News

"Ich höre auf, so zu tun, als wäre ich ein Mann" – Methodistenpastorin outet sich als trans

In einem bewegenden Gottesdienst am 23. November hat Pastorin Phillippa Phaneuf sich vor ihrer Gemeinde als trans Frau geoutet. Die 51-jährige methodistische Pastorin der North Chili United Methodist Church in Rochester, New York, sprach offen über ihre Transition und sendete damit ein kraftvolles Signal für Akzeptanz und Authentizität in religiösen Gemeinschaften.

Ein mutiges Coming-out im Regenbogen-Ornat

Von der Kanzel aus, während sie eine Regenbogen-Stola trug, verkündete Phaneuf ihre Botschaft mit Freude und Zuversicht. "Der beste Weg, dies auszudrücken, ist: Ich werde nicht zu einer Frau, ich höre auf, so zu tun, als wäre ich ein Mann", erklärte sie ihrer Gemeinde. Die Pastorin betonte, dass dies ein Prozess sei und für manche schockierend sein könnte, aber es sei der Moment, "mit Freude anzukündigen, dass ich im Übergang bin".

Phaneuf bestätigte, dass sie seit drei Monaten eine Hormonersatztherapie durchführt, und erwartet Veränderungen ihrer Stimme, ihres Haares und ihres Aussehens. Die Pastorin identifiziert sich außerdem als asexuell, eine Orientierung, bei der wenig oder keine sexuelle Anziehung zu anderen empfunden wird.

Überwältigende Unterstützung – mit Ausnahme der Eltern

Die Reaktion der Gemeinde war herzerwärmend. "Seit meinem Coming-out vor meiner Gemeinde waren sie überwältigend bestätigend!", sagte Phaneuf. Der Bischof, die Kirche und die Theologie unterstützen die Transition, wobei der Bischof vor der Ankündigung konsultiert wurde und die pastoralen Pflichten in der Kirche nicht beeinträchtigt werden.

Allerdings gibt es auch schmerzhafte Momente: Phaneufs Eltern unterstützen sie derzeit nicht. "Sie baten mich, euch allen zu sagen, dass sie mich nicht unterstützen", teilte Phaneuf ihrer Gemeinde mit. Trotz dieser familiären Herausforderung bleibt die Pastorin ihrer Berufung treu. Phaneuf betonte, dass ihre Transition ihre Hingabe zum Dienst oder ihre Persönlichkeit nicht verändern würde.

Die Methodist Church auf dem Weg zur Inklusion

Phaneufs Coming-out findet in einem bedeutsamen kirchengeschichtlichen Kontext statt. Im vergangenen Jahr kehrte die United Methodist Church ihre Regeln um, die LGBTQ+-Identitäten verurteilten. Die UMC bekräftigt nun die menschliche Sexualität "als heilige Gabe" und erklärt, dass dies "für alle Personen gilt, unabhängig von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität".

Im Mai 2024 stimmte die Generalkonferenz dafür, langjährige Verbote bezüglich der Ordination von LGBTQ+-Geistlichen und der Feier gleichgeschlechtlicher Ehen durch Geistliche aufzuheben. Diese Änderungen traten am 1. Januar 2025 vollständig in Kraft. Die Kirche ist damit zu einem Vorreiter für queere Inklusion in religiösen Institutionen geworden.

Trans Geistliche in Deutschland: Vorreiter der evangelischen Kirche

Auch in Deutschland gibt es bewegende Geschichten von trans Geistlichen. Pfarrerin Dorothea Zwölfer outete sich im April 2013 – bis dahin kannten die Menschen sie als Pfarrer Andreas Zwölfer: "Die Kirchenleitung war gut informiert und hat mit Verständnis reagiert". Ein Sprecher der bayerischen Landeskirche erklärte, dass die Kirchenleitung die betroffenen Pfarrerinnen oder Pfarrer bei ihrem Wunsch nach einer Namens- und Geschlechtsänderung sowie einer operativen Geschlechtsangleichung so gut es geht unterstützt. In den vergangenen Jahren hätten alle betroffenen Pfarrerinnen und Pfarrer die Zusicherung erhalten, weiterhin im Pfarrdienst tätig sein zu können.

Ein weiteres inspirierendes Beispiel ist der evangelische Pfarrer aus Veitshöchheim bei Würzburg, der sich im Sonntagsgottesdienst als transident outete – bis zu diesem Sonntag kannten ihn alle nur als Silke Wolfrum. Damit ging für den 46-Jährigen eine lange Leidensgeschichte zu Ende.

Auch Pfarrer Samuel Schelle aus Überlingen fand seinen Weg zur Authentizität. Vor 37 Jahren als Susanne in eine traditionelle katholische Familie hineingeboren, fühlte er sich im Katholizismus nicht willkommen. Er konvertierte, wurde evangelische Pfarrerin, sein Traumberuf – und war trotzdem todunglücklich, bis er begann, sich mit seiner Transidentität auseinanderzusetzen.

Ein sicherer Raum für alle

Eine willkommene Veränderung, so Phaneuf, wäre, dass die Kirche "in der Gemeinde als noch sicherer Raum für Menschen bekannt wird, die sich marginalisiert gefühlt haben". Am Sonntag, den 30. November, trug Phaneuf eine Stola in den Farben der Transgender-Flagge und strahlte, als sie die Gemeinde nach ihrem Coming-out ansprach.

Phaneufs Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie religiöse Gemeinschaften Räume der Akzeptanz und Liebe schaffen können – Räume, in denen Menschen authentisch sein dürfen, ohne ihre Berufung oder ihren Glauben aufgeben zu müssen. Ihre Botschaft hallt weit über die Kirchenmauern von Rochester hinaus und inspiriert trans Personen weltweit, ihren eigenen Weg zu gehen.


Girlguiding UK schließt trans Mädchen aus – Deutschland zeigt, wie es anders geht

Die britische Pfadfinderinnenorganisation Girlguiding hat diese Woche eine Entscheidung getroffen, die tausende Menschen erschüttert: Trans Mädchen dürfen ab sofort nicht mehr den Gruppen Rainbows, Brownies, Guides und Rangers beitreten. Die Organisation, die seit 2017 trans-inklusiv war, begründet den Schritt mit einem Urteil des britischen Supreme Court zum Equality Act 2010, das im April 2025 gefällt wurde.

Welle des Protests: Petition sammelt tausende Unterschriften

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Girlguiding-Freiwillige Jenny Thompson startete eine Petition, in der sie betont, dass trans Kinder „einen sicheren, fürsorglichen Raum verdienen" wie jedes andere Kind auch. Innerhalb von nur 24 Stunden nach der Ankündigung hatten knapp 4.000 Menschen unterzeichnet. Thompson und ihre Unterstützer*innen argumentieren, dass trans Kinder das gleiche Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit verdienen wie alle anderen, und dass Girlguiding lange als unterstützende Umgebung für diejenigen galt, die anderswo keine Gemeinschaft finden.

Die Entscheidung wirkt besonders hart, da es keine bekannten Fälle von Belästigung durch trans Pfadfinderinnen oder Freiwillige in Girlguiding-Gruppen gibt. Dennoch gab eine Mutter im vergangenen Monat an, die trans-inklusive Politik der Organisation setze Mädchen Belästigung aus und schaffe eine „erniedrigende Umgebung", was zu rechtlichen Drohungen führte.

Das umstrittene Supreme Court-Urteil und seine Folgen

Im April 2025 entschied der britische Supreme Court einstimmig, dass die Begriffe „Mann", „Frau" und „Geschlecht" im Equality Act 2010 sich immer auf das biologische Geschlecht beziehen sollten. Die Equality and Human Rights Commission (EHRC) empfahl daraufhin, trans Personen von geschlechtsexklusiven Räumen und Einrichtungen auszuschließen.

Expert*innen für Gleichstellungsrecht widersprechen jedoch dieser Interpretation. Während die EHRC behauptete, das Urteil mache das Recht von trans Personen mit Gender Recognition Certificate (GRC) auf Zugang zu bestimmten Räumen zunichte, argumentieren Fachleute, dass dies auf einer Fehlinterpretation des Gleichstellungsrechts basiert. UN-Expert*innen stellten klar: „Das Urteil entfernt nicht die rechtlichen Schutzmaßnahmen, die trans Personen derzeit unter dem Equality Act genießen", warnten aber, dass es genutzt werden könnte, um ausgrenzende Politiken zu rechtfertigen.

Deutschland: Ein Gegenmodell der Inklusion

Während Großbritannien einen Schritt zurück macht, zeigen deutsche Pfadfinder*innenverbände, wie inklusive Jugendarbeit funktionieren kann. Die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) betont: „Unser Verband lebt von seiner Vielfalt: Mädchen, Jungen sowie nicht-binäre, trans* und inter* Personen sind ein wesentlicher Teil unserer Gemeinschaft".

