Joell-Deshields, den CEO von Pride in London, erschüttern derzeit die internationale LGBTQ+-Gemeinschaft. Wie PinkNews berichtet, wird der 54-jährige Geschäftsführer einer der weltweit größten Pride-Veranstaltungen wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern, Mobbing und Belästigung untersucht. Ihm wird vorgeworfen, Luxusparfüms mit etwa 30.000 Pfund an Essens- und Getränkegutscheinen gekauft zu haben, die von einem Sponsor gespendet wurden.

Was diese Krise fĂĽr Deutschland bedeutet

Während in London ermittelt wird, kämpft die deutsche Pride-Bewegung mit ihren eigenen existenziellen Herausforderungen. Der Christopher Street Day (CSD) in Berlin steht vor massiven finanziellen Problemen, da viele Sponsoren den CSD in diesem Jahr nicht unterstützen und etwa 200.000 Euro an geplanten Einnahmen fehlen. Die Organisatoren haben nun eine Spendenkampagne gestartet, um die diesjährige Parade am 26. Juli zu retten.

Die Parallelen sind beunruhigend: Sowohl in London als auch in Berlin zeigt sich, wie fragil die finanzielle Basis der Pride-Bewegung geworden ist. Auch der Cologne Pride berichtete, dass mehrere amerikanische Unternehmen, die sich zum Teil seit Jahrzehnten fĂĽr die Ziele des CSD engagiert hatten, ihre UnterstĂĽtzung zurĂĽckgezogen haben.

Die dunkle Seite des Pride-Jahres 2024

Doch finanzielle Probleme sind nur ein Teil der Krise. Die Amadeo-Antonio-Stiftung berichtete, dass 2024 ein Drittel aller CSDs in Deutschland zum Ziel rechtsextremer Angriffe wurde. Fast 40 Prozent aller CSDs wurden von Neonazis und anderen Rechten queerfeindlich angegriffen, wobei in 32 Orten eine rechte Versammlung stattfand und im Kontext von mindestens 68 CSDs Störungen, Sachbeschädigungen oder Angriffe auf Teilnehmende vermeldet wurden.

Besonders erschreckend war die Situation in Bautzen, wo etwa 700 Rechtsextreme aus ganz Deutschland anreisten, um den CSD zu stören. Die Veranstalter mussten aus Sicherheitsgründen sogar die Aftershowparty absagen. In anderen Städten wie Regensburg wurde die gesamte CSD-Parade aufgrund von Bedrohungen abgesagt.

Christopher Joell-Deshields: Vom Vorbild zum Verdächtigen

Die Ironie der aktuellen Situation ist bitter: Joell-Deshields ist der erste Schwarze Person, die im Vorstand von Pride in London sitzt und ihr erster CEO - ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte der Organisation. Er dient auch als Vizepräsident für Diversity & Inclusion bei InterPride, der internationalen Dachorganisation der Pride-Veranstalter.

Seine Geschichte war eigentlich eine Erfolgsgeschichte: Seine Reise mit Pride in London begann 2016 als Freiwilliger, bevor er 2018 in den Vorstand aufstieg. Noch 2021, nach den Rassismusvorwürfen gegen Pride in London, hatte er versprochen, "einen Raum zu schaffen, der diverse Ansichten wertschätzt".

Nun behauptet Joell-Deshields laut Yahoo News, er sei das Opfer einer Hexenjagd und äußerte "Besorgnis über die Absichten der Menschen, die die Untersuchung eingeleitet haben". Er bleibt vorerst in seiner Position, während die Ermittlungen laufen.

Die deutsche Pride-Bewegung am Wendepunkt

Die deutschen CSDs haben ihre eigene Geschichte von Kontroversen. 2014 stand der Berliner CSD unter heftigem Beschuss, als Vorwürfe laut wurden, dass sich der Geschäftsführer Robert Kastl finanziell an der Pride-Demo bereichere und ohne Berechtigung große Entscheidungen alleine treffe - er wollte sogar den Christopher Street Day eigenmächtig in "Stonewall" umbenennen, ohne dies demokratisch im CSD-Forum zu entscheiden.

Heute steht die Bewegung vor neuen Herausforderungen. Dem Christopher Street Day in Berlin fehlen wichtige Sponsorengelder, in Schönebeck beendeten die Behörden den ersten deutschen CSD des Jahres 2025 vorzeitig, wobei die Organisatoren berichten, das Ordnungsamt habe die Versammlung als nicht politisch genug eingestuft.

Gleichzeitig gibt es innerhalb der Community selbst Spannungen. Die Internationalistische Queer Pride Berlin positioniert sich als Alternative zum kommerziellen CSD mit einem explizit antikolonialen und antikapitalistischen Ansatz. "Ich habe mir die Wagenreihung angeschaut, Jobcenter und Boston Consulting Group, und dachte mir: Maybe not", sagte eine Teilnehmerin, während ein anderer Besucher den CSD als "voll von Pink-Washing" kritisierte.

Internationale Vernetzung als Hoffnung

Trotz aller Krisen zeigt sich auch die Stärke der internationalen Pride-Bewegung. InterPride, die internationale Organisation, bringt Pride-Veranstalter aus der ganzen Welt zusammen, um Wissen zu teilen und ihre Wirkung zu maximieren, wobei die Struktur, Programme und Initiativen von Pride-Organisatoren selbst gestaltet werden. Mit 338 Mitgliedsorganisationen aus 70 Ländern bildet sie ein wichtiges Netzwerk der Solidarität.

In Deutschland selbst koordiniert der CSD Deutschland e.V. als Dachverband die verschiedenen Christopher Street Days. Der Berliner CSD entwickelt sich zum vielleicht wichtigsten europäischen Pride, da er als Bindeglied zwischen West- und Osteuropa fungiert, während tausende Schwule und Lesben aus Osteuropa nach Berlin reisen, um unbeschwert zu feiern.

Was jetzt passieren muss

Die Krise bei Pride in London sollte ein Weckruf für die gesamte Bewegung sein. Transparenz, demokratische Strukturen und klare Governance-Regeln sind keine Luxusthemen, sondern essentiell für das Überleben der Pride-Bewegung. Die deutschen CSDs müssen aus den Erfahrungen in London lernen und ihre eigenen Strukturen stärken.

Gleichzeitig zeigt der massive Rückzug von Sponsoren, dass die Community neue Wege der Finanzierung finden muss. Der Berliner CSD warnt bereits: "Ohne zusätzliche Unterstützung geraten gerade jene Angebote unter Druck, die den CSD wirklich für alle zugänglich machen", und startet deshalb eine Spendenkampagne mit dem Aufruf "Jede Spende hilft, diese wichtigen Projekte zu sichern".

Die Pride-Bewegung steht 2025 an einem Scheideweg. Zwischen rechtsextremen Angriffen, finanziellen Krisen und internen Skandalen muss sie ihre Kernwerte verteidigen und gleichzeitig neue Wege finden, um relevant und nachhaltig zu bleiben. Die Untersuchungen gegen Joell-Deshields in London werden zeigen, ob die Bewegung stark genug ist, sich selbst zu reinigen und zu reformieren. Für Deutschland bedeutet das: Die Zeit für halbherzige Solidarität ist vorbei. Es braucht jetzt echtes Engagement - von der Politik, der Wirtschaft und vor allem von der Community selbst.


Wenn Tweets zu Verhaftungen fĂĽhren: Der Fall Graham Linehan und die deutsche Debatte ĂĽber Meinungsfreiheit

Der irische Drehbuchautor Graham Linehan, bekannt für erfolgreiche Comedy-Serien wie "Father Ted" und "The IT Crowd", wurde am Montag am Londoner Flughafen Heathrow von fünf bewaffneten Polizisten festgenommen. Der Grund: drei seiner Beiträge auf der Plattform X, in denen ihm die Anstiftung zu Gewalt vorgeworfen wird. Dieser Vorfall hat eine heftige internationale Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit entfacht - eine Diskussion, die auch in Deutschland hochaktuell ist. Quelle: queer.de

Die umstrittenen Tweets und ihre Folgen

In einem der betroffenen Posts hatte Linehan geschrieben, dass "wenn ein sich als trans identifizierender Mann in einem Frauen-Bereich ist, er eine gewalttätige, missbräuchliche Handlung begeht." Er forderte dazu auf, in solchen Situationen "eine Szene zu machen, die Polizei zu rufen oder sogar den Täter zu schlagen". Nach seiner Festnahme versuchte Linehan, diese Aussage als Scherz herunterzuspielen und behauptete, er habe mit dem 'Schlag'-Tweet einen wichtigen Punkt machen wollen - mit einem Witz. Männer, die Frauenräume betreten, seien Missbraucher und müssten jedes Mal herausgefordert werden. Der Teil über den 'Schlag in die Eier' handle vom Größenunterschied zwischen Männern und Frauen.

Ein weiterer Tweet zeigte ein Foto einer Trans-Rights-Demonstration mit der Überschrift: "Ein Foto, das man riechen kann". Der dritte Beitrag enthielt die Worte "Ich hasse sie" in Bezug auf "Frauenfeinde und Homophobe". Als einzige Kautionsbedingung wurde Linehan verboten, X zu nutzen, und er muss im Oktober erneut zu einem Polizeiverhör erscheinen.

Prominente UnterstĂĽtzung und politische Reaktionen

Die Festnahme löste heftige Reaktionen aus. "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling schrieb auf X: "Das ist Totalitarismus. Absolut beklagenswert", während Multimilliardär Elon Musk mit dem Wort "Polizeistaat" antwortete. Die konservative Oppositionsführerin Kemi Badenoch sagte: "Es ist Zeit, dass diese Regierung der Polizei sagt, ihre Aufgabe sei es, die Öffentlichkeit zu schützen, nicht soziale Medien nach verletzenden Worten zu durchsuchen".

Das Vertrauen in die Polizei befindet sich auf einem Allzeittief. Im Oktober 2024 sagten 52 Prozent der Erwachsenen YouGov, dass sie kein Vertrauen in die Fähigkeit der Polizei haben, Kriminalität zu bekämpfen, verglichen mit 39 Prozent im Oktober 2019. Diese Zahlen spiegeln eine wachsende Besorgnis über die Prioritäten der Strafverfolgung wider.

Der deutsche Kontext: Zwischen Schutz und Freiheit

Die Diskussion über Linehans Verhaftung wirft auch in Deutschland wichtige Fragen auf. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend. Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser kürzlich. Queerfeindliche Straftaten stiegen im Jahr 2023 zum siebten Jahr in Folge und auf einen neuen Höchststand.

Gleichzeitig gibt es in Deutschland eine intensive Debatte über die Balance zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz vor Hassrede. Das Grundgesetz garantiert jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Dazu zählt auch die Pressefreiheit – eine Zensur findet nicht statt. Von diesem Recht machen Millionen Menschen in Deutschland tagtäglich Gebrauch.

Seit Februar 2022 müssen soziale Netzwerke in Deutschland strafbare Inhalte nicht nur löschen, sondern an das Bundeskriminalamt melden. Dafür wurde die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) eingerichtet. Im Februar 2024 trat der Digital Services Act (DSA) in der gesamten EU in Kraft. Das Gesetz gilt für alle Anbieter von digitalen Diensten und schafft einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen.

Das Selbstbestimmungsgesetz als Meilenstein

Während in Großbritannien über Linehans Tweets diskutiert wird, hat Deutschland mit dem am 1. November in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetz einen wichtigen Schritt gemacht. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen können jetzt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern lassen. Das wegweisende Gesetz erlaubt Transgender und nicht-binären Menschen, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen.

Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus erklärte: "Das ist ein guter Tag für nichtbinäre, trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland. Mehr als 40 Jahre lang wurden Betroffene durch das Transsexuellengesetz diskriminiert. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz ist endlich Schluss damit".

Die Herausforderung der Balance

Der Fall Linehan verdeutlicht die Spannung zwischen verschiedenen Rechten und Werten. Die Herausforderung im Umgang mit Hassrede liegt oft im Spannungsfeld zur Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht und eine Voraussetzung für demokratische Gesellschaften. Doch gesetzliche Maßnahmen gegen Hassrede zielen nicht darauf ab, freie Meinungsäußerung zu unterdrücken, sondern die öffentliche Sicherheit und den Schutz von Minderheiten zu gewährleisten. Die Abgrenzung erfordert eine sorgfältige Prüfung.

In Deutschland zeigen aktuelle Studien besorgniserregende Trends: Antifeministische, sexistische und transfeindliche Einstellungen befinden sich auf hohem Niveau und finden sich in allen gesellschaftlichen Gruppen, vor allem jedoch auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Darin spiegelt sich wider, dass Feministinnen und Transpersonen von Parteien und Bewegungen im äußeren rechten Spektrum offensichtlich zu einem zentralen Feindbild gemacht werden.

Der Weg nach vorn

Die Diskriminierung von trans* Menschen in Deutschland bleibt trotz rechtlicher Fortschritte ein ernstes Problem. Die FRA-Studie zur Lage von LGBTIQ in Europa und Deutschland aus dem Jahr 2024 verdeutlicht das schockierende Ausmaß der Diskriminierung. In Deutschland berichteten 65 % der trans* Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten. Nur 19 % aller trans* Personen glaubt, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz wirksam bekämpft.

Der Fall Graham Linehan wirft fundamentale Fragen über die Grenzen der Meinungsfreiheit auf - Fragen, die in Deutschland ebenso relevant sind wie in Großbritannien. Demokratie gibt es nur mit Meinungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht formulierte die Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung als "schlechthin konstituierend" für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung.

Die Herausforderung besteht darin, sowohl die Meinungsfreiheit zu schĂĽtzen als auch vulnerable Gruppen vor Diskriminierung und Gewalt zu bewahren. Deutschland hat mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen wichtigen Schritt in Richtung Anerkennung und Schutz von trans* Menschen gemacht. Gleichzeitig muss die Gesellschaft weiterhin daran arbeiten, einen respektvollen Dialog zu fĂĽhren, der alle Menschen einschlieĂźt - ohne Platz fĂĽr Hass und Hetze zu lassen.


Zwiesel zeigt Flagge: Zwischen HitlergruĂź und Regenbogen beim ersten CSD

Das allererste CSD im Landkreis Regen findet am 31.08.2025 in Zwiesel statt – doch schon bei der Premiere musste sich die queere Community mit rechtsextremen Störaktionen auseinandersetzen. Der Vorfall zeigt exemplarisch, warum Pride-Demonstrationen gerade im ländlichen Bayern so wichtig sind.

400 Menschen setzen ein Zeichen fĂĽr Vielfalt

Unter dem Motto "Für einen bunten und weltoffenen Landkreis Regen" zogen am Sonntag rund 400 Menschen durch die Kleinstadt im Bayerischen Wald. Die Route führte vom Rathaus zur Barker Bucht – eine beachtliche Teilnehmerzahl für eine Stadt mit knapp 10.000 Einwohnern. Dabei braucht es oftmals viel mehr Heldenmut, um bei den kleineren Prides Flagge zu zeigen, besonders in konservativen Regionen wie dem niederbayerischen Landkreis.

Rechtsextreme Provokation mit Folgen

Ausgerechnet während der friedlichen Demonstration zeigte ein 24-jähriger Zwieseler gegen 16:15 Uhr in der Angerstraße den verbotenen Hitlergruß und schrie "Heil Hitler". Nach § 86a Absatz 1 und 2 StGB macht sich strafbar, wer unter anderem nationalsozialistische Kennzeichen wie Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen verwendet. Die Polizei erstattete Anzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen – ein Delikt, das mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden kann.

Eine weitere Provokation erfolgte durch eine 28-jährige Frau, die mit übergroßen Deutschlandfahnen auf Motorhaube und Heck ihres Autos durch die Stadt fuhr – eine offensichtliche Gegenaktion zur Pride-Parade. Da die Kennzeichen nicht mehr lesbar waren, musste die Polizei einschreiten.

Cannabis-Konsum: Wenn Unachtsamkeit zum Problem wird

Doch nicht nur von außen kam Gegenwind: Zwei CSD-Teilnehmerinnen – eine 41-jährige aus Kirchberg und eine 50-jährige Münchnerin – konsumierten während der Demonstration gemeinsam einen Marihuana-Joint, obwohl sich Kinder in unmittelbarer Nähe aufhielten. Der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist verboten. Die beiden Frauen wurden wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Konsumcannabisgesetz angezeigt.

Dieser Vorfall ist besonders ärgerlich, da er den Gegnern von LGBTQ+-Rechten unnötig Munition liefert. Mit strikter Alterskontrolle und Mindestabständen zu Schulen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen beim öffentlichen Konsum soll gewährleistet werden, dass Kinder und Jugendliche keine Konsumanreize erhalten – ein Grundsatz, der gerade bei Pride-Veranstaltungen, die oft Familien mit Kindern anziehen, besonders beachtet werden sollte.

Warum kleine CSDs so wichtig sind

Die Vorfälle in Zwiesel zeigen beispielhaft, warum Pride-Demonstrationen gerade in ländlichen Regionen unverzichtbar sind. Um als Schwuler freier atmen zu können, verließ er einst seine konservative Heimat und ging in die Großstadt. Heute haben CSD-Umzüge längst ihren Weg in die deutsche Provinz gefunden – sie gibt es mittlerweile in Iserlohn und Oldenburg, in Schwerin und sogar im bayerischen Altötting.

Obwohl sich seit 1969 viel getan hat, hat der Pride Month noch immer seine Berechtigung. In vielen Ländern ist Homosexualität auch heute noch strafbar und auch in Deutschland gibt es noch immer Gewalt gegen LGBTQ-Menschen. Die Statistiken sind alarmierend: Im Jahr 2024 kam es laut Bundeskriminalamt zu 1.765 Straftaten, die gegen die sexuelle Orientierung gerichtet waren (+18 % im Vgl. zum Vorjahr) sowie zu 1.152 Straftaten gegen geschlechtsbezogene Diverstität (+35 % im Vgl. zum Vorjahr), davon in Summe in beiden Kategorien über 300 Gewaltdelikte.

Die Tradition geht weiter

Trotz der Störungen war der erste CSD in Zwiesel ein wichtiger Meilenstein für die Region. Christopher Street Day (CSD) ist eine jährliche europäische LGBTQ+ Feier und Demonstration für die Rechte von LGBTQ+ Menschen und gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Es ist Deutschlands und der Schweiz Gegenstück zu Gay Pride oder Pride Paraden.

Die nächste Ausgabe ist bereits in Planung: Der CSD Zwiesel 2025 findet am 31. August 2025 statt. Die Organisatoren hoffen auf noch mehr Unterstützung aus der Bevölkerung – und weniger Störaktionen. Denn gerade in Zeiten, in denen über 40 Prozent der Straftaten gegen die sexuelle Orientierung und gegen geschlechtsbezogene Diversität aus dem politisch rechten Spektrum kommen, ist Sichtbarkeit und Solidarität wichtiger denn je.

Die Bedeutung des Pride Months ist also nach wie vor groĂź: Als Zeichen fĂĽr eine bunte, tolerante Gesellschaft und auch als Protest gegen Ungerechtigkeiten. Der CSD Zwiesel mag klein sein, aber er sendet ein groĂźes Signal: Auch im Bayerischen Wald hat Hass keinen Platz.


Justizvollzug als Kampffeld: Wie der Fall Liebich die Debatte um trans Rechte in Deutschland befeuert

Die sächsische Justizministerin Constanze Geiert (CDU) hat in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung eine radikale Forderung aufgestellt: Trans Personen sollen beim Justizvollzug grundsätzlich nicht mehr als trans anerkannt werden. Diese Äußerung markiert einen neuen Höhepunkt in der aufgeheizten Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz, die durch den Fall des rechtsextremen Sven Liebich befeuert wird.

Der Fall Liebich: Wenn Provokation auf Politik trifft

Jahrzehntelang war Sven Liebich in der rechtsextremen Szene unterwegs, doch als sich eine Gefängnisstrafe abzeichnete, beantragte er im Dezember 2024 einen neuen Vornamen und Geschlechterwechsel und nennt sich nun Marla-Svenja Liebich. Während des Christopher Street Days 2022 in Halle an der Saale soll Liebich Teilnehmende als "Parasiten der Gesellschaft" beschimpft haben, ein Jahr darauf dann als "Schwuletten", zudem schwadronierte Liebich von einem angeblichen "Transfaschismus".

Die zeitliche Nähe zwischen Verurteilung und Geschlechtsänderung wirft Fragen auf. Liebich war im Juli 2023 – damals noch als Sven Liebich – vom Amtsgericht Halle wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Eigentlich hätte die Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich ihre Haft am vergangenen Freitag in der JVA Chemnitz antreten sollen – doch sie erschien nicht. Seither wird nach der Verurteilten gefahndet.

Das Selbstbestimmungsgesetz: Ein Recht fĂĽr alle

Das SBGG erleichtert es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Es ist am 1. November 2024 in Kraft getreten. Eine gerichtliche Entscheidung über die Antragstellung ist nicht mehr erforderlich. Auch die Notwendigkeit zur Einholung zweier Sachverständigengutachten entfällt.

Deutschland reiht sich damit in eine Reihe von Ländern ein, die bereits ähnliche Regelungen eingeführt haben. Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay, Spanien, Finnland, Schweiz, Brasilien, Kolumbien und Ecuador respektieren in entsprechenden Gesetzen die Grundrechte und Selbstbestimmung von trans* Personen bei der Änderung des Geschlechtseintrags.

Die prekäre Situation von trans Personen im Strafvollzug

Die Unterbringung von trans Menschen in Justizvollzugsanstalten ist ein komplexes Thema, das weit über den Fall Liebich hinausgeht. Die aktuelle Debatte um die Unterbringung von trans* Personen in Justizvollzugsanstalten ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Länder in diesem Bereich keine Gesetze erlassen haben.

Nur wenige Bundesländer haben klare Regelungen: Für die Unterbringung von Strafgefangenen sehen drei Bundesländer bereits Regelungen vor, die vom schlichten binären Trennungsgrundsatz abweichen: § 11 Abs. 1 und 2 Berliner Strafvollzugsgesetz (StVollzG Bln), § 98 Abs. 3 und 4 Hamburgisches Strafvollzugsgesetz sowie § 70 Abs. 2 Hessischen Strafvollzugsgesetz.

Die mangelnde gesetzliche Regelung hat tragische Konsequenzen. In Santa Fu erhängte sich offenbar eine trans Frau, nachdem sie von den männlichen Insassen gemobbt worden war. Sie habe "hier in der Anstalt ein sehr schweres Leben" gehabt, soll er in einem Brief geschrieben haben. Dieser Fall aus Hamburg im Jahr 2022 zeigt die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs.

Europäische Standards und deutsche Realität

Der Europarat hat klare Empfehlungen ausgesprochen. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) des Europarates hat eine Reihe von Normen und Empfehlungen für europäische Gefängnisse herausgegeben, die sicherstellen sollen, dass inhaftierte Transgender-Personen – eine besonders gefährdete Gruppe der Gefängnispopulation – mit Respekt behandelt und vor Misshandlungen geschützt werden.

„Es ist besorgniserregend, dass einige Staaten immer noch die Existenz von trans Personen leugnen und keine besonderen Vorkehrungen für ihre Behandlung im Gefängnis treffen, wodurch sie Misshandlungen ausgesetzt sein können", sagte der Präsident der Expertengruppe, Alan Mitchell.

Die politische Instrumentalisierung

Ministerin Geierts Vorschlag, das Selbstbestimmungsgesetz aus dem Justizvollzug herauszunehmen, ignoriert die bestehende Rechtslage. Das Bundesjustizministerium betont auf Anfrage von LTO, dass die Strafvollstreckung Ländersache sei, in jedem Fall aber der grundrechtliche Schutz aller Gefangenen sicherzustellen sei.

Der Vorwurf, das Selbstbestimmungsgesetz würde die Akzeptanz von trans Menschen verringern, entbehrt jeder empirischen Grundlage. Vielmehr zeigt sich, dass die politische Instrumentalisierung von Einzelfällen wie dem Fall Liebich zu einer Verschärfung der Diskriminierung führt. Gabriel_Nox Koenig, Pressesprecher des Bundesverbandes Trans*, geht die Diskussion am entscheidenden Punkt vorbei: „Dass wir Gewalt in Gefängnissen nur dann diskutieren, wenn es um trans* Frauen und Frauengefängnisse geht, zeigt, dass das Thema nicht ernsthaft besprochen wird, sondern gegen trans* Frauen instrumentalisiert wird".

Ein Blick nach vorn

Die Debatte um trans Rechte im Justizvollzug erfordert differenzierte Lösungen statt pauschaler Verbote. Eine differenzierte gesetzliche Regelung der Unterbringung im Strafvollzug ist jedoch verfassungsrechtlich geboten, vor allem wegen des Grundrechts auf geschlechtliche Selbstbestimmung und des Rechtsstaatsprinzips.

Deutschland steht an einem Scheideweg: Wird es den menschenrechtlichen Standards des Europarats folgen und allen Gefangenen, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität, Schutz und Würde garantieren? Oder wird es sich von populistischen Forderungen leiten lassen, die auf Kosten der vulnerabelsten Gruppen gehen?

Der Fall Liebich mag ein extremes Beispiel sein, doch er darf nicht dazu missbraucht werden, die Rechte aller trans Menschen zu beschneiden. Eine solche Regelung würde darüber hinaus Unsicherheiten mindern – bei Betroffenen, vollziehenden Organen und in der Gesellschaft. Es ist Zeit für eine sachliche Debatte, die sich an Menschenrechten und nicht an Ressentiments orientiert.


Der Kampf um Fairness: Imane Khelifs Klage gegen Geschlechtertests spaltet die Sportwelt

Die algerische Boxerin Imane Khelif hat beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne Berufung gegen die umstrittenen Geschlechtertests des Weltboxverbandes World Boxing eingelegt. Wie aus der ursprünglichen Meldung hervorgeht, untersagt die neue Regelung der 26-jährigen Olympiasiegerin die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen ohne vorherigen Gentest. Imane Khelif hat beim Internationalen Sportgerichtshof (Cas) Berufung gegen eine Entscheidung des Weltboxverbandes World Boxing eingelegt, die ihr die Teilnahme an bevorstehenden Veranstaltungen ohne vorherigen Gentest untersagt. Das teilte der Cas mit.

Ein Fall mit globaler Tragweite

Die Entscheidung des CAS in diesem Fall könnte wegweisend für den gesamten Profisport werden. World Boxing hatte erst kürzlich entschieden, dass alle Boxerinnen, die in der Frauen-Kategorie bei den Weltmeisterschaften vom 4. bis 14. September in Liverpool starten wollen, einen Geschlechtertest absolvieren müssen. Ab dem 1. Juli darf bei allen Wettbewerben von World Boxing nur teilnehmen, wer mittels eines PCR-Gentests sein biologisches Geschlecht bestimmen lässt. Bedeutet: Wird das männliche Y-Chromosom bei einer Boxerin nachgewiesen, wird sie automatisch für den Frauen-Wettbewerb gesperrt.

Der Fall wirft fundamentale Fragen auf, die auch in Deutschland intensiv diskutiert werden. Durch den Fall der südafrikanischen Läuferin Caster Semenya ist die Frage mit dem Umgang des Dritten Geschlecht im Sport auf die Tagesordnung der Verbände gerückt, die sich seitdem mit der Frage nach dem Umgang von Intersexualität im Sport beschäftigen muss. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass es in den meisten internationalen Sportwettbewerben bisher nur zwei Geschlechter gibt: männlich und weiblich. Daher sehen die nationalen Wettbewerbe nur zwei Startkategorien vor: die der Damen und die der Herren.

Die Olympia-Kontroverse von Paris

Bei den Sommerspielen in Paris hatte die Debatte um Khelif und Lin Yu-ting aus Taiwan massiven Wirbel ausgelöst und eine gesellschaftspolitische Dimension angenommen. Beide Boxerinnen waren nach nicht näher erklärten Geschlechtertests vom Verband Iba, der vom Internationalen Olympischen Komitee nicht mehr anerkannt wird, von der WM 2023 ausgeschlossen worden. Beide hätten laut Iba die erforderlichen Teilnahme-Kriterien nicht erfüllt und „im Vergleich zu anderen weiblichen Teilnehmern Wettbewerbsvorteile" gehabt.

Die Reaktion des IOC war eindeutig: Das IOC nannte es eine „willkürliche Entscheidung ohne ordnungsgemäßes Verfahren" und ließ Khelif und Lin in Paris teilnehmen. Das im Pass angegebene Geschlecht sei maßgeblich für die Zulassung zu den Wettbewerben, lautete eine Begründung. Beide holten Gold.

Politische Instrumentalisierung und persönliche Angriffe

Besonders schockierend war die Reaktion einiger deutscher Politiker. Johannes Winkel, der Bundeschef der Jungen Union, hat zwei olympische Boxerinnen, die er offenbar als trans ansieht, als "kranke Männer" bezeichnet. Auf X (vormals Twitter) veröffentlichte der 32-Jährige am Donnerstagnachmittag ein Bild der Boxerin Imane Khelif aus Algerien, nachdem sie kurz zuvor ihr erstes Duell in Paris gegen die Italienerin Angela Carini gewonnen hatte. Dazu schrieb der Christdemokrat: "Was würden die großen Frauenrechtlerinnen sagen, die Jahrzehnte für Gleichberechtigung gekämpft haben, wenn sie sehen könnten, dass ihre 'Nachfolger' durchgedrückt haben, dass Frauen nun von offenbar kranken Männern verprügelt werden dürfen?"

JU-Chef Johannes Winkel hat am frühen Freitagnachmittag seinen Tweet über die "kranken Männer" komentarlos gelöscht. Doch der Schaden war bereits angerichtet – die hetzerischen Äußerungen hatten bereits ihre Runden in den sozialen Medien gedreht.

Deutsche Perspektiven: Zwischen Inklusion und Fairness

In Deutschland zeigt sich ein differenziertes Bild im Umgang mit Geschlechtervielfalt im Sport. Auch in Deutschland wird die Debatte um Geschlechtsidentität im Sport intensiv geführt. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat sich für die Gleichberechtigung aller Geschlechter und sexuellen Identitäten im Sport ausgesprochen und unterstützt verschiedene Initiativen, die Diskriminierung abbauen sollen. Einige deutsche Sportverbände haben inzwischen eigene Richtlinien entwickelt. So hat etwa der Deutsche Hockey-Bund (DHB) spezifische Regelungen zur Spielberechtigung von Trans*- und Inter*-Menschen eingeführt, die eine inklusive und faire Teilnahme ermöglichen sollen.

Ein progressives Beispiel liefert der Berliner Fußball-Verband: Ein Gegenentwurf zur Regelung des Weltschwimmverbandes ist eine Regelung des Berliner Fußball-Verbandes. Dieser stellt trans, intergeschlechtliche und nicht-binären Personen die Entscheidung, in welchem Team sie spielen wollen, seit dem vergangenen Jahr frei.

Wissenschaftliche Erkenntnisse und ihre Grenzen

Die Debatte um Testosteronwerte als alleiniges Kriterium wird von Expert*innen kritisch gesehen. Weil ihr Wert nicht zur Norm passt, darf Semenya per Definition des Verbands nicht als Frau antreten. Zahlreiche weitere Sportler und Sportlerinnen mit intersexuellen Anlagen sind von dieser Richtlinie betroffen. Dabei bezweifeln einige Forschende, dass sich Athleten anhand des Hormons einem biologischen Geschlecht sinnvoll zuordnen lassen.

Medizinische Fachleute warnen vor vereinfachten Lösungen: Experten weisen zudem darauf hin, dass das bloße Vorhandensein eines Y-Chromosoms nicht automatisch einen höheren Testosteronspiegel und damit ein erhöhtes Leistungsvermögen mit sich bringt. Allein anhand des Testosteron Levels ist eine Unterteilung jedenfalls nicht möglich. Schlussendlich geht es um die Frage, was ist level playing field? Was ist Fair Play? Es geht um das Herstellen möglichst vergleichbarer Wettkampfvoraussetzungen.

Der aktuelle Stand des Verfahrens

Khelif habe bereits am 5. August Berufung eingereicht, in der der Cas unter anderem aufgefordert wird, die 26-Jährige bei den Weltmeisterschaften auch ohne Test zuzulassen. Die Forderung, die Tests auszusetzen, bis eine Entscheidung gefallen ist, lehnte der Cas an diesem Montag ab. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, wurde nicht mitgeteilt. Eine Anhörung werde anberaumt, hieß es.

Die Sportlerin selbst bleibt kämpferisch. Nachdem französische Medien Khelifs früheren Manager mit den Worten zitierten, die Boxerin befinde sich im Ruhestand und werde nie wieder antreten, hat die 26-Jährige dies am Mittwoch dementiert. Sie bleibe ihrer Sportkarriere treu und trainiere regelmäßig in Algerien und Katar, "um mich auf bevorstehende Wettkämpfe vorzubereiten", schrieb sie bei Facebook.

Ein Blick in die Zukunft

Die Entscheidung des CAS wird weitreichende Folgen haben. World Boxing wurde im Februar vom IOC-Exekutivrat als Partner anerkannt. Für die Organisation der Box-Turniere 2024 in Paris und drei Jahre zuvor in Tokio hatte das IOC nach der Iba-Suspendierung die Verantwortung getragen. 2028 in Los Angeles soll World Boxing die Organisation der olympischen Boxwettbewerbe übernehmen – bis dahin muss eine Lösung gefunden werden.

Die Debatte um Geschlechtertests im Sport ist mehr als nur eine sportliche Angelegenheit. Sie berührt fundamentale Fragen von Menschenrechten, Würde und Fairness. In diesem Fall hieße das: Das Recht der etwas anderen Athletinnen, ohne hormonsupressive Medikamente, also letztlich körperlich unversehrt, zu laufen, wiegt schwerer als der Leistungsvorteil, den sie gegenüber den Konkurrentinnen haben: Inklusion schlägt Chancengleichheit. Das verlangt nicht nur dem Publikum eine gewisse zivilisatorische Reife ab, vor allem die Rivalinnen auf der Rennbahn müssen etwas zugestehen, das nicht selbstverständlich ist – den Sonderstatus einer Minderheit. Es geht nicht um eine heroische Selbstlosigkeit, ein wenig Empathie für die intersexuellen Athletinnen würde schon reichen.

Der Fall Imane Khelif zeigt exemplarisch, wie Sportler*innen zu Projektionsflächen politischer Kämpfe werden – und wie wichtig es ist, ihre Menschenwürde zu schützen. Die Sportwelt steht vor der Herausforderung, Wege zu finden, die sowohl Fairness als auch Inklusion gewährleisten. Deutschland könnte hier mit progressiven Ansätzen einzelner Verbände eine Vorreiterrolle einnehmen und zeigen, dass Vielfalt und sportlicher Wettkampf keine Gegensätze sein müssen.


Liebe kennt keine Grenzen: Polnischer Politiker verlässt rechte Partei für intergeschlechtliche Partnerin

Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte erschüttert derzeit die polnische Politik: Dawid Szóstak, ein 38-jähriger Politiker der rechtsextremen Partei Konfederacja, hat seine Partei verlassen, nachdem er sich in eine intergeschlechtliche Frau verliebt hat. Die Geschichte, die zuerst von der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" berichtet wurde, wirft ein Schlaglicht auf die tiefen gesellschaftlichen Spannungen in Polen – und zeigt gleichzeitig, wie persönliche Begegnungen selbst die verhärtetsten politischen Fronten durchbrechen können.

Ein katholischer Nationalist trifft die Liebe

Die neue Liebe Szóstaks ist die 36-jährige Michalina Manios, die 2011 durch ihre Teilnahme bei "Top Model. Zostań modelką", der polnischen Version von "Germany's Next Topmodel", bekannt wurde. Dort erzählte sie offen darüber, dass sie als Junge großgezogen wurde und sich gefühlt habe, als ob sie in einem Gefängnis lebe. Manios wurde als Hermaphrodyt mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen geboren und lebte in ihrer Kindheit als Junge namens Michał.

Als 18-Jährige klagte sie erfolgreich darauf, vom polnischen Staat als Frau anerkannt zu werden. Nach ihrer Zeit im Rampenlicht zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück, lebte in Schweden und machte einen Abschluss in Philologie und Psychologie. In Kürze will sie laut Berichten auch einen Abschluss in Sexualwissenschaften machen.

Die beiden lernten sich im Internet kennen. Szóstak, der sich selbst als "katholischen Nationalisten" bezeichnet, erklärte, er habe zuerst Bilder von Manios auf X gesehen und sei von ihrer "Energie und Weiblichkeit" beeindruckt gewesen. Auch dass beide dem katholischen Glauben angehören, sei wichtig gewesen. "Wir respektieren Tradition, wir sind beide religiös, aber wir sind auch unvoreingenommen", so Szóstak.