Die DPSG gestaltet Inklusion bereits seit 1955 aktiv und seit 1965 ist sie fester Bestandteil der gesamten Verbandsarbeit. Ab 2005 gilt die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen als einer der drei Schwerpunkte des Verbandes. Ihre Haltung: Für den Verband ist Pfadfinden mit und ohne Behinderung „nix besonderes" – in den Kinder- und Jugendgruppen gehört das alltägliche Miteinander dazu.

Trans Pfadfinder*innen berichten von positiven Erfahrungen. Eine trans Pfadfinderin erzählt: „Bei den Pfadis ist alles ganz easy. Als ich auf dem Kölner CSD eine Gruppe der DPSG gesehen habe, habe ich den Kontakt gesucht, da die da scheinbar sehr offen sind. Ich habe dann schnell einen neuen Stamm in meiner Nähe gefunden, wo ich offen aufgenommen wurde und mich sehr wohl fühle".

Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland

Deutschland hat in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte beim Schutz von trans Rechten gemacht. Im April 2024 verabschiedete das Parlament das Selbstbestimmungsgesetz mit 374 zu 251 Stimmen. Das Gesetz trat am 1. November 2024 in Kraft. Gemäß § 9 des Sozialgesetzbuches sind „die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie transidenten, nichtbinären und intergeschlechtlichen jungen Menschen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern".

Was deutsche Jugendorganisationen richtig machen

Deutsche Pfadfinder*innenverbände haben erkannt, dass trans-inklusive Arbeit keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung ist. Die DPSG folgt dem pfadfinderischen Prinzip „Look at the child!" ihres Gründers Lord Baden-Powell: Kinder und Jugendliche müssen so angenommen werden, wie sie sind, mit all ihren Stärken und Schwächen.

Diese Haltung zeigt sich konkret: Deutsche Pfadfinder*innenverbände diskutieren aktiv Fragen wie „Wie würdest du damit umgehen, wenn sich in deiner Gruppe ein Kind als trans outet?" und „Wie können wir die Pfadfinderei insgesamt zu einem Ort machen, an dem Platz für geschlechtliche Vielfalt ist?"

Ein Rückschritt mit globalen Folgen

Die Entscheidung von Girlguiding UK ist mehr als eine nationale Angelegenheit. Expert*innen warnen, dass die Auswirkungen des Supreme Court-Urteils nicht auf das Vereinigte Königreich beschränkt bleiben werden: Das Urteil könnte zitiert werden, während der globale Angriff auf die Rechte von trans Personen weitergeht.

Besonders schmerzhaft sind die Reaktionen der betroffenen jungen Menschen: Trans und nicht-binäre Mitglieder fragen in sozialen Medien, ob sie gehen müssen. Sie sind echte Menschen, die bereits von anderen Organisationen ausgegrenzt wurden. Aktuelle Mitglieder werden vorerst nicht ausgeschlossen, doch trans Mitglieder sollen nächste Woche über weitere Entwicklungen informiert werden.

Deutschland zeigt, dass ein anderer Weg möglich ist – ein Weg der Inklusion, der Vielfalt und der Menschlichkeit. Während Großbritannien Mauern errichtet, bauen deutsche Jugendverbände Brücken. Die Frage ist nicht, ob trans Kinder einen Platz in unseren Gemeinschaften verdienen. Die Frage ist, welche Art von Gesellschaft wir sein wollen – eine, die ausgrenzt, oder eine, die alle willkommen heißt.


„Es stört mich eigentlich nicht" – Warum die Antworten konservativer Amerikaner überraschen

Eine Reddit-Diskussion hat in den USA für Aufsehen gesorgt: Ein Nutzer fragte konservative Amerikaner direkt, warum die LGBTQ+-Community sie so sehr zu stören scheine. Die Antworten waren überraschend anders als erwartet – und werfen wichtige Fragen über die Kluft zwischen politischer Rhetorik und persönlichen Einstellungen auf. Die ursprüngliche Diskussion erhielt Tausende von Antworten, die ein differenzierteres Bild zeichnen als die polarisierte öffentliche Debatte vermuten lässt.

Zwischen Rhetorik und Realität: Was konservative Wähler wirklich denken

Die Diskrepanz zwischen anti-LGBTQ+-Gesetzgebung und den Einstellungen konservativer Bürger könnte kaum größer sein. Donald Trump hat mehrere Maßnahmen angekündigt, die direkt die LGBTQ+-Community betreffen, darunter ein landesweites Verbot für trans Athletinnen im Frauensport und ein Bundesgesetz, das nur zwei Geschlechter anerkennt. Doch viele selbsternannte Konservative distanzierten sich in der Reddit-Diskussion von dieser harten Linie.

Ein Kommentar brachte es auf den Punkt: „Es stört die meisten Republikaner eigentlich nicht. Es ist nur eine bequeme Dämonisierung, um arme Menschen vergessen zu lassen, dass man sie ausraubt. Wie Immigranten." Ein anderer Nutzer fügte hinzu: „Ich denke, Sie werden feststellen, dass die meisten Konservativen einfach nur wollen, dass Menschen ihre eigenen Entscheidungen treffen und ihr eigenes Leben leben."

Deutschland am Scheideweg: Parallelen zur amerikanischen Debatte

Die Diskussion wirft interessante Parallelen zur aktuellen Situation in Deutschland auf. Für viele LGBTQ+-Deutsche geht es bei den kommenden Wahlen nicht mehr um neue Rechte, sondern darum, hart erkämpfte Errungenschaften zu bewahren. Umfragen sehen die konservative CDU/CSU mit 29-30% auf dem ersten Platz, gefolgt von der rechtsgerichteten AfD mit etwa 20-21%, die damit erstmals zweitstärkste Kraft im Bundestag werden könnte.

Die AfD lehnt LGBTQ+-Rechte ab und stellt sich gegen die Ehe für alle, obwohl ihre Vorsitzende Alice Weidel selbst in einer eingetragenen Partnerschaft mit einer Frau lebt. Das Wahlprogramm der Partei fordert ein Verbot geschlechtsangleichender Behandlungen für trans Minderjährige und die Rücknahme des 2024 verabschiedeten Selbstbestimmungsgesetzes, außerdem soll es „keine Indoktrination von Kindern und Jugendlichen durch Trans-Kult, frühe Sexualisierung und Gender-Ideologie" geben.

Das Selbstbestimmungsgesetz: Ein historischer Meilenstein unter Druck

Am 12. April 2024 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Selbstbestimmungsgesetz, das wohl wichtigste Gesetzesvorhaben für trans Menschen in Deutschland seit einer Generation. Wenn das Gesetz im November 2024 in Kraft tritt, können Deutsche ab 14 Jahren ihren Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine einfache Erklärung beim örtlichen Standesamt ändern.

Doch bereits drei Monate nach Inkrafttreten steht dieses Gesetz auf der Abschussliste. Es besteht die Befürchtung, dass die CDU/CSU mit der AfD zusammenarbeiten könnte, um neue Einschränkungen der LGBTQ+-Rechte durchzusetzen – ähnlich wie dies bereits auf Landesebene geschehen ist. Viele Forderungen der AfD überschneiden sich mit denen der Konservativen, sei es die Rücknahme des Selbstbestimmungsgesetzes oder Einschränkungen bei gendergerechter Sprache und geschlechtsangleichender Versorgung.

Die stille Mehrheit und die laute Minderheit

Zurück zur amerikanischen Reddit-Diskussion: Viele Kommentatoren betonten, dass die lautesten Stimmen nicht repräsentativ seien. „Nach meiner Erfahrung interessiert es nur sehr, sehr wenige Republikaner oder sogar Konservative wirklich", schrieb ein Nutzer. „Diejenigen, die es tun, sind wie die verrückt kreischenden Liberalen eine laute Minderheit. Sie machen den meisten Lärm und die polarisierendsten Schlagzeilen. Deshalb werden sie mehr bemerkt und mehr diskutiert."

Diese Beobachtung wirft eine zentrale Frage auf: Wenn die Mehrheit der Konservativen LGBTQ+-Menschen tatsächlich toleriert oder ihnen gleichgültig gegenübersteht, warum dominiert dann eine aggressiv anti-queere Agenda die konservative Politik? Die Antwort liegt möglicherweise in der Instrumentalisierung von Minderheiten für politische Zwecke – eine Strategie, die sowohl in den USA als auch zunehmend in Deutschland zu beobachten ist.

Gewalt und Diskriminierung: Die realen Konsequenzen der Rhetorik

Unabhängig von individuellen Einstellungen haben politische Rhetorik und Gesetzgebung reale Folgen. In Deutschland stiegen Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung des Opfers 2023 um 49% im Vergleich zum Vorjahr, während Verbrechen gegen trans Menschen um fast 105% zunahmen. In den USA wurden allein in den ersten fünf Monaten 2024 579 anti-trans Gesetzentwürfe in 42 Bundesstaaten eingebracht, während 14 trans Menschen bis Mai gewaltsam ums Leben kamen.

Seit Ende Juli haben in ostdeutschen Städten wie Leipzig und Bautzen Hunderte rechtsextreme Demonstranten versucht, Pride-Märsche zu stören, wobei sie rassistische und neonazistische Parolen skandierten – mindestens ein Protestierender zeigte den Hitlergruß. „Es wird gefährlicher, sichtbar queer zu sein und Aktivismus zu betreiben", warnte eine Organisatorin.

Was können wir aus dieser Diskrepanz lernen?

Die überraschenden Antworten in der Reddit-Diskussion zeigen, dass die Realität komplexer ist als die binäre Darstellung von „progressiv gegen konservativ" suggeriert. Viele Menschen, die sich als konservativ identifizieren, haben kein Problem mit LGBTQ+-Menschen – ihre Prioritäten liegen woanders, oft in wirtschaftlichen Fragen oder bei der Rolle des Staates.

Dennoch bleibt eine beunruhigende Wahrheit: Wenn diese tolerante Mehrheit schweigt, während eine radikale Minderheit die Agenda bestimmt, sind es queere Menschen, die den Preis zahlen. In Deutschland wie in den USA steht die LGBTQ+-Community vor der paradoxen Situation, dass individuelle Akzeptanz zunimmt, während gleichzeitig die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zunehmend unter Druck geraten.

Die kommenden Wahlen in Deutschland werden zeigen, ob die stille Mehrheit der Toleranten ihre Stimme erhebt – oder ob die laute Minderheit weiterhin den Ton angibt. Für die LGBTQ+-Community steht dabei nicht weniger auf dem Spiel als die Bewahrung hart erkämpfter Rechte und die Sicherheit im eigenen Land.


Mutiger Schritt im Tennis: Schweizer Mika Brunold outet sich als schwul

Der 21-jährige Schweizer Tennisprofi Mika Brunold hat sich am Wochenende auf Social Media als schwul geoutet. Mit einem bewegenden Instagram-Post hat er einen Schritt gewagt, der im Männertennis noch immer eine Seltenheit ist: "Es ist Zeit für mich, mich zu öffnen und euch mitzuteilen, dass ich schwul bin", schrieb der in der Nähe von Basel lebende Spieler in einem englischsprachigen Beitrag.

Ein persönliches Statement mit gesellschaftlicher Relevanz

In seinem emotionalen Post beschreibt Brunold die inneren Kämpfe, die mit seiner Identität verbunden waren. "Schwul zu sein bedeutet nicht nur, das gleiche Geschlecht zu lieben – es bedeutet auch, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, über die die meisten Menschen nie nachdenken müssen. Die Angst, nicht akzeptiert zu werden, der Druck, still zu bleiben, das Gefühl, anders zu sein", schreibt der 21-Jährige. Er betont, dass es im professionellen Sport nicht nur um motorische Fähigkeiten gehe, sondern auch darum, "die eigene Persönlichkeit zu entdecken und sich selbst treu zu bleiben".

Der Baselbieter hat sich bewusst für das Coming-Out entschieden, obwohl er der Meinung ist, dass es "in einer idealen Welt keinen Grund gibt, sich überhaupt outen zu müssen". Er tue dies jedoch, um "für mich einen Schritt zu machen" und weil er das Gefühl habe, "dass darüber im Sport noch nicht genug gesprochen wird".

Überwältigende Unterstützung aus der Tennis-Community

Die Reaktionen auf Brunolds Mut sind durchweg positiv. Die ehemalige Weltranglistenerste Kim Clijsters kommentierte ein Herz, auch die Schweizer Profis Leandro Riedi, Viktorija Golubic und Conny Perrin sowie die deutsche Spielerin Eva Lys drückten auf Instagram ihre Solidarität aus. Alt-Star Stan Wawrinka hinterließ ein Like. Die Schweizer Tennisföderation hat ebenfalls einen unterstützenden Kommentar unter Brunolds Post hinterlassen.

Brunold ist als zweiter Spieler auf der ATP Tour während seiner aktiven Karriere als schwul an die Öffentlichkeit gegangen. Er ist derzeit die Nummer 307 der Weltrangliste und sorgte im Oktober beim ATP-Turnier in Basel für Aufsehen, als er den US-amerikanischen Ex-Top-20-Spieler Reilly Opelka in der Qualifikation an den Rand einer Niederlage brachte.

Homosexualität im Tennis: Ein anhaltendes Tabu

Homosexualität im Tennis, vor allem bei den Männern, ist nach wie vor ein Tabu-Thema. Erst im Januar outete sich mit dem Brasilianer Joao Lucas Reis da Silva erstmals ein aktiver Profi als schwul. Andere, etwa der Amerikaner Bobby Blair, outeten sich erst Jahre, nachdem sie ihre aktive Tenniskarriere beendet hatten.

Die Situation im Frauentennis stellt sich anders dar. Im Frauentennis gibt es hingegen mehrere offen lesbische oder bisexuelle Spielerinnen. Die Exil-Russin Darja Kassatkina outete sich etwa im Jahr 2022 und da ihr Heimatland Homosexuelle nicht akzeptiert, spielt sie inzwischen für Australien. Zu den historischen Vorbildern zählen Legenden wie Martina Navratilova, die sich bereits in den 1980er Jahren zu ihrer Homosexualität bekannte und dadurch massive finanzielle Einbußen erlitt.

Die Situation in Deutschland: Noch viel Nachholbedarf

Auch in Deutschland bleibt Homosexualität im Profisport ein schwieriges Thema. In Einzelsportarten homosexuelle Menschen kaum Homophobie erleben und dort auch offen homosexuelle Spitzensportler sehr erfolgreich sind, während dies in Mannschaftssportarten sich teilweise anders darstellt. Im deutschen Profifußball hat sich bislang noch nie ein aktiver Fußballprofi geoutet, obwohl es Initiativen wie "Sports Free" gibt, die Sportler beim Coming-out unterstützen wollen.

In Individualsportarten wie Tennis, Golf, Leichtathletik, Schwimmen wird seltener von Homophobie berichtet – dennoch bleibt auch hier der Weg für queere Athleten steinig. Im deutschen Profisport hat mit Thomas Hitzlsperger bislang nur einer den Mut gefunden, sich öffentlich zu outen. In einem Interview mit der "Zeit" sagte er im Januar 2014: "Ich äußere mich zu meiner Homosexualität. Ich möchte gern eine öffentliche Diskussion voranbringen – die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern".

Ein Signal der Hoffnung

Brunolds Coming-out ist mehr als eine persönliche Entscheidung – es ist ein wichtiges Signal für junge LGBTQ+-Sportler*innen weltweit. Ein Coming-out ist (immer noch) wichtig – gerade im Sport. Es zeigt, dass niemand mit seiner Identität allein ist. Wenn Sportler*innen offen zu sich stehen, durchbrechen sie alte Muster, schaffen Sichtbarkeit und tragen zu einer Kultur bei, in der jeder Mensch akzeptiert wird – unabhängig von seiner sexuellen Orientierung. Ihr Mut kann ein starkes Signal an die gesamte Gemeinschaft sein und dazu beitragen, dass Akzeptanz und Vielfalt weiter wachsen.

Mit den Worten "Aber ich bin gewachsen. Und ich bin stolz darauf, wer ich heute bin" schließt Brunold seine Botschaft – ein Satz, der vielen Mut machen dürfte, die noch vor der Entscheidung stehen, ob sie sich outen sollen oder nicht. Der junge Schweizer zeigt: Authentizität und sportliche Karriere müssen kein Widerspruch sein.


Malaysia: Mehr als 200 Männer bei Razzien in Schwulensaunen festgenommen

In Malaysia wurden am vergangenen Wochenende bei Razzien über 200 Männer in Schwulensaunen festgenommen – 201 Gäste und sieben Mitarbeiter in Kuala Lumpur sowie 13 Männer in Prai im Bundesstaat Penang. Die brutalen Razzien mit Hilfe der islamischen Religionspolizei erinnern an dunkle Kapitel der europäischen Geschichte – und zeigen die dramatische Menschenrechtslage queerer Menschen im islamisch geprägten Malaysia. (Quelle: queer.de)

Systematische Verfolgung mit religiösem Fundament

Nach Section 377 des malaysischen Strafgesetzbuches werden homosexuelle Handlungen mit bis zu 20 Jahren Gefängnis und Stockschlägen bestraft – ein koloniales Relikt aus britischer Zeit, das Malaysia konsequent beibehält, während andere ehemalige Kolonien wie Singapur dieses Gesetz bereits gestrichen haben.