Die Konfederacja: Polens rechte Hardliner

Die Entscheidung Szóstaks ist umso bemerkenswerter, wenn man die politische Ausrichtung seiner ehemaligen Partei betrachtet. Die Konfederacja steht politisch noch weiter rechts als die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jarosław Kaczyński. 2019 hatte Parteichef Sławomir Mentzen die fünf Ziele der Partei so zusammengefasst: "Wir stehen auf gegen Juden, Homosexuelle, Abtreibung, Steuern und auch die Europäische Union!"

Erst 2019 gegründet, erfährt die Konfederacja besonders bei jungen Männern, die in Kleinstädten und ländlichen Gebieten leben, breite Unterstützung. Laut einer im März 2023 durchgeführten Umfrage unterstützen 27% der Unter-40-jährigen die Konfederacja. Unter jungen Männern beträgt dieser Anteil sogar 37%, bei jungen Frauen sind es bis zu 11%.

Szóstak sagte, dass seine früheren Parteifreunde keine Hardliner seien, aber: "Ich wollte nicht, dass mein Privatleben meine politischen Aktivitäten beeinflusst". Diese Aussage wirft ein interessantes Licht auf die internen Dynamiken der Partei und zeigt, dass selbst in extrem rechten Kreisen persönliche Überzeugungen und öffentliche politische Positionen auseinanderklaffen können.

Kirchliche Hochzeit in Polen? Ein schwieriges Unterfangen

Szóstak zeigt sich optimistisch, dass er in einer katholischen Kirche in Polen heiraten kann: "Es gibt nichts, was uns davon abhält, in einer Kirche zu heiraten. Es gibt keine Restriktionen. Michalina ist eine Frau", sagte er. Unklar ist jedoch, ob die notorisch queerfeindliche Kirche in Polen das genauso sieht.

Die katholische Kirche in Polen hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt gegen LGBTQ+-Rechte positioniert. Sie hat sich erneut gegen eine Einführung der Homo-Ehe ausgesprochen und eine "LGBT-Ideologie" verurteilt. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Stanisław Gądecki, bezeichnete homosexuelle Menschen zwar als "Brüder und Schwestern", sagte aber gleichzeitig, dass die Achtung vor bestimmten Menschen nicht "zur Akzeptanz einer Ideologie" führe.

Katholische Kirchenführer tragen laut der Menschenrechtskommissarin des Europarates aktiv zur Stigmatisierung von Homo-, Bi- und Intersexuellen sowie Transgender bei. Die polnischen Bischöfe fordern sogar die Einrichtung von "Beratungsstellen", die Menschen "helfen" sollen, "die ihre sexuelle Gesundheit und natürliche sexuelle Orientierung wiedererlangen möchten" – ein Euphemismus für sogenannte Konversionstherapien.

Deutschland als Vorbild? Das Selbstbestimmungsgesetz

Während in Polen intergeschlechtliche und trans Menschen weiterhin mit massiver Diskriminierung konfrontiert sind, hat Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen wichtigen Schritt gemacht. Das SBGG erleichtert es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Es ist am 1. November 2024 in Kraft getreten.

Das neue Gesetz vereinfacht den Prozess erheblich: Die Änderung erfolgt durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt. Das Gesetz tritt an die Stelle des Transsexuellengesetzes (TSG) von 1980. Eine gerichtliche Entscheidung über die Antragstellung ist nicht mehr erforderlich. Die Änderung muss drei Monate vor der persönlichen Erklärung beim Standesamt angemeldet werden. Erst nach Ablauf dieser Frist kann die persönliche Erklärung abgegeben und der Geschlechtseintrag sowie die Vornamen geändert werden.

Diese Entwicklung in Deutschland steht in starkem Kontrast zur Situation in Polen, wo die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt weiterhin auf massive Widerstände stößt. Eine Analyse von 2021 kam zu dem Entschluss, dass die polnische Bevölkerung teils deutlich toleranter mit Homosexualität umgehe als es die rechtskonservativ-nationalistische PiS-Regierung vertrat. 56% der polnischen Befragten gaben an, dass eine Eheschließung für Homosexuelle erlaubt sein sollte. 58% waren der Meinung, ein homosexuelles Paar könne auch ohne Kinder eine Familie sein.

Eine Liebesgeschichte als politisches Statement

Die Geschichte von Dawid Szóstak und Michalina Manios ist mehr als nur eine private Romanze. Sie zeigt, wie persönliche Begegnungen selbst tief verwurzelte ideologische Überzeugungen erschüttern können. Szóstak sagt, er wolle beweisen, dass Konfederacja und Ruch Narodowy "nicht twardogłowe osoby sind, sondern Menschen, die offen auf den Menschen zugehen". "Auf jeden muss man individuell schauen. Aber ich wollte nicht, dass mein Privatleben meine politische Tätigkeit beeinflusst".

In einem Polen, das zunehmend zwischen liberalen und konservativen Kräften zerrissen ist, könnte diese ungewöhnliche Liebesgeschichte vielleicht einen kleinen Beitrag zur Verständigung leisten. Sie zeigt, dass Liebe tatsächlich keine Grenzen kennt – weder politische noch geschlechtliche. Ob die beiden jedoch tatsächlich in einer katholischen Kirche in Polen heiraten können, bleibt abzuwarten. Die Chancen stehen angesichts der aktuellen kirchlichen Position eher schlecht.

Die Geschichte macht auch deutlich, wie wichtig gesetzliche Reformen wie das deutsche Selbstbestimmungsgesetz sind. Sie geben Menschen die Möglichkeit, selbstbestimmt und würdevoll zu leben – unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität. In Polen ist man von solchen Regelungen noch weit entfernt, doch Geschichten wie die von Szóstak und Manios könnten vielleicht einen kleinen Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel leisten.


Wenn Rechtsextremismus auf Selbstbestimmung trifft: Der Fall Liebich und die deutsche Trans-Debatte

Die Flucht der verurteilten Rechtsextremistin Marla Svenja Liebich vor ihrer Haftstrafe hat in Deutschland eine heftige Debatte über das neue Selbstbestimmungsgesetz ausgelöst. Am Freitagabend sollte Liebich ihre Haftstrafe in der JVA Chemnitz antreten, erschien jedoch nicht – die Staatsanwaltschaft bestätigte später, dass Liebich bis zur Frist um 18 Uhr nicht erschienen war. Wie die Meldung von queer.de berichtet, ist Liebich nach Angaben der Polizei weiterhin flüchtig.

Die zweifelhafte Geschlechtsidentität als Provokation

Marla-Svenja Liebich, geboren 1970 als Sven Liebich, änderte ihren Namen und Geschlechtseintrag Anfang 2025 – ein Schritt, der von vielen als reine Provokation und Missbrauch des neuen Selbstbestimmungsgesetzes gesehen wird. Im September 2023 hatte Liebich noch als Mann Teilnehmer des CSD als "Schwuletten" beschimpft und von "Transfaschismus" gesprochen. Diese Vorgeschichte macht deutlich, dass hier keine echte Transidentität vorliegt, sondern eine gezielte Aktion gegen die LGBTQ+-Community.

Liebich kokettierte öffentlich mit der nur vermeintlichen Transidentität und fragte ihre digitale Gefolgschaft: "Ob man wisse, wie es sich anfühlt, 'ein ganzes System zu ficken'". Diese Aussagen verdeutlichen, dass Liebich die neuen gesetzlichen Möglichkeiten bewusst missbraucht, um das System zu verhöhnen und gleichzeitig transfeindliche Ressentiments zu schüren.

Eine lange Geschichte rechtsextremer Aktivitäten

In den 1990er Jahren war Liebich eine Schlüsselfigur im Blood & Honour Netzwerk in Sachsen-Anhalt und gründete Mitte der 90er einen Versandhandel für rechtsextreme Rockmusik. Bereits in den 1990er Jahren war Liebich führend in der heute verbotenen rechtsextremen Gruppe Blood and Honour, organisierte ab den 2000ern regelmäßig Demonstrationen gegen die Asylpolitik in Halle – der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt bezeichnete ihre Aktionen als "beispiellos".

Die Verurteilung erfolgte wegen besonders perfider Taten: Liebich verkaufte im Internet Baseballschläger mit der Aufschrift "Abschiebehelfer". Im Juli 2023 wurde Liebich vom Amtsgericht Halle zu eineinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt wegen Volksverhetzung, Verleumdung und Beleidigung – die Berufung wurde im August 2024 abgewiesen, die Revision im Mai 2025 vom Oberlandesgericht Naumburg endgültig abgelehnt.

Das Selbstbestimmungsgesetz: Fortschritt und Kontroverse

Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) erleichtert es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen zu ändern und trat am 1. November 2024 in Kraft. Eine Änderung erfolgt durch eine persönliche "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt, wobei drei Monate vorher die Änderung angemeldet werden muss.

Deutschland folgt damit anderen Ländern wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay, die bereits einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts auf Grundlage der Selbstbestimmung haben. Der Bundestag verabschiedete das wegweisende Gesetz am 12. April 2024, um die Grundrechte von trans- und nicht-binären Menschen zu stärken.

Queere Organisationen in der Defensive

Der Fall Liebich setzt queere Organisationen in Deutschland unter Druck. Organisationen wie der LSVD und der Bundesverband Trans* begrüßen zwar das Selbstbestimmungsgesetz als wichtigen Fortschritt, kritisieren jedoch, dass es in einigen Punkten nicht weit genug geht – beispielsweise die dreimonatige Anmeldefrist, die als Einschränkung der Selbstbestimmung gesehen wird.

Der Bundesverband Trans* betonte, dass "dem Verband nach der eingehenden Beschäftigung mit dem vorgelegten Entwurf nicht nur zum Feiern zumute" sei, da sich die zunehmend transfeindlichen Narrative in der Gesellschaft und den Medien im Gesetz verfestigen würden. Diese Sorge hat sich mit dem Fall Liebich als berechtigt erwiesen.

Die politische Instrumentalisierung

Der Fall hatte die Debatte über das neue Selbstbestimmungsgesetz wieder angefacht – mit dem im November 2024 in Kraft getretenen Gesetz wurden Änderungen des Geschlechtseintrags und Vornamens deutlich erleichtert. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) warf Liebich einen Missbrauch der neuen Regelungen vor und forderte Änderungen am Gesetz: "Der Geschlechterwechsel scheint hier eindeutig ein Missbrauchstatbestand zu sein".

Konservative Politiker und rechte Medien nutzen Liebichs offensichtlichen Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes, um ihre queerfeindlichen Positionen zu untermauern – so nannte die CSU-Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz gegenüber der Welt das Gesetz einen "großen Fehler".

Die Realität von Diskriminierung und Gewalt

Während der Fall Liebich die Schlagzeilen dominiert, darf nicht vergessen werden, dass trans Menschen in Deutschland weiterhin massiver Diskriminierung ausgesetzt sind. Die FRA-Studie zur Lage von LGBTIQ in Europa und Deutschland aus dem Jahr 2024 verdeutlicht das schockierende Ausmaß der Diskriminierung, der trans* Personen ausgesetzt sind.

Das Bundesinnenministerium und das Bundeskriminalamt veröffentlichten einen umfassenden Lagebericht zur Sicherheit von LSBTIQ* Menschen, der einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre zeigt. Der Bundesinnenminister teilte im Juni 2023 mit, dass die Polizei im vergangenen Jahr über 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen registriert hatte – in den letzten Jahren gab es mehrere Angriffe auf Pride-Veranstaltungen, von denen einer 2022 zum gewaltsamen Tod eines Trans-Mannes führte.

Die Flucht als letzte Provokation

Liebichs Flucht vor der Justiz schlachtet er medial aus: Er deutet an, in Russland zu sein, teilt KI-generierte Memes von sich in Moskau – darunter ein James-Bond-Plakat mit dem Hashtag #runningwoman. "Ein echter Vorteil: Schon als kleines Mädchen war ich auf einer Schule mit erweitertem Russischunterricht", schreibt er. Gleichzeitig behauptet Liebich, die USA hätten Interesse bekundet, ihm Asyl zu gewähren.

Die Staatsanwaltschaft in Halle hatte bereits Hinweise darauf, dass die verurteilte Rechtsextremistin ihre Haft nicht antreten würde. "Wir haben erkannt, dass es zweifelhaft ist, dass Liebich sich stellen wird", sagte Oberstaatsanwalt Dennis Cernota. Bereits vor Ablauf der Frist seien deshalb "operative Maßnahmen" eingeleitet worden – bislang jedoch ohne Erfolg.

Was bedeutet das fĂĽr die deutsche Gesellschaft?

Der Fall Liebich zeigt die Verwundbarkeit progressiver Gesetzgebung gegenüber böswilligem Missbrauch. Der Fall hat Diskussionen um das Selbstbestimmungsgesetz ausgelöst, dabei ist das neue Personenstandsrecht gegen Missbrauch gewappnet: Standesämter müssen Eintragungen in klaren Fällen ablehnen. Die Behörden hätten hier offensichtlich genauer hinsehen müssen.

Die Reform der gesetzlichen Geschlechtsanerkennung auf Grundlage der Selbstbestimmung wird Trans*Personen in Deutschland nicht per se vor Missbrauch und Diskriminierung schützen. Aber das neue Gesetz zeigt, dass die Regierung die Grundrechte von trans*- und nicht-binären Menschen unterstützt, was zu einem breiteren Verständnis und einer größeren Akzeptanz von verschiedenen Geschlechtsidentitäten beiträgt.

Der Fall macht deutlich, dass Deutschland einen schwierigen Balanceakt meistern muss: einerseits die Rechte von trans Menschen zu schützen und zu stärken, andererseits Missbrauch zu verhindern. Eine klare Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen die Diskriminierung der queeren Community und für gleiche Rechte aus – 73 Prozent sind der Meinung, dass lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen vor Diskriminierung geschützt werden sollten, bei trans Personen stimmen 70 Prozent zu.

Die Flucht von Liebich mag als spektakuläre Inszenierung erscheinen, doch sie darf nicht davon ablenken, dass trans Menschen in Deutschland weiterhin Schutz und Unterstützung benötigen. Der Missbrauch durch eine rechtsextreme Person darf nicht dazu führen, dass die Rechte einer bereits marginalisierten Gruppe eingeschränkt werden. Stattdessen sollte der Fall als Mahnung dienen, sowohl wachsam gegenüber Missbrauch zu sein als auch entschlossen gegen Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTQ+-Menschen vorzugehen.


Snoop Dogg und die Lightyear-Kontroverse: Wenn Hip-Hop-Ikonen straucheln

Hat sich Snoop Dogg für seine homophoben Äußerungen über den Disney-Film "Lightyear" entschuldigt – oder doch nicht? Die Verwirrung ist groß, nachdem ein Sprecher des Rappers betont hat, dass angebliche Entschuldigungskommentare eine Fälschung seien. Der 53-jährige Rapper hatte sich zunächst scheinbar unter einem Instagram-Post geäußert und geschrieben: "Ich war einfach überrumpelt und hatte keine Antwort für meine Enkel. Alle meine homosexuellen Freunde wissen, was los ist." Doch nun behauptet sein Sprecher, diese Kommentare seien ein "Fake".

Die ursprĂĽngliche Kontroverse

In einem Podcast-Interview hatte Snoop Dogg erzählt, wie sein Enkelkind ihn beim gemeinsamen Kinobesuch von "Lightyear" fragte: "Papa Snoop? Wie kann sie ein Baby mit einer Frau haben? Sie ist eine Frau!" Der Rapper reagierte darauf mit den Worten: "Ich bin nicht für diese Scheiße hergekommen. Ich bin nur gekommen, um den verdammten Film anzuschauen. Es ist, als hätte ich jetzt Angst, ins Kino zu gehen. Ihr werft mich in die Mitte von Scheiße, für die ich keine Antwort habe."

Der Film "Lightyear", der 2022 erschien, war Disneys erster Animationsfilm, der einen gleichgeschlechtlichen Kuss zeigte und ein Paar des gleichen Geschlechts darstellte, das ein Kind groĂźzieht. Die lesbische Kussszene war ursprĂĽnglich von Disney herausgeschnitten worden, wurde aber nach Protesten von Pixar-Mitarbeitern wieder eingefĂĽgt.

Internationale Reaktionen und deutsche Parallelen

Mehr als ein Dutzend Länder verboten "Lightyear" wegen des lesbischen Kusses, während Disney es ablehnte, die Szenen zu entfernen. Länder wie Saudi-Arabien, die VAE, Bahrain, Ägypten, Kuwait, Oman und Katar zeigten den Film nicht in Kinos, und auch China forderte die Entfernung der Szene, was Disney ablehnte.

Die Kontroverse um Snoop Doggs Äußerungen zeigt interessante Parallelen zur Situation in Deutschland auf. Laut dem aktuellen Lagebericht des Bundesinnenministeriums ist die Zunahme queerfeindlicher Straftaten in den vergangenen Jahren erschreckend, wobei von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss, da viele Betroffene Straftaten nicht anzeigen. Queerfeindliche Straftaten stiegen in Deutschland 2023 zum siebten Jahr in Folge auf einen neuen Höchststand.

Hip-Hop und LGBTQ+: Ein kompliziertes Verhältnis

Die trans Schauspielerin Ts Madison kritisierte Snoop Dogg scharf und wies darauf hin: "Snoop Dogg ist historisch ein Verfechter gegen Zensur gewesen, und sein Ruhm basiert auf Ausdruck. Also meine Frage ist, Snoop: Du hast Musikvideos mit Frauen, die tanzen und andere Frauen kĂĽssen, nackt tanzen. Warum ist es also angemessen, lesbisches Verhalten in deinen Musikvideos zu zeigen? Und du hast Angst, die Fragen deiner Enkelkinder zu beantworten?"

Interessanterweise hatte Snoop Dogg 2004 einen Gastauftritt in der lesbischen Drama-Serie "The L Word" auf Showtime, wo er bei einer Spendengala auftrat. Seine Präsenz wurde damals als Zeichen des Mainstream-Crossover-Appeals für eine Serie gesehen, die sich kompromisslos auf lesbische Charaktere konzentrierte.

Gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland

Die Debatte um Snoop Doggs Äußerungen findet zu einer Zeit statt, in der auch in Deutschland die Einstellungen zur LGBTQ+-Community komplex sind. Eine klare Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen die Diskriminierung der LGBTQIA+-Community und für gleiche Rechte aus. Vor allem bei jungen Männern nehmen queerfeindliche Ansichten aber auch in Deutschland eher zu. 73 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen vor Diskriminierung geschützt werden sollten. Bei trans* Personen stimmen sieben von zehn Befragten (70 %) der Aussage zu.

Moderne bzw. subtile Formen von Homophobie – z.B. die Ablehnung der Sichtbarkeit von Homosexualität in der Öffentlichkeit oder der Thematisierung in den Medien – sind weiter verbreitet als Formen klassischer Homophobie. So sind beispielsweise 44 Prozent der Ansicht, Homosexuelle sollten aufhören, "so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen".

Die Macht der Repräsentation

Trotz Snoop Doggs Behauptung, dass Kinderfilme Queerness "überall" zeigen würden, zeigte ein GLAAD-Bericht vom Juni 2025, dass nur zwei Kinderfilme, die 2024 veröffentlicht wurden, LGBTQ+-Repräsentation enthielten – ein Rückgang von 62% bei queerer Repräsentation in Kinderfilmen. In beiden Filmen waren die queeren Charaktere Nebenrollen, die weniger als eine Minute auf dem Bildschirm erschienen.

Die Drehbuchautorin von "Lightyear", Lauren Gunderson, verteidigte ihre Entscheidung, das lesbische Paar in den Film aufzunehmen. Sie schrieb auf Instagram, es sei eine "so schöne Liebe" und betonte: "Es ist keine Fiktion. Was Fiktion IST, sind Zurg [ein böser Imperator] und Lichtgeschwindigkeits-Raumfahrt und mörderische Aliens und eine sprechende Roboterkatze."

Ein ungelöster Konflikt

Die Kommentare des Rappers führten zu Aufrufen, seinen für den 27. September geplanten Auftritt beim Australian Football League Grand Final abzusagen. Die Äußerungen des Rappers haben zu Aufrufen geführt, ihn von einem bevorstehenden Auftritt fallen zu lassen.

Die Verwirrung um Snoop Doggs angebliche Entschuldigung zeigt, wie schwierig der Dialog über LGBTQ+-Repräsentation in der Popkultur bleibt. Während sein Sprecher behauptet, die versöhnlichen Kommentare seien gefälscht, bleibt unklar, wer hinter diesen Aussagen steckt und was Snoop Doggs tatsächliche Position ist.

In einer Zeit, in der das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen verbietet und die Bundesregierung 2017 den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus erweiterte, um auch Homosexuellen- und Transfeindlichkeit zu ächten, zeigt diese Kontroverse, dass der Weg zur vollständigen Akzeptanz noch lang ist – sowohl in der Hip-Hop-Kultur als auch in der Gesellschaft insgesamt.

Die Debatte verdeutlicht, dass kulturelle Ikonen eine besondere Verantwortung tragen. Ihre Worte können entweder Brücken bauen oder Gräben vertiefen. Im Fall von Snoop Dogg bleibt abzuwarten, ob er sich klar positioniert und echte Verantwortung für seine Äußerungen übernimmt – oder ob die Verwirrung um seine angebliche Entschuldigung bestehen bleibt.


Wenn Solidarität schmerzt: Der brutale Angriff auf Kitty O'Brien und die Grenzen des Protests

Der brutale Polizeiangriff auf die queere Person Kitty O'Brien bei einer propalästinensischen Demonstration in Berlin wirft ein grelles Licht auf die zunehmende Gewalt gegen Aktivist*innen und die besorgniserregenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit in Deutschland. Der 25-jährige Dubliner Kitty O'Brien wurde am Donnerstagabend zweimal von einem Polizisten ins Gesicht geschlagen und erlitt dabei einen gebrochenen Arm, der operiert werden muss. Die Bilder des blutüberströmten Gesichts gingen um die Welt und lösten internationale Empörung aus.

Ein Vorfall wird zum internationalen Politikum

Die irische Botschafterin Maeve Collins und hochrangige Beamte des irischen Außenministeriums haben die deutschen Behörden kontaktiert, um ihre Besorgnis über den Vorfall zu vermitteln. Selbst der irische Premierminister Micheal Martin bezeichnete den Vorfall als "inakzeptabel" und sprach von "tiefer Besorgnis". Dass ein EU-Mitgliedsstaat sich genötigt sieht, auf diplomatischer Ebene gegen Polizeigewalt in Deutschland zu intervenieren, sollte uns alle alarmieren.

Kitty O'Briens Behandlung durch die Polizei in Berlin hat nun Proteste in der deutschen Botschaft in Dublin ausgelöst, wobei dort ein paar Dutzend Personen Ärger äußerten. Die Wellen, die dieser Vorfall schlägt, reichen weit über Berlin hinaus und werfen fundamentale Fragen über den Zustand der Demokratie und der Menschenrechte in Deutschland auf.

Irish Bloc Berlin: Solidarität über Grenzen hinweg

Kitty O'Brien ist Teil des "Irish Bloc Berlin", einer im Februar 2024 gegründeten Gemeinschaft von Aktivist*innen verschiedener Hintergründe, die sich gleichermaßen für Menschen öffnet, die nicht irisch oder europäisch sind, aber ihr gemeinsames Engagement für die palästinensische Befreiung teilen. Die Gruppe zielt darauf ab, Deutschlands systematische und rassifizierte Unterdrückung pro-palästinensischer Stimmen zu bekämpfen und steht als Ausdruck der langjährigen Solidarität des irischen Volkes mit den Palästinenser*innen.

Diese Solidarität ist historisch verwurzelt. Paul Murphy, ein Mitglied des irischen Parlaments, erklärte: "Das irische Volk ist mit den Palästinensern solidarisch, weil wir selbst eine Geschichte der kolonialen Unterdrückung haben." Irland diente als imperiales Labor, in dem Teilungsstrategien zunächst erprobt wurden, bevor sie in der ganzen Welt Anwendung fanden. Heute haben viele ehemalige Kolonien mit dem blutigen Erbe der Politik des Teilens und Herrschens zu kämpfen.

Systematische Repression und absurde Verbote

Die deutsche Polizei geht mit zunehmender Härte gegen propalästinensische Solidaritätsdemonstrationen vor. Besonders absurd wird es, wenn selbst die irische Sprache bei einem Pro-Palästina-Protestcamp verboten wird, obwohl Gaeilge die Nationalsprache der Republik Irland und seit 2007 auch eine Amtssprache der EU ist. Die Polizei lässt nur Deutsch und Englisch zu – Arabisch ist nur für ein kurzes Zeitfenster um 18 Uhr erlaubt – und verbietet Sprachen, die sie nicht versteht, damit sie überprüfen kann, ob etwas Illegales gesagt wird.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats Michael O'Flaherty ist "besorgt über Berichte von exzessiver Gewaltanwendung durch die Polizei gegen Versammlungsteilnehmer, einschließlich Minderjähriger, die teilweise zu Verletzungen führen". Das Land Berlin hat alle geplanten Demonstrationen zum Gedenken an die palästinensische Nakba in den Jahren 2022 und 2023 aufgrund von diskriminierenden Stereotypen über die zu erwartenden Teilnehmer*innen vorab verboten.

Queere Solidarität mit Palästina: Ein vermeintlicher Widerspruch?

Die Tatsache, dass Kitty O'Brien als queere Person bei einer Palästina-Demonstration brutal angegriffen wurde, wirft ein Schlaglicht auf die vielfältigen Allianzen innerhalb der Bewegung. Queere Menschen kämpfen für eine befreite, gerechte Welt. Dass sie sich mit Palästina solidarisieren, ist daher nur konsequent.

Viele der Demonstrationen gegen den israelischen Angriff auf Gaza werden von Queers angeleitet. In Berlin fanden zur Pride zwei große Demonstrationen mit zehntausenden Teilnehmenden statt, die beide unter dem Zeichen der Solidarität mit Palästinenser*innen standen: der Dyke March für lesbische Sichtbarkeit und der antikapitalistische nicht-kommerzielle Internationalist Queer March.

Diese Solidarität wird oft missverstanden oder bewusst falsch dargestellt. Kritiker*innen sagen oft: "Du bist queer und äußerst dich palästinasolidarisch? Geh mal nach Gaza, mal sehen wie lange du da überlebst." Doch queere Menschen dürfen sich nicht gegen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen aussprechen. Palästina und der gesamte mittlere Osten werden zu einem Hort der Barbaren gemacht, deren Gegensatz Israel und der Westen darstellen.

Polizeigewalt als strukturelles Problem

Nach der Statistik der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP sind im Jahr 2024 so viele Menschen erschossen worden wie noch nie seit Beginn der Zählung in 1976. 22 Menschen sind durch Polizeikugeln gestorben. Dies zeigt, dass Polizeigewalt in Deutschland ein wachsendes strukturelles Problem darstellt.

Forschungen an der Universität Bochum zeigen, dass unrechtmäßige Polizeigewalt in Deutschland deutlich häufiger vorkommt als bisher bekannt. Abhilfe könnte eine unabhängige Instanz schaffen, die bei Polizeigewalt möglichst neutral ermitteln könnte. In anderen Ländern wie Irland oder Dänemark funktioniert dies gut. In Deutschland wird diese Reform seit Jahren von den Polizeigewerkschaften erfolgreich verhindert. Gewerkschaftsfunktionäre in Uniform haben das Sagen in deutschen Innenministerien.

Die Verhältnismäßigkeit in Frage gestellt

Die Berliner Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen mit dem Verweis auf Widerstand und Beleidigungen. Die Polizei berichtete, dass O'Brien sich verweigerte und mehrere Polizisten beleidigte, wobei O'Brien Polizisten "Völkermordanhänger" und "F*CKing Nazis" genannt haben soll. Doch rechtfertigen verbale Auseinandersetzungen Faustschläge ins Gesicht und einen gebrochenen Arm? Die Verhältnismäßigkeit polizeilichen Handelns – ein Grundpfeiler des Rechtsstaats – wurde hier offensichtlich missachtet.

Besonders besorgniserregend ist, dass den vier Aktivist*innen zwar strafrechtliche Vorwürfe im Rahmen von propalästinensischen Protestaktionen gemacht werden, allerdings keine*r von ihnen strafrechtlich verurteilt wurde. Dennoch plant das Land Berlin ihre Ausweisung. Die deutsche Regierung versucht systematisch, jede Art von Protest gegen die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung zu verbieten. Das ist ein Signal an die gesamte Protestbewegung für Palästina und an alle anderen Protestbewegungen: dass niemand sicher ist, der nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat.

Ein Weckruf fĂĽr die Demokratie

Der Fall Kitty O'Brien ist mehr als ein einzelner Gewaltexzess. Er steht symbolisch für die zunehmende Einschränkung der Versammlungsfreiheit, die unverhältnismäßige Polizeigewalt und die Kriminalisierung legitimen Protests in Deutschland. Die Recherchen von Amnesty International zeichnen ein zutiefst beunruhigendes Bild eines europaweiten Angriffs auf die Versammlungsfreiheit. Regierungen schaffen ein protestfeindliches Umfeld, das eine ernsthafte Bedrohung für friedliche Demonstrant*innen darstellt.

Wenn queere Menschen aus Irland für ihre Solidarität mit Palästina brutal zusammengeschlagen werden, wenn EU-Sprachen verboten werden, wenn internationale diplomatische Interventionen nötig sind, um auf Polizeigewalt aufmerksam zu machen – dann ist es höchste Zeit, dass wir als Gesellschaft innehalten und uns fragen: In was für einem Land wollen wir leben? Die Antwort darauf wird entscheidend sein für die Zukunft unserer Demokratie.


Catcalling endlich unter Strafe stellen: Deutschland hinkt beim Schutz vor verbaler sexueller Belästigung hinterher

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert, verbale sexuelle Belästigung – das sogenannte Catcalling – endlich unter Strafe zu stellen. Wie queer.de berichtet, bezeichnete die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede diese Gesetzeslücke als nicht länger tolerierbar. Besonders betroffen von dieser Form der Belästigung sind neben Frauen auch lesbische Frauen und andere Mitglieder der LGBTQ+-Community, die immer wieder von männlichen Übergriffen berichten, die auf Lesbenfeindlichkeit beruhen.

Ein alltägliches Problem mit schwerwiegenden Folgen

Laut einer aktuellen Umfrage wurden bereits 27 Prozent der Deutschen durch Catcalling belästigt – bei Frauen sind es sogar 42 Prozent. Eine Befragung des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen ergab, dass gut 90 Prozent der rund 4.000 befragten Menschen wegen ihres Aussehens bewertet worden waren. Diese Zahlen zeigen: Catcalling ist kein Randphänomen, sondern ein massives gesellschaftliches Problem.

Besonders alarmierend sind die Auswirkungen auf die Betroffenen. 83 Prozent derjenigen, die Catcalling erlebt haben, empfinden dies als belastend – bei Frauen sind es sogar 86 Prozent. In der niedersächsischen Studie gaben 40 Prozent der Betroffenen an, bestimmte Orte aufgrund von Catcalling zu meiden. Die Opfer ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück – genau das, was die SPD-Politikerin Eichwede kritisiert: "Nicht die Opfer sollten ihr Verhalten ändern, sondern die Täter."

LGBTQ+-Community besonders betroffen

Für lesbische Frauen und andere Mitglieder der LGBTQ+-Community ist die Situation besonders prekär. Laut einer EU-weiten Umfrage haben 7 Prozent der lesbischen Befragten in den letzten 12 Monaten Belästigungen und Gewalt aufgrund ihrer Sexualität erfahren, 18 Prozent wurden in den letzten fünf Jahren angegriffen. Eine Studie von LesMigras zeigt erschreckende Zahlen: Von Fremden in der Öffentlichkeit wurden 65 Prozent der befragten lesbischen und bisexuellen Frauen beschimpft oder beleidigt, 18 Prozent wurden körperlich angegriffen und 22 Prozent haben sexualisierte Übergriffe erlebt.

Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen: Lediglich 7 Prozent der lesbischen Befragten haben den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei angezeigt. "Nur drei Prozent der lesbischen Frauen würden Angriffe überhaupt anzeigen. In der Gesellschaft werden Sexismus und lesbische Gewalt nicht gesehen", berichtet eine Expertin. Frauen würden lieber ihren Alltag wieder aufnehmen, als sei nichts gewesen.

Deutschland im europäischen Vergleich: Nachholbedarf bei der Gesetzgebung

Während Deutschland noch diskutiert, haben andere europäische Länder längst gehandelt. In den Niederlanden, Frankreich, Portugal und Spanien gibt es bereits Strafen für Catcalling, von Geld- bis Haftstrafen. Seit Juli 2024 ist sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum in den Niederlanden strafbar. Kurz darauf wurde dort erstmals ein Mann zu einer Geldstrafe verurteilt, der eine junge Frau in Rotterdam sexuell bedrängt hatte.

In Frankreich drohen Bußgelder von bis zu 750 Euro für verbale Belästigung im öffentlichen Raum. Diese klaren gesetzlichen Regelungen senden ein wichtiges Signal: Catcalling ist keine Bagatelle, sondern eine Form sexueller Gewalt, die ernst genommen werden muss.

Niedersachsen macht Druck – aber reicht das?

Immerhin gibt es Bewegung in der deutschen Politik. Das niedersächsische Kabinett beschloss einen Gesetzentwurf, mit dem verbale und nonverbale sexuelle Belästigung als neuer Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen würde. Der Strafrahmen sieht Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr vor. Das Merkmal "erheblich" spielt eine wichtige Rolle: Es soll sicherstellen, dass nur gravierende Fälle verfolgt werden.

Die rechtliche Situation ist komplex: Eine rein verbale sexuelle Belästigung ist allenfalls als Beleidigung nach § 185 StGB strafbar. Aber auch dies scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Fall von Catcalling regelmäßig aus. Der Bundesgerichtshof stellte bereits 2017 fest, dass hier eine Gesetzeslücke vorliege – passiert ist seitdem wenig.

Die gesellschaftliche Dimension: Mehr als nur ein Rechtsproblem

Catcalling ist eine perfide Form der Machtdemonstration, meist von Männern gegenüber Frauen. Es ist eine Form der Erniedrigung, die subtil wirken mag, aber sehr viel auslösen kann. Catcalling, also verbale sexuelle Belästigung sowie sexualisierte Hand- und Körperbewegungen und Anstarren, geht meistens von Männern aus. Viele Catcalls dauern nur wenige Sekunden. Doch die Auswirkungen können langfristig sein.

Aktivist*innen wie die Initiative "Catcalls of" machen seit Jahren auf das Problem aufmerksam. Knapp 4.500 Menschen folgen allein einem der 87 aktiven Instagram-Accounts in Deutschland, die Belästigungen öffentlich machen. Sie schreiben die Sprüche mit Kreide dort auf den Boden, wo die Übergriffe stattgefunden haben – ein kreativer Protest, der Sichtbarkeit schafft.

Was jetzt passieren muss

Die SPD-Fraktion hatte bereits 2023 während der Ampel-Koalition für einen neuen Straftatbestand geworben. Damals zeigten sich FDP und Grüne skeptisch. Jetzt, nach dem Ende der Ampel, könnte ein neuer Anlauf gestartet werden. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, eine Modernisierung des Strafgesetzbuches anzugehen – aus Sicht der SPD gehört verbale sexuelle Belästigung definitiv dazu.

Die Diskussion über Catcalling ist dabei nicht nur eine juristische, sondern vor allem eine gesellschaftliche. Es geht darum, klarzumachen: Catcalling ist nicht als Kompliment gedacht. Wollte die Person ernsthaft etwas Nettes sagen, täte sie es nicht im Vorbeigehen. Catcalling ist bloß eine weitere Art, Frauen zu objektifizieren und zu erniedrigen, und es ist verbale Gewalt.

Deutschland sollte dem Beispiel anderer Länder folgen und endlich klare Kante zeigen. Die Gesetzeslücke muss geschlossen werden – zum Schutz aller Menschen, aber besonders zum Schutz von Frauen und der LGBTQ+-Community, die überproportional von dieser Form der Gewalt betroffen sind. Es ist Zeit, dass Deutschland beim Schutz vor sexueller Belästigung nicht länger hinterherhinkt.


Stonewall in Suhl: Wenn Neonazis auf Pride treffen

Der erste Christopher Street Day in Suhl sollte ein historisches Zeichen für Vielfalt setzen – doch rechtsextreme Störungen machten ihn zu einem Symbol für den aktuellen Kampf um queere Sichtbarkeit in Deutschland. Wie queer.de berichtete, versuchten Neonazis die Pride-Demonstration mit 350 Teilnehmenden zu stören. Einzelne Gruppen suchten den Kontakt zur Demo und begannen mit "provokanten Pöbeleien", während eine Person sogar den Hitlergruß zeigte.

Ein historischer Moment unter Druck

Der CSD Suhl fand am 30. August 2024 statt und markierte einen besonderen Moment für Thüringen. "Der erste CSD in Suhl ist ein historisches Ereignis – zum ersten Mal zeigen wir in unserer Region gemeinsam sichtbar Flagge für Vielfalt, Menschenrechte und eine Gesellschaft, in der sich alle trauen, ihr wahres Selbst zu leben", hieß es im Aufruf zum Pridemarsch. Die Demonstration begann am Bahnhof, führte durch die Innenstadt und endete mit einer Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz.

Trotz der rechtsextremen Störversuche verlief die Veranstaltung insgesamt friedlich. Die Polizei griff bei den Provokationen ein und nahm eine Anzeige wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf. Die Tatsache, dass die Demonstration dennoch erfolgreich durchgeführt werden konnte, zeigt den Mut der Organisierenden und Teilnehmenden.

Deutschland im Griff rechtsextremer Anti-CSD-Mobilisierung

Was in Suhl geschah, ist kein Einzelfall. 2024 wurde knapp ein Drittel aller CSDs in Deutschland Ziel rechtsextremer Angriffe – insgesamt dokumentierte die Amadeu Antonio Stiftung 55 Fälle, in denen rechtsextreme Gruppen gezielt CSD-Demos, deren Teilnehmende sowie die Infrastruktur angriffen. Zwischen Juni und September 2024 verzeichnete das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) deutschlandweit in 27 Städten rechtsextreme Mobilisierungen gegen CSD-Veranstaltungen.

Die Strategien der Rechtsextremen reichen von psychologischem Terror bis zu physischer Gewalt. In Magdeburg skandierten etwa 350 Rechtsextreme bei einer Gegendemonstration Parolen wie "Wir kriegen euch alle" und "Weiß, normal und hetero". In Bautzen störten Hunderte Neonazis mit einem Aufmarsch den CSD – es war eine der größten rechtsextremen Gegenveranstaltungen der CSD-Saison 2024. Sie zündeten Bengalos und sangen rassistische Parolen.

Eine neue Generation von Neonazis

Laut CeMAS zeigt sich ein Wandel in der deutschen Neonazi-Szene: Eine neue Generation gewinnt an Bedeutung, die jung, online und rhetorisch stärker auf Gewalt aus ist. Diese organisiert sich in neuen Gruppen, die erst durch die Teilnahme an Anti-CSD-Protesten an Relevanz gewonnen haben. Die Studie von CeMAS analysiert, wie neue rechtsextreme Jugendbewegungen gezielt CSDs ins Visier nehmen.

Queerfeindlichkeit dient der extremen Rechten als "Brückenideologie", um an konservative und autoritäre Milieus anzuknüpfen. Unter dem Deckmantel des "Kinderschutzes" oder der Verteidigung der "Tradition" wird gegen die offene Gesellschaft mobil gemacht. Der CSD als Symbol für Vielfalt, Toleranz und Selbstbestimmung ist ihr zentrales Feindbild.

Solidarität als Antwort – Die "Jetzt-erst-recht"-Bewegung

Doch die queere Community und ihre Verbündeten lassen sich nicht einschüchtern. Die Community und ihre Verbündeten wehren sich. Gerade in Sachsen entsteht eine "Jetzt-erst-recht"-Bewegung. Immer mehr CSDs werden in Kleinstädten gegründet, gestärkt durch Solidarität aus den Metropolen. Trotz der Bedrohung zeigt sich eine wachsende Solidarität: Über 180 CSDs fanden 2024 bundesweit statt – so viele wie nie zuvor.

Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt gefährdete CSDs mit Sicherheitsberatung und Finanzierung. Schon 2024 wurden CSDs in Städten wie Zwickau, Altenburg, Sonneberg, Itzehoe und Görlitz mit Sicherheitsberatung und finanzieller Hilfe unterstützt und die Nachfrage wächst.

Was Deutschland von Suhl lernen kann

Der erste CSD in Suhl steht exemplarisch für den Mut kleiner Städte, trotz massiver Bedrohungen für Vielfalt einzustehen. Ostdeutsche CSDs rufen alle queeren Menschen und Verbündeten auf: "Kommt zu den CSDs in den kleineren Städten Ostdeutschlands! Helft mit eurer Präsenz, sichere Räume zu schaffen und ein antifaschistisches Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung zu setzen".

Die Ereignisse in Suhl zeigen: Der Kampf um queere Sichtbarkeit ist ein Kampf um die Demokratie selbst. Ein Angriff auf den CSD ist immer ein Angriff auf die Demokratie selbst. Wie der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann betont: "Unsere Demokratie wird auch auf den CSDs verteidigt!"

Was in Suhl und anderen deutschen Städten passiert, sollte uns alle alarmieren. Wenn 350 Menschen ungestört für queere Rechte demonstrieren wollen und dabei von Neonazis bedroht werden, die ungestraft den Hitlergruß zeigen können, dann ist das ein Angriff auf unsere offene Gesellschaft. Die selbstbewusste Erklärung ostdeutscher CSDs macht deutlich: Solidarität ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit.

Praktische Solidarität zeigen

Jede und jeder kann etwas tun, um die queere Community zu unterstĂĽtzen:

  • Besucht CSDs in kleineren Städten – eure Präsenz macht einen Unterschied
  • Widersprecht aktiv Hassrede in sozialen Medien
  • Spendet fĂĽr lokale LGBTQ+-Organisationen
  • Teilt Informationen ĂĽber die Situation in euren Netzwerken
  • UnterstĂĽtzt lokale Organisator*innen mit Wissen und Ressourcen

Der erste CSD in Suhl mag von Neonazis gestört worden sein, aber er fand statt – und das ist ein Sieg. Lasst uns gemeinsam zeigen, dass Liebe stärker ist als Hass. Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen, selbstbestimmt, frei und sicher zu leben! Die Geschichte zeigt: Stonewall war auch kein friedlicher Spaziergang. Der Kampf für Gleichberechtigung war nie einfach – aber er lohnt sich.


Wenn der Einkauf zur Gefahr wird: Homophobe Gewalt in deutschen Supermärkten

Ein schwules Paar wurde am Samstagabend vor einem Supermarkt in der Bremer Innenstadt Opfer eines homofeindlichen Angriffs. Der Vorfall ereignete sich gegen 19:20 Uhr in der Obernstraße, als ein 27-jähriger Mann und sein Partner von einer fünfköpfigen Gruppe erst beleidigt und dann körperlich attackiert wurden. Die Täter flüchteten unerkannt – ein Fall, der in seiner Brutalität schockiert, aber leider kein Einzelfall ist. Den vollständigen Bericht finden Sie auf queer.de.

Die erschreckende Realität queerfeindlicher Gewalt

2024 wurden in Deutschland insgesamt 1.765 Straftaten im Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung" registriert, davon 253 Gewaltdelikte. Diese Zahlen markieren einen besorgniserregenden Trend: Im Jahr 2023 wurden rund 1.500 Delikte gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst – damit stieg ihre Zahl das sechste Jahr in Folge auf einen deutlichen Höchststand.

Besonders alarmierend ist die Entwicklung über die vergangenen Jahre. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung des aktuellen Lageberichts zur Sicherheit von LSBTIQ* Menschen.

Das Problem der Dunkelziffer

Die offiziellen Zahlen bilden nur die Spitze des Eisbergs ab. Lediglich 13% der Befragten gingen zur Polizei, um einen physischen Angriff oder sexualisierte Gewalt anzuzeigen (EU-Durchschnitt: 14%), zeigt der EU-LGBTI Survey der Grundrechteagentur. Die Gründe für das Schweigen sind vielfältig: Die Betroffenen stehen vielleicht unter Schock, schämen sich oder haben Angst. Manche leben vielleicht ungeoutet.

Besonders problematisch ist das Verhältnis zur Polizei selbst. 23% haben in den letzten fünf Jahren nach einer Gewalttat eine Anzeige vermieden aus Angst vor homo-/transfeindlicher Reaktion der Polizei. Der Dunkelfeld-Studie zufolge zeigten 96 Prozent der LSBTIQ* Hate Speech und 87 Prozent körperliche oder sexuelle Übergriffe nicht an – sie hielten das Vergehen für „zu gering/nicht ernst genug" (33 Prozent) oder hatten Angst vor homo- oder transphoben Reaktionen der Polizei (23 Prozent).

Supermärkte als Orte der Vulnerabilität

Der Angriff in Bremen zeigt ein besonderes Problem auf: Alltägliche Orte wie Supermärkte werden zu Schauplätzen homophober Gewalt. Während Sicherheitsdienste im Einzelhandel in Bremen hochwertige Dienstleistungen anbieten, von Brandwachen über professionelle Videoüberwachung bis zu Sicherheitspatrouillen und Kaufhausdetektiven, sind diese primär auf Diebstahlprävention und nicht auf den Schutz vor Hassverbrechen ausgerichtet.

Laut DSGVO dürfen Videoaufnahmen in der Regel nur 24 bis 72 Stunden gespeichert werden. Diese kurze Speicherfrist kann die Aufklärung von Hassverbrechen erschweren, besonders wenn Betroffene sich erst später trauen, Anzeige zu erstatten. Mit Videokameras und Security-Mitarbeitern versuchen Supermärkte für Sicherheit zu sorgen – besonders anspruchsvoll ist das in einem Markt, der rund um die Uhr geöffnet hat, wie ein Bericht aus Bremerhaven zeigt.

Die gesellschaftliche Dimension

Die Einstellungsforschung zeigt ein differenziertes Bild der deutschen Gesellschaft. 73 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen vor Diskriminierung geschützt werden sollten. Bei trans Personen stimmen sieben von zehn Befragten (70 Prozent) der Aussage zu. Gleichzeitig existieren weiterhin erhebliche Vorbehalte: 44 Prozent sind der Ansicht, Homosexuelle sollten aufhören, „so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen".

Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung bei jungen Menschen. Eine klare Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen die Diskriminierung der queeren Community und für gleiche Rechte aus. Vor allem bei jungen Männern nehmen queerfeindliche Ansichten aber auch in Deutschland eher zu, wie aktuelle Studien zeigen.

Hilfe und UnterstĂĽtzung in Bremen

Für Betroffene queerfeindlicher Gewalt in Bremen gibt es verschiedene Anlaufstellen. Das Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben bietet seit über 40 Jahren psychosoziale Beratung und Unterstützung. Die Einrichtung umfasst eine „Empowerment- und Antidiskriminierungsberatung für queere Geflüchtete, (Post-)Migrant*innen und BIPoC in Bremen".

Zusätzlich steht soliport – die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt – unter der Telefonnummer 0421 17 83 12 12 zur Verfügung. Die AIDS-Hilfe Bremen bietet ebenfalls Beratung und Unterstützung, unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung.

Was muss sich ändern?

Der Fall in Bremen ist ein Weckruf. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden, fordert Bundesinnenministerin Faeser. Das bedeutet konkret: bessere Schulung von Sicherheitspersonal in Supermärkten und anderen öffentlichen Räumen, längere Speicherfristen für Videoaufnahmen bei Verdacht auf Hassverbrechen und vor allem ein gesellschaftliches Klima, in dem Betroffene sich trauen, Hilfe zu suchen.

Die Polizei hat inzwischen eine virtuelle Landkarte mit spezialisierten Ansprechstellen erstellt. Wir müssen mehr Bewusstsein, mehr Sensibilität und somit auch mehr Unterstützung für die Betroffenen schaffen – nicht nur in Bremen, sondern deutschlandweit.

Der Vorfall in der Obernstraße zeigt: Homophobe Gewalt kann überall passieren, auch beim alltäglichen Einkauf. Es liegt an uns allen, hinzuschauen, einzugreifen und Betroffene zu unterstützen. Nur so können wir sicherstellen, dass niemand Angst haben muss, Hand in Hand durch einen Supermarkt zu gehen.


Flucht vor der Justiz: Der Fall Liebich entlarvt die Schwächen im System

Die verurteilte Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich ist nicht zum Haftantritt in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz erschienen und wird nun per Haftbefehl gesucht. Wie queer.de berichtet, sollte Liebich bis Freitagabend in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz ihre Haft antreten. Nachdem sie sich jedoch dort nicht gemeldet hatte, hatte die Staatsanwaltschaft Halle einen Vollstreckungshaftbefehl gegen sie erlassen. Der Fall wirft ein grelles Licht auf gleich mehrere Problemfelder in Deutschland: den Umgang mit Rechtsextremismus, die Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz und die Herausforderungen des Strafvollzugs.

Ein Leben geprägt von Hass und Hetze

Liebich zählt seit den 1990er Jahren zu den bekanntesten Gesichtern des ostdeutschen Rechtsextremismus. Bereits damals war er führender Aktivist der sachsen-anhaltischen Sektion des Neonazi-Netzwerks "Blood & Honor", das wegen seiner Gewaltorientierung und Nähe zum Terrorismus seit 2000 in Deutschland verboten ist. Die Liste der Straftaten ist lang: Liebich war im Juli 2023 – damals noch als Sven Liebich – vom Amtsgericht Halle wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden.

Besonders perfide war Liebichs Agitation gegen die LGBTQ+-Community. Jahrelang trat Liebich mit queerfeindlichen Aktionen in Erscheinung, störte Christopher Street Days und hetzte gegen queere Menschen. 2022 störte Liebich den CSD Halle und bezeichnete die Teilnehmenden als "Parasiten dieser Gesellschaft", wie die taz berichtet.

Das Selbstbestimmungsgesetz als Zielscheibe rechter Provokation

Ende 2024 nutzte Liebich dann das neu eingeführte Selbstbestimmungsgesetz für eine kalkulierte Provokation. Das SBGG erleichtert es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Es ist am 1. November 2024 in Kraft getreten. Eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen kann durch eine persönliche "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt erfolgen. Drei Monate vorher muss die Änderung bei dem Standesamt, bei dem die Erklärung abgegeben werden soll, angemeldet werden.

Liebich ließ den Geschlechtseintrag ändern und präsentierte sich fortan als Marla-Svenja Liebich. Jahrzehntelang war Sven Liebich in der rechtsextremen Szene unterwegs, doch als sich eine Gefängnisstrafe abzeichnete, beantragte er im Dezember 2024 einen neuen Vornamen und Geschlechterwechsel, teilte das öffentlichkeitswirksam mit und nennt sich inzwischen Marla-Svenja Liebich. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Änderung weniger Ausdruck einer tatsächlichen Geschlechtsidentität war, sondern vielmehr ein Versuch, das Selbstbestimmungsgesetz zu verhöhnen und die Haftbedingungen zu beeinflussen.

Die Herausforderungen fĂĽr den Strafvollzug

Die aktuelle Debatte um die Unterbringung von trans* Personen in Justizvollzugsanstalten ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Länder in diesem Bereich keine Gesetze erlassen haben. Eine differenzierte gesetzliche Regelung der Unterbringung im Strafvollzug ist jedoch verfassungsrechtlich geboten, vor allem wegen des Grundrechts auf geschlechtliche Selbstbestimmung und des Rechtsstaatsprinzips. Eine solche Regelung würde darüber hinaus Unsicherheiten mindern – bei Betroffenen, vollziehenden Organen und in der Gesellschaft.

Nur wenige Bundesländer haben bisher explizite Regelungen für trans*, inter* und nicht-binäre Personen im Strafvollzug geschaffen. Für die Unterbringung von Strafgefangenen sehen drei Bundesländer bereits Regelungen vor, die vom schlichten binären Trennungsgrundsatz abweichen: § 11 Abs. 1 und 2 Berliner Strafvollzugsgesetz (StVollzG Bln), § 98 Abs. 3 und 4 Hamburgisches Strafvollzugsgesetz sowie § 70 Abs. 2 Hessischen Strafvollzugsgesetz. Alle drei Regelungen gehen nach wie vor vom Regelfall des Trennungsgrundsatzes aus, befassen sich jedoch insbesondere mit dem Umgang mit nicht-binären Personen bzw. mit Personen ohne männlichen oder weiblichen Geschlechtseintrag. Die Regelungen in Hamburg und Berlin beziehen sich zudem auf binäre trans* Personen.

Parallelen zur deutschen Realität: Rechtsextremismus auf dem Vormarsch

Der Fall Liebich ist kein Einzelfall, sondern symptomatisch für ein größeres Problem. Queere Menschen sehen sich aber insgesamt einem besonders hohen Gewaltrisiko ausgesetzt, welches in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen hat. Die Gesamtzahl der erfassten Hasskriminalität – also von Taten, die durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit motiviert sind – stieg laut dem Bundeskriminalamt im Jahr 2024 um 28 Prozent auf 21.773 Delikte. Darunter befinden sich 1.765 Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung (plus 17,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) sowie 1.152 aufgrund geschlechtsbezogener Diversität (plus 34,89 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).

Im vergangenen Jahr kam es bei Pride Veranstaltungen zu rechtsextrem motivierten Störungen, digitalen Hasskampagnen, Körperverletzungen und Einschüchterungsversuchen, etwa in Flensburg, Aurich, Bautzen, Hannover, Paderborn, Dresden, Leverkusen, Pinneberg, Bayreuth, Neustrelitz, Emden, Ravensburg, Brandenburg an der Havel, Gifhorn, Stollberg, Überlingen, Bernau, Weimar, Köln, Berlin, Köthen, Mannheim, Braunschweig oder in Essen. Auch im Jahr 2025 wurden bereits CSD-Veranstaltungen durch Bedrohungslagen beeinträchtigt oder gar verhindert, zum Beispiel in Gelsenkirchen und Regensburg.

Die Flucht als letzter Akt der Provokation

Statt sich der Justiz zu stellen, setzte sich Liebich offenbar ins Ausland ab. In einer Sprachnachricht an Anhänger erklärte Liebich, "unpässlich" zu sein und sich in ein "Drittland" abgesetzt zu haben. „Niemand wusste von meinem Entschluss - kein Anwalt, keine Familie", schreibt Liebich in den Sozialen Medien, auf X. Mitten im Post: Ein Plakat mit der Aufschrift "Liebesgrüsse aus Moskau - James Bond" und dem Hashtag #runningwoman. Nun teilte der Neonazi auf X mit, er halte sich "auf dem Boden der Russischen Föderation auf" und spreche mit "kremlnahen Beamten". Sein Plan: von dort aus Asyl in den USA zu beantragen, wo "Interesse bekundet" wurde, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft hat einen Vollstreckungshaftbefehl erlassen und fahndete nach Liebich. Nach eigenen Angaben fĂĽhrt die Staatsanwaltschaft die Fahndung in Absprache mit der Polizeiinspektion Halle durch. Demnach folgt nun eine Ausschreibung in den polizeilichen Suchsystemen. AuĂźerdem werde unter anderem geprĂĽft, wo Liebich zuletzt gewohnt und mit wem sie zuletzt Kontakt hatte.

Was Deutschland daraus lernen muss

Der Fall Liebich zeigt deutlich: Deutschland hat ein Problem mit Rechtsextremismus, das weit über einzelne Personen hinausgeht. Die Instrumentalisierung des Selbstbestimmungsgesetzes durch einen verurteilten Neonazi ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die für gleiche Rechte und Akzeptanz kämpfen. Die Reform der gesetzlichen Geschlechtsanerkennung auf Grundlage der Selbstbestimmung wird Trans*Personen in Deutschland nicht per se vor Missbrauch und Diskriminierung schützen. Aber das neue Gesetz zeigt, dass die Regierung die Grundrechte von trans*- und nicht-binären Menschen unterstützt, was zu einem breiteren Verständnis und einer größeren Akzeptanz von verschiedenen Geschlechtsidentitäten beiträgt.

Gleichzeitig braucht es dringend einheitliche Regelungen für die Unterbringung von trans*, inter* und nicht-binären Personen im Strafvollzug. Die aktuelle Rechtslage, die von Bundesland zu Bundesland variiert, schafft Unsicherheit und Raum für Missbrauch. „Wir wollen herausfinden, wie der deutsche Justizvollzug die Situation von trans* Personen in der Haft regelt und organisiert. Zum Beispiel fragen wir, ob das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht für die Unterbringung im Männer- bzw. Frauenvollzug entscheidend ist oder die Selbstidentifikation der Personen", erklärt Prof.in Dr.in Gunda Wössner von der Evangelischen Hochschule.

Vor allem aber zeigt der Fall, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus und für eine offene, vielfältige Gesellschaft noch lange nicht gewonnen ist. Der Staat muss Sicherheit für alle gewährleisten, muss Freiheit schützen, gleiche Rechte vollenden, Diskriminierung bekämpfen und Akzeptanz stärken. Deshalb ist im gegenwärtigen Klima der Verrohung Aufgabe der öffentlichen Institutionen mit gutem Beispiel voranzugehen und ihren Anteil zu leisten, die Sichtbarkeit queeren Lebens zu erhöhen und sich solidarisch mit denen zu zeigen, die derzeit angefeindet und auch angegriffen werden.

Der Fall Liebich mag ein extremes Beispiel sein, aber er ist Teil eines größeren Musters. Solange Rechtsextremisten ungestraft hetzen, solange queere Menschen Angst haben müssen, solange die Justiz nicht konsequent durchgreift – solange ist unsere Demokratie in Gefahr. Es ist Zeit, dass Deutschland aufwacht und handelt.


Gerechtigkeit für Monica: 6.000 Euro Entschädigung nach transfeindlicher Hetzkampagne

Ein wegweisendes Urteil des Landgerichts Frankfurt sendet ein starkes Signal gegen Transphobie in Deutschland: Das rechte Onlinemedium "Nius" muss an die trans Frau Monica Weiß Schadensersatz in Höhe von 6.000 Euro zahlen, nachdem es sie in einer diskriminierenden Berichterstattung öffentlich diffamiert hatte. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die anhaltende Diskriminierung, der trans Menschen in Deutschland ausgesetzt sind – und zeigt gleichzeitig, dass sich Betroffene erfolgreich zur Wehr setzen können. Die vollständige Berichterstattung finden Sie hier.

Ein Fall, der Schlagzeilen machte

Der Vorfall ereignete sich Ende März 2024, als Monica Weiß bei der Anmeldung zu einem Frauen-Fitnessstudio in Erlangen abgewiesen wurde. Was als persönliche Diskriminierungserfahrung begann, eskalierte zu einer öffentlichen Hetzkampagne. Das Rechtsaußen-Portal veröffentlichte mehrere Artikel über das Geschehen, in denen die Klägerin unter anderem als "Mann", "Herr in Damenbekleidung" und "Herr Transfrau" bezeichnet wurde.

Besonders schwerwiegend: "Nius" veröffentlichte ohne Einwilligung der Klägerin ihren Vor- und Nachnamen sowie Fotos, auf denen Monica Weiß trotz Verpixelung identifizierbar war. Diese Verletzung ihrer Privatsphäre machte sie zur Zielscheibe von Online-Hass und gefährdete ihre Sicherheit im Alltag.

Das Gericht zieht klare Grenzen

Die Urteilsbegründung des Landgerichts Frankfurt ist unmissverständlich: Die Bezeichnungen verletzen die persönliche Ehre und Identität der Klägerin, sie muss nicht hinnehmen, dass ihr ihre Geschlechtlichkeit für alle erkennbar und jederzeit online abrufbar abgesprochen wird. Das Gericht stellte fest, dass die Äußerungen des Onlinemediums auf eine Herabwürdigung und Kränkung der Klägerin abzielen, der hierdurch ihr sozial gelebtes und rechtlich anerkanntes Geschlecht abgesprochen wird.

Besonders kritisch bewertete das Gericht die Art der Berichterstattung: Die angegriffene Berichterstattung nutzt das Einzelschicksal der Klägerin als Projektionsfläche für eine Auseinandersetzung mit einer allgemeinen politischen Debatte zum Selbstbestimmungsgesetz in stigmatisierender Weise, indem sie die Klägerin an einen "Online-Pranger" stellt. Die Kammer erkennt kein über die menschliche Neugier und Sensationslust hinausgehendes, berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit. Vielmehr würden zahlreiche, teilweise persönliche Informationen über die Klägerin zum Zwecke der persönlichen Anprangerung "ausgeschlachtet".

Die deutsche Rechtslage im internationalen Vergleich

Deutschland hat in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte beim Schutz von trans Personen gemacht. Im April 2024 verabschiedete das deutsche Parlament ein wegweisendes Gesetz, das es transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein administratives Verfahren auf Basis von Selbstidentifikation zu ändern. Dies stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem alten Transsexuellengesetz dar, das teure, zeitaufwändige und als erniedrigend empfundene psychologische Gutachten erforderte.

Dennoch bleibt die Situation besorgniserregend: Offizielle Kriminalstatistiken zeigten 2022 einen 16-prozentigen Anstieg der registrierten Hassverbrechen gegen LGBTQI+ Personen mit 1.005 erfassten Straftaten. Von diesen waren 227 gewalttätig (ein Anstieg von 38 Prozent gegenüber 2021). Queerfeindliche Straftaten stiegen im Jahr 2023 zum siebten Jahr in Folge und erreichten einen neuen Höchststand.

Ein Signal mit Signalwirkung

Rechtsanwältin Katrin Giere, die Monica Weiß vertrat, betont die Bedeutung des Urteils: "Diese neue Rechtsprechung bestätigt einmal mehr, dass die Bezeichnung von trans Personen mit falschen Pronomen, sog. Misgendering, eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt und auch Entschädigungsansprüche auslösen kann".

Monica Weiß selbst zeigt sich erleichtert über das Urteil: "Ich begrüße dieses Gerichtsurteil ausdrücklich. Das Gericht hat die Angriffe von 'Nius' auf meine Menschenwürde hiermit unterbunden". Gleichzeitig macht sie deutlich, dass das Geld die erlittenen Verletzungen nicht ungeschehen machen kann: "Trotzdem macht der Schadensersatz, den ich übrigens größtenteils spenden werde, das Erlebte nicht ungeschehen: Auch wenn die Verbreitung meines Bildes, meines Klarnamens und das Misgendering rechtswidrig und verboten sind, werden diese sicher noch in gewissen Kreisen kursieren".

Der größere Kontext: Transphobie in Deutschland

Dieses Urteil ist kein Einzelfall, sondern Teil eines größeren Kampfes um die Rechte und Würde von trans Menschen in Deutschland. Eine Umfrage der EU-Grundrechteagentur von 2019 ergab, dass 36 Prozent der befragten LGBTQI+ Personen in Deutschland in den fünf Jahren vor der Befragung physische oder sexuelle Übergriffe aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität erlebt hatten – deutlich über dem EU-Durchschnitt von elf Prozent.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bietet zwar Schutz vor Diskriminierung, doch während es Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in Arbeitsleben und Geschäftsverkehr verbietet, definiert es den Begriff nicht klar. Die Gesetzesbegründung schließt jedoch Diskriminierung gegen transgender und intersexuelle Personen mit ein.

Weitere Informationen zum Schutz vor Diskriminierung finden Sie auf der Website der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Betroffene von transfeindlicher Gewalt können sich an spezialisierte Beratungsstellen wenden oder Anzeige bei spezialisierten LSBTI-Ansprechpersonen bei Polizei und Staatsanwaltschaften erstatten.

Ein Urteil, das Mut macht

Das Frankfurter Urteil sendet ein wichtiges Signal: Trans Menschen müssen Diskriminierung und öffentliche Demütigung nicht hinnehmen. Die deutsche Justiz erkennt an, dass Misgendering und die Verletzung der Privatsphäre schwerwiegende Eingriffe in die Menschenwürde darstellen.

Für Monica Weiß und viele andere trans Menschen in Deutschland ist dieses Urteil mehr als nur eine finanzielle Entschädigung – es ist eine Anerkennung ihrer Identität und Würde. In einer Zeit, in der LGBT-Aktivisten vor einem Anstieg anti-LGBT-Gewalt in Deutschland warnen und die Polizei über 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen registrierte, zeigt dieses Urteil, dass der Rechtsstaat bereit ist, die Rechte von Minderheiten zu schützen.

Die Botschaft ist klar: Hetze und Diskriminierung haben in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz – weder online noch offline. Jeder Mensch hat das Recht, in seiner Identität respektiert und geschützt zu werden.


Regenbogenfahne gestohlen: Göhren als Spiegel eines beunruhigenden Trends

Ein Angriff auf ein Zeichen der Vielfalt hat am Donnerstag auf der Insel Rügen für Aufsehen gesorgt. Wie queer.de berichtet, wurde eine Regenbogenfahne von einem Hotel in Göhren gestohlen, nachdem Unbekannte zwischen Mittwochabend und Donnerstagmorgen den Fahnenmast aus seiner Verankerung gerissen und das Seil durchtrennt hatten. Die Hotelbesitzerin erstattete Anzeige bei der Polizei.

Göhren: Zwischen Urlaubsidylle und politischer Realität

Der Vorfall ereignete sich zwischen Mittwoch um 21 Uhr und Donnerstagmorgen um 6:50 Uhr, wobei der Fahnenmast vor dem Hotel in der Carlstraße aus seiner Verankerung gerissen und anschließend das Seil des Mastes durchtrennt wurde. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen wegen des Verdachts des Diebstahls und der Sachbeschädigung aufgenommen. Bemerkenswert ist jedoch, dass von einem möglichen Hassvergehen in der ersten Mitteilung der Polizei keine Rede ist.

Diese Zurückhaltung steht im Kontrast zu den politischen Realitäten vor Ort. Göhren ist nicht nur als malerisches Ostseebad bekannt, sondern auch für seine politische Ausrichtung: Bei der Bundestagswahl wurde die rechtsextreme AfD dort mit rund 37 Prozent der Stimmen zur stärksten Kraft – ein Trend, der sich in ganz Ostdeutschland zeigt. In Thüringen erhielt die in Teilen rechtsextremistische Partei nach Auszählung aller Wahlbezirke 38,6 Prozent der Zweitstimmen, während sie in Sachsen bei 37,3 Prozent lag.

Alarmierende Zahlen: Hasskriminalität auf Rekordhoch

Der Vorfall in Göhren ist kein Einzelfall, sondern Teil eines beunruhigenden bundesweiten Trends. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 17.007 Fälle von Hasskriminalität im Kriminalpolizeilichen Meldedienst erfasst. Davon richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen (im Jahr 2022: 1.188). Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.

Diese Entwicklung zeigt sich auch in konkreten Gewaltvorfällen: Im August wurde im niedersächsischen Wahrenholz bereits zum vierten Mal eine Regenbogenflagge gestohlen. Das Regenbogenkombinat in Cottbus ist erneut zur Zielscheibe von Vandalismus geworden. Unbekannte hätten drei Regenbogenbanner an der Haupteingangstreppe der queeren Anlaufstelle mit einem Messer beschädigt und abgerissen. Eine Anzeige sei gestellt worden.

Parallelen zu anderen Vorfällen in Deutschland

Der Diebstahl in Göhren reiht sich ein in eine Serie ähnlicher Angriffe auf Pride-Symbole deutschlandweit. In der Berliner Schauspielschule Ernst Busch sollen zwei Männer eine an der Fassade hängende Pride-Flagge angespuckt, mit Steinen beworfen und dann heruntergerissen haben. Auch Angehörige der Hochschule seien angegangen, „ein*e Student*in queerfeindlich beleidigt" worden.

Seit Juni 2024 geraten vermehrt Veranstaltungen der LSBTIQ-Bewegung in den Fokus insbesondere gewaltorientierter Rechtsextremisten. So kam es in den letzten Monaten wiederholt zu (versuchten) rechtsextremistischen Störaktionen von öffentlichen Veranstaltungen zum Christopher Street Day (CSD). Besonders besorgniserregend: Die Teilnehmerzahlen bei den Protesten gegen die öffentlichen CSD-Umzüge lagen bei diesen Versammlungen jeweils im dreistelligen Bereich (beispielsweise Bautzen: circa 700, Zwickau: circa 480).

Das Problem der Dunkelziffer

Die offiziellen Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Im 2020 veröffentlichten LGBTI-Survey der EU-Grundrechteagentur beteiligten sich auch über 16.000 LSBTIQ* aus Deutschland. Danach sind lediglich 13% der Befragten zur Polizei gegangen, um einen physischen Angriff oder sexualisierte Gewalt anzuzeigen. Trotz des Anstiegs der gemeldeten Fälle legen Erhebungen nahe, dass die Dunkelziffer weiterhin hoch ist.

Die Gründe für die geringe Anzeigenbereitschaft sind vielfältig: Auf die Frage, warum sie nach einem Angriff nicht zur Polizei gegangen sind, antworten die meisten, dass sie nicht denken, dass das was bringen würde (40%). Weitere Motive waren, dass der Vorfall den Betroffenen nicht schlimm genug schien (37%), die Betroffenen Angst vor Homo- und Transphobie bei der Polizei hatten (23%) und kein Vertrauen in die Polizei hätten (21%).

Politische Reaktionen und MaĂźnahmen

Die Bundesregierung hat auf die steigende Hasskriminalität reagiert. Der Deutsche Bundestag hat im Juni ein Gesetz beschlossen, wodurch "geschlechtsspezifische" sowie "gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Tatmotive als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe ausdrücklich in die Strafgesetze zu Hasskriminalität (§ 46 StGB) aufgenommen werden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont: "Wir müssen all diejenigen schützen und unterstützen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Hass, Diskriminierung und Gewalt erleben. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend."

Die Innenministerkonferenz (IMK) hat in ihrer 219. Sitzung am 16. Juni beschlossen, die Bekämpfung von feindlicher Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*) kontinuierlich weiter zu verbessern. Als Grundlage dafür können die Handlungsempfehlungen aus dem Abschlussbericht des Arbeitskreises "Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt" dienen.

Der Fall Göhren als Warnsignal

Der Diebstahl der Regenbogenfahne in Göhren mag auf den ersten Blick wie ein banaler Vandalismus erscheinen. Doch er geschieht in einem Kontext, der zur Sorge Anlass gibt: Eine Region mit hoher AfD-Zustimmung, steigende Hasskriminalität bundesweit und eine organisierte rechtsextreme Mobilisierung gegen LGBTQ+-Sichtbarkeit.

Was in Göhren passiert ist, zeigt die Notwendigkeit konkreter Schutzmaßnahmen. Hauptamtliche Ansprechpartner*innen für queerfeindliche Hasskriminalität bei der Polizei sowie ein regelmäßiger Austausch zwischen Polizei und Community würde Misstrauen verringern können. Das würde die Anzeigebereitschaft erhöhen. Zudem braucht es eine bessere Erfassung und Verfolgung solcher Taten, wie sie der neue Lagebericht des Bundesinnenministeriums fordert.

Die Hotelbesitzerin in Göhren hat mit ihrer Anzeige ein wichtiges Zeichen gesetzt. Denn nur wenn solche Taten konsequent angezeigt und verfolgt werden, kann das wahre Ausmaß der Bedrohung sichtbar werden. Die Regenbogenfahne mag gestohlen sein, aber die Botschaft von Vielfalt und Akzeptanz, für die sie steht, lässt sich nicht so einfach zum Verschwinden bringen. Es liegt an uns allen – Zivilgesellschaft, Politik und Strafverfolgungsbehörden – dafür zu sorgen, dass queere Menschen in Deutschland sicher und frei leben können.


Wegweisendes Urteil: "Nius" muss 6.000 Euro Schadensersatz fĂĽr transfeindliche Berichterstattung zahlen

Das Landgericht Frankfurt am Main hat am Donnerstag ein richtungsweisendes Urteil im Kampf gegen transfeindliche Medienberichterstattung gefällt. Das rechte Onlinemedium "Nius" unter Chefredakteur Julian Reichelt wurde dazu verurteilt, 6.000 Euro Schadensersatz an die trans Klägerin Monica Weiß (Pseudonym) zu zahlen. Das Gericht untersagte dem Portal zudem, die Klägerin weiterhin als "Mann", "Herr in Damenbekleidung" oder "Herr Transfrau" zu bezeichnen sowie ihren Namen und Fotos ohne Einwilligung zu veröffentlichen.

Der Fall: Diskriminierung nach Fitnessstudio-Ablehnung

Der Konflikt begann Ende März 2024, als Monica Weiß sich bei einem Frauen-Fitnessstudio in Erlangen anmelden wollte und abgewiesen wurde. Nach Abweisung der transidenten Klägerin bei Anmeldung zu einem Frauen-Fitnessstudio in Erlangen Ende März 2024 veröffentlichte das Rechtsaußen-Portal mehrere Artikel über das Geschehen. Das Portal "Nius" berichtete in mehreren Artikeln über den Vorfall und verwendete dabei durchgehend transfeindliche Bezeichnungen. Dabei wurde die Klägerin unter anderem als "Mann", "Herr in Damenbekleidung" und "Herr Transfrau" bezeichnet. Ferner veröffentlichte "Nius" ohne Einwilligung der Klägerin ihren Vor- und Nachnamen sowie Fotos, auf denen Monica Weiß trotz Verpixelung identifizierbar war.