Die aktuelle Razzia wurde mit großem Aufwand durchgeführt. Der Polizei-Vizechef von Kuala Lumpur berief eigens eine Pressekonferenz ein und präsentierte stolz die Festnahme von 24 Ausländern und 177 Einheimischen, darunter 17 Staatsbedienstete im Alter zwischen 19 und 60 Jahren. Die Sauna sei zwei Wochen lang observiert worden – gemeinsam mit JAWI, der islamischen Bundesbehörde, einer Art Religionspolizei.

Was diese offiziellen Verlautbarungen besonders bedrückend macht: Sie erinnern fatal an die Razzien, Denunzierungen und brutalen Verhörmethoden der Nazi-Zeit, als die Polizei in den 1930er Jahren Razzien in Bars und an vermuteten Treffpunkten für Homosexuelle durchführte. Auch in Deutschland wurden queere Menschen systematisch verfolgt. Nach Gestapo-Razzien folgten ab 1934 erste KZ-Einlieferungen, mit der Verschärfung des Homosexuellenstrafrechts 1935 verdreifachten bis 1939 die Verurteilungszahlen.

Das Outing als soziale Todesstrafe

Inzwischen wurden 200 der 201 in Kuala Lumpur festgenommenen Gäste wieder freigelassen – doch die Bedrohung ist damit nicht vorbei. Den Männern drohen Gerichtsverfahren und vor allem: das öffentliche Outing. In Malaysia kann dies zum Verlust des Arbeitsplatzes und zur gesellschaftlichen Ächtung führen – eine Form der sozialen Vernichtung.

„Allgegenwärtige Antipathie gegenüber sexueller und geschlechtsspezifischer Vielfalt beeinflusst Strafverfolgung, Gerichtsurteile, Familienverhalten und den öffentlichen Diskurs in den Medien gegenüber LGBT-Personen", erklärt Kyle Knight, LGBT-Experte von Human Rights Watch. „Malaysische Politiker benutzen Religion als politische Waffe", so die Menschenrechtsaktivistin Nisha Ayub.

Krasser Kontrast zu den Nachbarländern

Malaysias Umgang mit queeren Menschen steht in starkem Widerspruch zu einigen seiner Nachbarländer. Thailand gilt seit 2025 als erstes Land in Südostasien, in dem gleichgeschlechtliche Paare heiraten können. Singapur schaffte 2022 den aus der Kolonialzeit stammenden Paragraf 377A ab, der eine Höchststrafe von zwei Jahren Haft für homosexuelle Praktiken vorsah.

Malaysia dagegen hält nicht nur an der Verfolgung fest – das Land intensiviert sie sogar. Die gesellschaftliche Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Beziehungen liegt in Malaysia nur bei 17 Prozent, zudem ist Homosexualität gesetzlich verboten.

„Heilung" statt Akzeptanz: Malaysias gefährlicher Sonderweg

Die malaysische Regierung wirbt sogar offen für die „Heilung" von Homosexualität. 2023 wurde ein „islamisches Rehabilitationszentrum" gegründet, um Homosexuelle in Heterosexuelle zu verwandeln (queer.de berichtete).

Sogenannte Konversionstherapien sind wissenschaftlich diskreditiert und werden von Fachorganisationen als gefährlich beschrieben. Der Weltärztebund warnte wiederholt, dass sie Menschen in Depression oder gar Suizid treiben können. Wissenschaftlich nachgewiesen sind schwerwiegende gesundheitliche Schäden wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko.

In Deutschland sind Konversionstherapien seit dem 24. Juni 2020 gesetzlich verboten. Verstöße werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einem hohen Bußgeld geahndet. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stellte klar: „Homosexualität ist keine Krankheit. Daher ist schon der Begriff Therapie irreführend."

Die aktuellen Razzien in Malaysia sind mehr als eine Polizeiaktion – sie sind Ausdruck einer staatlich sanktionierten Verfolgung, die an die dunkelsten Kapitel der Geschichte erinnert. Während Deutschland und viele europäische Länder ihre Vergangenheit aufarbeiten und queere Menschen schützen, geht Malaysia den entgegengesetzten Weg: systematische Unterdrückung im Namen der Religion, pseudowissenschaftliche „Heilungsversuche" und die Zerstörung von Existenzen durch Zwangsoutings.

Für queere Menschen in Malaysia bedeutet das Leben im ständigen Versteck, in der Angst vor Entdeckung und in der Hoffnung auf eine Zukunft, in der auch sie als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt werden.


Britische Medienaufsicht Ofcom nimmt Kehrtwende bei Transfeindlichkeit im Fernsehen

In einem bemerkenswerten Sinneswandel hat die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom ihre ursprüngliche Entscheidung zurückgenommen und wird nun doch über 22.000 Beschwerden wegen Transfeindlichkeit beim Sender TalkTV untersuchen. Die Kehrtwende erfolgte, nachdem die Rechtsschutzorganisation Good Law Project mit rechtlichen Schritten gedroht hatte – ein Sieg für trans Rechte, der auch für Deutschland wichtige Fragen aufwirft.

Von der Abweisung zur Untersuchung

Die Aufsichtsbehörde teilte in einem Schreiben mit, dass sie „ausnahmsweise" ihre elf Entscheidungen zurückziehe und neu prüfen werde, ob die Beschwerden „potenziell substanzielle Verstöße gegen den Rundfunkkodex" darstellen. Ursprünglich hatte Ofcom Anfang November die Beschwerden abgelehnt – mit der Begründung, sie würden keine „substanziellen Probleme" aufwerfen, die eine weitere Untersuchung rechtfertigen.

Die Begründung war brisant: Ofcom argumentierte, die betroffenen Sendungen seien „keine Nachrichten" und daher durch die Meinungsfreiheit nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt. Eine Rechtfertigung, die bei Aktivist*innen auf scharfe Kritik stieß.

Transfeindlichkeit in elf Sendungen

Was war geschehen? In nur vier Wochen zwischen Juni und Juli sendete der dem Medienmogul Rupert Murdoch gehörende Sender TalkTV elf Segmente mit Gästen, die trans-feindliche Positionen vertraten. Die Beispiele sind verstörend: TalkTV-Moderatorin Alex Phillips bezeichnete im Juni die Vergabe lebensrettender Pubertätsblocker an trans Kinder als „böse". Kevin O'Sullivan warf einer trans Frau vor, sie versuche „vorzugeben, dass er eine Frau sei" – eine gezielte Missachtung ihrer Geschlechtsidentität.

In nur vier Wochen präsentierte der rechtsorientierte Sender mindestens elf Gäste mit trans-feindlichen Positionen – während nicht ein einziger trans oder trans-freundlicher Gast eingeladen wurde. Diese einseitige Berichterstattung verstößt nach Ansicht von Good Law Project gegen die Verpflichtung zur „angemessenen Unparteilichkeit" bei Themen der öffentlichen Politik.

Zivilgesellschaftlicher Druck zeigt Wirkung

Das Good Law Project hatte angekündigt, gegen Ofcoms Entscheidung zu klagen – nun lenkte die Aufsichtsbehörde ein. Die Organisation kündigte an, alle Entscheidungen der Untersuchung „genau zu prüfen" und bei Bedarf weitere Maßnahmen zu ergreifen. Bei einem Verstoß gegen den Rundfunkkodex könnte TalkTV mit Geldstrafen von bis zu 150.000 Pfund oder mehr pro Verstoß rechnen.

Was bedeutet das für Deutschland?

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Medienregulierung trans-feindlicher Inhalte – ein Thema, das auch in Deutschland hochaktuell ist. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 sind 37 Prozent der Befragten in Deutschland transfeindlich – eine alarmierend hohe Zahl. Auch hierzulande gibt es wiederholt Kritik an trans-feindlicher Berichterstattung in etablierten Medien.

Der Deutsche Presserat wies etwa Beschwerden gegen einen „durchweg transfeindlichen Artikel" von Alice Schwarzer zurück, da das Gremium die Berichterstattung für eine „diskussionswürdige Positionierung im Rahmen des gesellschaftlichen Diskurses" hielt. Wie gefährlich diese Hetze gegen geschlechtliche Minderheiten ist, zeigen die steigenden transfeindlichen Hassgewaltdelikte.

Im Gegensatz zu Großbritannien, wo Ofcom nun zumindest nachträglich aktiv wird, fehlt in Deutschland oft eine klare Grenzziehung. Trans-Organisationen kritisieren, dass zunehmend Medienbeiträge veröffentlicht werden, in denen von „Trans als Trend", von angeblich unsicheren Frauenschutzräumen oder von einer sogenannten „Trans-Ideologie" die Rede ist – Berichterstattungen, die soweit gehen, die Existenz von trans Personen zur Debatte zu stellen und sie als „gefährlich" für die Mehrheitsbevölkerung darzustellen.

Die Macht der Medien – und ihre Verantwortung

Medien müssen Meinungsvielfalt und gesellschaftliche Debatten abbilden, aber sie stehen auch in einer ethischen Verantwortung, Diskriminierung nicht zu befördern, sondern Ressentiments und Hetze aktiv entgegenzuwirken. Der Fall TalkTV zeigt, wie wichtig zivilgesellschaftlicher Druck und unabhängige Medienaufsicht sind – und dass Kehrtwenden möglich sind, wenn die Community zusammensteht.

Bleibt zu hoffen, dass die Untersuchung von Ofcom zu klaren Konsequenzen führt und ein Signal sendet: Trans-feindliche Hetze darf keine Plattform bekommen – weder in Großbritannien noch in Deutschland.


Fetisch gehört zur Sichtbarkeit: Warum die Debatte um Puppy-Community und Lederszene die queere Bewegung spaltet

Das Interview mit Claude Kolz-Boehm vom Berliner Fetisch-Projekt Eisensteig wirft eine Frage auf, die seit Jahren die queere Community spaltet: Wie viel Fetisch gehört in die Öffentlichkeit? Während die einen in Puppy-Masken und Lederkleidung auf CSDs ein wichtiges Symbol sexueller Emanzipation sehen, fürchten andere um die gesellschaftliche Akzeptanz der LGBTQ+-Bewegung.

Wenn Polizei und CSD-Organisator*innen Grenzen ziehen

Die Polizei im brandenburgischen Oranienburg drohte 2023 vor dem CSD Oberhavel mit einem Verbot der Pride-Demonstration, sollten anwesende Puppys nicht ihre Masken abnehmen – ein Vorfall, der symptomatisch für eine tiefer liegende Kontroverse ist. Bereits 2018 hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) auf eine Kleine Anfrage der Grünen eingeräumt, dass die Untersagung von Fetischmasken beim Ruhr-CSD rechtswidrig war. Trotzdem wiederholten sich in Nordrhein-Westfalen ähnliche Vorfälle 2018 und 2019 in Essen und Aachen.

Doch nicht nur staatliche Stellen setzen Grenzen. Der CSD Bielefeld hat 2025 zwei Fetischgruppen, Puppy OWL und Leather Social Bielefeld, die Teilnahme an der Demonstration und am Straßenfest verweigert, mit der Begründung eines fehlenden "Konsenskonzepts". Eine Entscheidung, die Die Linke.queer als Verhöhnung der Stonewall-Geschichte bezeichnete: "Kinks und Fetische sind Ausdruck von Sexualität, aber auch von Community, Selbstbestimmung und Befreiung".

Fetischmode: Vom Subkultur-Code zum Mainstream-Trend

Was Claude Kolz-Boehm im Interview beschreibt, lässt sich auch in Deutschland beobachten: Korsetts, Latex und lederne Halsbänder mit Metallring bahnen sich Schritt für Schritt ihren Weg in den Mainstream, wobei Internet und soziale Netzwerke, insbesondere Instagram, dazu beigetragen haben, die Codes einer einstmals verschlossenen Parallelwelt der breiteren Allgemeinheit bekannt zu machen.

In den 1980er bis 1990er Jahren begannen Designer wie Vivienne Westwood und Jean Paul Gaultier, Leder- und Latexbekleidung in ihre Kollektionen aufzunehmen, und Fetisch-Mode wurde immer mehr akzeptiert und in der Mainstream-Modewelt etabliert. Die Berliner Lederdesignerin Melissa Tofton beobachtet: "Ein Halsband mit Sklavenring offen auf der Straße zu tragen, war früher undenkbar. Heute aber begegnet es ihr in Berlin immer häufiger".

Das Argument des Kinderschutzes – und seine Problematik

Ein zentrales Argument gegen Fetisch-Sichtbarkeit auf CSDs lautet: "Aber da sind doch auch Familien und Kinder." Dieses Totschlagargument wird auch von reaktionären Rechten verwendet. Es gibt nicht einen einzigen Fall, in dem ein Kind durch den Anblick eines Menschen in Puppy-Maske in irgendeiner Weise Schaden nahm, betont eine Analyse auf CSD-Deutschland.de.

Das Argument, Kinder vor einer vermeintlichen "Frühsexualisierung" schützen zu wollen, wird immer wieder gegen die öffentliche Sichtbarkeit von queeren Menschen genutzt – ein Diskurs, der gefährliche Parallelen zu queerfeindlichen Gesetzen in Polen, Ungarn und Florida aufweist.

Spaltung statt Solidarität?

Der seit Jahren tobende Streit um den Pride-Grundsatz "Keine Fetischdarstellung" beim CSD Bremen zeigt, wie tief die Gräben innerhalb der Community verlaufen. Puppy Sunny, Mitglied des Bremer CSD-Vereins, mahnte damals: "Wir benötigen einen CSD, der für die gemeinsamen Interessen kämpft und sich die Rechte und die Akzeptanz aller auf die Fahne geschrieben hat".

Die Tatsache, dass auch innerhalb der LGBTQ+-Community ähnlich argumentiert wird, zeigt vor allem, wie tief verwurzelt wir mit den Glaubenssätzen "Wie ein Mensch zu sein und sich zu zeigen hat" aufwachsen – ein Phänomen der internalisierten Homophobie.

Deutschland im internationalen Kontext: Hohe Akzeptanz, neue Brüche

Trotz aller Kontroversen zeigt sich in Deutschland ein differenziertes Bild: Eine klare Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen die Diskriminierung der LGBTQ+-Community und für gleiche Rechte aus, wobei jedoch vor allem bei jungen Männern queerfeindliche Ansichten zunehmen. In Deutschland unterstützen zwei von drei jungen Frauen der Gen Z queere Zuneigung in der Öffentlichkeit, bei den jungen Männern liegt der Wert lediglich bei 30 Prozent.

Warum Fetisch politisch ist

Claude Kolz-Boehm von Eisensteig trifft einen wichtigen Punkt, wenn er betont, dass Fetisch bis zu einem bestimmten Grad in die Öffentlichkeit gehört. Die fetischistische Daseinsäußerung erfährt eine zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz, und das Recht auf Sichtbarkeit wird von der Szene eingefordert, etwa bei organisierten Rollenspielen, Fetisch-Partys oder öffentlichen Aktionen wie beim Christopher Street Day.

CSDs zeigen, wofür die LGBTQ+-Community kämpft: Sei wer du bist – angstfrei und selbstbestimmt, in Pumps, im Rock, im Anzug, in Jeans, fast nackt oder eben als Puppy. Die Geschichte der queeren Befreiungsbewegung ist untrennbar mit der Leder- und Fetischszene verbunden. Fetischist*innen und Kinkster haben von Anfang an für schwule Rechte gekämpft, die Lederbewegung ist untrennbar mit den ersten Prides verbunden, und sie haben viel für die sexuelle Emanzipation der Gay Community getan.

Ein Projekt, das Grenzen überwindet

Eisensteig, das Fetisch-Projekt von Claude Kolz-Boehm, entstand aus der Idee, Outdoor-Fetisch-Partys für schwule Männer in Berlin und Brandenburg anzubieten – ein Angebot, das es zuvor in dieser Form nicht gab. Inzwischen organisiert das Projekt auch Indoor-Partys in Zusammenarbeit mit den Bösen Buben und bietet einen Raum, in dem Menschen ihre Identität frei ausleben können.

Die Debatte um Fetisch in der Öffentlichkeit wird weitergehen. Doch sie sollte nicht vergessen lassen, wofür Pride einst stand und immer noch steht: für das Recht, sichtbar zu sein – in all unserer Vielfalt, auch wenn diese manchmal unbequem ist. Wie Kolz-Boehm es formuliert: Es braucht Grenzen, ja – aber diese Grenzen sollten nicht von internalisierter Scham diktiert werden, sondern von gegenseitigem Respekt und dem Bewusstsein, dass Befreiung nicht durch Anpassung, sondern durch Sichtbarkeit erkämpft wird.


Solidarität gestohlen: 300 Regenbogenfahnen in Butjadingen verschwunden

In der niedersächsischen Küstengemeinde Butjadingen haben zwei Frauen Ende November rund 300 kleine Regenbogenfahnen aus Vorgärten gestohlen. Laut einem Bericht der Nordwest-Zeitung handelt es sich bei den mutmaßlichen Täterinnen um zwei Frauen aus dem nahegelegenen Nordenham im Alter von 16 und 49 Jahren. Die Polizei geht von einer politischen Motivation aus, wie aus der ursprünglichen Meldung auf queer.de hervorgeht.

Protest gegen AfD-Veranstaltung

Der Hintergrund des Diebstahls ist politisch brisant: Am vergangenen Wochenende hatte die AfD einen Infostand auf dem Kirchplatz im Ortsteil Burhave aufgebaut. Als Reaktion darauf hatten viele Einwohner*innen die Regenbogenfahnen als Zeichen gegen Ausgrenzung und für Akzeptanz und Vielfalt aufgehängt. Die evangelische Kirche und weitere Organisationen hatten zu der Aktion "Butjadingen bleibt bunt" aufgerufen und mehrere hundert Fähnchen an die Bevölkerung verteilt. Allein in Waddens hatten Anwohner rund 400 Regenbogenfahnen verteilt.