"Online-Pranger" statt journalistische Berichterstattung

Das Gericht wertete die Berichterstattung von "Nius" als schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung. Dem Gericht zufolge verletzen die Bezeichnungen die persönliche Ehre und Identität der Klägerin, sie muss nicht hinnehmen, dass ihr ihre Geschlechtlichkeit für alle erkennbar und jederzeit online abrufbar abgesprochen und sich über ihre geschlechtliche Selbstbestimmung hinweggesetzt wird. Die Äußerungen des Onlinemediums zielen nach Einschätzung des Gerichts auf eine Herabwürdigung und Kränkung der Klägerin ab, der hierdurch ihr sozial gelebtes und rechtlich anerkanntes Geschlecht abgesprochen wird.

Besonders deutlich wurde das Gericht in seiner Kritik an der Art der Berichterstattung: Die Kammer des Landgerichts Frankfurt erkennt kein über die menschliche Neugier und Sensationslust hinausgehendes, berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit. Vielmehr würden zahlreiche, teilweise persönliche Informationen über die Klägerin zum Zwecke der persönlichen Anprangerung "ausgeschlachtet". Das Gericht spricht von einem "Online-Pranger", an den die Klägerin gestellt wurde.

Misgendering als Angriff auf die MenschenwĂĽrde

Das Urteil reiht sich ein in eine Serie von Niederlagen für Julian Reichelts Medienunternehmen vor deutschen Gerichten. Das ist keine zulässige Meinungsäußerung, sondern ein Angriff auf die Menschenwürde, entschied nun das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Bereits im Juli 2023 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt in einem ähnlichen Fall gegen Reichelts Unternehmen entschieden. Das Oberlandesgericht argumentierte, dass es sich bei der Bezeichnung von Kluge als "Mann" um eine herabsetzende Meinungsäußerung handle. Dies stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar. "Denn mit dieser Bezeichnung wird ihr ihre seit Jahrzehnten nach außen gelebte geschlechtliche Identität abgesprochen, was von ihr nicht hinzunehmen ist", so das Oberlandesgericht.

Rechtliche Bedeutung fĂĽr Deutschland

Das Urteil kommt zu einem bedeutsamen Zeitpunkt: Das Gesetz ist am 1. November 2024 in Kraft getreten. Das neue Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das über 40 Jahre alte Transsexuellengesetz und vereinfacht die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen erheblich. Eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen kann durch eine persönliche "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt erfolgen. Drei Monate vorher muss die Änderung bei dem Standesamt, bei dem die Erklärung abgegeben werden soll, angemeldet werden.

Rechtsanwältin Katrin Giere, die Monica Weiß vertrat, betonte die Signalwirkung des Urteils: "diese neue Rechtsprechung, die einmal mehr bestätigt, dass die Bezeichnung von trans Personen mit falschen Pronomen, sog. Misgendering, eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt und auch Entschädigungsansprüche auslösen kann". Die Verurteilung von "Nius" zeige deutlich, welche Grenzen in der Berichterstattung über trans Frauen einzuhalten sind. "Diese Grenzen wurden von 'Nius' gezielt überschritten."

UnterstĂĽtzung durch die TIN-Rechtshilfe

Eine wichtige Rolle im Verfahren spielte die TIN-Rechtshilfe, die Monica Weiß unterstützte. Die TIN-Rechtshilfe will in Zukunft Unterstützung und Beratung für trans*, inter* und nicht-binäre (TIN) Personen anbieten, deren Rechte verletzt wurden. Sie will mit ihrer Arbeit gesellschaftliche Strukturen der TIN-Unterdrückung kritisieren und verändern. René_ Rain Hornstein von der Organisation sprach von einem "guten Tag für Trans-Rechte in Deutschland": "Trans Frauen haben ein Recht darauf, in ihrer Identität respektiert zu werden und dieses Recht muss auch in der öffentlichen Berichterstattung geachtet werden."

Parallelen zu anderen deutschen Fällen

Die Verurteilung von "Nius" ist kein Einzelfall. Deutsche Gerichte haben in den vergangenen Jahren wiederholt klargestellt, dass Misgendering eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt. Mehrfach hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main Reichelt-Medien schon untersagt, trans Frauen als Männer zu bezeichnen. Im Fall der trans Aktivistin Janka Kluge, die auf dem Reichelt-Blog "pleiteticker.de" – heute NiUS – als "(biologischer) Mann" bezeichnet worden war, bestätigte das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) die Entscheidung später.

Auch außerhalb von Medienverfahren zeigen Gerichte zunehmend Sensibilität für die Rechte von trans Personen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat entschieden: Die Deutsche Bahn darf nicht-binäre Personen nicht mehr zwingend mit "Herr" oder "Frau" ansprechen! Der BVT* gratuliert der klagenden nicht-binären Person und der TIN Rechtshilfe, die den Fall unterstützt, herzlich zu ihrem Erfolg! Das Urteil ist wichtig und hat starke Signalwirkung: Nicht-binäre Personen müssen korrekt angesprochen werden!

Klägerin will Schadensersatz spenden

Monica Weiß selbst zeigte sich erleichtert über das Urteil, betonte aber auch die anhaltenden Auswirkungen der diskriminierenden Berichterstattung: "Das Gericht hat die Angriffe von 'Nius' auf meine Menschenwürde hiermit unterbunden. Besonders freue ich mich über die Höhe des Schadensersatzes." Sie kündigte an, den Großteil der 6.000 Euro zu spenden. Gleichzeitig mahnte sie: "Trotzdem macht der Schadensersatz das Erlebte nicht ungeschehen: Auch wenn die Verbreitung meines Bildes, meines Klarnamens und das Misgendering rechtswidrig und verboten sind, werden diese sicher noch in gewissen Kreisen kursieren."

Internationale Perspektive und deutsche Vorreiterrolle

Deutschland nimmt mit seinem neuen Selbstbestimmungsgesetz eine progressive Position ein. Immer mehr Länder haben die belastenden Anforderungen für eine rechtliche Geschlechtsanerkennung abgeschafft, einschließlich medizinischer oder psychologischer Gutachten. In Ländern wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay gibt es einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts auf Grundlage der Selbstbestimmung.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch würdigte das deutsche Selbstbestimmungsgesetz als wichtigen Schritt: Die Reform der gesetzlichen Geschlechtsanerkennung auf Grundlage der Selbstbestimmung wird Trans*Personen in Deutschland nicht per se vor Missbrauch und Diskriminierung schützen. Aber das neue Gesetz zeigt, dass die Regierung die Grundrechte von trans*- und nicht-binären Menschen unterstützt, was zu einem breiteren Verständnis und einer größeren Akzeptanz von verschiedenen Geschlechtsidentitäten beiträgt.

Ausblick: Noch viel zu tun

Trotz des wegweisenden Urteils gegen "Nius" und der EinfĂĽhrung des Selbstbestimmungsgesetzes bleibt die Situation fĂĽr trans Personen in Deutschland herausfordernd. Die FRA-Studie zur Lage von LGBTIQ in Europa und Deutschland aus dem Jahr 2024 verdeutlicht das schockierende AusmaĂź der Diskriminierung, der trans* Personen ausgesetzt sind. In Deutschland berichteten 65 % der trans* Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten.

Das Urteil gegen "Nius" sendet jedoch ein klares Signal: Transfeindliche Berichterstattung, die Menschen an einen digitalen Pranger stellt und ihre WĂĽrde verletzt, hat in Deutschland rechtliche Konsequenzen. FĂĽr Medien wie "Nius" bedeutet dies, dass sie ihre Berichterstattung ĂĽber trans Personen grundlegend ĂĽberdenken mĂĽssen - oder weiterhin mit empfindlichen Strafen rechnen mĂĽssen.


Wenn der Burger nicht mehr bunt ist: Cracker Barrel streicht Pride-Seiten nach rechtem Shitstorm

Die US-Restaurantkette Cracker Barrel hat nach massivem Druck von rechtskonservativen Aktivisten ihre Pride- und DEI-Seiten von der Unternehmenswebsite entfernt, wie The Pink News berichtet. Die Löschung erfolgte nur wenige Tage nach einer heftigen Kontroverse um ein neues Logo, das die LGBTQ+-Alliance und Diversity-Programme des Unternehmens ins Visier rechter Influencer rückte.

Der Logo-Streit als Auslöser

Was als simple Logo-Modernisierung am 19. August begann, entwickelte sich schnell zu einem Kulturkampf: Das neue, minimalistische Design verzichtete auf die Abbildung des traditionellen "Uncle Herschel", der seit Jahrzehnten neben einem Fass zu sehen war. Konservative Aktivisten interpretierten dies als "Woke-Agenda" und mobilisierten ihre Anhänger zum Boykott, was zu einem Kursverlust von 20 Prozent führte.

Sogar Präsident Donald Trump mischte sich ein und forderte auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social die Rückkehr zum alten Logo. Nach der stillen Entfernung der DEI-Inhalte erklärte der rechte Aktivist Robby Starbuck seinen "totalen Sieg".

Was wurde konkret entfernt?

Die gelöschte Pride-Seite hatte zuvor verkündet: "Im Namen von Cracker Barrels LGBTQ+ Alliance & DEIB Team wollen wir DICH dafür feiern, dass du DU bist. Es ist unsere größte Mission sicherzustellen, dass 'alle Menschen erfreuen' wirklich 'alle Menschen' bedeutet". Die URL leitet nun auf eine allgemeinere "Culture and Belonging"-Seite um, die keine spezifischen Mitarbeitergruppen mehr erwähnt.

Das Unternehmen strich auch Referenzen zu Mitarbeitergruppen, die schwarze Führungskräfte fördern, die hispanische Kultur feiern und sich mit der LGBTQ+-Community verbünden. Ein Unternehmenssprecher bezeichnete die Inhalte als "veraltet" und erklärte, die Ressourcengruppen würden sich nun auf Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung und Ernährungsunsicherheit konzentrieren.

Ein Trend in den USA - und Warnsignal fĂĽr Deutschland?

Cracker Barrel reiht sich in eine wachsende Liste von US-Unternehmen ein, die ihre DEI-Programme zurückfahren: McDonald's, Walmart und Starbucks haben bereits ähnliche Schritte angekündigt. Präsident Trump hat kurz nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus die DEI-Initiativen in den Bundesbehörden eingestellt.

Während in den USA der Rückzug von Diversity-Programmen voranschreitet, zeigt sich in Deutschland ein differenzierteres Bild. Laut der Charta der Vielfalt diskutieren deutsche Unternehmen intensiv über die Bedeutung von Vielfalt, während US-Firmen ihre DEI-Strategien überdenken oder zurückfahren - gerade jetzt sei es entscheidend, dass Unternehmen klar Stellung beziehen.

Die Realität für LGBTQ+-Menschen in Deutschland

Die Entwicklungen in den USA werfen auch fĂĽr Deutschland wichtige Fragen auf. Eine YouGov-Umfrage unter 1.049 LGBTQ+-Personen in Deutschland zeigt besorgniserregende Zahlen: 53% derjenigen, die Diskriminierung in Restaurants erlebt haben, erfuhren diese durch das Personal, weitere 29,9% sogar durch die Restaurantinhaber selbst.

Viele LGBTQ+-Menschen in Deutschland erleben noch immer Anfeindungen und Diskriminierung, wenn sie sich outen, können aber rechtlich dagegen vorgehen. Eine EU-Studie mit 16.000 deutschen Teilnehmenden zeigt, dass 13% in den letzten fünf Jahren körperliche oder sexuelle Übergriffe aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität erfahren haben.

Zwischen RĂĽckschritt und Widerstand

Ironischerweise hatte Cracker Barrel 2021, nach den Protesten um George Floyds Tod, ein Logo zur Feier der Vielfalt eingeführt. Das Unternehmen hatte eine bewegte Geschichte: 1991 entließ es elf Mitarbeitende aufgrund einer Richtlinie gegen "normale heterosexuelle Werte", änderte aber später seinen Kurs und erreichte 2021 einen Score von 80 Punkten beim Human Rights Campaign Index.

Die aktuellen Ereignisse zeigen, wie schnell erkämpfte Fortschritte wieder rückgängig gemacht werden können. Doch nicht alle Unternehmen folgen diesem Trend: Costco-Aktionäre lehnten mit 98% eine Resolution gegen DEI ab, Apple verteidigte öffentlich seine Diversity-Strategien. Auch die Deutsche Bank betont, dass DEI für ihre Unternehmensstrategie zentral sei.

Der Fall Cracker Barrel ist mehr als nur eine Unternehmenskontroverse - er zeigt, wie politischer Druck die hart erkämpften Rechte und die Sichtbarkeit von LGBTQ+-Menschen bedrohen kann. Für deutsche Unternehmen sollte dies ein Weckruf sein: Diversität und Inklusion sind keine Trends, die man je nach politischer Großwetterlage an- oder abschalten kann. Sie sind fundamentale Werte einer offenen Gesellschaft, die es zu verteidigen gilt - in Nashville genauso wie in Berlin, Hamburg oder München.


Regenbogensocken als politisches Statement: Wie bunte StrĂĽmpfe in Koblenz zum Symbol fĂĽr Weltoffenheit werden

In Koblenz tragen Socken neuerdings politische Botschaften: Die Grünen haben angekündigt, 1.000 Regenbogensocken an interessierte Bürger*innen zu verschenken, nachdem Oberbürgermeister David Langner (SPD) beim umstrittenen CDU-Sommerfest mit seinen Pride-Strümpfen für Aufsehen gesorgt hatte. Die Aktion, die in Zusammenarbeit mit der Firma Unabux durchgeführt wird, verwandelt ein simples Kleidungsstück in ein kraftvolles Zeichen für Vielfalt und Demokratie. Die vollständige Meldung ist auf queer.de nachzulesen.

Ein unerwartetes Statement beim CDU-Sommerfest

Der Koblenzer Oberbürgermeister David Langner setzte beim viel diskutierten Sommerfest der CDU in den Räumlichkeiten der Compugroup Medical (CGM), deren Gründer Frank Gotthardt das rechtspopulistische Nachrichtenportal „Nius" finanziert, ein besonderes Zeichen mit seinen Regenbogensocken. Was zunächst wie ein modisches Detail wirkte, entwickelte sich schnell zu einem politischen Statement, das bundesweit Beachtung fand.

Die Symbolkraft dieser bunten Strümpfe wurde von den Koblenzer Grünen aufgegriffen, die Langners Socken als "Symbol für Vielfalt, Weltoffenheit und eine starke Demokratie" bezeichneten. In einer Zeit, in der in vielen Ländern die Stimmung gegenüber der LGBTQIA+-Community ins Negative umgeschlagen ist und nur noch jede:r zweite Befragte weltweit LGBTQIA+-Personen unterstützt, die offen mit ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität umgehen, setzt Koblenz damit ein wichtiges Zeichen.

Die GrĂĽnen-Initiative: 1.000 Socken fĂĽr die Demokratie

"Koblenz ist eine weltoffene Stadt – das möchten wir mit der Aktion 1.000 Regenbogensocken für Koblenz sichtbar machen", erklärte Oberbürgermeister Langner in einer Pressemitteilung. Die kostenlosen Socken können mit einer freiwilligen Spende verbunden werden, die einem Verein oder Projekt zugutekommt, das die Demokratie oder die Interessen der LGBTQI-Community stärkt.

Die Unterstützung durch Unabux, eine deutsche Marke für farbenfrohe Unterwäsche und bunte Socken, unterstreicht, wie Unternehmen sich aktiv für gesellschaftliche Vielfalt einsetzen können. Dies ist besonders bemerkenswert, da das öffentliche Engagement von Marken für die LGBTQIA+-Community weltweit immer kritischer gesehen wird, mit nur 44 Prozent Befürwortern weltweit, während die Zustimmung 2021 noch bei 49 Prozent lag.

Deutschland als Vorreiter in der LGBTQ+-Akzeptanz

Während international ein besorgniserregender Trend zu beobachten ist, zeigt sich Deutschland weiterhin als Land mit hoher Akzeptanz. Eine klare Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen die Diskriminierung der LGBTQIA+-Community und für gleiche Rechte aus, wobei 73 Prozent der Meinung sind, dass lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen vor Diskriminierung geschützt werden sollten und bei trans* Personen 70 Prozent dieser Aussage zustimmen.

Dennoch gibt es auch hierzulande Herausforderungen: Vor allem bei jungen Männern nehmen queerfeindliche Ansichten auch in Deutschland eher zu. Umso wichtiger sind sichtbare Zeichen der Solidarität wie die Regenbogensocken-Aktion in Koblenz.

Von der Mode zur politischen Bewegung

Die Koblenzer Initiative reiht sich ein in eine größere Bewegung, bei der Mode zum Träger politischer Botschaften wird. Manchmal machen kleine Aspekte überraschend große Schlagzeilen – so die Regenbogensocken des Koblenzer Oberbürgermeisters David Langner beim CDU-Sommerfest. Diese scheinbar kleine Geste hat eine Welle der Solidarität ausgelöst.

Interessanterweise zeigt sich in Deutschland bei LGBTQIA+-freundlichen Marken sogar eine leicht gestiegene Akzeptanz: 43 Prozent der BundesbĂĽrger:innen befĂĽrworten sie, nur 15 Prozent lehnen sie ab. Dies steht im deutlichen Kontrast zum internationalen Trend und macht Aktionen wie die der Koblenzer GrĂĽnen besonders wertvoll.

Ein Zeichen setzen in schwierigen Zeiten

Die Grünen planen, die Verteilung der Regenbogensocken schnellstmöglich über ihre Social-Media-Kanäle anzukündigen. Die Aktion kommt zu einem wichtigen Zeitpunkt: Als Reaktion auf eine geplante Veranstaltung der Werte-Union mit ihrem Vorsitzenden Hans-Georg Maaßen am 02.11.2024 schlugen die Koblenzer Grünen bereits vor, den Vorplatz der Rhein-Mosel-Halle mit Regenbogenfahnen zu beflaggen.

"Wir können der Werte-Union nicht verbieten, diese Veranstaltung durchzuführen, aber wir können ihr zeigen, dass sie und ihre Weltanschauung in Koblenz nicht willkommen und nicht erwünscht sind! Koblenz ist bunt, weltoffen und vielfältig. Gegen all diese Werte stehen Hans-Georg Maaßen und seine Parteikollegen und für all diese Werte steht die Regenbogenflagge", erklärten die Vorsitzenden der Koblenzer Grünen, Lena Schmoranzer und Christopher Bündgen.

Parallelen zur bundesweiten Pride-Bewegung

Die Koblenzer Aktion fügt sich nahtlos in die bundesweite Pride-Bewegung ein. Mit Veranstaltungen wie dem Pride Day Germany am 03. Juli, bei dem Unternehmen und ihre Mitarbeiter*innen gemeinsam queere Vielfalt am Arbeitsplatz feiern und zeigen, wie bunt Business sein kann, wird Diversität zunehmend sichtbar gemacht.

Die Bedeutung solcher Aktionen wird durch aktuelle Studien unterstrichen: Anders als in Deutschland, wo die Akzeptanz in den letzten Jahren stabil geblieben oder in manchen Bereichen sogar gestiegen ist, geraten queere Menschen weltweit immer stärker unter Druck. Deutschland zeigt sich hier als positives Beispiel, auch wenn nur knapp die Hälfte der Deutschen (47%) Gesetze unterstützt, die die Diskriminierung von LGBTQIA+-Personen verbieten, und lediglich 29 Prozent sich schon mal aktiv gegen eine Person ausgesprochen haben, die Vorurteile gegenüber queeren Menschen hatte.

Ein bunter Faden der Hoffnung

Die Regenbogensocken-Aktion in Koblenz zeigt eindrucksvoll, wie aus einem modischen Statement eine politische Bewegung werden kann. In einer Zeit, in der die Rechte von LGBTQ+-Menschen weltweit unter Druck geraten, setzt eine deutsche Stadt ein kraftvolles Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz. Die bunten Socken werden so zum Symbol einer wehrhaften Demokratie, die ihre Werte aktiv verteidigt – Schritt für Schritt, Socke für Socke.

Wer in Koblenz demnächst Menschen mit Regenbogensocken sieht, wird Zeuge eines besonderen Moments des zivilen Engagements. Es ist ein Beispiel dafür, wie Kommunalpolitik, Zivilgesellschaft und Unternehmen gemeinsam für eine offene Gesellschaft einstehen können – und das mit einem so einfachen wie wirkungsvollen Mittel: einem Paar bunter Socken.


Der Preis der Innovation: Warum Deutschlands Gesundheitssystem lebensrettende HIV-Medikamente blockiert

Die Europäische Kommission hat mit der Zulassung von Yeytuo einen Meilenstein in der HIV-Prävention gefeiert. Doch während Europa jubelt, bleibt Deutschland außen vor. Die Entscheidung von Gilead, das revolutionäre HIV-Medikament Lenacapavir dem deutschen Markt vorzuenthalten, offenbart die dunkle Seite unseres Gesundheitssystems: Gilead hat sich dazu entschieden, unseren Kapsid-Inhibitor Lenacapavir (Sunlenca®) derzeit nicht auf dem deutschen Markt einzuführen. Diese Verweigerung ist kein Einzelfall, sondern Symptom eines Systems, das Innovation bestraft und Leben aufs Spiel setzt. Wie queer.de berichtete, könnte die neue Präexpositionsprophylaxe mit nur zwei Injektionen pro Jahr HIV-Infektionen praktisch auf null reduzieren.

Gileads zynische Ausrede: Wenn Bürokratie tötet

Die offizielle Stellungnahme von Gilead liest sich wie eine Kapitulationserklärung: In Bezug auf die im AMNOG angewandten formalmethodischen Kriterien stellt die Durchführung von nutzenbewertungsrelevanten klinischen Studien bei vorbehandelten Patienten mit multiresistenter HIV-Infektion per se eine große Herausforderung dar. Ebenso wie auch die früheren Studien in dieser Population, erfüllt auch die CAPELLA-Zulassungsstudie für Lenacapavir nicht die formalmethodischen Anforderungen der Nutzenbewertung und ist daher nicht nutzenbewertungsrelevant.

Übersetzt bedeutet das: Ein Medikament, das Menschen mit multiresistenten HI-Viren das Leben retten könnte, wird Deutschland vorenthalten, weil es nicht in das starre Bewertungsraster des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) passt. Die per se schwierigen Rahmenbedingungen wurden durch die Einführung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nochmals deutlich verschärft. Das 2022 verabschiedete Gesetz sollte eigentlich die Finanzen der Krankenkassen stabilisieren – stattdessen blockiert es lebensrettende Innovationen.

Das AMNOG-Desaster: Wie Deutschland Innovation bestraft

Das AMNOG, eingeführt 2011, sollte ursprünglich überteuerte "Scheininnovationen" verhindern. Der Preis neuer Medikamente sollte sich an ihrem Zusatznutzen im Vergleich zu bereits auf dem Markt befindlichen Therapien orientieren. Doch im HIV-Bereich zeigt sich die perverse Logik des Systems: "Mit neuen Substanzen ist bei der HIV-Therapie kein hoher Zusatznutzen zu erreichen", sagte Dr. Christoph Mayr von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter.

Die Folgen sind dramatisch: Janssen-Cilag ist nicht die erste Firma, die seit Implementierung des AMNOG ein Produkt in anderen europäischen Ländern auf den Markt bringt, aber nicht in Deutschland. Im Gegensatz zur Zeit vor dem AMNOG akzeptiert das deutsche Gesundheitswesen nun nicht mehr jeden Preis. Wir bekommen neue Medikamente eben nicht mehr wie früher sofort zur Verfügung, sondern eben erst später als die anderen oder vielleicht auch gar nicht.

Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Der TodesstoĂź fĂĽr Pharmaforschung

Als ob das AMNOG nicht schon genug Schaden anrichten würde, verschärfte die Ampel-Koalition 2022 die Situation mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz drastisch. Sie sieht vor, dass der Preis eines neuen Arzneimittels, den der GKV-Spitzenverband und der Hersteller im Anschluss an die frühe Nutzenbewertung aushandeln, künftig rückwirkend ab dem siebten Monat nach der Marktzulassung gilt. Zuvor betrug die Dauer zwölf Monate.

Die pharmazeutische Industrie reagierte mit scharfer Kritik. "Dieses Gesetz ändert die Geschäftsgrundlage der pharmazeutischen Industrie in Deutschland grundlegend", so Han Steutel, Präsident des vfa. Und tatsächlich: "Die Hürden für Innovationen werden so hochgeschraubt, dass weniger Neueinführungen in der Versorgung ankommen werden. Erste Unternehmen haben bereits Konsequenzen gezogen und Markteinführungen innovativer Arzneimittel zurückgestellt", so Cranz.

Die menschlichen Kosten: Wenn Politik ĂĽber Leben entscheidet

Was bedeutet diese Politik für Menschen mit HIV in Deutschland? Lenacapavir (Sunlenca®), das in Deutschland in Kombination mit anderen HIV-Medikamenten zugelassen ist, wenn keine andere effektive Therapie zusammengestellt werden kann, ist auf dem deutschen Markt nicht erhältlich. Patient*innen, die auf dieses Medikament angewiesen sind, müssen es kompliziert und teuer aus dem Ausland importieren.

Besonders zynisch: Das Besondere an Lenacapavir ist, dass es nach einer Einleitungsphase mit Tabletten nur noch alle sechs Monate als Spritze verabreicht wird. Allein dies würden viele Ärzt*innen und Patient*innen als deutlichen Zusatznutzen werten! Doch das AMNOG-System erkennt solche praktischen Vorteile nicht an.

Gileads Erpressungsstrategie: Patienten als Geiseln

HIV-Aktivist Siegfried Schwarze bringt es auf den Punkt: Offenbar versucht Gilead dadurch, dass Lenacapavir dem deutschen Markt vorenthalten wird, politischen Druck aufzubauen. Es ist zu erwarten, dass die Firma versucht, Patient:innen und Ärzt:innen mit "ins Boot" zu holen. Um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, sollte Gilead aber Kostenkalkulation und Entwicklungskosten des Medikaments offenlegen. Sonst bleibt ein "Geschmäckle", dass ein Pharmaunternehmen versucht, schwer kranke Menschen als Geiseln zu nehmen, um maximalen Profit zu erwirtschaften.

Diese Kritik ist berechtigt. Während Gilead in den USA über 40.000 Dollar pro Jahr für Lenacapavir verlangt, zeigen Studien, dass Lenacapavir bereits bei einem Preis von weniger als 100 US-Dollar pro Person und Jahresdosis für das Unternehmen profitable wäre. Die Preispolitik ist also keine Frage der Wirtschaftlichkeit, sondern der Profitmaximierung.

Deutschland als Preisreferenz: Warum Gilead auf maximalen Profit pocht

Hinzu kommt, dass Deutschland von vielen anderen Ländern (zum Beispiel Japan) als Preisreferenz gesehen wird. Das bedeutet, die Preise, die in Deutschland für Arzneimittel erzielt werden, dienen auch in anderen Ländern als Grundlage für die Preisfindung. Außerdem plant Gilead für die Zukunft Kombinationen anderer Wirkstoffe mit Lenacapavir und die Vermutung liegt nahe, dass man sich den Preis nicht vorab "verderben" will.

Die bittere Wahrheit: Deutschland wird abgehängt

Die Konsequenzen dieser verfehlten Gesundheitspolitik sind verheerend. Patient:innen, die künftig schlechter Zugang zu innovativen Arzneimitteln erhalten; pharmazeutische Spitzenforschung, die zunehmend in andere Länder wie die USA und China abwandert; ein wichtiger Wirtschaftszweig und Jobgarant, der geschwächt wird: All dies droht Deutschland, wenn das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in seiner jetzigen Form Realität wird. Die Menschen in der Bundesrepublik haben es verdient, dass die Politik das Ruder in letzter Sekunde herumreißt.

Doch die Politik hat das Ruder nicht herumgerissen. Stattdessen verteidigt das Bundesverfassungsgericht sogar diese Politik: Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beeinträchtigt zudem den Vertrauensschutz von pharmazeutischen Unternehmern nicht in besonderem Maße, da anlassbezogen an bekannte Kostendämpfmaßnahmen angeknüpft wird.

Ein Aufruf zum Widerstand

Die Verweigerung von Lenacapavir ist ein Skandal, der nicht hingenommen werden darf. Das Zusatznutzenbewertungsverfahren in seiner heutigen Form muss daher dringend an die Realität besonderer Krankheitsbilder wie HIV (und besonders multiresistentem HIV) angepasst werden. Es ist Zeit, dass die LGBTQ+-Community, HIV-Aktivist*innen und alle, denen Menschenleben mehr wert sind als Haushaltszahlen, aufstehen und Widerstand leisten.

Gilead muss zur Verantwortung gezogen werden für seine zynische Preispolitik. Aber noch mehr muss die deutsche Politik zur Verantwortung gezogen werden für ein System, das Innovation bestraft, Leben gefährdet und Deutschland in der medizinischen Versorgung zum Entwicklungsland macht.

Die bittere Ironie: Während Deutschland einst als Apotheke der Welt galt, müssen heute deutsche Patient*innen lebensrettende Medikamente aus dem Ausland importieren – wenn sie es sich leisten können. Letztendlich läuft es auf die Frage hinaus, was ein Menschenleben kosten darf. In Deutschland hat die Politik diese Frage bereits beantwortet: Weniger als die Profiterwartungen der Pharmaindustrie, aber auch weniger als die Sparfantasien der Gesundheitspolitik.

Es ist Zeit für eine grundlegende Reform des deutschen Arzneimittelmarktes – eine Reform, die Menschenleben über Bürokratie stellt und Innovation belohnt statt bestraft. Bis dahin bleibt Menschen mit HIV in Deutschland nur die bittere Gewissheit: Ihr Leben ist weniger wert als eine ausgeglichene Kassenbilanz.


Homophober Übergriff in St. Pauli zeigt alarmierenden Trend: Hasskriminalität gegen queere Menschen steigt drastisch an

Ein homophober Übergriff in St. Pauli erschüttert die queere Community: Am Mittwochnachmittag wurde ein 55-jähriger Mann am Park Fiction (Ecke Pinnasberg/Antonistraße) aus einer Personengruppe heraus beleidigt und bedroht. Der Täter flüchtete, bevor die Polizei eintraf. Wie queer.de berichtet, hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen und sucht nach Zeugen.

Dramatischer Anstieg der Hasskriminalität in Hamburg

Dieser Vorfall reiht sich in eine besorgniserregende Entwicklung ein: Die Straftaten gegen queere Menschen in Hamburg nahmen 2024 um 66 Prozent zu, nachdem sie bereits 2023 um 75 Prozent gestiegen waren. Die Polizei registrierte insgesamt 149 Straftaten in den Bereichen "geschlechtsbezogene Diversität" und "sexuelle Orientierung" - ein alarmierender Sprung von 98 Fällen im Vorjahr.

Besonders beunruhigend: In 38 Fällen waren diese Straftaten mit Gewalt verbunden. Die Zahlen spiegeln einen bundesweiten Trend wider, denn deutschlandweit wurden 2023 1.785 Fälle von Hasskriminalität gegen LSBTIQ+ Personen erfasst - ein Anstieg um rund 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

St. Pauli als Symbol queerer Sichtbarkeit

Der Tatort ist besonders symbolträchtig: St. Pauli gilt seit Jahrzehnten als bunter, toleranter Stadtteil Hamburgs, in dem queere Menschen traditionell Raum und Akzeptanz finden. Der Park Fiction, ein community-basiertes Kunstprojekt, steht für kreative Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dass gerade hier homophobe Gewalt auftritt, zeigt, wie sehr sich das gesellschaftliche Klima verschärft hat.

Tätersuche und Zeugenaufruf

Die Polizei beschreibt den flüchtigen Täter als männlich, 170-175 cm groß, mit "südeuropäischem" Erscheinungsbild und Dreitagebart. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit weiß-oranger Aufschrift und eine helle Hose. Zeugen können sich unter (040) 4286-56789 beim Hinweistelefon der Polizei Hamburg melden.

Hinter den Zahlen: Das Dunkelfeld der Gewalt

Experten gehen von einem erheblichen Dunkelfeld aus, da viele Betroffene Ăśbergriffe nicht zur Anzeige bringen. Der LSVD fordert deshalb eine Verbesserung des Rechtsschutzes und die Aufnahme queerer Menschen in Artikel 3,3 des Grundgesetzes.

Paradoxerweise könnte der statistische Anstieg auch ein positives Zeichen sein: Die Hamburger Behörden erklären einen Teil des Zuwachses damit, dass die spezialisierten Ansprechpersonen bei der Polizei bekannter geworden sind und mehr Menschen Mut fassen, Vorfälle zu melden. Dies zeigt, wie wichtig Vertrauen zwischen queerer Community und Strafverfolgungsbehörden ist.

Ein Aufruf zur Solidarität

Der Vorfall in St. Pauli macht deutlich: Queere Menschen brauchen unsere Solidarität und unseren Schutz - nicht nur in statistischen Erhebungen, sondern im alltäglichen Miteinander. Jeder Zeuge, jede Zivilcourage kann Leben schützen und dazu beitragen, dass Hamburg seiner Reputation als weltoffene Stadt gerecht wird.

Die steigenden Zahlen sind ein Weckruf: Homophobie und Transphobie sind keine Randphänomene, sondern eine reale Bedrohung für queere Menschen in Deutschland. Umso wichtiger ist es, dass Vorfälle wie der in St. Pauli nicht im Dunkel bleiben, sondern konsequent verfolgt und gesellschaftlich geächtet werden.


Von Paris nach Rom: Die bewegende Freundschaft zwischen Lily Collins und Ashley Park in "Emily in Paris"

Die fünfte Staffel der Netflix-Erfolgsserie "Emily in Paris" ist im Kasten – und Hauptdarstellerin Lily Collins (36) feiert nicht nur den Abschluss der Dreharbeiten, sondern auch ihre besondere Freundschaft mit Co-Star Ashley Park (34). Wie queer.de berichtet, teilte Collins auf Instagram emotionale Worte: "Ein Hoch auf fünf Staffeln voller Freundschaft, aus der echte Schwesternschaft gewachsen ist – Venedig, Paris, Rom, überall ist mein Zuhause, wenn du an meiner Seite bist."

Mehr als nur Serienkolleginnen

Die beiden Schauspielerinnen lernten sich 2019 beim ersten Table Read fĂĽr die Serie kennen und es war Liebe auf den ersten Blick. "Wir saĂźen voneinander abgewandt, drehten uns beide um und dachten: Oh mein Gott, du!", erinnert sich Collins im Interview. Die beiden sprechen heute wie lebenslange Freundinnen und selbst Cast und Crew fragten nach dem ersten Treffen, wie lange sie sich schon kennen wĂĽrden.

Im Interview mit "Harper's Bazaar Arabia" schwärmte Collins 2023: "Es ist ein unglaubliches Gefühl, an diesem Punkt meines Lebens eine Schwester gefunden zu haben." Park erklärte, Collins sei "schon immer eine Freundin und Verbündete" gewesen. Diese besondere Verbindung spiegelt sich auch in den gemeinsamen Fotos wider, die Collins zum Drehschluss teilte – händchenhaltend in bunten Kleidern, lachend beim Entspannen oder jubelnd mit Blumensträußen auf einem Steg in Venedig.

Queere Repräsentation in der Serie

Während "Emily in Paris" für seine glamouröse Darstellung des Pariser Lebens bekannt ist, gibt es auch kritische Stimmen aus der LGBTQ+-Community. Die Idee zur Serie stammt vom schwulen Regisseur und Drehbuchautor Darren Star, der auch für "Sex and the City" verantwortlich war. An der Seite von Hauptfigur Emily gibt es mehrere queere Hauptfiguren, darunter ihr schwuler Kollege Julien und der divenhafte Modemacher Pierre Cadault.

Allerdings wird die Darstellung dieser Charaktere durchaus kontrovers diskutiert. Der Charakter Julien aus "Emily in Paris" ist ein Beispiel dafür, wie seine einzigen Charaktereigenschaften in der ersten Staffel seine Homosexualität und die damit verbundenen Stereotypen sind. Kritiker wünschen sich eine schwule Figur, die mehr als nur ein Stereotyp darstellt und nicht nur am Rand existieren darf.

Die Serie als queeres Phänomen

"Emily in Paris" hat auffallend viele schwule Fans, obwohl die Serie selbst nur wenige authentisch dargestellte queere Charaktere bietet. Wie in Dekaden zuvor sind mögliche Identifikationsfiguren für schwule Männer in den weiblichen Charakteren zu finden. Mindy und Sylvie sind dreidimensionale Figuren mit Makeln und einem verletzlichen Kern, die wissen, was sie wollen. Sie sind sexpositiv, haben Spaß am Leben und sagen offen ihre Meinung.

"Es ist fast so, als hätten sich die Drehbuchschreiber gedacht: Lasst uns ein paar Easter Eggs für die schwulen Zuschauer verstecken", analysiert ein Artikel auf queer.de. Die Serie bietet leichte Unterhaltung und Eskapismus – Qualitäten, die traditionell in der queeren Community geschätzt werden.

Deutsche LGBTQ+-Serien im Vergleich

Während internationale Produktionen wie "Emily in Paris" die deutsche Netflix-Landschaft dominieren, gibt es auch hierzulande Bewegung in der queeren Serienlandschaft. Die Öffentlich-Rechtlichen geben sich sichtlich Mühe, queere Inhalte umzusetzen mit Web- und ZDFneo-Serien wie "Loving Her".

Besonders hervorzuheben ist die ARD-Produktion "Schwarze Früchte", die 2024 als besonders eigenwillige und sehenswerte Serie gelobt wurde. Es geht um Freundschaft und Selbstfindung, Queerness und Schwarzen Alltag in Deutschland, geschaffen von Schöpfer und Hauptdarsteller Lamin Leroy Gibba. Die Serie wurde als noch nie dagewesene queere deutsche Produktion gefeiert.

Was erwartet uns in Staffel 5?

In der neuen Staffel erwarten Emily als frischgebackene Chefin der Agence Grateau Rom sowohl berufliche als auch private Herausforderungen. Doch ausgerechnet als sich alles zum Guten zu wenden scheint, geht eine Arbeitsidee nach hinten los. Die vierte Staffel endete mit Emilys Umzug nach Rom, wo sie nun mit ihrem neuesten Liebhaber Marcello zusammenarbeitet.

Auch für Mindy eröffnen sich nach dem ESC-Debakel neue Chancen – musikalisch wie persönlich. Die fünfte Staffel startet am 18. Dezember 2025 auf Netflix und verspricht sowohl in Paris als auch in Italien spannende neue Abenteuer.

Die Freundschaft zwischen Lily Collins und Ashley Park – sowohl vor als auch hinter der Kamera – bleibt das emotionale Herzstück der Serie. "Wir kamen genau zum richtigen Zeitpunkt in das Leben der anderen, als wir genau diese Art von Freundschaft brauchten", fasst Park ihre besondere Beziehung zusammen. Diese authentische Verbindung macht "Emily in Paris" trotz aller berechtigten Kritik an der Darstellung queerer Charaktere zu einer Serie, die viele Menschen berührt – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.


Nach Minneapolis-Amoklauf: Deutschland steht vor eigenen Herausforderungen im Kampf gegen Trans*feindlichkeit

Der tragische Amoklauf an einer katholischen Schule in Minneapolis, bei dem zwei Kinder getötet und 17 weitere Menschen verletzt wurden, wirft ein grelles Schlaglicht auf den gesellschaftlichen Umgang mit trans* Menschen – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Während der Schütze, eine 23-jährige trans* Frau namens Robin W., zwei Kinder tötete und mindestens 17 Personen verletzte, die an der Morgenmesse in der katholischen Schule teilnahmen, warnen LGBTIQ*-Aktivist*innen eindringlich davor, die gesamte trans* Community für die Tat verantwortlich zu machen.

Warnungen vor rechter Instrumentalisierung

Der demokratische Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, reagierte unmittelbar nach der Tat mit deutlichen Worten: "Jeder, der dies da draußen als Vorlage nimmt, unsere trans Community oder jede andere Community zu verteufeln, hat seinen Sinn für Menschlichkeit verloren. Kinder sind gestorben. Jetzt muss es um sie gehen." Auf den Waffen und Magazinen des Täters standen Parolen wie „Kill Donald Trump" oder „Sechs Millionen waren nicht genug", was auf eine komplexe und wirre Gedankenwelt hinweist.

Die Human Rights Campaign warnte ebenfalls vor Sündenbock-Politik. Sprecher Brandon Wolf, selbst Überlebender des Pulse-Anschlags 2016, betonte: "Während wir immer noch nicht alle Fakten über das, was in Minneapolis geschehen ist, haben, müssen wir eines ganz klarstellen: eine marginalisierte Gruppe als Sündenböcke darzustellen, während die Nation trauert, ist gefährlich und entmenschlichend."

Deutsche trans* Community unter Druck

Auch wenn der Vorfall in den USA stattfand, ist die Situation für trans* Menschen in Deutschland ebenfalls besorgniserregend. In Deutschland berichteten 65% der trans* Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten. Nur 19% aller trans* Personen glaubt, dass ihre Regierung Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ*-Personen wirksam bekämpft.

Besonders alarmierend sind die Gewalterfahrungen: 16% der trans* Frauen, 8% der trans* Männer und 8% der nicht-binären Personen haben in den letzten 12 Monaten Belästigungen und Gewalt erfahren, weil sie LSBTIQ* sind. 32% der trans* Frauen, 21% der trans* Männer und 18% der nicht-binären Personen wurden in den letzten fünf Jahren angegriffen. Diese Zahlen stammen aus der aktuellen EU-Grundrechteagentur-Studie von 2024 und verdeutlichen das schockierende Ausmaß der Diskriminierung.

Das Selbstbestimmungsgesetz als Hoffnungsschimmer

Ein wichtiger Fortschritt für trans* Menschen in Deutschland ist das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), das trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtert, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Es ist am 1. November 2024 in Kraft getreten. Das SBGG vereinfacht es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Die Änderung erfolgt durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt.

Das bisher geltende TSG setzte für die Änderung des Geschlechtseintrags die Einholung von zwei Sachverständigengutachten und eine gerichtliche Entscheidung voraus. Diese Vorgaben empfanden viele Betroffene als entwürdigend. Das Verfahren war außerdem langwierig und kostspielig. Nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes am 1. November 2024 erfassten die statistischen Landesämter allein für den November 2024 über 7.000 Änderungen des Geschlechtseintrags im Geburtenregister.

Strukturelle Diskriminierung bleibt bestehen

Trotz dieser rechtlichen Fortschritte bleibt strukturelle Diskriminierung ein massives Problem. Bei 29% der trans* Frauen, 30% der trans* Männer und 22% der nicht-binären Befragten fand die letzte erlebte Diskriminierung bei der Inanspruchnahme sozialer Dienste bzw. Gesundheitsdiensten statt. 41% der trans* Frauen, 40% der trans* Männer und 35% der nicht-binären Befragten haben in den letzten 12 Monaten in diesem Bereich Diskriminierung erfahren.

Im Arbeitsmarkt zeigt sich ein ähnlich düsteres Bild: Trans* Personen entstehen nach einem Coming-out in vielen Lebensbereichen Nachteile. Insbesondere trans* Frauen sind von massiver Diskriminierung am Arbeitsmarkt betroffen. Das belegen aktuelle Studien im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Viele verlieren nach dem Coming-out ihren Job, weil sie unter fadenscheinigen Gründen gekündigt werden. Andere entscheiden wegen andauerndem Mobbing und Beleidigung selbst, den Arbeitsplatz aufzugeben. Daher ist leider auch die Arbeitslosenquote unter trans* Personen und erneut vor allem unter trans* Frauen besonders hoch.

Die Gewalt nimmt zu

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 1.500 Delikte gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst. Damit stieg ihre Zahl das sechste Jahr in Folge und auf einen deutlichen Höchststand. Diese beunruhigende Entwicklung zeigt sich auch in konkreten Gewalterfahrungen: 48% der trans* Frauen, 37% der trans* Männer und 25% der nicht-binären Personen vermeiden oft oder immer bestimmte Plätze und Orte aus Angst vor Gewalt oder Belästigung.

Eine aktuelle Berliner Studie von 2025 zeigt das "alltägliche Risiko" für trans* Menschen auf: In rund 75 Prozent der Fälle gingen die Übergriffe mit explizit transfeindlichen Aussagen einher. Die Autor*innen sprechen von einem «alltäglichen Risiko» mit Folgen für die psychische Gesundheit und Bewegungsfreiheit. Viele Betroffene greifen zu Schutzstrategien: Drei Viertel der Befragten meiden bestimmte Gegenden, über die Hälfte kleidet sich bewusst unauffällig, ein Drittel verzichtet auf sichtbare queere Symbole.

Internationale Perspektive und deutsche Verantwortung

Der Vergleich zwischen den USA und Deutschland zeigt: Während in Amerika die Gewalt gegen trans* Menschen oft extremere Formen annimmt – von fünf tödlichen Schul-Amokläufen im engeren Sinne waren in zwei Fällen die Täter Transgender, obwohl nur etwa 0,5 bis ein Prozent der US-Bevölkerung trans ist – ist Deutschland keineswegs frei von trans*feindlicher Gewalt.

Internationale Studien dokumentieren massive Gewaltverbrechen gegen trans* Personen. Das Projekt "Transrespect versus Transphobia Worldwide" dokumentiert Morde an trans* Personen. In den Jahren 2008 bis 2023 wurden weltweit 4.690 Morde an trans* Personen bekannt, 107 in der EU und drei in Deutschland. Besonders häufig betroffen sind BPoCs und trans* Frauen. So waren 2023 fast alle Opfer (94%) trans* Frauen und die große Mehrheit nicht-weiße Personen (80%).

Der Weg nach vorn

Die Ereignisse in Minneapolis dĂĽrfen nicht dazu missbraucht werden, Hass gegen trans* Menschen zu schĂĽren. Gleichzeitig muss Deutschland seine eigenen Hausaufgaben machen. Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT) Aktivist*innen warnen vor einem Anstieg der Anti-LGBT-Gewalt in Deutschland. Der Bundesinnenminister teilte im Juni 2023 mit, dass die Polizei im vergangenen Jahr ĂĽber 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen registriert hatte. In den letzten Jahren gab es mehrere Angriffe auf Pride-Veranstaltungen, von denen einer im Jahr 2022 zum gewaltsamen Tod eines Trans-Mannes fĂĽhrte.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Schritt, aber es reicht nicht aus. Die Reform der gesetzlichen Geschlechtsanerkennung auf Grundlage der Selbstbestimmung wird Trans*Personen in Deutschland nicht per se vor Missbrauch und Diskriminierung schützen. Aber das neue Gesetz zeigt, dass die Regierung die Grundrechte von trans*- und nicht-binären Menschen unterstützt, was zu einem breiteren Verständnis und einer größeren Akzeptanz von verschiedenen Geschlechtsidentitäten beiträgt.

Es braucht umfassende Bildungsarbeit, konsequente Strafverfolgung bei Hasskriminalität und vor allem einen gesellschaftlichen Konsens: Trans* Menschen sind keine Bedrohung, sondern Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Die Tragödie von Minneapolis sollte uns mahnen, aber nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Statt Sündenböcke zu suchen, müssen wir Solidarität zeigen und gemeinsam gegen jede Form von Hass und Diskriminierung kämpfen – in den USA wie in Deutschland.


Bildungssenatorin unter Beschuss: Wie Berlin bei queerfeindlichem Mobbing versagt

Ein erschütternder Fall von queerfeindlichem Mobbing in einer Berliner Grundschule enthüllt die systematischen Versäumnisse im deutschen Bildungssystem beim Schutz von LGBTQ+ Lehrkräften. Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus wirft Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) vor, Queerfeindlichkeit "vertuscht" zu haben - ein Vorwurf, der weit über Berlin hinaus Fragen zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in deutschen Schulen aufwirft. Den vollständigen Bericht finden Sie auf queer.de.

Der Fall Oziel Inácio-Stech: Systematisches Versagen aufgedeckt

Oziel Inácio-Stech, ein schwuler Pädagoge, der als Unterrichtshilfe an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit arbeitete, erlebte monatelanges Mobbing durch Schüler*innen aufgrund seiner Homosexualität. Doch das eigentliche Skandalöse liegt nicht nur im Mobbing selbst, sondern in der Reaktion des Systems: Nach mehreren Vorfällen am 11. März 2023 erhielt der betroffene Lehrer von Schulleitung und Schulaufsicht kein einziges Unterstützungsangebot.

Diese Enthüllung ist besonders alarmierend, da Studien zeigen, dass fast alle Berliner Lehrkräfte Homophobie und Transphobie in ihrem Arbeitsumfeld mitbekommen, sich jedoch oft nicht kompetent genug fühlen, angemessen zu reagieren.

WidersprĂĽchliche Kommunikation und politische Verantwortung

Besonders problematisch ist der Umgang der Bildungssenatorin mit dem Fall. Zunächst sprach der Senat von "ergriffenen Präventionsmaßnahmen", später musste er jedoch einräumen, dass überhaupt keine Unterstützungsangebote gemacht wurden. Günther-Wünsch verteidigte sich damit, einen an sie persönlich adressierten Brief des Anwalts einfach nicht gelesen zu haben - ein Verhalten, das die Linkspolitiker*innen Franziska Brychcy und Klaus Lederer als "politisch verheerend" bewerten.

Diese Haltung spiegelt ein weit verbreitetes Problem wider: Queerfeindliche Haltungen zeigen sich im Kontext Schule mittlerweile vehementer als noch vor einigen Jahren, während gleichzeitig die institutionelle Unterstützung schwindet.

Drastische KĂĽrzungen trotz steigender Diskriminierung

Paradoxerweise plant der Berliner Senat fĂĽr 2026/2027 die komplette Streichung aller Fach- und Beratungsstellen im Bereich queerer Bildung. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, in dem rechtsmotivierte Queerfeindlichkeit einen groĂźen Zuwachs verzeichnet.

Besonders zynisch wirkt der Verweis des Senats auf "themenverwandte Angebote in Volkshochschulen" als Alternative. Organisationen wie Queerformat, die wichtige Fortbildungsarbeit für Pädagog*innen leistet, verlieren ihre gesamte Förderung.

Was jetzt getan werden muss

Der Fall verdeutlicht die Notwendigkeit struktureller Veränderungen im deutschen Bildungssystem:

  • Verpflichtende Fortbildungen fĂĽr alle Lehrkräfte zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt
  • Klare Interventionsprotoklle bei queerfeindlichem Mobbing
  • UnterstĂĽtzungsstrukturen fĂĽr betroffene LGBTQ+ Lehrkräfte und SchĂĽler*innen
  • Aufstockung statt Streichung der Mittel fĂĽr queere Bildungsarbeit

Wie wichtig solche Maßnahmen sind, zeigt nicht nur der Berliner Fall: Die Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen (ADAS) berichtet regelmäßig von ähnlichen Fällen in ganz Deutschland.

Ein Signal mit bundesweiter Relevanz

Der Umgang mit dem Fall Inácio-Stech sendet ein verheerendes Signal an LGBTQ+ Lehrkräfte und Schüler*innen bundesweit. Wenn bereits in Berlin, das sich mit seinem LSBTIQ+ Aktionsplan als progressiv positioniert, ein schwuler Lehrer so im Stich gelassen wird, wie sieht es dann in anderen Bundesländern aus?

Die Kritik der Linksfraktion, dass eine Bildungssenatorin, "die von Queerfeindlichkeit in Schulen nichts wissen will", fĂĽr ihr Amt ungeeignet sei, trifft den Kern des Problems: Solange Bildungsverantwortliche wegschauen und Budgets kĂĽrzen statt zu investieren, bleiben Schulen unsichere Orte fĂĽr LGBTQ+ Menschen. Das darf nicht sein - weder in Berlin noch anderswo in Deutschland.


Vergewaltigungs-Prozess erschüttert Bundeswehr: Wenn militärische "Rituale" zu sexueller Gewalt werden

Ein erschütternder Fall von sexueller Gewalt in der Bundeswehr kommt derzeit vor dem Berliner Landgericht zur Verhandlung. Drei ehemalige Soldaten haben gestanden, zwischen Februar und Mai 2021 einen damaligen 24-jährigen Kameraden in der Julius-Leber-Kaserne misshandelt und vergewaltigt zu haben. Wie queer.de berichtet, rechtfertigten die Täter ihre Gewalt als "ritualisierte Form" des Umgangs mit Neulingen.

Gewalt als "Ritual" verharmlost

Die Aussagen der Angeklagten offenbaren ein toxisches Umfeld, in dem sexualisierte Gewalt als normale militärische Tradition dargestellt wird. Ein 35-jähriger ehemaliger Oberstabsgefreiter ließ durch seine Anwältin erklären, es habe sich um eine "ritualisierte Form von den Anfängern zeigen, wie es geht" gehandelt. Diese Verharmlosung von Vergewaltigung als Initiation zeigt die gefährliche Normalisierung von Gewalt in bestimmten militärischen Strukturen.

Das Opfer beschreibt traumatische Erfahrungen: Ein Täter hielt ihn fest, während ein anderer mit einem Gummi-Fingerhut "von hinten in die Hose griff". Studien zeigen, dass sexuelle Gewalt in der Bundeswehr ein größeres Problem darstellt, als öffentlich diskutiert wird.

Besondere Gefährdung queerer Soldaten

Während in diesem Fall die sexuelle Orientierung des Opfers nicht bekannt ist, verdeutlicht der Vorfall die besonders prekäre Situation von LGBTQ+-Soldaten in der Bundeswehr. Forschungen zeigen, dass queere Menschen in militärischen Strukturen einem erhöhten Risiko für Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind. Die Rechtfertigung sexueller Übergriffe als "Rituale" kann besonders für LGBTQ+-Soldaten eine zusätzliche Barriere darstellen, Gewalt zu melden.

Das Schweigen der Kameraden - wie im Fall des 36-jährigen Angeklagten, der die Gewalt beobachtete aber nicht eingriff - verstärkt das Problem. In einem Umfeld, wo queere Identitäten noch immer Angriffsfläche bieten können, werden solche Vorfälle oft verschwiegen oder verharmlost.

Langfristige Traumatisierung und zerbrochene Träume

Die Folgen für das Opfer sind verheerend: Schlafstörungen, Albträume, Panikattacken begleiten den heute 24-Jährigen bis heute. Obwohl die Bundeswehr sein "Lebenstraum" war, konnte er nach den Übergriffen nicht mehr bei der Truppe bleiben. Diese Geschichte wiederholt sich leider bei vielen Betroffenen sexueller Gewalt im Militär - besonders bei LGBTQ+-Soldaten, die oft zusätzlich mit Diskriminierung zu kämpfen haben.

Dass die Kameraden dem Opfer "regelrecht eingetrichtert" haben, es handle sich um "normale Rituale", zeigt die perfide Manipulation, mit der Täter ihre Opfer zum Schweigen bringen. Die Bundeswehr hat zwar Programme gegen Diskriminierung entwickelt, doch Fälle wie dieser zeigen, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist.

Von Extremismusverdacht zu sexueller Gewalt

Ursprünglich kam das Verfahren durch Ermittlungen wegen eines Extremismusverdachts ins Rollen. Das Verteidigungsministerium prüfte eine mutmaßlich rechtsextreme Gruppe namens "Wolfsrudel" im Wachbataillon. Dass diese Durchsuchungen später als rechtswidrig eingestuft wurden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass extremistische Strukturen und sexuelle Gewalt oft miteinander verknüpft sind.

Für die LGBTQ+-Community ist dieser Fall ein Warnzeichen: Wo autoritäre und extremistische Denkweisen gedeihen, sind queere Menschen besonders gefährdet. Die Normalisierung von Gewalt als "Ritual" kann schnell zur systematischen Unterdrückung marginalisierter Gruppen werden.

Ein Urteil mit Signalwirkung

Das für den 2. September erwartete Urteil wird zeigen, ob die deutsche Justiz sexuelle Gewalt in militärischen Strukturen konsequent ahndet. Für die LGBTQ+-Community und alle anderen vulnerablen Gruppen in der Bundeswehr ist dies ein wichtiger Präzedenzfall. Nur durch klare juristische Konsequenzen kann ein Wandel der toxischen Kultur eingeleitet werden, die solche "Rituale" ermöglicht.

Der Mut des Opfers, trotz aller Widerstände vor Gericht zu gehen, verdient Respekt. Seine Geschichte zeigt, dass echte Reform in der Bundeswehr nicht nur strukturelle Veränderungen, sondern auch einen kulturellen Wandel erfordert - einen Wandel, der alle Soldaten schützt, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität.


Trans-Väter und Kinderwunsch: Ein Kampf um Anerkennung zwischen London und Deutschland

Ein schockierender Fall aus Großbritannien zeigt die extremen Hürden, mit denen trans Männer beim Kampf um rechtliche Anerkennung konfrontiert sind. Einem anonymen trans Mann wurde vom Gender Recognition Panel die offizielle Geschlechtsanerkennung verweigert – weil er sich Kinder wünschte. Diese Entscheidung wirft fundamentale Fragen über Menschenrechte, Elternschaft und Geschlechtsidentität auf.

Der Fall: Wenn Kinderwunsch zur Diskriminierung wird

Die Begründung des britischen Gender Recognition Panel ist erschreckend: Der Wunsch, ein Kind zu zeugen, beweise, dass der Antragsteller nicht "als Mann gelebt" habe. Diese Entscheidung reduziert Männlichkeit auf biologische Funktionen und ignoriert die Vielfalt männlicher Erfahrungen. Das Good Law Project, das den Mann vertritt, bezeichnete dies zu Recht als Verstoß gegen die Menschenrechte.

Jess O'Thomson, Sprecherin des Good Law Project, brachte es auf den Punkt: "Die Forderung, dass eine Minderheit keine Kinder haben soll, riecht nach Eugenik." Diese Worte treffen den Kern eines systemischen Problems, das weit ĂĽber GroĂźbritannien hinausgeht.

Deutschland als Vorbild fĂĽr progressive Trans-Rechte

Während Großbritannien rückständige Hürden aufbaut, hat Deutschland einen anderen Weg eingeschlagen. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz, das seit November 2024 in Kraft ist, können Menschen über 18 Jahren ihr Geschlecht durch Selbstbestimmung ändern – ohne medizinische Gutachten oder bürokratische Schikanen.

Der Kontrast könnte größer nicht sein: Während in Deutschland die Würde und Autonomie von trans Personen respektiert wird, kämpfen Menschen in Großbritannien gegen Behörden, die ihre Familienplanung als Argument gegen ihre Identität verwenden. Das deutsche System erkennt an, dass Geschlechtsidentität nichts mit Fortpflanzungswünschen zu tun hat.

Die Realität trans-männlicher Elternschaft

Trans Männer, die schwanger werden und Kinder bekommen, sind keine Seltenheit. Ihre Erfahrungen zeigen die Komplexität moderner Familien und die Notwendigkeit inklusiver Gesetze. In Deutschland wird diese Realität zunehmend anerkannt – ein Grund, warum das Land bei internationalen LGBTQ+-Rankings deutlich besser abschneidet als Großbritannien.

Die Geschichte verdeutlicht auch ein größeres Problem: In mindestens 25 Ländern ist Sterilisation noch immer eine Voraussetzung für die rechtliche Geschlechtsanerkennung. Deutschland hat diese menschenrechtswidrige Praxis abgeschafft, während andere Länder weiterhin diskriminierende Praktiken aufrechterhalten.

Ein Kampf mit internationaler Bedeutung

Der Fall zeigt exemplarisch, wie unterschiedlich europäische Länder mit trans Rechten umgehen. Während Deutschland Fortschritte macht, erleben trans Personen in Großbritannien zunehmende Anfeindungen. Die jüngste Entscheidung des britischen Supreme Court, die die Bedeutung von Gender Recognition Certificates weiter schwächte, ist Teil eines besorgniserregenden Trends.

Für die deutsche LGBTQ+-Community ist dieser Fall eine Erinnerung daran, wie fragil Rechte sein können und wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben. Die Tatsache, dass Deutschland gleichgeschlechtliche Ehe, Adoption und offenen Militärdienst ermöglicht, während Großbritannien trans Rechte einschränkt, zeigt die unterschiedlichen Richtungen, die europäische Länder einschlagen.

Hoffnung trotz Rückschlägen

Der anonyme trans Mann plant, die Entscheidung vor Gericht anzufechten. Sein Mut, gegen diese Diskriminierung zu kämpfen, könnte wegweisend für andere Betroffene sein. Das Good Law Project hat versprochen, die Entscheidung des High Court zu veröffentlichen, sobald sie vorliegt.

Diese Geschichte erinnert uns daran, dass der Kampf für LGBTQ+-Rechte nie endet. Während Deutschland zeigt, dass progressive Gesetze möglich sind, kämpfen Menschen anderswo noch immer um grundlegende Anerkennung ihrer Identität. Der Fall des britischen trans Mannes ist nicht nur ein individuelles Drama, sondern ein Symbol für einen größeren Kampf um Würde, Gleichberechtigung und das Recht auf Familie – unabhängig von der Geschlechtsidentität.


USA: Trump-Regierung zwingt 46 Bundesstaaten zur Vernichtung von Trans-Bildungsmaterialien

Die Trump-Administration hat eine beispiellose Kampagne gegen LGBTQ+-Inhalte in amerikanischen Schulen gestartet und fordert 46 Bundesstaaten auf, alle Bildungsmaterialien zu vernichten, die sich mit Transgender- und nicht-binären Personen beschäftigen. Diese drastische Maßnahme bedroht über 81 Millionen Dollar an Bildungsförderung und zeigt einmal mehr, wie Bildung als politisches Schlachtfeld missbraucht wird.

Millionenschwere Erpressung im Namen der „Ideologie"

Das US-Gesundheitsministerium unter der Leitung von Robert F. Kennedy Jr. hat Bundesstaaten und Territorien ultimativ bis zum 27. Oktober Zeit gegeben, alle Module, Bücher und Materialien zu entfernen, die sich mit geschlechtlicher Vielfalt beschäftigen. Andernfalls droht der Entzug der Bundesmittel aus dem Personal Responsibility Education Program (PREP).

In einem Brief an Bildungsbeamte in Alabama argumentierte die Behörde, dass die Vermittlung sogenannter „Gender-Ideologie" nicht unter die Finanzierungskriterien von PREP falle. Kalifornien wurde bereits bestraft und verlor 12 Millionen Dollar an Bundesförderung, nachdem sich der Bundesstaat weigerte, Verweise auf Geschlechtsidentität aus dem Sexualkundeunterricht zu streichen.

Deutsche Perspektive: Was wir aus Amerika lernen können

Während in den USA die Bildungsfreiheit unter politischen Druck gerät, zeigt Deutschland einen anderen Weg. Die Sexualaufklärung ist hierzulande gesetzlich verankert und umfasst ausdrücklich die Vielfalt sexueller Orientierungen und Geschlechtsidentitäten. Auch wenn es Herausforderungen gibt, ist die Grundrichtung klar: Bildung soll inklusiv und wissenschaftlich fundiert sein.

Die deutschen Bundesländer haben in den vergangenen Jahren verstärkt LGBTQ+-Themen in ihre Lehrpläne integriert. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) berichtet von zunehmenden Bemühungen, Akzeptanz und Inklusion in Schulen zu fördern, auch wenn noch viel Arbeit vor uns liegt.

Wenn Wissenschaft der Politik weichen muss

Besonders beunruhigend ist die Begründung der Trump-Administration: Sie behauptet, Transgender-Themen seien „irrelevant für die Vermittlung von Abstinenz und Verhütung" und stünden in keinem Zusammenhang mit der Vorbereitung auf das Erwachsenenalter. Diese Argumentation ignoriert völlig die Realität, dass LGBTQ+-Jugendliche existieren und Informationen benötigen, die ihre Lebensrealität widerspiegeln.

Laurel Powell von der Human Rights Campaign kritisierte die Maßnahmen als Teil einer „umfassenden Kampagne zur Auslöschung der staatlichen Anerkennung von Transgender-Personen". Sie betonte: „Sexualaufklärung ist dann am besten, wenn sie altersgerecht, faktenbasiert und informativ ist. Wenn sie die Existenz von Trans-Personen leugnet, verfehlt sie ihr Ziel."

Systematischer Angriff auf LGBTQ+-Rechte

Diese Bildungsrichtlinie ist nur ein Baustein in Trumps umfassender Anti-LGBTQ+-Agenda. Die Regierung hat bereits Exekutivanordnungen erlassen, die Transgender-Mädchen von Frauensportteams ausschließen und Transgender-Personen den Militärdienst verbieten. Zusätzlich sollen Bundesmittel für Krankenhäuser gesperrt werden, die Transgender-Jugendliche unterstützen.

Das Bildungsministerium plant außerdem, Kategorien für Transgender- und nicht-binäre Schüler aus der vorgeschriebenen Datenerhebung zu streichen, was die Sichtbarkeit und den Schutz dieser vulnerablen Gruppe weiter schwächt.

Deutschland als Vorbild fĂĽr inklusive Bildung

Der Kontrast zu Deutschland könnte kaum größer sein. Die Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet kontinuierlich daran, queere Bildung in Schulen zu stärken, auch wenn es noch Verbesserungsbedarf gibt. Während Amerika Rückschritte macht, können wir stolz darauf sein, dass unsere Bildungspolitik wissenschaftlich fundiert bleibt und die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt.

Die Entwicklungen in den USA zeigen eindringlich, wie schnell hart erkämpfte Rechte wieder verloren gehen können. Sie erinnern uns daran, dass der Schutz von LGBTQ+-Rechten – auch im Bildungsbereich – niemals selbstverständlich ist und kontinuierlicher Wachsamkeit bedarf.

FĂĽr die betroffenen LGBTQ+-Jugendlichen in Amerika bedeutet diese Politik eine weitere Isolation und Unsichtbarmachung. Ihre Geschichten und Erfahrungen werden aus dem Klassenzimmer verbannt, als existierten sie nicht. Das ist nicht nur bildungspolitisch problematisch, sondern zutiefst unmenschlich.


Wenn Hass zur Provokation wird: Der Fall Liebich und die perfide Instrumentalisierung des Selbstbestimmungsgesetzes

Das neue Jahr begann mit einem Paukenschlag für die trans Community in Deutschland: Der verurteilte Rechtsextremist Sven Liebich hat seinen Geschlechtseintrag auf "weiblich" und seinen Namen auf "Marla-Svenja" ändern lassen – eine Entscheidung, die eine heftige Debatte über das Selbstbestimmungsgesetz ausgelöst hat. Liebich, der durch einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt in Schkeuditz sein Geschlecht und den Vornamen geändert hat , scheint damit genau das erreicht zu haben, was beabsichtigt war: maximale Provokation und eine Munitionslieferung für die Gegner*innen von trans Rechten.

Ein Rechtsextremist spielt mit trans Identität

Die Ironie könnte bitterer nicht sein: Der für seine Provokationen berüchtigte Rechtsextremist hat laut einem Bericht seinen Geschlechtseintrag auf "weiblich" ändern lassen. Sein neuer Name sei Marla Svenja Liebich. Ein Sprecher des Verfassungsschutzes Sachsen-Anhalt bestätigte, dass der Behörde die Namensänderung im Dezember bekanntgeworden sei. Dieselbe Person, die noch im September 2023 Teilnehmer des CSD als „Schwuletten" beschimpfte und von „Transfaschismus" sprach , nutzt nun ausgerechnet das Selbstbestimmungsgesetz, das trans Menschen ein Leben in Würde ermöglichen soll.

Die Provokation ist offensichtlich: Gegenüber der Redaktion habe er sich lediglich mit den Worten geäußert: "Ich habe Angst vor Diskriminierung." Liebich sei auf einem Firmengelände in Halle-Ost angetroffen worden und sei "mit Vollbart und Basecap, in Jeans und Pullover" gut zu erkennen gewesen. Nichts an seinem Auftreten deutet auf eine ernsthafte trans Identität hin. Stattdessen inszeniert sich Liebich als Opfer eines Systems, das er selbst bekämpft.

Das Selbstbestimmungsgesetz – Ein Meilenstein unter Beschuss

Das am 1. November 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz war ein historischer Schritt für die Rechte von trans, inter und nicht-binären Menschen in Deutschland. Es vereinfacht es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Die Änderung erfolgt durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt. Eine gerichtliche Entscheidung über die Antragstellung ist nicht mehr erforderlich. Auch die Notwendigkeit zur Einholung zweier Sachverständigengutachten entfällt.

Mit diesem Gesetz reiht sich Deutschland in eine wachsende Liste von Ländern ein, die die Selbstbestimmung von trans Menschen respektieren. Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay, Spanien, Finnland, Schweiz, Brasilien, Kolumbien und Ecuador respektieren in entsprechenden Gesetzen die Grundrechte und Selbstbestimmung von trans* Personen bei der Änderung des Geschlechtseintrags. Die Erfahrungen aus diesen Ländern zeigen: Die befürchteten Missbrauchsfälle sind die absolute Ausnahme geblieben.

Die Haft-Frage: Ein Frauengefängnis für einen Neonazi?

Besonders brisant wird der Fall durch Liebichs anstehende Haftstrafe. Im Juli 2023 verurteilte das Amtsgericht Halle Liebich wegen Volksverhetzung, Billigung eines Angriffskrieges, Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten. Nach gescheiterter Berufung und Revision ist das Urteil rechtskräftig.

Die Staatsanwaltschaft hat Liebich zunächst in die Frauen-JVA Chemnitz einbestellt, doch es werde beim Haftantritt im Frauengefängnis ein Aufnahmegespräch geben. Daraus könne die JVA-Leitung ableiten, ob Liebich eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung innerhalb des Gefängnisses sei. Falls ja, könne er auch verlegt werden. Das sächsische Justizministerium betont, dass es dabei auch der Frage nachgegangen werde, ob der Geschlechtseintrag nur für die Unterbringung in einem Frauengefängnis geändert worden sei .

Die politische Instrumentalisierung

Wie zu erwarten war, nutzen konservative Politiker*innen den Fall sofort für ihre Agenda. CDU-Kanzleramtsminister Thorsten Frei kritisierte gegenüber RTL und ntv, "dass gut gemeint häufig das Gegenteil von gut" sei und sprach von "massiven Missbrauchsmöglichkeiten". Die CSU-Politikerin Susanne Hierl erklärte: "Der Fall Liebich zeigt eindrücklich, wozu die Möglichkeit einer voraussetzungslosen Änderung des Geschlechtseintrags führt."

Diese Reaktionen folgen einem bekannten Muster. Schon bei der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaften vor einem Vierteljahrhundert warnte die Union vor "Missbrauch" – Konservative argumentierten, dass Verbrecher künftig das Gesetz missbrauchen könnten, sie könnten sich schließlich verpartnern, um nicht gegeneinander aussagen zu müssen. Dieses angebliche Missbrauchsszenario spielte allerdings in der realen Welt weder nach der Einführung der "Ehe light" 2001 noch nach der Öffnung der Ehe 2017 eine Rolle.

Die Stimmen der Vernunft

Die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch (SPD), warnt eindringlich davor, sich von rechten Stimmungsmachern instrumentalisieren zu lassen: "Wir sind gut beraten, solche extremen Einzelfälle nicht zum Maßstab unseres Handelns zu machen." Sie betont, dass das Selbstbestimmungsgesetz "für sehr viele Menschen nicht weniger als gesellschaftliche Teilhabe in Würde" bedeute – "ein Recht, das selbstverständlich sein sollte".

Die trans Aktivistin und frühere WDR-Journalistin Georgine Kellermann reagierte scharf auf die Äußerungen aus der Union: "Ein rechtsextremer Typ will genau das erreichen und Sie lecken seinen Speichel, als wenn's nichts anderes zu denken gäbe. Was für ein intellektueller Totalausfall."

Der Jurist Christian Rath beschreibt die Geschlechtsänderung als "abusive" und eine "pure Provokation", betont aber gleichzeitig, dass das Gesetz sinnvolle Lösungen ermöglicht. Tatsächlich zeigt der Fall Liebich nicht die Schwäche des Gesetzes, sondern seine Stärke: Die Mechanismen zur Überprüfung funktionieren, und das System kann mit solchen Provokationen umgehen.

Ein Blick auf die deutsche trans Community

Während über den Fall Liebich diskutiert wird, sollten wir nicht vergessen, worum es beim Selbstbestimmungsgesetz eigentlich geht. Niemand weiß genau, wie viele trans Personen in Deutschland leben. Die Schätzungen reichen von einigen tausend bis zu Hunderttausenden. Sie fühlen sich als Frau, obwohl ihnen bei der Geburt anhand äußerer Merkmale das männliche Geschlecht zugewiesen wurde – und umgekehrt. Den Betroffenen sollte ermöglicht werden, einen Ausweis vorzuzeigen, der zu ihrer Identität und ihrem Erscheinungsbild als Mann oder Frau passt.

Für diese Menschen ist das Selbstbestimmungsgesetz ein Befreiungsschlag. Nach jahrzehntelangen demütigenden Verfahren, teuren Gutachten und entwürdigenden Befragungen können sie nun endlich selbstbestimmt über ihre Identität entscheiden. Diese Errungenschaft darf nicht durch die zynische Provokation eines einzelnen Rechtsextremisten zunichtegemacht werden.