Unmittelbar nach Ende der AfD-Veranstaltung beobachteten Zeug*innen, wie die beiden Frauen mit einem Auto durch den Ort fuhren und die Fahnen aus Vorgärten entfernten. Über das Kennzeichen konnten die Tatverdächtigen ermittelt werden. Ein Großteil des Diebesguts wurde bei ihnen sichergestellt.

Teil eines besorgniserregenden Musters

Der Vorfall in Butjadingen reiht sich in eine wachsende Serie von Angriffen auf Regenbogensymbole in Deutschland ein. Im Sommer häuften sich rechtsextreme Angriffe auf CSDs im ganzen Land; im August entwendeten Rechtsextreme die Regenbogenfahne vor einer Essener Kirche; im Oktober verschwand die Pride-Flagge der Katholischen Hochschulgemeinde in Dortmund. Diese Entwicklung spiegelt wider, dass die extreme Rechte längst queere Menschen als ein neues Feindbild ausgemacht hat.

Besonders beunruhigend ist die Verbindung zur AfD: Trotz ihrer offen lesbischen Kanzlerkandidatin ist die AfD die lauteste Stimme im Bundestag gegen LGBTIQ*-Rechte. Die AfD ist inzwischen die einzige Partei im Bundestag, die die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wieder abschaffen will. Als einzige Partei will die AfD bestehende Bildungs- und Aktionspläne gegen Homo- und Transphobie beenden und das Antidiskriminierungsgesetz abschaffen.

Ähnliche Vorfälle in ganz Deutschland

Der Fall Butjadingen erinnert an den Skandal in Neubrandenburg, wo im Oktober 2024 eine Stadtvertretung beschloss, dass künftig keine Regenbogenfahne mehr vor dem Bahnhofsgebäude gehisst werden darf. Dem Antrag stimmten die rechtsextreme AfD, die stärkste Partei im Stadtparlament, sowie Mitglieder des BSW und rechter Wählervereinigungen zu. Kurz darauf erklärte der offen schwule Oberbürgermeister Silvio Witt seinen Rücktritt.

Auch in Brandenburg kam es zu ähnlichen Vorfällen: An der Schule im Spreewaldort Burg wurde eine Regenbogenfahne gestohlen und durch eine Deutschlandfahne ersetzt – an einer Einrichtung, die bereits wegen rechter Umtriebe bundesweit bekannt geworden ist.

Politischer Kulturkampf um Symbole

Die Angriffe auf Regenbogensymbole sind Teil eines größeren politischen Kulturkampfes. Das alles ist eng verknüpft mit dem Aufstieg der AfD – eine zutiefst homofeindliche Partei, die in den letzten Jahren Hass gegen queere Menschen in unsere Parlamente getragen hat. Die aktuelle Debatte zeigt sich auch im Bundestag, wo Bundestagspräsidentin Julia Klöckner angeordnet hat, die Regenbogenfahne aus Neutralitätsgründen nur noch zum Internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai auf dem Reichstagsgebäude hissen zu lassen – und nicht mehr zum Berliner CSD.

Die Butjadinger Gemeinde zeigt jedoch, dass es auch starke zivilgesellschaftliche Gegenkräfte gibt. Die Aktion "Butjadingen bleibt bunt" ist nicht der erste Versuch der Gemeinde, für Vielfalt einzustehen. Bereits 2023 hatten Bürger*innen mit einer Facebook-Challenge reagiert, nachdem ein Gemeinderatsmitglied eine Regenbogenfahne als "kulturelle Schande" bezeichnet hatte.

Solidarität als Antwort

Trotz des Diebstahls signalisiert die breite Beteiligung an der Aktion "Butjadingen bleibt bunt" einen wichtigen Widerstand gegen queerfeindliche Tendenzen. Viele Menschen in Butjadingen haben mit den Regenbogenfähnchen ein Zeichen gegen Ausgrenzung gesetzt, nachdem die evangelische Kirche und andere Organisationen dazu aufgerufen hatten, sich auf diese Weise zu Toleranz, Vielfalt und Gleichberechtigung zu bekennen.

Der Fall zeigt eindrücklich, wie wichtig sichtbare Zeichen der Solidarität in Zeiten zunehmender Queerfeindlichkeit sind – und wie sehr diese Symbole zu Zielscheiben politisch motivierter Angriffe werden. Die Ermittlungen gegen die beiden Tatverdächtigen laufen, doch die eigentliche Frage bleibt: Wie kann eine offene Gesellschaft auf den wachsenden Hass gegen queere Menschen reagieren?


Russland verbietet Human Rights Watch: Ein weiterer Schritt in Putins Krieg gegen die Zivilgesellschaft

Russlands Justizministerium hat am 28. November 2025 Human Rights Watch auf die Liste "unerwünschter" Organisationen gesetzt – ein Schritt, der die ohnehin dramatische Menschenrechtslage im Land weiter verschärft. Die Entscheidung, die am 28. November vom russischen Justizministerium öffentlich gemacht wurde, verbietet die Arbeit der Organisation in Russland. Für deutsche LGBTQ+-Aktivist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen ist diese Nachricht ein alarmierendes Signal – und erinnert daran, wie fragil zivilgesellschaftliche Freiräume auch in demokratischen Staaten sein können.

Was bedeutet "unerwünscht" in Putins Russland?

Das russische Gesetz von 2015 erlaubt es der Generalstaatsanwaltschaft, jede ausländische oder internationale Organisation als "unerwünscht" zu bezeichnen, die angeblich Russlands Sicherheit, Verteidigung oder verfassungsmäßige Ordnung untergräbt. Die Konsequenzen sind brutal: Menschen, die weiterhin mit diesen Organisationen zusammenarbeiten – ob in Russland oder im Ausland – können mit Verwaltungs- und Strafmaßnahmen belegt werden, einschließlich einer Höchststrafe von sechs Jahren Gefängnis.

Die russischen Behörden haben mindestens 280 Organisationen als "unerwünscht" eingestuft, darunter prominente Nachrichtenorganisationen wie Radio Free Europe/Radio Liberty, Denkfabriken wie Chatham House, die Antikorruptionsorganisation Transparency International und die Umweltorganisation WWF. Auch die Elton John AIDS Foundation wurde im April 2025 verboten – angeblich, weil sie "traditionelle spirituelle und moralische Werte" untergrabe.

LGBTQ+-Menschen im Fadenkreuz des Kremls

Die Verfolgung von Human Rights Watch ist untrennbar mit der systematischen Repression von LGBTQ+-Personen in Russland verbunden. Die russischen Behörden setzten ihre Kampagne gegen lesbische, schwule, bisexuelle und transgender Menschen fort. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom November 2023, das die "internationale LGBT-Bewegung" als "extremistische" Organisation verbietet, ermöglicht die willkürliche Verfolgung von LGBT-Personen und allen, die ihre Rechte verteidigen oder Solidarität mit ihnen zeigen.

Russische Gerichte haben 101 Verurteilungen wegen "Extremismus" ausgesprochen, weil Menschen angeblich an der "Internationalen LGBT-Bewegung" teilgenommen oder deren vermeintliche Symbole gezeigt haben. Zwischen Januar 2024 und Juni 2025 wurden mindestens 20 Menschen aufgrund ihrer angeblichen Teilnahme an der "Internationalen Öffentlichen LGBT-Bewegung" strafrechtlich angeklagt. Eine der angeklagten Personen beging Suizid in Untersuchungshaft.

Human Rights Watch hat diese Menschenrechtsverletzungen jahrzehntelang dokumentiert. Die Organisation führte Untersuchungen durch – von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine bis zur Unterdrückung der LGBTQ+-Community in Russland. Genau diese Arbeit macht sie für das Regime zur Bedrohung.

Ein Muster der Einschüchterung

"Unsere Arbeit hat sich nicht verändert", sagte Philippe Bolopion, Geschäftsführer von Human Rights Watch, "aber was sich dramatisch verändert hat, ist die vollständige Umarmung diktatorischer Politik durch die Regierung, ihr erschreckendes Anwachsen der Repression und das Ausmaß der Kriegsverbrechen, die ihre Streitkräfte in der Ukraine begehen".

Die Entscheidung des russischen Generalstaatsanwalts ist der jüngste Schritt in einem gnadenlosen Vorgehen gegen Kreml-Kritiker, Journalist*innen und Aktivist*innen, das seit der vollständigen Invasion der Ukraine im Februar 2022 auf beispiellose Ausmaße intensiviert wurde. Am selben Tag kündigte die Generalstaatsanwaltschaft an, ein Verfahren gegen die feministische Punkband Pussy Riot einzuleiten, um die Gruppe als extremistische Organisation einzustufen. Einen Tag zuvor hatte der Oberste Gerichtshof Russlands die von dem verstorbenen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny gegründete Anti-Korruptions-Stiftung als terroristische Vereinigung eingestuft.