Deutschland im internationalen Kontext

Deutschland ist mit seinem Selbstbestimmungsgesetz keineswegs Vorreiter, sondern zieht nach. Länder wie Argentinien (seit 2012), Dänemark (2014), Malta (2015), Irland (2015), Norwegen (2016) und viele weitere haben bereits seit Jahren ähnliche Gesetze – ohne dass die befürchteten Horrorszenarien eingetreten wären. Trans-Aktivist:innen versicherten, dass mit Missbrauch nicht zu rechnen sei; das hätten Erfahrungen aus anderen europäischen Staaten wie Belgien, Dänemark und Portugal gezeigt.

Im Gegenteil: Diese Länder berichten von positiven Erfahrungen. Die Selbstmordraten unter trans Menschen sind gesunken, die gesellschaftliche Akzeptanz ist gestiegen, und die befürchteten Missbrauchsfälle sind ausgeblieben. Der Fall Liebich ist eine absolute Ausnahme – und selbst diese Ausnahme wird vom System aufgefangen.

Was lernen wir daraus?

Sollte sich herausstellen, was viele vermuten, nämlich dass es sich um einen provokativen PR-Stunt handelt, dann zeigen die Reaktionen konservativer Medien und Politiker*innen: Liebich hat ihr Ziel erreicht. Der Rechtsextremist hat es geschafft, eine Debatte zu entfachen, die trans Menschen schadet und ihre hart erkämpften Rechte in Frage stellt.

Doch gleichzeitig zeigt der Fall auch die Resilienz unserer Demokratie und unserer Gesetze. Das Selbstbestimmungsgesetz ist robust genug, um mit solchen Provokationen umzugehen. Das SBGG trifft keine Regelungen über den Strafvollzug. Konkret bedeutet das, Entscheidungen werden sehr wohl im Einzelfall herbeigeführt. Es gibt keinen Automatismus, dass eine Änderung des Geschlechtseintrags zu einer Unterbringung im Frauengefängnis führt.

Was wir jetzt brauchen, ist Besonnenheit. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein einzelner Rechtsextremist die Rechte von Tausenden von trans Menschen zerstört. Wir müssen die Kirche im Dorf lassen und erkennen: Der Fall Liebich ist kein Argument gegen das Selbstbestimmungsgesetz – er ist ein Argument für eine wehrhafte Demokratie, die mit solchen Provokationen umgehen kann, ohne gleich in Panik zu verfallen.

Ein Aufruf zur Solidarität

Die trans Community in Deutschland braucht jetzt unsere Solidarität. Sie darf nicht zum Kollateralschaden eines rechtsextremen Provokateurs werden. Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein Meilenstein für die Menschenrechte in Deutschland – und es muss verteidigt werden.

Queere Organisationen wie der LSVD, TransInterQueer und viele andere arbeiten täglich daran, trans Menschen zu unterstützen und ihre Rechte zu verteidigen. Sie verdienen unsere Unterstützung, nicht nur in Zeiten wie diesen, sondern jeden Tag.

Der Fall Liebich mag eine Provokation sein, aber er ist auch eine Chance. Eine Chance, zu zeigen, dass wir als Gesellschaft zusammenstehen. Eine Chance, zu beweisen, dass wir uns nicht von Rechtsextremisten spalten lassen. Und eine Chance, klarzumachen: Die Würde und die Rechte von trans Menschen sind nicht verhandelbar – egal, wie perfide die Angriffe auch sein mögen.


Wiederholter Diebstahl einer Regenbogenfahne in Wahrenholz – Ein Spiegel der wachsenden queerfeindlichen Hasskriminalität

In der Nacht vom 23. auf den 24. August wurde im niedersächsischen Wahrenholz bereits zum vierten Mal eine Regenbogenfahne gestohlen. Wie die Polizeiinspektion Gifhorn berichtet, wurde die gehisste Fahne zwischen 20 Uhr und 7 Uhr von einem Fahnenmast an der Schützenstraße abmontiert. Die Polizei erhofft sich Hinweise aus der Bevölkerung, da das Grundstück an den öffentlichen Verkehrsraum grenzt.

Ein besorgniserregender Trend deutschlandweit

Der wiederholte Diebstahl in Wahrenholz ist leider kein Einzelfall. Aktuelle Statistiken des Bundeskriminalamts zeigen einen alarmierenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten in Deutschland. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ+-Personen erfasst – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 1.188 Fällen im Jahr 2022.

Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Zu den häufigsten Delikten gehören Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen.

Regenbogenfahnen als Zielscheibe

Besonders perfide sind Fälle, in denen Regenbogenfahnen nicht nur gestohlen, sondern durch rechtsextreme Symbole ersetzt werden. So wurde beispielsweise am Bahnhof Neubrandenburg eine Regenbogenflagge durch eine Hakenkreuzflagge ersetzt. Auch in Burg im Spreewald wurde eine Regenbogenflagge gestohlen und durch eine Deutschlandfahne ersetzt.

Diese Taten sind mehr als simpler Vandalismus – sie sind gezielte Einschüchterungsversuche gegen die LSBTIQ+-Community und ihre Verbündeten. Sie sollen Sichtbarkeit reduzieren und ein Klima der Angst schaffen.

Die Reaktion der Politik

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die aktuellen Zahlen "erschreckend" und betonte, dass queerfeindliche Gewalt klar benannt und gezielt verfolgt werden müsse. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert hingegen, dass sich die Bundesregierung nicht nur durch das Hissen von Regenbogenflaggen, sondern durch längst überfällige Gesetzesanpassungen unmissverständlich für die Sicherheit und Menschenrechte von LSBTIQ+ einsetzt.

Ein Appell an die Solidarität

Der Fall in Wahrenholz zeigt, wie wichtig es ist, dass die Gesellschaft zusammensteht. Wer Hinweise zur Tat geben kann oder etwas Ungewöhnliches beobachtet hat, wird gebeten, sich bei der Polizei in Gifhorn oder jeder anderen Polizei-Dienststelle zu melden.

Gleichzeitig verdeutlicht dieser wiederholte Diebstahl, dass der Kampf um Akzeptanz und Gleichberechtigung noch lange nicht gewonnen ist. Jede Regenbogenfahne, die gehisst wird, ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität – und jeder Diebstahl ein Angriff auf die Werte unserer demokratischen Gesellschaft.

Die hohe Dunkelziffer bei queerfeindlichen Straftaten macht es umso wichtiger, dass Betroffene und Zeugen Mut fassen und Taten anzeigen. Nur so können wir dem wachsenden Problem der Hasskriminalität effektiv begegnen und unsere Gesellschaft zu einem sichereren Ort für alle Menschen machen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.


Historischer Gerichtserfolg in Kenia zeigt Dringlichkeit trans Rechte weltweit

Ein bahnbrechendes Gerichtsurteil aus Kenia unterstreicht die globale Bedeutung des Kampfes um Trans-Rechte – und die Fortschritte, die Deutschland in diesem Bereich bereits gemacht hat. Das Urteil eines kenianischen Gerichts, das die Regierung zur Verabschiedung eines Gesetzes zum Schutz von Transgender-Personen verpflichtet, markiert einen historischen Moment für Trans-Rechte auf dem afrikanischen Kontinent.

Ein Kampf um WĂĽrde und Anerkennung

Die Klägerin SC, eine Trans-Frau, die bereits seit ihrer Kindheit in ihrer affirmierten Geschlechtsidentität lebt, erlebte 2019 eine traumatische Behandlung durch das kenianische Justizsystem. Bei einem Besuch im Moi Teaching and Referral Hospital wurde sie wegen "Identitätsbetrugs" verhaftet und einer Reihe erniedrigender Untersuchungen unterzogen – einschließlich Genitaluntersuchungen, Hormontests und Blutentnahmen. Ihre medizinischen Unterlagen wurden später an Journalisten weitergegeben.

Richter Reuben N Nyakundi sprach SC 1.000.000 kenianische Schilling (etwa 6.800 Euro) Schmerzensgeld zu und stellte fest, dass ihre Rechte auf Würde, Privatsphäre und Schutz vor unmenschlicher und erniedrigender Behandlung verletzt wurden. Noch bedeutsamer ist jedoch seine Anweisung an die Regierung, entweder ein spezielles Transgender-Schutzgesetz zu verabschieden oder das bestehende Intersex Persons Bill entsprechend zu erweitern.

Pionierarbeit fĂĽr einen ganzen Kontinent

Lolyne Onger von der Menschenrechtsorganisation Jinsiangu bezeichnete das Urteil als "das erste Mal, dass ein kenianisches Gericht explizit den Staat zur Schaffung von Gesetzen zu Transgender-Rechten aufgefordert hat, und ein erstes Mal auf dem afrikanischen Kontinent." Die Entscheidung könnte jahrzehntelange rechtliche Unsichtbarkeit und Diskriminierung beenden und klaren Rechtsschutz vor Diskriminierung in Beschäftigung, Wohnen, Gesundheitsversorgung und Bildung schaffen.

In Kenia sind gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Männern nach wie vor mit bis zu 14 Jahren Gefängnis strafbar. Die LGBTIQ+ Community ist systematischer Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt, während Politiker wie Präsident Ruto regelmäßig anti-LGBTIQ+ Rhetorik verbreiten.

Deutschlands Fortschritte als Kontrast

Das kenianische Urteil wirft ein Schlaglicht auf die privilegierte Situation in Deutschland. Während Trans-Personen in Kenia noch um grundlegende rechtliche Anerkennung kämpfen müssen, hat Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz von 2024 bereits einen wichtigen Meilenstein erreicht. Das Gesetz ermöglicht es Trans-, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen, ihren Geschlechtseintrag und Namen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern.

Diese Reform beendet das langwierige und kostspieligere frühere Verfahren, das Gutachten und gerichtliche Entscheidungen erforderte. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sieht darin einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts von Trans-Personen.

Internationale Solidarität und lokale Verantwortung

Das kenianische Urteil zeigt eindrucksvoll, wie rechtlicher Aktivismus auch in repressiven Umgebungen Erfolg haben kann. Während SC mit Unterstützung der Organisation Transgender Education and Advocacy kämpfte, verdeutlicht ihr Fall die universelle Bedeutung von Trans-Rechten.

Für die deutsche LGBTIQ+ Community birgt dieses Urteil sowohl Hoffnung als auch Mahnung. Es zeigt, dass Fortschritte möglich sind, erinnert aber auch daran, wie privilegiert die Situation in Deutschland ist. Internationale Erfahrungen mit ähnlichen Gesetzen bestätigen, dass die positiven Auswirkungen auf das Leben von Trans-Personen überwiegen.

Während in Kenia 2023 sogar verschärfte Anti-Homosexualitäts-Gesetze diskutiert wurden und ein Politiker forderte, "LGBT-Menschen komplett aus Kenia zu vertreiben", kämpfen Trans-Aktivist*innen weiter für grundlegende Menschenrechte. Ihr Mut und ihre Beharrlichkeit sollten uns in Deutschland daran erinnern, unsere erreichten Fortschritte zu schätzen und gleichzeitig internationale Solidarität zu zeigen.


Peacemaker: Warum John Cenas bisexueller Superheld ein Meilenstein für LGBTQ+-Repräsentation ist

Die zweite Staffel von James Gunns "Peacemaker" sorgt derzeit für heftige Diskussionen – nicht nur wegen einer expliziten bisexuellen Orgie-Szene, die John Cenas Charakter zeigt. Wie das irische LGBTQ+-Magazin GCN berichtet, festigt diese Darstellung endgültig den Status des Superheldencharakters als bisexuelle Ikone. Doch die Aufregung um diese Szenen offenbart ein tieferliegendes Problem: Wie schwer sich die Gesellschaft noch immer mit der authentischen Darstellung queerer Sexualität tut.

Mehr als nur Provokation: Authentische Repräsentation in deutschen Medien

Während deutsche Medien wie MoviePilot die Darstellung begrüßten, zeigt sich hier ein wichtiger Unterschied zur oft oberflächlichen queeren Repräsentation in Hollywood-Produktionen. Peacemakers Bisexualität wird nicht als Nebennotiz behandelt oder für billige Lacher missbraucht – sie ist ein integraler Bestandteil seiner komplexen Persönlichkeit.

Dies ist besonders relevant für Deutschland, wo LGBTQ+-Repräsentation in Mainstream-Medien noch immer unterrepräsentiert ist. Wie queer.de regelmäßig dokumentiert, kämpfen deutsche Produktionen oft noch damit, authentische queere Geschichten zu erzählen, die über Stereotypen hinausgehen.

Von Charlton Comics zur Bisexuellen Ikone

Christopher Smith alias Peacemaker hat eine faszinierende Entstehungsgeschichte: Ursprünglich 1966 als Pazifist konzipiert, der alles für den Frieden tun würde, wurde er später zu einem Vigilanten transformiert. Interessant ist, dass Alan Moore ihn ursprünglich für "Watchmen" verwenden wollte – daraus wurde letztendlich die Figur des Comedians.

Diese Entwicklung spiegelt wider, wie sich auch die Darstellung von Männlichkeit und Sexualität in Comics und Filmen gewandelt hat. Was früher undenkbar gewesen wäre – ein muskulöser Action-Held, der offen über Sex mit Männern spricht – ist heute Teil einer authentischeren Charakterzeichnung.

John Cenas mutiger Schritt

Besonders bemerkenswert ist John Cenas Engagement für diese Darstellung. Der ehemalige Wrestling-Star, der seine Karriere in einem oft homophoben Umfeld aufgebaut hat, improvisierte laut Regisseur James Gunn viele der sexuell offenen Szenen. "John machte Christopher Smith zu diesem hypersexualisierten Typen, der für alles sexuell offen ist", erklärte Gunn.

Diese Authentizität unterscheidet Peacemaker von vielen anderen Produktionen, die LGBTQ+-Charaktere nur oberflächlich integrieren. Wie deutsche Medien berichteten, reagierten Fans zunächst überrascht auf diese Entwicklung – ein Zeichen dafür, wie ungewöhnlich solche authentischen Darstellungen noch immer sind.

Warum die Aufregung problematisch ist

Die Sorge mancher Eltern, dass Kinder die Serie sehen könnten, nur weil Peacemaker einen Cameo in "Superman" hat, offenbart eine tiefsitzende Biphobie. Die Serie war von Anfang an als R-rated/FSK-16-Produktion konzipiert – die Bisexualität des Hauptcharakters ist nicht das Problem, sondern die Unfähigkeit, queere Sexualität als normal zu akzeptieren.

In Deutschland, wo die Akzeptanz von LGBTQ+-Personen in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, sollten solche Darstellungen als Fortschritt gefeiert werden. Auch wenn manche Kritiker bemängeln, dass die Darstellung oberflächlich sei, zeigt sie doch wichtige Normalität im Umgang mit queerer Sexualität.

Ein Zeichen fĂĽr die Zukunft

Peacemakers explizite Bisexualität ist mehr als nur eine Charaktereigenschaft – sie ist ein Statement. In einer Zeit, in der LGBTQ+-Rechte weltweit unter Druck stehen, sendet eine so prominente Darstellung ein wichtiges Signal: Queere Sexualität gehört zum normalen Spektrum menschlicher Erfahrung.

Für deutsche Zuschauer*innen bietet die Serie die Möglichkeit, Diskussionen über Repräsentation und Authentizität zu führen. Sie zeigt, dass Superhelden-Entertainment erwachsen geworden ist und bereit ist, komplexe, menschliche Charaktere zu präsentieren – jenseits der traditionellen Heldenklischees.

James Gunns Mut, diese Geschichte zu erzählen, und John Cenas Bereitschaft, sie zu verkörpern, verdienen Anerkennung. Sie haben bewiesen, dass authentische LGBTQ+-Repräsentation nicht nur möglich, sondern auch kommerziell erfolgreich sein kann – ein wichtiger Präzedenzfall für zukünftige Produktionen.


Homophobe Serienmorde in Paris schockieren Europa - Deutschland kämpft weiter gegen LGBTQ+-Gewalt

Ein erschütternder Fall von mutmaßlichen homophoben Serienmorden in Paris hat die LGBTQ+-Community in ganz Europa alarmiert. Wie das irische Magazin Gay Community News berichtet, wurde ein Mann in den Zwanzigern in Frankreich wegen des Verdachts auf vier Morde angeklagt, die offenbar gezielt gegen schwule Männer verübt wurden.

Der schockierende Fall an der Seine

Die Tragödie begann Mitte August, als ein Zugpassagier eine Leiche in der Seine bei Choisy-le-Roi entdeckte - einem bekannten Cruising-Gebiet am Fluss. Die anschließende Untersuchung führte zur Bergung von drei weiteren Körpern aus demselben Gebiet. Alle vier Opfer waren Männer unterschiedlichen Alters und verschiedener Nationalitäten: ein 48-jähriger Franzose, ein 21-jähriger Algerier, ein 26-jähriger Tunesier und ein weiterer 21-jähriger Bewohner der Region.

Besonders verstörend: Zwei der Opfer wiesen deutliche Anzeichen von Strangulation und Gewalt auf, während sich die anderen beiden bereits in fortgeschrittenem Zustand der Zersetzung befanden. Die französischen Behörden gehen davon aus, dass alle vier Männer wegen ihrer tatsächlichen oder vermuteten sexuellen Orientierung zur Zielscheibe wurden.

Ein Fall, der Deutschland betrifft

Während die Pariser Ermittlungen weiterlaufen, sind die Nachrichten aus Frankreich auch für die deutsche LGBTQ+-Community von beunruhigender Relevanz. Denn auch in Deutschland steigt die Zahl homophober und transphober Gewaltverbrechen dramatisch an. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) berichtet von einem Anstieg der Hassverbrechen gegen LGBTQ+-Personen um fast 24 Prozent im Jahr 2024 - insgesamt 2.917 erfasste Straftaten.

Diese erschreckende Entwicklung zeigt, dass homophobe Gewalt kein isoliertes französisches Problem darstellt, sondern ein gesamteuropäisches Phänomen. Die Dunkelziffer in Deutschland liegt dabei noch erheblich höher, da viele Betroffene aus Scham oder Misstrauen gegenüber den Behörden keine Anzeige erstatten.

Cruising-Kultur unter Bedrohung

Der Tatort an der Seine wirft ein Schlaglicht auf die vulnerable Situation von Cruising-Plätzen - historisch wichtige Treffpunkte für schwule Männer, die jedoch zunehmend zu gefährlichen Orten werden. Diese traditionellen Räume der queeren Community, die oft abseits der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit liegen, werden vermehrt zur Zielscheibe homophober Gewalt.

In Deutschland kennen LGBTQ+-Aktivisten ähnliche Problematiken: Parks, Uferpromenaden und andere diskrete Treffpunkte werden immer häufiger zu Schauplätzen von Übergriffen. Die Pariser Morde verdeutlichen dabei die extremste Form dieser Entwicklung und unterstreichen die Dringlichkeit, mit der Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.

Ermittlungen und gesellschaftliche Reaktion

Der festgenommene Verdächtige, der seit drei Jahren in Frankreich lebt und zuletzt in einem Squat nahe dem Tatort wohnte, verweigert bislang die Zusammenarbeit mit der Polizei. Sein Anwalt Antoine Ory bestätigte, dass sich der Mann zu einem späteren Zeitpunkt zu den Vorwürfen äußern werde. Die Beweislage scheint erdrückend: Bei einer Routinekontrolle bereits vor der Entdeckung der Leichen wurden bei ihm Handys, Ausweise und Bankkarten der späteren Opfer gefunden.

Der Fall hat in Frankreich und ganz Europa eine Diskussion über den Schutz queerer Räume und die Notwendigkeit verstärkter Präventionsmaßnahmen ausgelöst. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte bereits wiederholt, dass alle Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Diskriminierung erfahren, besonderen Schutz verdienen.

Ein Weckruf fĂĽr ganz Europa

Die mutmaĂźlichen Serienmorde von Paris sind mehr als nur ein lokales Verbrechen - sie sind ein schockierender Weckruf fĂĽr ganz Europa. Sie zeigen auf, wie tief verwurzelt homophobe Gewalt noch immer in unserer Gesellschaft ist und wie verletzlich queere Menschen trotz aller rechtlichen Fortschritte bleiben.

Für die deutsche LGBTQ+-Community bedeutet dieser Fall eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass Sichtbarkeit und Akzeptanz allein noch keinen ausreichenden Schutz bieten. Es braucht konkrete Maßnahmen: bessere Aufklärung, verstärkte Polizeipräsenz an neuralgischen Punkten und vor allem eine Gesellschaft, die Hassverbrechen gegen queere Menschen nicht toleriert.

Die vier Männer, die ihr Leben an der Seine verloren haben, stehen stellvertretend für alle LGBTQ+-Personen, die tagtäglich mit der Angst vor Gewalt leben müssen. Ihr Tod darf nicht umsonst gewesen sein - er muss als Mahnung und Auftrag verstanden werden, den Kampf gegen Homophobie und Transphobie mit aller Entschlossenheit fortzuführen.


Unions-Offensive gegen Selbstbestimmungsgesetz: Wenn ein Einzelfall zur politischen Waffe wird

Mit verstärkter Vehemenz schießen sich CDU und CSU derzeit auf das im vergangenen Jahr beschlossene Selbstbestimmungsgesetz ein. Der Anlass: Der rechtskräftig verurteilte Sven Liebich, der nach seinem Urteil wegen Volksverhetzung seinen Geschlechtseintrag änderte und nun möglicherweise die Haftstrafe in einem Frauengefängnis antreten könnte. Ein Fall, der zeigt, wie schnell komplexe rechtliche Fragen zu populistischen Kampagnen werden können.

Politischer Sturm um einen Extremfall

Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) nutzte TV-Auftritte bei RTL und ntv, um das Gesetz als "extrem niedrigschwellige Lösung" zu kritisieren, die "massive Missbrauchsmöglichkeiten" eröffne. Seine Kollegin Susanne Hierl (CSU), rechtspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, sieht den Fall Liebich als Beweis für ihre Bedenken: "Selbst beim offensichtlichen Missbrauch des Gesetzes kann die Änderung des Geschlechtseintrags nicht verhindert werden."

Diese Argumentation folgt einem bekannten Muster: Ein Extremfall wird zum Maßstab für ein gesamtes Gesetz gemacht. Dabei übersehen die Kritiker*innen, dass Liebich überhaupt nicht automatisch in ein Frauengefängnis kommt – die endgültige Zuordnung liegt bei der Justizvollzugsanstalt selbst und wird in einem Aufnahmegespräch geprüft.

Déjà-vu: Alte Ängste in neuer Verpackung

Die aktuelle Debatte erinnert frappierend an die Diskussionen um die eingetragene Lebenspartnerschaft vor über 20 Jahren. Damals warnte die Union vor "Scheinpartnerschaften" von Kriminellen, die das Zeugnisverweigerungsrecht missbrauchen könnten. Ein Problem, das sich in den vergangenen 24 Jahren als Phantom erwies.

Heute wiederholt sich das Schauspiel mit ähnlichen Argumentationsmustern. Dabei zeigen internationale Erfahrungen aus über zwei Dutzend Ländern, die bereits vergleichbare Regelungen eingeführt haben – darunter Irland, Norwegen und Kolumbien unter konservativ-liberalen Regierungen –, dass die befürchteten Probleme ausgeblieben sind.

Stimmen der Vernunft

Sophie Koch (SPD), Queerbeauftragte der Bundesregierung, mahnt zur Besonnenheit: "Rechten Stimmungsmachern sollte man nicht auf den Leim gehen. Wir sind gut beraten, solche extremen Einzelfälle nicht zum Maßstab unseres Handelns zu machen." Das Selbstbestimmungsgesetz bedeute "für sehr viele Menschen nicht weniger als gesellschaftliche Teilhabe in Würde".

Auch trans Aktivist*innen wie die Pride-Award-Trägerin Georgine Kellermann zeigen sich empört über die Instrumentalisierung des Falls: "Ein rechtsextremer Typ will genau das erreichen und Sie lecken seinen Speichel, als wenn's nichts anderes zu denken gäbe."

Was wirklich auf dem Spiel steht

Das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das diskriminierende Transsexuellengesetz von 1980, das trans Menschen jahrzehntelang entwürdigende Gutachten und langwierige Gerichtsverfahren auferlegte. Für die betroffenen Menschen geht es um grundlegende Menschenwürde und das Recht auf Selbstbestimmung – nicht um rechtliche Schlupflöcher für Extremist*innen.

Die Union riskiert mit ihrer Kampagne, die Rechte einer ohnehin vulnerablen Gruppe zu opfern, um politisches Kapital aus einem Einzelfall zu schlagen. Dabei sollte gerade die konservative Politik wissen: Gesetze werden nicht für Extremfälle gemacht, sondern für die Millionen Menschen, die sie redlich nutzen.

Die Debatte zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, sachlich über LGBTQ+-Rechte zu diskutieren – statt mit Panikmache und Populismus einer kleinen, aber lauten Minderheit das Leben schwer zu machen.


Rechtlicher Meilenstein: US-Gericht bestätigt Recht trans Frauen auf Aufnahme in Studentinnenverbindungen

In einem wegweisenden Urteil hat ein US-Bundesrichter in Wyoming endgültig eine Klage abgewiesen, die darauf abzielte, eine trans Frau aus ihrer Studentinnenverbindung zu entfernen. Der Fall, der seit 2023 durch die Gerichte geht, zeigt sowohl die anhaltenden Herausforderungen als auch die rechtlichen Fortschritte für trans Personen auf – und wirft Fragen zu ähnlichen Situationen in Deutschland auf. Die ursprüngliche Berichterstattung verdeutlicht die Tragweite dieses Präzedenzfalls.

Ein jahrelanger Rechtsstreit findet sein Ende

Am 22. August wies Richter Alan Johnson die Klage gegen Kappa Kappa Gamma "with prejudice" ab – ein juristischer Begriff, der bedeutet, dass der Fall nicht mehr vor Gericht gebracht werden kann. Die Klage war ursprünglich von sechs Mitgliedern der Wyoming-Sektion der Studentinnenverbindung eingereicht worden, nachdem 2022 Artemis Langford als erste trans Frau in die traditionsreiche Organisation aufgenommen wurde.

In seinem Urteil stellte Johnson klar: "Nichts in den Statuten oder den Regularien verlangt von Kappa, die Worte 'Frau' oder 'Frauen' eng zu definieren und nur Personen einzuschließen, die mit bestimmten Fortpflanzungsorganen geboren wurden – besonders wenn sogar das von den Klägerinnen zitierte Wörterbuch eine expansivere Definition anbietet."

Der menschliche Preis des Rechtsstreits

Für Artemis Langford hatte der jahrelange Rechtskampf schwerwiegende persönliche Konsequenzen. Sie berichtete dem Wyoming Public Radio, dass sie täglich unter Panikattacken litt: "Jeden Tag wachte ich auf und fragte mich: Warum schmeckt mein Mund schlecht? Dann realisierte ich, dass mein Herz raste und ich eine Panikattacke hatte." Nach der medialen Aufmerksamkeit, insbesondere durch Fox News, erhielt sie Morddrohungen und musste Wyoming verlassen.

Langford, die einst plante, in Wyoming "alt zu werden", verklagt nun die Anwälte der Klägerinnen auf Schadensersatz. Ihr Fall verdeutlicht, wie rechtliche Auseinandersetzungen über trans Rechte das Leben der betroffenen Personen grundlegend verändern können.

Parallelen und Unterschiede in Deutschland

Während US-amerikanische Sororities in Deutschland keine direkte Entsprechung haben, werfen ähnliche Fragen zur Inklusion von trans Personen auch hierzulande wichtige gesellschaftliche Diskussionen auf. An deutschen Hochschulen gibt es zunehmend Bestrebungen zur Geschlechtervielfalt, wobei die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten entsprechende Handlungsempfehlungen entwickelt hat.

Traditionelle deutsche Studentenverbindungen wie Burschenschaften stehen jedoch vor besonderen Herausforderungen bei der Inklusion von trans Personen. Diese oft jahrhundertealten Organisationen sind historisch männlich geprägt und könnten ähnliche Diskussionen wie in den USA erleben. Das neue Selbstbestimmungsgesetz, das seit April 2024 das Transsexuellengesetz ablöst, könnte solche Debatten weiter anheizen.

Rechtlicher Fortschritt mit gesellschaftlicher Signalwirkung

Das Urteil aus Wyoming ist mehr als nur eine juristische Entscheidung – es ist ein Signal für trans Personen überall. Der Richter bestätigte das Recht privater Organisationen, ihre eigenen Mitgliedschaftsregeln zu definieren, und erkannte dabei explizit die Inklusion von trans Frauen an. Kappa Kappa Gamma hatte bereits 2015 seine Definition von "Frau" erweitert, um trans Frauen einzuschließen, und Langford wurde sieben Jahre später das erste transgender Mitglied.

Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, in dem trans Rechte in den USA unter massivem politischem Druck stehen. Während konservative Bundesstaaten restriktive Gesetze verabschieden, zeigt dieser Fall, dass die Gerichte weiterhin Schutz für trans Personen bieten können – wenn auch nicht ohne persönliche Kosten für die Betroffenen.

Ein Blick in die Zukunft

In Deutschland, wo die rechtliche Anerkennung von Geschlechtervielfalt bereits fortgeschritten ist, könnten ähnliche Fälle entstehen, wenn traditionelle Organisationen mit den sich wandelnden gesellschaftlichen Normen konfrontiert werden. Die steigenden Zahlen von Diskriminierung gegen LGBTIQ+ Personen in Deutschland zeigen, dass rechtlicher Fortschritt allein nicht ausreicht.

Der Fall Artemis Langford erinnert uns daran, dass hinter jedem Gerichtsverfahren ein Mensch steht, dessen Leben durch gesellschaftliche Debatten über seine Existenzberechtigung geprägt wird. Während das Urteil einen wichtigen Präzedenzfall schafft, bleibt die Arbeit für eine wirklich inklusive Gesellschaft – sowohl in den USA als auch in Deutschland – noch lange nicht beendet.


Lil Nas X unter Anklage: Ein Weckruf fĂĽr die Community

Der schwule US-Rapper Lil Nas X steht vor ernsten juristischen Konsequenzen. Montero Hill, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, wurde wegen dreifacher schwerer Körperverletzung von Polizeibeamten und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt. Der Vorfall ereignete sich am 21. August 2025 in den frühen Morgenstunden in Studio City, Los Angeles, als der 26-Jährige fast nackt die Ventura Boulevard entlanglief – laut queer.de nur in Unterwäsche und weißen Cowboystiefeln bekleidet.

Von medizinischem Notfall zu schweren VorwĂĽrfen

Was zunächst wie ein medizinischer Notfall aussah, entwickelte sich zu einem komplexen rechtlichen Fall. Nach seiner Verhaftung wurde Hill zunächst ins Krankenhaus gebracht, da Verdacht auf eine Überdosis bestand. Dort angekommen soll er jedoch laut FOX 11 LA drei Polizeibeamte angegriffen haben, die versuchten, ihn in Gewahrsam zu nehmen.

Der Bezirksstaatsanwalt Nathan J. Hochman machte in seiner Stellungnahme deutlich: "Jeder, der Polizeibeamte angreift, muss mit ernsthaften Folgen rechnen, egal, wer sie sind oder wie berühmt sie sein mögen." Mit einer Kaution von 75.000 Dollar und der Auflage zur Drogenbehandlung ist der Fall alles andere als glimpflich ausgegangen.

Queere Menschen zwischen Polizei und Justiz

Der Fall wirft Fragen über das Verhältnis zwischen queeren Künstlern, psychischer Gesundheit und dem Rechtssystem auf. Während in Deutschland der LSVD kontinuierlich auf Probleme mit Polizeigewalt gegen LGBTQ+-Personen hinweist, zeigt sich auch in den USA ein komplexes Spannungsfeld. Besonders Menschen of Color aus der queeren Community sind überproportional von Polizeigewalt betroffen.

In Deutschland fehlt nach wie vor eine bundesweite Stelle zur systematischen Erfassung von Übergriffen gegen queere Menschen. Der Tagesspiegel berichtete über eingestellte Verfahren gegen Polizisten, die während des CSD in Berlin queere Menschen misshandelt haben sollen – ein Muster, das auch in den USA zu beobachten ist.

Ein Jahr der gesundheitlichen Herausforderungen

Der aktuelle Vorfall reiht sich in eine Serie gesundheitlicher Probleme ein, die Lil Nas X in diesem Jahr plagten. Im April berichtete er über eine teilweise Gesichtslähmung, später musste er seinen Hauptauftritt beim Outloud Pride Music Festival absagen. Sein Team sprach von "andauernden medizinischen Problemen", während der Künstler selbst betonte: "Nach meinem kürzlichen Krankenhausaufenthalt muss ich meine Gesundheit priorisieren."

Diese Entwicklung verdeutlicht die besonderen Belastungen, denen queere Künstler ausgesetzt sind. Als einer der wenigen offen schwulen Rapper im Mainstream-Hip-Hop hat Lil Nas X nicht nur künstlerische Barrieren durchbrochen, sondern auch persönlich einen hohen Preis dafür bezahlt.

Community-Solidarität in schweren Zeiten

Der Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig Community-Unterstützung und professionelle Hilfe für queere Menschen in Krisensituationen sind. Während die rechtlichen Konsequenzen – bis zu fünf Jahre Haft bei einer Verurteilung – schwerwiegend sind, steht dahinter ein Mensch, der sichtlich um seine Gesundheit kämpft.

FĂĽr die deutsche LGBTQ+-Community ist der Fall ein Anlass zur Reflexion: Auch hier brauchen wir bessere UnterstĂĽtzungssysteme fĂĽr queere Menschen in psychischen Notlagen und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Umgang von Polizei und Justiz mit vulnerablen Community-Mitgliedern. Der Mut zur Sichtbarkeit darf nicht mit dem Verlust von Menschlichkeit und angemessener FĂĽrsorge bezahlt werden mĂĽssen.


Historischer Sieg: Trans-Wrestlerin Nyla Rose erobert britischen Meistertitel

Nyla Rose hat Wrestling-Geschichte geschrieben und ist als erste offen trans Wrestlerin Meisterin einer reinen Frauen-Promotion in Großbritannien geworden. Bei Pro Wrestling: EVE gewann sie am 23. August den Titel in einem hochkarätigen Match gegen die bisherige Meisterin Nightshade.

Ein Meilenstein fĂĽr LGBTQ+-Sichtbarkeit im Wrestling

Der Sieg bei der "EVE x The World"-Veranstaltung markiert einen bedeutsamen Moment für die LGBTQ+-Gemeinschaft im professionellen Wrestling. Rose ist bereits die fünfte offen queere Wrestlerin, die den EVE-Titel hält, und reiht sich damit in die Fußstapfen von Charlie Morgan, Jetta, Piper Niven und Safire Reed ein.

Für Deutschland und Europa ist diese Entwicklung besonders relevant, da sie zeigt, wie sich die Akzeptanz von trans Athletinnen auch in traditionell konservativen Sportarten wie dem Wrestling durchsetzt. Während in Deutschland die Diskussion um trans Personen im Sport noch oft kontrovers geführt wird, setzen Pionierinnen wie Rose wichtige Zeichen für Inklusion und Gleichberechtigung.

Vom AEW-Star zur britischen Meisterin

Rose, die bereits 2020 als erste trans Frau die AEW Women's World Championship gewann, bewies erneut ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten im Ring. Gegen Nightshade gelang ihr der entscheidende Sieg durch einen spektakulären Swanton Bomb vom obersten Ringseil - eine Bewegung, die das Publikum begeisterte und von AEW-Schiedsrichterin Aubrey Edwards gezählt wurde.

Die 42-jährige Wrestlerin aus Washington D.C., die afrikanisch-amerikanischer und indianischer Abstammung ist, begann ihre Transition bereits während ihres Studiums und startete ihre Wrestling-Karriere 2012. Ihr Weg an die Spitze war nicht immer einfach, doch sie nutzte ihre Plattform stets, um anderen Mut zu machen.

Sportlicher Respekt ĂĽber alle Grenzen hinweg

Besonders beeindruckend war das Verhalten beider Kontrahentinnen nach dem Match. Nightshade, die 113 Tage lang Meisterin war, würdigte ihre Gegnerin in einem emotionalen Post auf X: "Du bist die ultimative BESTIE!!! Was für unglaubliche 113 Tage als EVE-Meisterin." Sie kündigte gleichzeitig an, stärker zurückzukommen und sich den Titel zurückholen zu wollen.

Rose antwortete ebenso respektvoll und lobte ihre Kontrahentin als eine ihrer bisher stärksten Gegnerinnen. Solche Gesten des sportlichen Respekts zeigen, dass im Wrestling - trotz seiner oft theatralischen Inszenierung - echte menschliche Verbindungen und Professionalität existieren.

Bedeutung fĂĽr die deutsche LGBTQ+-Community

Roses Erfolg sendet auch nach Deutschland ein wichtiges Signal. In einer Zeit, in der trans Rechte europaweit unter Druck stehen, zeigt sie, dass trans Personen in allen Lebensbereichen Höchstleistungen erbringen können. Ihre Geschichte inspiriert nicht nur junge LGBTQ+-Menschen, sondern trägt auch zur Normalisierung von trans Identitäten in der Öffentlichkeit bei.

Pro Wrestling: EVE, die reine Frauen-Promotion aus Großbritannien, hat sich durch die Aufnahme und Förderung von LGBTQ+-Talenten als progressive Kraft im europäischen Wrestling etabliert. Mit Rose als Meisterin setzt die Organisation ein starkes Zeichen für Diversität und Inklusion, das hoffentlich auch andere Promotionen in Deutschland und Europa inspiriert.

Der historische Sieg von Nyla Rose ist mehr als nur ein sportlicher Erfolg - er ist ein Symbol für den Fortschritt in Sachen LGBTQ+-Rechte und zeigt, dass Träume keine Grenzen kennen, wenn Talent auf Determination trifft.


Erste Bilanz des Selbstbestimmungsgesetzes: Mecklenburg-Vorpommern zeigt positive Resonanz

Seit dem Inkrafttreten des neuen Selbstbestimmungsgesetzes haben bereits mehrere hundert Menschen in Mecklenburg-Vorpommern ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern lassen. Diese ersten konkreten Zahlen aus dem Bundesland zeigen eine ermutigende Resonanz auf die lange geforderte Reform des Personenstandsrechts.

Konkrete Zahlen aus den größten Städten

Die Landeshauptstadt Schwerin verzeichnete bereits in den ersten beiden Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes 24 Geschlechtseintragsänderungen. Die Verteilung zeigt ein ausgewogenes Bild: Zehn Personen änderten ihren Eintrag von männlich zu weiblich, neun von weiblich zu männlich und vier wählten den Geschlechtseintrag "divers". Ein weiterer Eintrag wurde komplett gestrichen. Im ersten Halbjahr 2024 folgten weitere 25 Erklärungen.

Noch deutlicher wird die Nachfrage in Rostock, der größten Stadt des Landes: Hier lagen dem Standesamt bis Dezember 2023 bereits 180 Anmeldungen vor, bis Mitte August 2024 kamen weitere 83 hinzu. Auch die kleineren Großstädte zeigen beachtliche Zahlen: Greifswald meldet 79 Erklärungen, Stralsund 61, Wismar 55 und Neubrandenburg 35.

Ein Meilenstein für trans* und nicht-binäre Menschen

Diese ersten Statistiken belegen, was LGBTQ+-Organisationen seit Jahren prognostiziert haben: Das vereinfachte Verfahren zur Geschlechtseintragsänderung wird von betroffenen Personen dankbar angenommen. Das neue Gesetz löst das als diskriminierend kritisierte Transsexuellengesetz von 1980 ab, das aufwändige Begutachtungsverfahren und hohe Kosten vorschrieb.

Die Zahlen aus Mecklenburg-Vorpommern stehen im Einklang mit internationalen Erfahrungen aus Ländern wie Dänemark, Malta und Argentinien, wo ähnliche Gesetze zu einer moderaten, aber beständigen Nachfrage führten. Nach einer anfänglichen Spitze stabilisiert sich die Anzahl der Anträge typischerweise auf einem überschaubaren Niveau.

Gesellschaftlicher Wandel spiegelt sich in Zahlen wider

Die positive Resonanz in Mecklenburg-Vorpommern zeigt auch einen gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit Geschlechtsidentität auf. Während konservative Kritiker vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vor einem "Missbrauch" warnten, belegen die ersten Monate eine verantwortungsvolle Nutzung der neuen Möglichkeiten.

Für die trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen in Deutschland bedeuten diese Zahlen mehr als nur Statistik: Sie stehen für gelebte Selbstbestimmung und die Anerkennung ihrer Identität durch den Staat. Das Selbstbestimmungsgesetz hat einen wichtigen Beitrag zur Gleichberechtigung geleistet und zeigt, dass Deutschland bei LGBTQ+-Rechten weiter voranschreitet.

Die Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern werden bundesweit aufmerksam verfolgt, da sie wichtige Erkenntnisse für die praktische Umsetzung des Gesetzes liefern und anderen Bundesländern als Orientierung dienen können.


Magdeburg zeigt Flagge: Wenn Liebe auf Hass trifft

In Magdeburg prallten am Samstag zwei Welten aufeinander: Während 2.700 Menschen beim Christopher Street Day für Vielfalt und queere Rechte demonstrierten, marschierte zeitgleich eine rechtsextreme Gegendemonstration mit 350 Teilnehmenden durch die Innenstadt. Was in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt geschah, spiegelt eine beunruhigende Entwicklung wider, die sich durch ganz Deutschland zieht.

Ein Tag, zwei Demonstrationen, unversöhnliche Weltbilder

Die Szenen aus Magdeburg waren eindeutig: Auf der einen Seite feierten Tausende Menschen in bunten KostĂĽmen und mit Regenbogenfahnen die Vielfalt. Auf der anderen Seite skandierten Neonazis Parolen wie "Wir kriegen euch alle" und "WeiĂź, normal und hetero". Die Jungen Nationalisten, die Jugendorganisation der Partei "Die Heimat" (ehemals NPD), feierten ihren Aufmarsch gar als Einsatz fĂĽr "gesunde Familien" gegen die vermeintliche "Homo-, Trans- und Genderlobby".

Diese Rhetorik ist nicht neu, aber sie wird immer aggressiver. Die Polizei leitete mehrere Ermittlungsverfahren ein – unter anderem wegen Sachbeschädigung, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, dem Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen und Beleidigung. Trotz des massiven Polizeiaufgebots mit mehreren hundert Beamtinnen und Beamten blieb die Lage überwiegend friedlich.

Wenn Regenbogenfahnen zur Zielscheibe werden

Besonders erschreckend sind die Berichte von Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos), die als Schirmherrin des CSD fungierte. Sie berichtete, dass die Stadt wegen des Hissens der Regenbogenfahne "viele aggressive Nachrichten" erhalten habe. Diese Erfahrung teilen zahlreiche Kommunen in Deutschland. Von Vandalismus an Regenbogenfahnen bis hin zu Hassnachrichten – die Pride Flag wird zunehmend zur Zielscheibe rechter Gewalt.

Doch Borris ließ sich nicht einschüchtern: "Das zeigt nur, wie wichtig der CSD ist", betonte sie und verwies darauf, dass die Regenbogenfahne für Grundrechte stehe, die im Grundgesetz verankert seien. "Niemand darf aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Identität benachteiligt werden."

Deutschland zwischen Fortschritt und RĂĽckschritt

Die Ereignisse von Magdeburg verdeutlichen das Spannungsfeld, in dem sich die deutsche LGBTQ+-Bewegung befindet. Einerseits gibt es ermutigende Entwicklungen: Das Selbstbestimmungsgesetz trat 2024 in Kraft, und immer mehr Unternehmen und Kommunen zeigen Flagge fĂĽr Vielfalt. Andererseits organisiert sich der Widerstand gegen LGBTQ+-Rechte zunehmend professioneller.

Experten beobachten eine wachsende Anti-LGBTI-Bewegung, die internationale Verbindungen pflegt und sich geschickt als "Kinderschutz"-Bewegung tarnt. Diese Strategie ist nicht neu, aber sie verfängt: Umfragen zeigen, dass ein Teil der Bevölkerung empfänglich für diese Narrative ist.

Zivilgesellschaft als Bollwerk

Umso wichtiger sind Veranstaltungen wie der CSD Magdeburg, der mit 40 Info- und Aktionsständen auf dem Alten Markt und einem über 40 Meter langen Regenbogenbanner vor dem Landtag ein kraftvolles Zeichen setzte. Die deutliche Überzahl der CSD-Teilnehmenden gegenüber den rechtsextremen Gegendemonstranten zeigt: Die Mehrheit der Gesellschaft steht für Vielfalt ein.

Dennoch darf die Gefahr nicht unterschätzt werden. Die Hasskriminalität gegen LGBTI-Menschen steigt kontinuierlich an. Physische und psychische Gewalt, Diskriminierung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum – viele queere Menschen erleben täglich, was die Hassparolen der Magdeburger Neonazis in der Realität bedeuten.

Der lange Weg zur Gleichberechtigung

Die Botschaft aus Magdeburg ist klar: Der Kampf um queere Rechte ist noch lange nicht gewonnen. Während in anderen europäischen Ländern wie Spanien oder Malta bereits umfassende LGBTI-Schutzgesetze existieren, hinkt Deutschland teilweise hinterher. Die Forderung nach einer Ergänzung des Grundgesetzes um den Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller und geschlechtlicher Identität bleibt aktuell.

Oberbürgermeisterin Borris brachte es auf den Punkt: "Wir sind alle Menschen dieser Stadt und der Marktplatz ist genau der richtige Ort für die Veranstaltung." Diese einfache, aber mächtige Botschaft sollte sich alle zu Herzen nehmen, die für eine offene Gesellschaft eintreten. Denn letztendlich geht es nicht nur um queere Rechte – es geht um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen.

Magdeburg hat gezeigt: Auch wenn der Hass laut schreit, die Liebe ist stärker. 2.700 zu 350 – das Verhältnis spricht für sich.


Schwere Verbrechen mit K.o.-Tropfen: Die dunkle Seite des Online-Datings in der LGBTQ+ Community

Ein erschütternder Fall vor dem Berliner Landgericht zeigt die Gefahren auf, denen queere Menschen beim Online-Dating ausgesetzt sind. Ein 27-jähriger Mann hat gestanden, zwischen August 2023 und Januar 2024 mehrere schwule Männer mit K.o.-Tropfen betäubt und anschließend beraubt zu haben. Der ursprüngliche Bericht dokumentiert eine beunruhigende Serie von Verbrechen, die über Dating-Plattformen eingefädelt wurden.

Eine perfide Methode: Vertrauen ausnutzen

Der Angeklagte nutzte Dating-Apps, um Kontakt zu seinen Opfern herzustellen – eine Methode, die besonders perfide ist, weil sie das Vertrauen und die Hoffnung auf menschliche Nähe ausnutzt. In einem Fall verabreichte er einem 53-jährigen Mann aus Berlin-Spandau heimlich K.o.-Tropfen in dessen Getränk, woraufhin das Opfer für mehrere Stunden das Bewusstsein verlor. Insgesamt wurden Bargeld und Gegenstände im Wert von rund 15.000 Euro erbeutet.

Die Taten zeigen ein erschreckendes Muster: Der Täter suchte gezielt schwule Männer über Dating-Plattformen auf, baute Vertrauen auf und nutzte dann deren Wehrlosigkeit aus. Laut Polizei-Beratung sind K.o.-Tropfen besonders gefährlich, weil sie die Opfer willenlos machen und oft zu Erinnerungslücken führen.

LGBTQ+ Community besonders vulnerabel

Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die besonderen Risiken, denen LGBTQ+-Personen beim Online-Dating ausgesetzt sind. Wie die LGBTQ+-Beratungsstelle Rosalinde Leipzig erklärt, sind queere Menschen in Deutschland noch immer vielfältigen Diskriminierungen und Gefahren ausgesetzt – auch in vermeintlich sicheren digitalen Räumen.

Die Nutzung von Dating-Apps kann das Risiko erhöhen, Opfer von K.o.-Tropfen-Attacken zu werden, da sie es Tätern erleichtern, Kontakt zu potenziellen Opfern aufzunehmen. Besonders in der schwulen Community, wo Dating-Apps weit verbreitet sind, ist diese Gefahr real und präsent.

Was sind K.o.-Tropfen und wie wirken sie?

K.o.-Tropfen umfassen verschiedene Substanzen wie GHB (Gammahydroxybuttersäure), auch als "Liquid Ecstasy" bekannt, oder Ketamin. Diese Drogen sind farb- und oft geruchlos, wodurch sie unbemerkt in Getränke gemischt werden können. Sie führen binnen kurzer Zeit zu Bewusstlosigkeit, Erinnerungslücken und völliger Wehrlosigkeit der Opfer.

Paradoxerweise werden diese Substanzen in Clubs auch freiwillig als Partydrogen konsumiert – ein Umstand, der ihre kriminelle Verwendung zusätzlich verschleiert. Die Dunkelziffer der Fälle dürfte hoch sein, da sich viele Betroffene schämen oder sich nicht an die Tat erinnern können.

SchutzmaĂźnahmen fĂĽr die Community

Um sich vor solchen Verbrechen zu schĂĽtzen, sollten queere Menschen beim Online-Dating besondere Vorsicht walten lassen:

  • Erste Treffen immer an öffentlichen Orten vereinbaren
  • Freunden Bescheid geben, wo und mit wem man sich trifft
  • Getränke niemals unbeaufsichtigt lassen
  • Keine Getränke von fremden Personen annehmen
  • Auf das eigene BauchgefĂĽhl hören und bei Unbehagen die Situation verlassen

Beratungsstellen wie die AWO bieten Informationen und Unterstützung für Betroffene. Es gibt auch spezielle Teststreifen, die helfen können, Getränke auf bestimmte K.o.-Tropfen zu überprüfen, auch wenn diese nicht hundertprozentig zuverlässig sind.

Justiz sendet Signal

Der Angeklagte, der bereits vorbestraft ist und derzeit wegen einer anderen Straftat im Gefängnis sitzt, hat in seinem Geständnis eingeräumt, dass er "den Druck verspürt habe, Geld für Drogen beschaffen zu müssen". Das Gericht hat ihm bei einem umfassenden Geständnis eine Strafe zwischen sieben und achteinhalb Jahren Haft in Aussicht gestellt.

Der Fall zeigt sowohl die Notwendigkeit härterer Strafen für solche Verbrechen als auch die Wichtigkeit von Präventionsarbeit und Aufklärung in der LGBTQ+ Community. Nur durch Bewusstsein und gegenseitige Unterstützung können wir uns vor solchen heimtückischen Angriffen schützen.

Wer Opfer von K.o.-Tropfen geworden ist oder einen Verdacht hat, sollte sofort die Polizei informieren und medizinische Hilfe suchen, um Beweise zu sichern und die notwendige UnterstĂĽtzung zu erhalten.


Verurteilung im UK zeigt Spannungsfeld zwischen Trans-Rechten und Einvernehmlichkeit

Ein britisches Gericht hat die 21-jährige Trans-Frau Ciara Watkin wegen sexueller Nötigung verurteilt, weil sie ihrem Partner nicht mitteilte, dass sie transgender ist. Das Urteil wirft wichtige Fragen über Einvernehmlichkeit, Offenlegungspflichten und den Schutz von Trans-Personen auf – auch in Deutschland.

Der Fall Ciara Watkin

Das Teesside Crown Court befand Watkin schuldig, nachdem die Staatsanwaltschaft argumentierte, der Mann könne keine "informierte Einwilligung" geben, da er nicht wusste, dass sie transgender ist. Watkin hatte dem Mann gesagt, sie habe ihre Periode, um zu verhindern, dass er entdeckt, dass sie noch keine geschlechtsangleichende Operation hatte.

Nach nur einer Stunde Beratung sprach die Jury das Urteil. Watkin, die seit ihrem 13. Lebensjahr als Frau lebt, muss sich nun ins Sexualstraftäterregister eintragen lassen und erwartet ihr Strafmaß am 10. Oktober.

Rechtliche Grundlagen und Kontroversen

Das Urteil basiert auf der überarbeiteten Richtlinie des Crown Prosecution Service zu "Täuschung bezüglich des Geschlechts" (zuvor "Täuschung bezüglich der Geschlechtsidentität"). Diese entstand nach dem Fall McNally v R. von 2013, als das Gericht entschied, dass "Täuschung bezüglich des Geschlechts je nach Umständen die Einwilligung ungültig machen kann".

Die Richtlinie wurde nach einer zwölfwöchigen öffentlichen Konsultation 2022 überarbeitet, bei der 409 Stellungnahmen eingingen – darunter von "geschlechtskritischen Interessengruppen, Frauenrechtsorganisationen und lesbischen und schwulen Personen".

Deutschlands progressiver Ansatz

Während Großbritannien mit solchen Urteilen für Kontroversen sorgt, hat Deutschland einen anderen Weg eingeschlagen. Am 1. November 2024 trat das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft, das Trans-Personen ab 14 Jahren ermöglicht, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern.

Das deutsche Gesetz ersetzt das diskriminierende Transsexuellengesetz von 1980, das aufwendige Gutachten und Gerichtsverfahren erforderte. Human Rights Watch bezeichnete die Verabschiedung als "wegweisend" fĂĽr Trans-Rechte in Europa.

Die Debatte um Offenlegungspflichten

Der Fall Watkin befeuert eine kontroverse Diskussion: Müssen Trans-Personen ihre Geschlechtsgeschichte vor intimen Begegnungen offenlegen? Aktivist*innen warnen, dass solche rechtlichen Interpretationen Trans-Personen diskriminieren und in Gefahr bringen könnten.

Kritiker*innen argumentieren, dass die Nichtoffenlegung der Trans-Identität nicht automatisch als Täuschung gewertet werden sollte. Es bestehe schließlich auch keine Verpflichtung, andere persönliche Informationen wie Herkunft, Behinderung oder religiöse Überzeugung preiszugeben.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Das Urteil gegen Watkin verdeutlicht die Spannung zwischen dem Recht auf informierte Einwilligung und dem Schutz von Trans-Personen vor Diskriminierung. Während einige das Urteil als notwendigen Schutz der sexuellen Autonomie sehen, befürchten andere, dass es Trans-Personen stigmatisiert und ihre Privatsphäre verletzt.

In Deutschland zeigt das neue Selbstbestimmungsgesetz einen anderen Ansatz – einen, der Trans-Personen mehr Selbstbestimmung und Würde gewährt. Die unterschiedlichen rechtlichen Entwicklungen in Europa spiegeln die anhaltende gesellschaftliche Debatte über Trans-Rechte und sexuelle Einvernehmlichkeit wider.

Der Fall Watkin wird zweifellos weitere Diskussionen über die Balance zwischen individuellen Rechten und dem Schutz aller Beteiligten in intimen Beziehungen anstoßen – eine Debatte, die weit über die britischen Grenzen hinausreicht.


Wenn Extremisten Gesetze missbrauchen: Was der Fall Liebich ĂĽber den Schutz des Selbstbestimmungsgesetzes lehrt

Ein Neonazi versucht, das Selbstbestimmungsgesetz für seine extremistische Agenda zu missbrauchen, und plötzlich steht nicht der Täter, sondern das Gesetz selbst am Pranger. Was Wolfgang Walter in seinem Kommentar "Der Missbrauch des Missbrauchs" treffend analysiert hat, verdient eine tiefere Betrachtung: Der Fall Liebich zeigt nicht die Schwächen der geschlechtlichen Selbstbestimmung auf, sondern die Notwendigkeit, unser Rechtssystem gegen gezielten Missbrauch zu stärken.

Das perfide Spiel mit der öffentlichen Meinung

Wenn ein Neonazi versucht, durch eine falsche Geschlechtsidentität Zugang zu einem Frauengefängnis zu erlangen, dann ist das ein kalkulierter Angriff auf die Glaubwürdigkeit des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG). Doch anstatt die absichtliche Falschaussage und den Rechtsmissbrauch zu verurteilen, nutzen Politiker*innen von CDU und CSU den Fall als Hebel gegen die Rechte trans*, inter* und nichtbinärer Menschen.

Diese Instrumentalisierung folgt einem bekannten Muster: Ein Einzelfall wird zur vermeintlichen Systemkrise hochstilisiert, während die tatsächlichen Probleme – Extremismus, Hassideologie und bewusster Rechtsmissbrauch – in den Hintergrund treten. Es ist ein durchschaubares Manöver, das darauf abzielt, hart erkämpfte Minderheitenrechte zu delegitimieren.

Worum es wirklich geht: Schutz vor Missbrauch statt Abschaffung von Rechten

Das SBGG gilt ausschließlich für trans*, inter* und nichtbinäre Menschen – eine klar definierte rechtliche Grundlage. Wer diese Regelung aus anderen Motiven missbraucht, handelt rechtswidrig. Das Problem liegt nicht in der Selbstauskunft zur geschlechtlichen Identität, sondern in der vorsätzlichen Falschaussage.

Vergleichbare Missbrauchsfälle finden wir in vielen Rechtsbereichen: Subventionsbetrug wird auch erst nach der Tat erkennbar, dennoch käme niemand auf die Idee, deshalb das gesamte Fördersystem abzuschaffen. Stattdessen gibt es rechtliche Mechanismen der Ahndung und Wiedergutmachung.

Deutsche Parallelen: Wenn Extremisten Gesetze instrumentalisieren

Der Fall erinnert an andere Versuche, demokratische Institutionen zu unterwandern. In Deutschland haben wir in der Vergangenheit erlebt, wie Rechtsextremisten systematisch versuchen, demokratische Strukturen zu infiltrieren – sei es in Vereinen, Parteien oder anderen gesellschaftlichen Bereichen. Das Ziel ist stets dasselbe: das System von innen heraus zu schwächen und zu diskreditieren.

Was bei Liebich besonders perfide ist: Er macht keinen Hehl aus seinen wahren Absichten. Sein Post, er wolle "das System ficken", offenbart die extremistische Motivation hinter seinem Handeln. Hier geht es nicht um eine ehrliche Auseinandersetzung mit Geschlechteridentität, sondern um einen gezielten Angriff auf demokratische Werte und Menschenrechte.

Der Rechtsstaat muss sich zur Wehr setzen

Die entscheidende Frage lautet nicht, ob das SBGG abgeschafft werden soll, sondern wie wir es vor Missbrauch schützen können. Der Rechtsstaat verfügt über Instrumente, um gegen Falschaussagen und bewussten Rechtsmissbrauch vorzugehen – diese müssen konsequent angewendet werden.

Dass ein Neonazi durch seine "Politclownerie" das Skript fĂĽr die Forderungen von Unionspolitiker*innen schreibt, ist der eigentliche Skandal. Anstatt sich ĂĽber den Schutz von Grundrechten Gedanken zu machen, lassen sie sich von extremistischer Propaganda leiten.

Was jetzt zu tun ist

Die Antwort auf den Fall Liebich kann nicht die Einschränkung der Rechte transgender Menschen sein. Vielmehr müssen wir:

  • Rechtsmissbrauch konsequent verfolgen und ahnden
  • Die Ă–ffentlichkeit ĂĽber die wahren HintergrĂĽnde solcher Fälle aufklären
  • Das SBGG gegen gezielte Diskreditierungsversuche verteidigen
  • Politiker*innen zur Verantwortung ziehen, die extremistische Narrative ĂĽbernehmen

Das seit November 2024 geltende Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Schritt für die Rechte marginalisierter Gruppen. Es verdient Schutz vor denjenigen, die es in Misskredit bringen wollen – nicht durch Abschaffung, sondern durch konsequente Strafverfolgung bei Missbrauch.

Der Fall Liebich zeigt uns letztendlich, wo die wirklichen Gefahren für unsere Demokratie lauern: nicht in der Selbstbestimmung von Menschen über ihre geschlechtliche Identität, sondern in der systematischen Unterwanderung durch extremistische Kräfte, die unsere Werte und Gesetze bewusst für ihre hasserfüllte Agenda instrumentalisieren.


Bremen: Messerbedrohung nach CSD zeigt drastischen Anstieg queerfeindlicher Gewalt

In der Nacht nach dem Christopher Street Day (CSD) in Bremen wurde ein 23-jähriger Mann aus queerfeindlichen Motiven mit einem Messer bedroht und beleidigt. Der Vorfall, der sich Am Wall in der Bremer Innenstadt ereignete, ist ein weiteres alarmierendes Beispiel für die zunehmende queerfeindliche Gewalt in Deutschland.

Messerbedrohung nach dem Bremer CSD

Der junge Mann, der zuvor an der erfolgreichen CSD-Demonstration mit 25.000 Teilnehmenden teilgenommen hatte, trug noch die entsprechenden Abzeichen und Aufnächer seiner Community, als er von einer dreiköpfigen Gruppe angegangen wurde. Einer der Täter soll ihm mit homophonen Beleidigungen gedroht und dabei ein Messer vorgezeigt haben – mit der Drohung, den 23-Jährigen "abzustechen".

Der beschriebene Haupttäter ist etwa 1,75 Meter groß, zwischen 16 und 20 Jahre alt, gebräunt mit dunklem Drei-Tage-Bart und kurzen lockigen Haaren. Seine Komplizen waren ähnlich alt und dunkel gekleidet. Die Bremer Kriminalpolizei ermittelt wegen Bedrohung und Beleidigung.

Dramatischer Anstieg queerfeindlicher Straftaten

Dieser Angriff reiht sich ein in eine erschreckende bundesweite Entwicklung: Die Zahl queerfeindlicher Straftaten ist 2023 auf einen neuen Höchststand gestiegen. Mit 1.785 erfassten Straftaten gegen LSBTIQ*-Personen verzeichnete das Bundeskriminalamt einen Anstieg von über 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.188 Fälle).

Besonders alarmierend: Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 fast verzehnfacht. Dabei gab es 2023 allein 212 Opfer von Gewalttaten – eine erschreckende Bilanz für ein Deutschland, das sich als offene und tolerante Gesellschaft versteht.

Die dunkle Kehrseite der Sichtbarkeit

Der Bremer Vorfall verdeutlicht eine bittere Ironie: Gerade nach erfolgreichen Pride-Veranstaltungen, die Sichtbarkeit und Akzeptanz fördern sollen, werden queere Menschen zu Zielscheiben. Expert*innen sehen den Anstieg der Straftaten teilweise als Gegenreaktion auf die wachsende Sichtbarkeit von LSBTIQ*-Personen.

Die Auswirkungen sind verheerend: Fast die Hälfte der Betroffenen unterlässt es inzwischen, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. Viele LSBTIQ*-Personen schränken ihre Freiheit ein und vermeiden bestimmte Orte oder Situationen.

Bremen: Von Pionier zu Problemfall

Besonders bitter ist der Vorfall vor dem Hintergrund, dass der erste CSD Deutschlands vor 45 Jahren in Bremen stattfand. Die Hansestadt war damit Pionierin der deutschen LGBTQ+-Bewegung. Umso schmerzhafter ist es, dass ausgerechnet hier nach einer erfolgreichen Pride-Demonstration mit dem Motto "Pride must go on! Gemeinsam. Laut. FĂĽr Alle." ein junger Mann bedroht wurde.

Auch die kontroverse Ausladung der FDP vom CSD – wegen deren Antrag gegen Gendersprache im öffentlichen Dienst – zeigt, wie politisiert und aufgeheizt die Stimmung rund um LGBTQ+-Themen geworden ist.

Hohe Dunkelziffer verschleiert wahres AusmaĂź

Die offiziellen Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs: Eine EU-Studie aus 2020 ergab, dass nur 13 Prozent der Betroffenen nach einem Angriff die Polizei informierten. Die Gründe: Angst vor Homo- oder Transfeindlichkeit bei den Behörden und die Einschätzung, die Tat sei "nicht schwerwiegend genug".

Dringender Handlungsbedarf

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert die Bundesregierung auf, durch Gesetzesanpassungen unmissverständlich für die Sicherheit und Menschenrechte von LSBTIQ*-Personen einzutreten. Dazu gehört auch die explizite Aufnahme queerer Menschen in das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes.

Der Bremer Vorfall macht deutlich: Solange queere Menschen nach Pride-Veranstaltungen um ihre Sicherheit fürchten müssen, ist der Kampf für Gleichberechtigung und Akzeptanz noch lange nicht gewonnen. Die Polizei Bremen bittet Zeug*innen, sich unter (0421) 362-3888 zu melden – ein wichtiger Schritt, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und ein Zeichen gegen queerfeindliche Gewalt zu setzen.


Erneuter homofeindlicher Angriff in Berlin: Ein Zeichen der Zeit?

Am späten Freitagabend wurden am Halleschen Tor in Berlin-Kreuzberg zwei Männer Opfer eines brutalen homofeindlichen Angriffs. Wie die Polizei Berlin mitteilte, wurden die beiden 30 und 37 Jahre alten Männer von einer neunköpfigen Männergruppe erst homofeindlich beleidigt und dann körperlich angegriffen. Beide Männer mussten mit Kopf- und Oberkörperverletzungen ambulant im Krankenhaus behandelt werden.

Ein alarmierender Trend

Dieser Vorfall reiht sich in eine besorgniserregende Statistik ein: Berlin verzeichnete 2023 mit 588 queerfeindlichen Straftaten einen neuen Höchststand. Doch Berlin ist kein Einzelfall – deutschlandweit ist ein dramatischer Anstieg zu verzeichnen. Das Bundeskriminalamt registrierte 2024 allein im Bereich "sexuelle Orientierung" 1.765 Straftaten – eine Steigerung von 18% gegenüber dem Vorjahr.

Noch drastischer ist die Entwicklung bei Straftaten aufgrund "geschlechtsbezogener Diversität": Mit 1.152 Fällen bedeutet dies einen Anstieg von 35%. Seit 2010 hat sich die Gesamtzahl queerfeindlicher Straftaten nahezu verzehnfacht.

Die Realität auf Berlins Straßen

Der Angriff am Halleschen Tor folgt einem typischen Muster: Eine Männergruppe spricht die Opfer an – in diesem Fall unter dem Vorwand, Drogen zu verkaufen. Als die beiden Männer ablehnten und weitergingen, wurden sie verfolgt, homofeindlich beleidigt und schließlich körperlich angegriffen. Die Täter flüchteten Richtung Mehringplatz.

Besonders alarmierend: Die meisten queerfeindlichen Straftaten in Berlin ereignen sich im öffentlichen Raum und im ÖPNV. Das zeigt, dass LGBTQ+-Personen selbst in einer als weltoffen geltenden Stadt wie Berlin nicht sicher sind.

Wer sind die Täter?

Die Berliner Statistiken zeigen ein klares Bild: Die polizeilich ermittelten Tatverdächtigen sind fast ausnahmslos männlich. Entgegen mancher Vorurteile ist queerfeindliche Gewalt jedoch nicht nur ein Problem der Jugendkriminalität – die Täter verteilen sich über alle Altersgruppen hinweg.

Berlin als Vorreiter in der Erfassung

Ein Grund, warum Berlin so häufig in den Schlagzeilen steht, ist paradoxerweise positiv: Die Hauptstadt ist das einzige Bundesland, das einen eigenen Monitoringbericht zu queerfeindlicher Gewalt vorlegt. Sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaft haben eigene Ansprechpartner*innen für queere Menschen eingerichtet.

Diese proaktive Haltung führt dazu, dass mögliche Hassverbrechen aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität gezielt publik gemacht werden – und daher vergleichsweise häufig in der Öffentlichkeit bekannt werden. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer in anderen Bundesländern erheblich höher ist.

Der Ruf nach Handlung

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert angesichts dieser Entwicklung die Einsetzung einer unabhängigen Expert*innen-Kommission, die eine umfassende Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LSBTIQ*-Feindlichkeit erarbeiten soll. Gleichzeitig wird die Bundesregierung aufgefordert, sich durch Gesetzesanpassungen stärker für die Sicherheit und Menschenrechte von LSBTIQ*-Personen einzusetzen.

Während die Ermittlungen im aktuellen Fall vom Polizeilichen Staatsschutz beim Landeskriminalamt geführt werden – wie bei Hasskriminalität üblich – bleibt die Frage: Wie können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Menschen nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität angegriffen werden?

Der Vorfall am Halleschen Tor ist mehr als nur eine weitere Meldung in der Kriminalstatistik – er ist ein Weckruf für eine Gesellschaft, die ihre Werte täglich aufs Neue verteidigen muss.


Jakub Jankto beendet Karriere: Wie ein schwuler Fußballpionier neues Kapitel aufschlägt

Der tschechische Fußballprofi Jakub Jankto hat seine aktive Karriere beendet. Nach einer schweren Knöchelverletzung und dem Wunsch, mehr Zeit mit seinem Sohn zu verbringen, gab der 29-Jährige sein Karriereende bekannt. Jankto hatte 2023 als einer der ersten aktiven internationalen männlichen Profi-Fußballspieler sein Coming-out öffentlich gemacht und war damit zu einer wichtigen Stimme für LGBTQ+-Sichtbarkeit im Profisport geworden.

Ein Pionier geht von Bord

In einem emotionalen Statement auf Instagram erklärte Jankto am 21. August, dass er aufgrund einer "sehr schweren Verletzung" seine Fußballkarriere nicht fortsetzen könne. "Ich habe die Bänder in meinem Knöchel komplett beschädigt", schrieb der ehemalige Nationalspieler der Tschechischen Republik, der zuletzt für Cagliari Calcio in der italienischen Serie A spielte.

Sein Karriereende markiert das Kapitelende einer bemerkenswerten Laufbahn, die ihn über verschiedene europäische Ligen führte. Von seinen Anfängen bei Slavia Prag wechselte er 2014 nach Italien zu Udinese, spielte später für Sampdoria, Getafe in Spanien und kehrte zwischenzeitlich zu Sparta Prag zurück, bevor er seinen letzten Vertrag bei Cagliari erfüllte.

Mutiges Coming-out als historischer Moment

Im Februar 2023 machte Jankto Schlagzeilen weit über den Sport hinaus, als er in einem bewegenden Video öffentlich bekannt gab, schwul zu sein. "Ich möchte mein Leben in Freiheit leben, ohne Ängste, ohne Vorurteile, ohne Gewalt, aber mit Liebe", erklärte er damals.

Sein Mut war besonders bemerkenswert, da er aus der Tschechischen Republik stammt – einem Land, in dem LGBTQ+-Rechte noch nicht vollständig etabliert sind und queere Menschen oft mit gesellschaftlichen Vorurteilen konfrontiert werden. Mit seinem Coming-out wurde Jankto zu einem wichtigen Vorbild, nicht nur für junge LGBTQ+-Menschen in Osteuropa, sondern weltweit.

Parallelen zu Deutschland: Langsamer Wandel im FuĂźball

Jantkos Geschichte resoniert besonders stark in Deutschland, wo der Profifußball noch immer mit Homophobie und mangelnder LGBTQ+-Sichtbarkeit kämpft. Während deutsche Spieler wie Marcus Urban und Thomas Hitzlsperger erst nach ihrer aktiven Karriere über ihre Sexualität sprachen, ging Jankto den mutigen Schritt während seiner aktiven Laufbahn.

Die Bundesliga und andere deutsche Profiliagen haben in den letzten Jahren zwar Fortschritte bei der Inklusion gemacht – mit Initiativen wie den Regenbogen-Aktionen während der Pride-Monate – doch ein aktiver Profi, der sich während seiner Karriere outet, fehlt weiterhin. Jantkos Beispiel zeigt, dass solche Schritte möglich sind und positive Resonanz finden können.

Familie im Fokus: Der neue Lebensabschnitt

Neben der schweren Verletzung war auch der Wunsch, mehr Zeit mit seinem Sohn David zu verbringen, ausschlaggebend für Jantkos Entscheidung. "Wir haben nur eine Familie und ich wollte meinem Sohn in Prag nahe sein", erklärte er. Diese Prioritätensetzung zeigt eine andere Seite des Profisports – jenseits von Ruhm und Erfolg geht es um die wichtigen Beziehungen im Leben.

Jankto, der seinen Sohn mit seiner ehemaligen Partnerin Markéta Ottomanská hat, arbeitet nun bereits als Co-Trainer für die U7-Mannschaft von FK Dukla Prag. Dieser Übergang ins Trainerdasein könnte ihm ermöglichen, seine Erfahrungen und Werte an die nächste Generation weiterzugeben.

Ein Vermächtnis über den Sport hinaus

Mit 45 Länderspielen und vier Toren für die tschechische Nationalmannschaft hinterlässt Jankto solide sportliche Statistiken. Doch sein wahres Vermächtnis liegt in seinem Mut, Sichtbarkeit zu schaffen und anderen LGBTQ+-Sportlern den Weg zu ebnen.

Seine Geschichte erinnert daran, dass Sport eine Plattform fĂĽr gesellschaftlichen Wandel sein kann. In einer Zeit, in der LGBTQ+-Rechte in verschiedenen Teilen Europas unter Druck stehen, bleiben Vorbilder wie Jankto wichtige Stimmen fĂĽr Akzeptanz und Inklusion.

"Danke an alle Menschen, die mich unterstützt haben. Ich schätze das sehr", schrieb Jankto zum Abschluss seiner Karriere. Diese Dankbarkeit und Demut, gepaart mit seinem Mut zur Authentizität, machen ihn zu einer inspirierenden Figur weit über den Fußball hinaus.