Parallelen zu Deutschland: Wenn Zivilgesellschaft unter Druck gerät

Für LGBTQ+-Aktivist*innen in Deutschland mag die Situation in Russland weit entfernt erscheinen. Doch auch hier gibt es besorgniserregende Entwicklungen. Der neue "Atlas der Zivilgesellschaft" stufte Deutschland 2024 aus der höchsten Kategorie "offen" in "beeinträchtigt" herab. Zu den Gründen gehören Demonstrationsverbote, unzureichender Schutz für Journalist*innen vor Gewalt bei Demonstrationen und der "unverhältnismäßige Druck", der auf Klimaaktivist*innen ausgeübt wird.

Während in autoritären und illiberalen politischen Systemen zivilgesellschaftliche Räume durch Repression schrumpfen, schrumpfen sie in Demokratien weniger durch direkte Unterdrückung, sondern durch politische Stagnation und eine politische Vernachlässigung der Zivilgesellschaft. Dies führt zu einer schleichenden Erosion zivilgesellschaftlicher Kapazitäten – ein Phänomen, das auch für LGBTQ+-Organisationen relevant ist.

Die Geschichte lehrt uns: Was in autoritären Staaten mit offener Gewalt geschieht, beginnt in Demokratien oft subtiler – durch Bürokratisierung, Kriminalisierung von Protest oder die Diffamierung von Aktivist*innen als "Extremist*innen". Human Rights Watch' Verbot in Russland sollte uns daran erinnern, wie wichtig es ist, zivilgesellschaftliche Freiräume auch hierzulande aktiv zu verteidigen.

Was wir tun können

Tanja Lokschina, Leiterin der Abteilung für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch, kündigte an, dass die Organisation "noch härter" daran arbeiten werde, "das harte Vorgehen des Kremls gegen die russische Zivilgesellschaft offenzulegen und über russische Verbrechen in der Ukraine zu berichten". Diesen Kampfgeist brauchen wir auch in Deutschland.

Konkret bedeutet das:

  • Solidarität mit verfolgten LGBTQ+-Personen in Russland – etwa durch Unterstützung von Human Rights Watch und anderen Organisationen, die Flucht und Asyl ermöglichen
  • Wachsamkeit gegenüber Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume in Deutschland
  • Bewusstsein dafür, dass die Verteidigung von LGBTQ+-Rechten immer auch ein Kampf für demokratische Grundrechte ist

Putins Krieg gegen Human Rights Watch ist ein Krieg gegen die universellen Menschenrechte selbst. Und er betrifft uns alle – egal, ob wir in Moskau, Berlin oder anderswo leben. Die Frage ist nicht, ob wir uns einmischen sollten. Die Frage ist: Können wir es uns leisten, wegzuschauen?


Keine Anklage nach rechtsextremer Attacke in Bad Freienwalde – Ein Rückschlag im Kampf gegen queerfeindliche Gewalt

Fünf Monate nach einem brutalen Angriff auf das Vielfaltsfest "Bad Freienwalde ist bunt" hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) das Ermittlungsverfahren eingestellt. Im Juni dieses Jahres hatte eine Gruppe teils vermummter Männer eine Kundgebung des Bündnisses „Bad Freienwalde ist bunt" in der Kleinstadt im Osten Brandenburgs attackiert. Die Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen bei der Strafverfolgung rechtsextremer und queerfeindlicher Gewalt – ein Problem, das auch in Deutschland zunehmend an Brisanz gewinnt. Wie queer.de berichtet, konnte kein hinreichender Tatverdacht gegen den 21-jährigen Beschuldigten erbracht werden, der mit der neonazistischen Kleinstpartei "Der Dritte Weg" in Verbindung stehen soll.

Ein Angriff, der bundesweit für Entsetzen sorgte

Ein Fest für Toleranz und Zusammenhalt wurde am Samstag in Bad Freienwalde von einem gewalttätigen Angriff überschattet. Vermummte stürmten den Marktplatz und verletzten Teilnehmende. Zehn Minuten vor Beginn der Veranstaltung kamen ungefähr zwölf junge Männer vermummt mit Quarzsandhandschuhen und Schlagstöcken auf die Aufbauhelfer zugerannt, haben um sich geschlagen und drei Leute verletzt. Besonders erschreckend: Es waren Kinder vor Ort gewesen, die alles mitbekommen hätten.

Der Angriff hatte damals bundesweit Entsetzen ausgelöst. Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) sprach gegenüber der taz von einer „völlig neuen Qualität" rechtsextremer Gewalt. Am vergangenen Sonntag wurde das Fest der Vielfalt in Bad Freienwalde, das als buntes Zeichen für Toleranz, Demokratie und gegen Rechtsextremismus geplant war, von einem brutalen Angriff überschattet. Vermummte Täter, mutmaßlich aus dem Umfeld der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg", stürmten mit Holzlatten und anderen Schlagwaffen die Veranstaltung, verletzten Teilnehmende und verbreiteten Angst unter den Besucher*innen – darunter viele Familien mit Kindern.

Warum die Ermittlungen scheiterten

Die Begründung der Staatsanwaltschaft offenbart die Schwierigkeiten bei der Aufklärung rechter Gewalttaten: Ein Zeuge wollte den Beschuldigten anhand seiner Augenpartie und Statur als einen der maskierten Täter erkannt haben, obwohl er ihn nicht persönlich kannte. Diese Aussage reichte laut Staatsanwaltschaft nicht für einen Tatnachweis aus. Auch eine Wohnungsdurchsuchung, die Auswertung eines Mobiltelefons und Funkzellendaten brachten keine Erkenntnisse zu den Tätern.

Weitere Beschuldigte konnten nicht ermittelt werden. Die Behörde teilte mit: "Sollten sich nachträglich Anhaltspunkte für die Klärung dieser Straftat ergeben, werden die Ermittlungen von Amts wegen wiederaufgenommen."

Teil eines besorgniserregenden Trends in Deutschland

Der Fall Bad Freienwalde ist kein Einzelfall. Im Rahmen des Pride Month und öffentlicher Veranstaltungen zum Christopher Street Day (CSD) beobachtet das BfV eine spezifisch queerfeindliche Agitation – teilweise mit extrem abwertenden und menschenfeindlichen Positionen und Äußerungen – im Internet sowie dieses Jahr auch vermehrt realweltliche Protestaktionen von Rechtsextremisten. Eine aktuelle Studie zeigt, dass fast jede zweite CSD-Veranstaltung 2025 gestört oder angegriffen wurde.

Im Jahr 2025 fanden in Deutschland so viele Christopher Street Days (CSDs) statt wie noch nie zuvor – insgesamt 245 Veranstaltungen. Gleichzeitig erreichte auch die Zahl rechtsextremer Übergriffe auf diese Events einen traurigen Höchststand. Die „Mobilisierungen gegen die CSD-Veranstaltungen durch Rechtsextreme […] ein koordinierter Versuch [waren], die LGBTQI+-Gemeinschaft einzuschüchtern und zu belästigen, und zwar in einem besorgniserregenden Ausmaß".

Im Jahr 2023 wurden insgesamt 17.007 Fälle von Hasskriminalität im Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) erfasst. Davon richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen (im Jahr 2022: 1.188). Laut offiziellen Zahlen gibt es jeden Tag mindestens drei Angriffe auf queere Menschen in Deutschland – die Dunkelziffer ist deutlich höher.

"Der Dritte Weg" – Eine wachsende Bedrohung

Der Dritte Weg ist eine rechtsextremistische Partei, die sich an der völkisch-nationalistischen Ideologie des Nationalsozialismus orientiert. Er wird vom Landesverfassungsschutz wegen verfassungsfeindlicher Aktivitäten beobachtet. Mit ihren bundesweit rund 700 Mitgliedern zählt der Dritte Weg als Kleinstpartei.

Der Dritte Weg ist regional vor allem im Nordwesten Brandenburg (Prignitz) und in der Uckermark aktiv. Darüber hinaus versucht die Partei, ihren Einfluss weiter auszubauen, insbesondere in Oberhavel, Barnim und Dahme-Spree. Kader von „Deutsche Jugend Voran", einer gewaltbereiten rechtsextremistischen Jugendgruppe, sowie der neonazistischen Partei „III.Weg" und deren Nachwuchsorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend" seien in Bad Freienwalde aktiv.