Neue UCLA-Studie zeigt: Nur 1 Prozent der US-Amerikaner identifiziert sich als transgender

Eine aktuelle Studie des renommierten UCLA Williams Institute offenbart eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen politischer Rhetorik und statistischer Realität: Nur 1 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung ab 13 Jahren identifiziert sich als transgender. Diese Erkenntnis kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Trump-Regierung eine beispiellose Kampagne gegen transgender Menschen führt und dabei behauptet, "alles sei transgender, jeder sei transgender".

2,8 Millionen Menschen, unbezahlbarer Wert

Die umfassende Untersuchung, die Daten von 2021 bis 2023 aus Bundesumfragen und staatlichen Gesundheitsbehörden analysierte, zeigt ein differenziertes Bild: Von den geschätzt 2,8 Millionen transgender Personen in den USA sind etwa 724.000 Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren – das entspricht 3,3 Prozent dieser Altersgruppe. Bei den Erwachsenen identifizieren sich lediglich 0,8 Prozent als transgender.

Diese Zahlen mögen klein erscheinen, doch sie erzählen eine wichtige Geschichte über eine Generation, die mutiger über ihre Identität spricht. Wie Jody Herman, leitende Wissenschaftlerin am Williams Institute, erklärt: "Jüngere Generationen identifizieren sich häufiger als transgender, und wir erwarten, dass dieser Trend anhält."

Deutschland im Vergleich: Ähnliche Trends, andere Herausforderungen

Auch in Deutschland zeigen sich ähnliche demografische Entwicklungen. Studien der EU-Grundrechteagentur belegen, dass sich etwa 0,6 bis 1 Prozent der deutschen Bevölkerung als transgender identifiziert – vergleichbar mit den US-Daten. Besonders bemerkenswert: 2,4 Prozent der 13- bis 18-Jährigen in Deutschland bezeichnen sich als "divers", was den internationalen Trend zur offeneren Geschlechtsidentität bei jüngeren Menschen bestätigt.

Während die USA jedoch mit einer Welle von 120 anti-transgender Gesetzen allein im Jahr 2024 kämpfen, hat Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen progressiven Weg eingeschlagen. Seit November 2024 können transgender, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen ihren Geschlechtseintrag durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ändern lassen.

Zwischen Akzeptanz und Widerstand

Die deutschen Zahlen offenbaren jedoch auch gesellschaftliche Spannungen: Während 70 Prozent der Deutschen der Meinung sind, dass transgender Personen vor Diskriminierung geschützt werden sollten, unterstützen nur 47 Prozent entsprechende Anti-Diskriminierungsgesetze. Diese Ambivalenz spiegelt sich in den Erfahrungen der Betroffenen wider: 81 Prozent der trans Frauen in Deutschland haben im vergangenen Jahr Belästigungen erfahren.

Die UCLA-Studie zeigt auch interessante regionale Unterschiede in den USA auf: Minnesota führt mit 1,21 Prozent transgender Erwachsenen, während New Mexico mit 0,4 Prozent den niedrigsten Anteil verzeichnet. Der Süden der USA, traditionell konservativer geprägt, weist erwartungsgemäß geringere Zahlen auf als der liberalere Westen und Nordosten.

Die Macht der Zahlen gegen Hetze

Diese wissenschaftlich fundierten Daten sind mehr als nur Statistik – sie sind ein wichtiges Werkzeug gegen Desinformation. Die Erkenntnis, dass sich nur ein Prozent der Bevölkerung als transgender identifiziert, widerlegt nicht nur politische Übertreibungen, sondern unterstreicht auch, warum jede einzelne dieser 2,8 Millionen Geschichten in den USA und hunderttausenden Menschen in Deutschland wichtig ist.

Die demografische Aufschlüsselung der transgender Erwachsenen in den USA zeigt eine ausgewogene Verteilung: 32,7 Prozent identifizieren sich als trans Frauen, 34,2 Prozent als trans Männer und 33,1 Prozent als nicht-binär. Diese Vielfalt innerhalb der transgender Community verdeutlicht die Komplexität von Geschlechtsidentität jenseits binärer Kategorien.

Ein Generationenwandel in Zahlen

Besonders bemerkenswert ist der Altersunterschied: Junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren identifizieren sich mit 2,72 Prozent deutlich häufiger als transgender als Menschen zwischen 35 und 64 Jahren (0,42 Prozent) oder über 65-Jährige (0,26 Prozent). Dies spricht für eine Generation, die in einer Zeit größerer gesellschaftlicher Akzeptanz aufgewachsen ist und den Mut fasst, authentisch zu leben.

Die Studie warnt jedoch auch vor möglichen Folgen der aktuellen politischen Entwicklungen: Die aggressiven Bemühungen der Trump-Regierung, die Existenz von transgender Jugendlichen zu leugnen, könnten die wissenschaftliche Datenerhebung erschweren und damit zukünftige Forschung behindern.

In einer Zeit, in der Fakten und Wissenschaft unter Beschuss stehen, liefert die UCLA-Studie eine solide Grundlage für eine evidenzbasierte Diskussion über transgender Menschen – sowohl in den USA als auch in Deutschland. Die Zahlen zeigen: Es geht um eine kleine, aber bedeutsame Gruppe von Menschen, die das Recht auf Würde, Respekt und rechtlichen Schutz verdient.


Florida vs. Deutschland: Während DeSantis Pride-Zebrastreifen entfernt, feiern deutsche Städte Regenbogen-Vielfalt

Die Regierung von Florida unter Ron DeSantis verschärft ihren Kampf gegen LGBTQ+-Sichtbarkeit: Das Florida Department of Transportation (FDOT) hat der Stadt Delray Beach ultimativ gedroht, deren Pride-Zebrastreifen "mit allen geeigneten Mitteln" zu entfernen. Wie PinkNews berichtet, droht der Bundesstaat sogar mit der Einbehaltung staatlicher Gelder, falls die Stadt nicht bis zum 3. September kooperiert.

Ein Kontrast der Kulturen: Florida vs. Deutschland

Während Florida seine "Woke"-Bekämpfung intensiviert, präsentiert sich Deutschland als Gegenpol der Toleranz. Wo DeSantis verkündet hat, dass Florida der Ort sei, an dem Diversity-Initiativen "sterben", feiern deutsche Städte wie München ihre ersten Regenbogen-Zebrastreifen als Symbole der Inklusion.

Der Kontrast könnte kaum größer sein: Während in Delray Beach Vizebürgermeister Rob Long leidenschaftlich für den Erhalt des Pride-Übergangs kämpfte und betonte, dass "Symbole wichtig sind" und "unseren Bewohnern, Besuchern und besonders unseren Jugendlichen zeigen, dass sie gesehen, geschätzt und hier sicher sind", droht Florida mit gerichtlichen Konsequenzen für genau diese Sichtbarkeit.

Deutsche Städte als Vorreiter der Akzeptanz

In Deutschland erzählen Regenbogen-Zebrastreifen eine völlig andere Geschichte. Städte wie Berlin, Köln und München haben diese bunten Straßenübergänge nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert. München-Oberbürgermeister Dieter Reiter unterstrich bei der Einweihung des ersten Regenbogen-Zebrastreifens 2020 die Bedeutung von Vielfalt und Toleranz für die bayerische Hauptstadt.

Diese deutschen Initiativen stehen in direktem Gegensatz zu Floridas Politik der Auslöschung. Wo DeSantis LGBTQ+-Rechte systematisch beschneidet – von der Einschränkung des Schulunterrichts über sexuelle Orientierung bis hin zu Transgender-feindlichen Gesetzen – schaffen deutsche Kommunen bewusst sichtbare Zeichen der Unterstützung.

Mehr als nur Farbe auf Asphalt

Vizebürgermeister Long brachte es auf den Punkt: "Seien wir ehrlich. Wir alle wissen, dass es hier nicht um Verkehrssicherheit geht. Das ist politisch." Seine Worte offenbaren die wahre Natur des Konflikts – einen Kulturkampf, in dem Symbole der Inklusion gezielt angegriffen werden, weil sie Akzeptanz repräsentieren.

Die deutsche Erfahrung zeigt, dass es auch anders geht. Während Florida zu den LGBTQ+-feindlichsten Bundesstaaten der USA zählt, werden in deutschen Städten Regenbogen-Zebrastreifen mit symbolischen Zeremonien eingeweiht, die die Bedeutung der Inklusion hervorheben.

Ein Signal fĂĽr deutsche LGBTQ+-Jugendliche

Für queere Menschen in Deutschland, besonders für Jugendliche, ist der Kontrast zwischen Florida und deutschen Städten ein wichtiges Signal. Während DeSantis' Politik zeigt, wie schnell hart erkämpfte Rechte wieder verschwinden können, demonstrieren deutsche Kommunen, dass Sichtbarkeit und Akzeptanz nicht nur möglich, sondern erwünscht sind.

Die Bedrohung in Delray Beach, die bis zum 3. September ihre Pride-Straßenmarkierung entfernen muss, erinnert uns daran, dass die Verteidigung queerer Rechte eine konstante Aufgabe ist – auch in vermeintlich fortschrittlichen Gesellschaften. Deutschlands Regenbogen-Zebrastreifen stehen daher nicht nur für lokale Akzeptanz, sondern auch als globales Symbol des Widerstands gegen den Rückschritt.


Ein Schritt zur Gerechtigkeit: Teenager nach brutalem Angriff auf trans Person in Bremen festgenommen

Die Festnahme zweier Teenager nach der brutalen Attacke auf eine 18-jährige trans Person in Bremen Ende Juni markiert einen wichtigen Ermittlungserfolg – doch dahinter verbirgt sich ein erschreckender Trend, der die queere Community in Deutschland zunehmend beunruhigt. Wie queer.de berichtet, haben die Ermittler*innen des Staatsschutzes Bremen am Donnerstag die Festnahme der beiden 16- und 17-jährigen Täter bekannt gegeben, die am 30. Juni an der Haltestelle Jadestraße eine trans Person unvermittelt angegriffen und schwer misshandelt hatten.

Ein Ăśberfall mit System

Der Angriff zeigt die perfide Systematik transfeindlicher Gewalt: Zwei Jugendliche stiegen aus einer Straßenbahn aus, erkannten in der wartenden Person eine trans Frau und griffen sie ohne jede Provokation an. Während das Opfer am Boden lag, schlugen und traten sie mehrfach auf die 18-Jährige ein, bevor sie flüchteten. Die Tatsache, dass die Betroffene nach eigenen Angaben als trans Person in Bremen bekannt ist und davon ausgeht, als solche wahrgenommen worden zu sein, unterstreicht die gezielte Natur dieser Tat.

Die schnelle Identifizierung der Täter durch Zeugenaussagen und die anschließenden Durchsuchungen zeigen, dass die Bremer Ermittlungsbehörden Hassverbrechen ernst nehmen. Der Staatsschutz übernahm die Ermittlungen und konnte durch systematische Zeugenvernehmungen und Beweissicherung die Spur zu den beiden Jugendlichen verfolgen.

Bremen im Brennpunkt einer nationalen Krise

Der Bremer Fall ist leider kein Einzelfall. Wie Daten des Bundeskriminalamts belegen, hat sich die Zahl der queerfeindlichen Straftaten dramatisch entwickelt: 2023 wurden 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ*-Personen erfasst – ein Anstieg von über 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.188 Fälle). Besonders erschreckend: Seit 2010 hat sich die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" nahezu verzehnfacht.

Bremen steht dabei exemplarisch für diese besorgniserregende Entwicklung. Bereits im Mai 2024 wurde eine trans Person in einer Straßenbahn beleidigt und bedroht. Einen Monat zuvor hatte ein 17-Jähriger am Bremer Hauptbahnhof einer 27-jährigen trans Frau Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Im September 2022 wurde eine 57-jährige trans Frau in einer Bremer Straßenbahn von einer Jugendgruppe attackiert und schwer verletzt – ein Fall, der bundesweit Beachtung fand.

Politische Reaktionen und strukturelle Defizite

Die politischen Reaktionen auf die anhaltende Gewalt sind eindeutig, doch die Maßnahmen noch zu schwach. Cindi Tuncel von der Linken in Bremen bringt es auf den Punkt: „Traurige Realität ist, dass queere Personen in Bremen immer mehr von homophober und transfeindlicher Abwertung, Bedrohung und Gewalt betroffen sind. Das ist kein Einzelfall und zeigt erschreckend deutlich: Rechte, queerfeindliche Hetze wirkt."

Tuncel fordert konkrete Maßnahmen: ein umfassendes, finanziertes Demokratiefördergesetz. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Zunahme queerfeindlicher Straftaten als „erschreckend" und betonte die Notwendigkeit, Betroffene zu schützen und zu unterstützen. Doch zwischen politischen Bekenntnissen und wirksamen Schutzmaßnahmen klafft noch immer eine gefährliche Lücke.

Ein Lichtblick: Neue Hilfsangebote

Immerhin reagiert die Bremer Polizei proaktiv auf die Entwicklung. Sie bietet nun spezielle Hilfsangebote für queere Menschen an. In einem geschützten Rahmen können Betroffene Anzeige erstatten und sich beraten lassen. Die regelmäßigen Gespräche im Präventionszentrum sollen eine Brücke zwischen Community und Ermittlungsbehörden bauen.

Der lange Weg zur Akzeptanz

Die Festnahme der beiden Teenager ist ein wichtiger Schritt für die Gerechtigkeit und das Sicherheitsgefühl der trans Community. Doch sie kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass transfeindliche Gewalt ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das tieferliegende Ursachen hat. Die Radikalisierung junger Menschen durch queerfeindliche Hetze, die mangelnde Aufklärung über geschlechtliche Vielfalt und das Fehlen sichtbarer, positiver trans Vorbilder schaffen ein Klima, in dem solche Taten gedeihen können.

Die trans Community in Bremen und ganz Deutschland braucht mehr als nur juristische Aufarbeitung einzelner Fälle. Sie braucht eine Gesellschaft, die ihre Existenz nicht nur toleriert, sondern wertschätzt und schützt. Die beiden verhafteten Teenager sind noch sehr jung – ihre Taten zeigen, wie früh Hass und Vorurteile Wurzeln schlagen können. Umso wichtiger ist es, bereits in Schulen und Jugendeinrichtungen für Akzeptanz und Verständnis zu werben.


USA stellt trans Gesundheitsversorgung ein – Deutschland am Scheideweg

Die amerikanische Bundesregierung hat stillschweigend verfügt, dass staatliche Krankenversicherungen künftig keine Kosten mehr für geschlechtsangleichende Behandlungen übernehmen, berichtet das queere Magazin queer.de. Diese drastische Maßnahme betrifft acht Millionen Bundesangestellte und zwei Millionen Postmitarbeitende – darunter schätzungsweise 14.000 trans Personen im öffentlichen Dienst.

Systematischer Angriff auf trans Rechte in den USA

Was in den USA geschieht, ist Teil einer beispiellosen Attacke auf die Rechte von trans Personen. Die Trump-Regierung hatte bereits im März die Kostenübernahme für Veteran*innen gestoppt und trans Militärangehörige aus dem Dienst entlassen. Justizministerin Pam Bondi verschickte Vorladungen an Kliniken, die geschlechtsangleichende Behandlungen anbieten, und sprach von "verdrehter Ideologie" und "Verstümmelung von Kindern".

Besonders perfide: Die neue Regelung erlaubt zwar "religiöse Beratung" – ein Euphemismus für Konversionstherapien, die trans Menschen von ihrer Transition abhalten sollen. Während evidenzbasierte medizinische Behandlungen gestrichen werden, öffnet sich die Tür für pseudowissenschaftliche Praktiken, die von führenden Medizinorganisationen weltweit abgelehnt werden.

Deutschland: Ein fragiler Fortschritt

Im Vergleich zu den USA steht Deutschland scheinbar gut da. Grundsätzlich sind geschlechtsangleichende Behandlungen durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt – ein Recht, das 1987 vom Bundessozialgericht erkämpft wurde.

Doch der Schein trĂĽgt. Ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Oktober 2023 erschĂĽtterte diese Gewissheit: Ohne Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bestehe kein automatischer Leistungsanspruch auf geschlechtsangleichende Operationen. Nur eine informelle Vereinbarung zwischen Krankenkassen verhindert derzeit den kompletten Stopp der KostenĂĽbernahme.

BĂĽrokratische HĂĽrden als stille Diskriminierung

Auch abseits rechtlicher Unsicherheiten kämpfen trans Personen in Deutschland mit enormen Hürden. Sie müssen detaillierte Leistungsanträge stellen, Gutachten sammeln und oft einen "Alltagstest" absolvieren – eine diskriminierende Praxis, bei der Betroffene mindestens ein Jahr in ihrer gewünschten Geschlechterrolle leben müssen, bevor sie Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten.

Diese bĂĽrokratischen Barrieren bedeuten in der Praxis oft jahrelange Wartezeiten, Stigmatisierung und mangelnde Erfahrung des medizinischen Personals. FĂĽr viele trans Menschen wird der Zugang zur Gesundheitsversorgung zu einem zermĂĽrbenden Kampf gegen WindmĂĽhlen.

Ein Warnruf aus Amerika

Die Entwicklungen in den USA sollten Deutschland wachrĂĽtteln. Was dort als "Schutz der Kinder" verkauft wird, ist in Wahrheit ein systematischer Angriff auf die Menschenrechte einer verletzlichen Minderheit. Die Weltgesundheitsorganisation und fĂĽhrende medizinische Vereinigungen sind sich einig: Geschlechtsangleichende Behandlungen sind evidenzbasiert und medizinisch notwendig.

Deutschland steht am Scheideweg. Während progressive Kräfte für das neue Selbstbestimmungsgesetz kämpften, bleiben die Strukturen der Gesundheitsversorgung fragil. Das amerikanische Beispiel zeigt, wie schnell Fortschritte rückgängig gemacht werden können, wenn der politische Wind dreht.

Der Kampf ist nicht gewonnen

Trans Personen in Deutschland brauchen mehr als symbolische Gesetze – sie brauchen eine verlässliche, diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung. Die aktuellen rechtlichen Unsicherheiten müssen beseitigt, bürokratische Hürden abgebaut und das medizinische Personal besser geschult werden.

Amerika zeigt uns, was passiert, wenn wir Menschenrechte als selbstverständlich betrachten. Es ist Zeit, dass Deutschland aus dieser Warnung lernt und die Rechte von trans Personen nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der medizinischen Realität stärkt. Denn Gesundheit ist kein Privileg – sie ist ein Menschenrecht.


Schreckliche Tat in Aschaffenburg macht dringenden Handlungsbedarf sichtbar

Das Landgericht Aschaffenburg hat vier junge Männer zu Haftstrafen und einen weiteren zu einer Jugendstrafe verurteilt, weil sie ältere schwule Männer in perfide Sex-Fallen gelockt, schwer misshandelt und ausgeraubt haben. Diese schockierende Tat ist leider kein Einzelfall und verdeutlicht ein besorgniserregendes Problem: Die Gewalt gegen LGBTQ+ Menschen in Deutschland nimmt dramatisch zu.

Perfide Masche mit verheerenden Folgen

Die Angeklagten im Alter zwischen 20 und 27 Jahren hatten sich auf Online-Plattformen als minderjährige Jugendliche ausgegeben, die angeblich auf sexuelle Kontakte mit erwachsenen Männern aus waren. Als es 2024 zu den verabredeten Treffen in Aschaffenburg kam, schlugen die Täter brutal zu: Sie schlugen und bedrohten ihre Opfer, um an Geld und Gutscheine zu gelangen.

Besonders erschütternd ist der Fall eines Mannes, der zehn Stunden lang im Auto festgehalten wurde. Trotz eines bereits erlittenen Knochenbruchs hielten ihn die Täter über Stunden im Würgegriff. Sie bedrohten ihn mit einem Messer, traten und schlugen ihn. Die Angeklagten erpressten Bargeld sowie Bankkarten inklusive PIN-Codes. Der entstandene Schaden belief sich auf knapp 3.000 Euro – doch der psychische Schaden ist unermesslich.

Teil einer alarmierenden Entwicklung

Diese brutale Tat reiht sich in eine erschreckende Statistik ein: 2023 wurden in Deutschland insgesamt 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ+ Personen erfasst – ein dramatischer Anstieg gegenüber 1.188 Fällen im Jahr 2022. Besonders alarmierend: Die Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, da laut einer EU-Grundrechteagentur-Umfrage nur zehn Prozent der Betroffenen queerfeindliche Vorfälle bei der Polizei melden.

Die Bandbreite der Straftaten ist erschreckend breit und umfasst Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzung sowie Nötigungen und Bedrohungen. 2023 wurden bei Gewalttaten 212 Opfer registriert – mehr als im Vorjahr mit 197 Opfern.

Wenn Dating zur Falle wird

Der Fall aus Aschaffenburg zeigt auf dramatische Weise, wie verletzlich queere Menschen beim Dating sein können. Während Dating-Apps wie Taimi und HER sichere Räume für LGBTQ+ Menschen schaffen wollen, nutzen Kriminelle die Anonymität des Internets für ihre perfiden Machenschaften aus.

Die Täter missbrauchten gezielt das Vertrauen ihrer Opfer und deren Wunsch nach Intimität und Verbindung. Diese emotionale Manipulation macht die Tat besonders verwerflich und hinterlässt tiefe psychische Wunden bei den Betroffenen.

Justiz sendet klares Signal

Das Landgericht Aschaffenburg verhängte deutliche Strafen: Der 20-Jährige erhielt eine Jugendstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten. Die anderen Angeklagten bekamen Haftstrafen zwischen 3 Jahren und 10 Monaten sowie 9 Jahren und 6 Monaten wegen schwerer räuberischer Erpressung, erpresserischen Menschenraubs und gefährlicher Körperverletzung.

Diese Urteile senden ein wichtiges Signal: Hassverbrechen gegen queere Menschen werden nicht toleriert und hart bestraft. Dennoch sind die Urteile noch nicht rechtskräftig, und der Kampf gegen queerfeindliche Gewalt ist längst nicht gewonnen.

Dringender Handlungsbedarf fĂĽr Politik und Gesellschaft

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert die Bundesregierung auf, sich nicht nur durch das Hissen von Regenbogenflaggen, sondern durch längst überfällige Gesetzesanpassungen für die Sicherheit von LGBTQ+ Menschen einzusetzen. Konkret geht es darum, dass das Diskriminierungsverbot in Artikel 3,3 des Grundgesetzes queere Menschen explizit einschließt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser bezeichnete die steigenden Zahlen queerfeindlicher Gewalt als "erschreckend" und betonte die Notwendigkeit, diese gezielt zu verfolgen. Die Innenministerkonferenz hat bereits beschlossen, die Bekämpfung von Gewalt gegen LGBTQ+ Menschen kontinuierlich zu verbessern.

Mehr als nur Statistiken

Hinter jeder dieser Zahlen stehen Menschen wie die Opfer aus Aschaffenburg – Menschen, die einfach nur sie selbst sein und lieben wollten. Ihre Geschichten mahnen uns daran, dass der Kampf für Gleichberechtigung und Sicherheit von LGBTQ+ Menschen noch lange nicht vorbei ist.

Die brutale Tat in Aschaffenburg zeigt: Wir brauchen nicht nur härtere Strafen, sondern auch mehr Aufklärung, bessere Präventionsarbeit und eine Gesellschaft, die queerfeindliche Gewalt in jeder Form ächtet. Nur so können wir verhindern, dass aus Dates Albträume werden.


Rangerin verliert Traumjob nach Trans-Pride-Flagge im Yosemite-Park: Ein Kampf um LGBTQ+-Rechte in der Natur

Eine Parkrangerin des berühmten Yosemite-Nationalparks in Kalifornien wurde entlassen, nachdem sie eine Trans-Pride-Flagge an der ikonischen Felsformation El Capitan gehisst hatte. Der Fall von Shannon Joslin zeigt die Spannungen auf, die auch in Deutschland zwischen LGBTQ+-Rechten und öffentlichen Einrichtungen bestehen können. Wie PinkNews berichtet, verlor die Wildtierbiologin ihren "Traumjob" für das, was sie als Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung bezeichnet.

Ein symbolischer Akt mit schwerwiegenden Folgen

Im Mai 2025 hisste Shannon Joslin gemeinsam mit Aktivist*innen, darunter die bekannte Drag-Queen und Umweltaktivistin Pattie Gonia, eine Trans-Pride-Flagge am El Capitan. Die Aktion sollte "eine Feier der Trans-Zugehörigkeit in der Natur, in der Gemeinschaft und überall" darstellen. Die Flagge hing lediglich zwei Stunden am Morgen, bevor Joslin sie wieder abnahm.

Trotz ihrer Behauptung, die Aktion in ihrer Freizeit und als Privatperson durchgeführt zu haben, wurde Joslin von der stellvertretenden Superintendantin wegen "unakzeptablen Verhaltens" entlassen. Laut The Advocate war es die größte Trans-Pride-Flagge, die jemals in einem amerikanischen Nationalpark gehisst wurde.

Parallelen zur deutschen LGBTQ+-Situation

Dieser Fall erinnert an die komplexe Situation von LGBTQ+-Rechten im öffentlichen Dienst auch in Deutschland. Die Bundesregierung setzt sich zwar offiziell gegen Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTQI-Personen ein, doch die Realität sieht oft anders aus.

Laut aktuellen Studien leben fast 40 Prozent der LGBTQ+-Community in Deutschland ihre sexuelle Identität aus Angst vor Gewalt nicht offen aus. Der Deutsche Bundestag berichtet, dass die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen in den letzten Jahren stark angestiegen ist.

Der öffentliche Dienst und Vielfalt

Besonders brisant ist, dass laut Silvia Rentzsch von Trans-Inter-Aktiv in Mitteldeutschland die meiste Diskriminierung von Trans-Personen vom öffentlichen Sektor ausgeht. Dies steht im krassen Gegensatz zu den offiziellen Bemühungen: Der dbb (Beamtenbund und Tarifunion) fordert, dass homo-, bi-, inter- und transfeindliche Äußerungen im öffentlichen Dienst keinen Platz haben und hart sanktioniert werden müssen.

Shannon Joslin, die regelmäßig Überstunden leistete, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zur Natur zu ermöglichen, und als Feuerwehrfrau und Rettungstechnikerin arbeitete, betonte: "Niemand hat jemals negative Kommentare zu meinem Verhalten geäußert. Ich behandle Menschen mit der Zeit, Geduld und dem Respekt, den ich mir von ihnen erhoffe."

Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit?

Pattie Gonia reagierte auf Joslins Entlassung mit scharfer Kritik: "Dich deiner Position zu berauben ist nicht nur ein Affront gegen deine persönliche Freiheit, sondern auch ein Angriff auf die Werte von Service, Hingabe und Gemeinschaft, die du für die gesamte Yosemite-Gemeinschaft verkörperst."

Der Fall wird durch die aktuelle politische Atmosphäre in den USA verschärft. Laut NPR hat der National Park Service bereits Seiten über Trans-Aktivist*innen und LGBTQ+-Geschichte von seiner Website entfernt, nachdem Präsident Donald Trump Verfügungen gegen Gleichstellungspolitiken erlassen hatte.

Naturschutz und LGBTQ+-Rechte in Deutschland

In Deutschland, wo 16 Nationalparks die Vielfalt der Landschaften widerspiegeln, stellt sich die Frage, wie offen diese Räume für LGBTQ+-Sichtbarkeit sind. Während Deutschland zu den Ländern mit den höchsten LGBTQ+-Rechten weltweit zählt und seit November 2024 die Selbstbestimmung des Geschlechtseintrags ermöglicht, zeigen Fälle wie der von Shannon Joslin, dass der Kampf um Akzeptanz noch lange nicht vorbei ist.

Joslin kämpft nun um ihre Rechte und ihre Karriere zurück: "Naturschutz ist meine Lebensaufgabe: von Yosemite, der Tierwelt, dem Land, der Erholung, den Rechten und der Sicherheit der Menschen, der Gemeinschaft und Akzeptanz, und jetzt dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Ich will meine Rechte und ich will meine Karriere zurück."

Ihr Fall zeigt eindrucksvoll, dass der Kampf für LGBTQ+-Sichtbarkeit und -Rechte nicht an Ländergrenzen halt macht – und dass die Natur ein Raum für alle sein sollte, unabhängig von Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung.


Ein historischer Moment: Lin Lindner wird zweites nichtbinäres Mitglied im Bundestag

Mit Lin Lindner zieht eine weitere wichtige Stimme in den Deutschen Bundestag ein, die für mehr Vielfalt und Sichtbarkeit queerer Menschen in der deutschen Politik steht. Wie queer.de berichtet, wird Lindner als Nachrücker*in für den erkrankten Sozialmediziner Gerhard Trabert das zweite nichtbinäre Mitglied im deutschen Parlament – nur wenige Wochen nach Lisa "Lizzy" Schubert von der Linken, die im August als erste nichtbinäre Person in den Bundestag eingezogen war.

Eine neue Generation politischer Aktivist*innen

Lin Lindner (they/them) verkörpert eine neue Generation queerer Politiker*innen, die sich bewusst gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck positionieren. Die 31-jährige Trierer Linken-Vorsitzende und Beisitzer*in im rheinland-pfälzischen Landesvorstand hat klare Prioritäten: "Was mich dabei besonders antreibt, ist der spürbare Rechtsruck in unserem Land", erklärte die nichtbinäre trans Person bereits im vergangenen Jahr. "Er bedroht nicht nur die Rechte von Minderheiten, sondern unsere Freiheit insgesamt."

Diese Haltung spiegelt die Erfahrungen vieler LGBTQ+ Menschen in Deutschland wider, die zunehmend mit Anfeindungen konfrontiert werden. Der Fall von Tessa Ganserer, einer der ersten beiden trans Frauen im Bundestag, die aufgrund des massiven Hasses und der Anfeindungen nicht erneut kandidierte, zeigt die Herausforderungen auf, mit denen sich queere Politiker*innen konfrontiert sehen.

Repräsentation im Wandel der Zeit

Die Entwicklung der LGBTQ+ Repräsentation im Bundestag erzählt eine Geschichte des Fortschritts, aber auch der Rückschläge. Während 2021 noch 30 offen queere Abgeordnete im Parlament vertreten waren, sind es aktuell nur noch 19. Dennoch markieren Personen wie Lin Lindner wichtige Meilensteine: Sie stehen für eine Politik der Solidarität und des Zusammenhalts in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung.

Besonders bedeutsam ist dabei die Sichtbarkeit nichtbinärer Identitäten in der höchsten demokratischen Institution des Landes. Der Aktionsplan "Queer leben" der Bundesregierung und das geplante Selbstbestimmungsgesetz zeigen, dass die politische Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt voranschreitet – auch wenn der Weg steinig bleibt.

Mehr als symbolische Politik

Lin Lindners Einzug in den Bundestag ist mehr als nur ein Symbol. Als Chef*in der Linken in Trier und erfahrene Kommunalpolitiker*in bringt Lindner konkrete Expertise im Kampf gegen Armut und Diskriminierung mit. "Wenn Hass und Hetze den Ton angeben, ist kein Raum mehr für Solidarität und Fortschritt. Das dürfen wir nicht zulassen", so ihre klare Botschaft.

Die Linken-Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken begrĂĽĂźten das neue queere Gesicht im Parlament mit den Worte: "Wir freuen uns, dass nun mit Lin Lindner eine starke junge Person in den Bundestag einzieht, die sich den Kampf gegen Armut und Diskriminierung auf die Fahnen geschrieben hat."

Ein Zeichen gegen gesellschaftliche Spaltung

In einer Zeit, in der queere Menschen zunehmend zur Zielscheibe rechtspopulistischer Rhetorik werden, sendet Lin Lindners Parlamentseinzug ein wichtiges Signal. Es zeigt, dass Deutschland auf dem Weg zu einer inklusiveren Gesellschaft ist, auch wenn dieser Prozess von Widerständen begleitet wird.

Die Präsenz nichtbinärer Stimmen im Bundestag trägt dazu bei, dass die Realitäten aller Menschen in Deutschland – jenseits binärer Geschlechterkategorien – politisch repräsentiert werden. Dies ist ein wichtiger Schritt für eine Demokratie, die ihre Vielfalt als Stärke begreift und alle Bürger*innen gleichberechtigt vertritt.


Explosion in Göttingen nach CSD – Staatsschutz prüft queerfeindlichen Hintergrund

Ein Tag nach dem friedlichen Christopher Street Day in Göttingen wurde die Feierlaune jäh unterbrochen: Am Samstagabend explodierte ein verbotener Sprengkörper auf dem Albaniplatz und verletzte drei Menschen. Die Polizei ermittelt nun wegen gefährlicher Körperverletzung und schließt ein politisches Motiv nicht aus. Der Vorfall wirft Fragen über die Sicherheit queerer Veranstaltungen und deren Teilnehmer*innen auf.

Ein fröhlicher CSD überschattet von Gewalt

Nur 24 Stunden zuvor hatten noch rund 2.500 Menschen beim Göttinger CSD unter dem Motto "Wir sind hier, für immer queer" friedlich durch die Innenstadt demonstriert. Die Veranstaltung begann mit einer Kundgebung am Neuen Rathaus und führte in einem bunten Umzug durch die Stadt. Göttingen zeigte sich dabei als queerfreundliche Kommune: Die Stadtverwaltung hisste Regenbogenflaggen an beiden Rathäusern, und seit 2023 schmücken eine Regenbogen-Sitzbank am Kornmarkt sowie Regenbogenfarben auf den Treppenstufen am Albaniplatz die Stadt.

Explosion schockiert die Community

Am Samstagabend gegen 21:30 Uhr explodierte dann ein verbotener Sprengkörper in der Nähe von Passant*innen auf eben jenem Albaniplatz, der seit einem Jahr mit Regenbogenfarben geschmückt ist. Die zeitliche und räumliche Nähe zum CSD lässt viele in der Community aufhorchen – war dies ein gezielter Angriff auf die LGBTQ+-Gemeinschaft?

Das Staatsschutzkommissariat hat die Ermittlungen übernommen und prüft, ob ein politisches Motiv vorliegt. Konkrete Hinweise auf einen queerfeindlichen Hintergrund gibt es bislang nicht, doch die Ermittler*innen gehen der Frage nach. "Strafrechtlich handelt es sich wohl um gefährliche Körperverletzung, ein politisches Motiv wird nicht ausgeschlossen", teilte die Polizei mit.

Besorgniserregender Trend in Deutschland

Der mögliche Angriff in Göttingen reiht sich ein in eine besorgniserregende Entwicklung in Deutschland. Laut Bundeskriminalamt haben Hassverbrechen gegen LGBTQ+-Personen in den letzten Jahren zugenommen. 2023 registrierten die Behörden 1.005 Straftaten mit queerfeindlichem Hintergrund – ein Anstieg von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Besonders in der Zeit rund um Pride-Veranstaltungen häufen sich oft queerfeindliche Vorfälle. Erst im Juni dieses Jahres wurden mehrere CSD-Teilnehmer*innen in Berlin angegriffen, und auch in anderen deutschen Städten kam es zu Übergriffen im Umfeld von Pride-Events.

Community steht zusammen

Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen zeigt der Vorfall in Göttingen, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben und die Sicherheit queerer Menschen ernst zu nehmen. Die Stadt Göttingen hat sich in den letzten Jahren als LGBTQ+-freundliche Kommune positioniert und begeht jährlich am 17. Mai den Internationalen Tag gegen Queerfeindlichkeit (IDAHOBIT).

Die Polizei bittet Zeug*innen, die den Vorfall am Samstagabend gegen 21:30 Uhr im Bereich des Albaniplatzes beobachtet haben, verdächtige Personen wahrgenommen haben oder über Foto- oder Videoaufnahmen verfügen, sich zu melden. Hinweise nimmt die Polizei Göttingen unter Tel. (0551) 491-2215 oder per E-Mail an pressestelle@pi-goe.polizei.niedersachsen.de entgegen.

Ein Zeichen für Solidarität

Egal ob der Anschlag gezielt queerfeindlich motiviert war oder nicht – die LGBTQ+-Community in Göttingen und darüber hinaus lässt sich nicht einschüchtern. Wie das Motto des diesjährigen CSD bereits verdeutlichte: "Wir sind hier, für immer queer." Die bunten Regenbogenfarben auf den Stufen des Albaniplatzes werden auch nach diesem schockierenden Vorfall weiterhin für Vielfalt, Toleranz und die Sichtbarkeit queerer Menschen stehen.

Die Ermittlungen dauern an. Bis zur Klärung bleibt die Unsicherheit, ob queere Menschen in Göttingen Ziel eines gezielten Angriffs wurden. Umso wichtiger ist es, dass die Gesellschaft weiterhin geschlossen gegen Queerfeindlichkeit einsteht und deutlich macht: Hassverbrechen haben in unserer Demokratie keinen Platz.