Eine Stadt unter dem Eindruck rechter Gewalt

„Diese gezielte und geplante Gewalttat ist ein erschreckender neuer Höhepunkt der rechtsextremen Organisierung in Bad Freienwalde", sagt Tom Kurz von der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland. Dabei handelte es sich nicht um den ersten Angriff auf das Bündnis: Im April 2024 bedrohten Rechte eine Demonstration des Bündnisses und beschmierten die Demonstrationsroute mit neonazistischen Drohungen. Im Februar versuchten Neonazis, eine Tanz-Aktion des Bündnisses zu stören, verteilten rechtsextreme Flyer und bedrohten Teilnehmende.

30 Prozent der Wäh­le­r:in­nen in Bad Freienwalde machten bei den Kommunalwahlen 2024 ihr Kreuz bei der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD. Bei der Bundestagswahl 2021 waren es sogar 44 Prozent. Die eingestellten Ermittlungen sind für viele Betroffene ein weiterer Schlag.

Was muss sich ändern?

Expert*innen fordern seit langem bessere Strukturen zur Bekämpfung queerfeindlicher Gewalt. Polizeibeamt*innen müssen in verpflichtenden Modulen in Aus- und Weiterbildung mit dem Thema (queerfeindlicher) „Hasskriminalität" vertraut gemacht werden und mit der richtigen Erfassung vertraut sein. Klare Ansprechpersonen für Hasskriminalität bei Staatsschutzdienststellen sowie hauptamtliche Ansprechpartner*innen für gleich- und transgeschlechtliche Lebensweisen würden nicht nur in die Community wirken, sondern auch in den Polizeien.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Wir müssen all diejenigen noch besser schützen und unterstützen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Hass, Diskriminierung und Gewalt erleben. Wir sehen immer wieder, wie wichtig der Kampf gegen queerfeindliche Gewalt ist. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt von der Polizei und den Staatsanwaltschaften verfolgt werden. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend."

Der Fall Bad Freienwalde zeigt: Es reicht nicht aus, wenn Ermittlungsbehörden aktiv werden. Die Verurteilung der Täter muss folgen. Nur so können Betroffene Vertrauen in den Rechtsstaat bewahren – und nur so kann ein klares Signal gegen rechtsextreme und queerfeindliche Gewalt gesendet werden. Das Bündnis "Bad Freienwalde ist bunt" hat angekündigt, weiterzumachen. Ihr Mut verdient nicht nur Solidarität, sondern auch wirksamen Schutz.


Ein Zeichen der Hoffnung: EKHN bekräftigt Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen

Am Buß- und Bettag setzte die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ein deutliches Zeichen der Solidarität mit queeren Menschen. In einem feierlichen Gottesdienst in der Darmstädter Pauluskirche bekräftigte die stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf am Mittwochabend (19. November) das im April 2023 von der hessen-nassauischen Kirchensynode verabschiedete Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen. (Originalquelle: queer.de)

Ein historischer Schritt zur Aufarbeitung

Das Schuldbekenntnis ist ein am 28. April 2023 auf der Frühjahrssynode verabschiedeter historischer Schritt der EKHN. In dem Dokument erkennt die Landeskirche an, dass "Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle auch in Gemeinden und Einrichtungen der EKHN lange Zeit Diskriminierung erfahren hätten". Die Kirche gesteht ein: "Wir haben die Würde von Gottes Geschöpfen verletzt in Erklärungen und Verlautbarungen, welche sich einseitig auf ein nur binäres, heteronormatives und letztlich patriarchales Familienmodell bezogen".

Dieser Schritt ist in Deutschland bemerkenswert. Die Synode der EKHN hat als einzige Landeskirche ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen ausgesprochen. Andere evangelische Landeskirchen wie die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) haben sich ebenfalls für die Diskriminierung und Ausgrenzung sexueller Minderheiten entschuldigt, jedoch verfolgt die EKHN mit ihrem umfassenden Ansatz einen Vorreiterweg.

Theologische Überzeugung statt Zeitgeist

In ihrer Ansprache betonte Ulrike Scherf, dass das Bekenntnis nicht dem Zeitgeist entspringe, sondern biblisch-theologischen Einsichten. "Gott ist vielfältig und nicht festlegbar", erklärte sie. Alle Menschen in ihrer Vielfalt seien Gottes Ebenbilder – unabhängig von Geschlecht, Lebensform oder sexueller Identität. Mit Verweis auf den Galaterbrief des Apostels Paulus im Neuen Testament zitierte sie: "Hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt eins in Christus Jesus".

Diese theologische Positionierung ist wichtig für die Debatte in Deutschland, wo manche evangelische Kreise immer noch eine restriktive Haltung vertreten. Während in 15 der 20 Landeskirchen gleichgeschlechtliche Eheschließungen möglich sind, lehnte die Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vor wenigen Tagen einen Gesetzesentwurf für die kirchliche Trauung von gleichgeschlechtlich liebenden Paaren ab.

Von Worten zu Taten: Konkrete Schritte der EKHN

Die EKHN begnügt sich nicht mit einem symbolischen Bekenntnis. Die Kirche hat sich konsequent auf den Weg einer diversitätssensiblen und queersensiblen Weiterentwicklung begeben, wozu die Gründung eines "Netzwerks queersensible EKHN" und die Verankerung von Diversität in den strategischen Zielen der EKHN gehören. Am 13. Juni 2025 fand in der Kirche der Evangelischen Studierendengemeinde Mainz das erste Netzwerktreffen queersensible EKHN statt, zu dem Kirchenpräsidentin Dr. Christiane Tietz die rund 70 Teilnehmenden begrüßte.

Die EKHN hat bereits eine lange Geschichte der schrittweisen Öffnung hinter sich: Bereits vor über 20 Jahren, am 04.12.2002, hatte die Kirchensynode die Segnung eingetragener Lebenspartnerschaften im Gottesdienst ermöglicht. Heute können in der EKHN gleichgeschlechtliche Paare sich trauen lassen und homosexuelle oder transsexuelle Mitarbeitende und Pfarrer:innen arbeiten selbstverständlich in der Kirche.

Internationale Dimension und deutsche Verantwortung

Das Schuldbekenntnis der EKHN reiht sich in eine internationale Bewegung ein. Mitte Oktober 2021 entschuldigte sich die Norwegische Kirche offiziell bei queeren Menschen, nachdem die evangelisch-lutherische Volkskirche in der Vergangenheit gleichgeschlechtlich liebende Menschen für "pervers" und "verachtenswert" gehalten und sie sogar als "globale soziale Gefahr" bezeichnet hatte.

In Deutschland bleibt jedoch noch viel zu tun. Laut einem Bericht des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamtes haben sich die Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" seit 2010 nahezu verzehnfacht – von 1.188 Taten im Jahr 2022 auf 1.785 ein Jahr später. Diese alarmierenden Zahlen verdeutlichen, wie essenziell es ist, Solidarität aktiv zu leben und Schutzräume für Betroffene zu schaffen.

Eine Kirche für alle Menschen

Mit 1,3 Millionen Mitgliedern ist die EKHN die siebtgrößte der 20 Landeskirchen innerhalb der EKD. "In unserer Kirche sind alle Menschen willkommen", betonte Scherf – ein Versprechen, das die EKHN durch konkrete Maßnahmen untermauert. Der Gottesdienst am Buß- und Bettag war nicht nur ein Moment des Erinnerns, sondern auch verbunden mit dem klaren Willen zur Veränderung.

Für queere Menschen in Deutschland sendet die EKHN damit ein wichtiges Signal: Die Kirche erkennt ihre historische Schuld an, arbeitet diese aktiv auf und gestaltet eine Zukunft, in der Homosexualität, Bisexualität, Trans- und Intersexualität, non-binäre und queere Lebensformen als Teil der Schöpfung anerkannt werden. Das ist nicht nur ein theologischer, sondern auch ein gesellschaftspolitischer Beitrag zur Akzeptanz und zum Schutz queerer Menschen in Deutschland.


Trans Day of Remembrance 2025: 281 Morde weltweit – ein alarmierendes Signal für Deutschland

Am 20. November 2025 gedachten Menschen weltweit den Opfern transfeindlicher Gewalt. Die neuesten Zahlen der Organisation Transgender Europe (TGEU) sind erschütternd: Zwischen dem 1. Oktober 2024 und dem 30. September 2025 wurden weltweit 281 trans und geschlechtsdiverse Menschen ermordet. Seit 2009 hat das Trans Murder Monitoring nun insgesamt 5.322 Morde dokumentiert.

Der Trans Day of Remembrance (TDoR) ist längst mehr als ein Gedenktag – er ist ein Weckruf. Der internationale Trans-Gedenktag wird seit seiner Entstehung am 20. November 1999 jährlich begangen, um jenen zu gedenken, die durch transfeindliche Hassverbrechen ermordet wurden. Diese feierliche Nacht entstand aus der Wut und Frustration von trans Aktivist*innen nach den Morden an zwei Schwarzen trans Frauen in Massachusetts.

Besorgniserregende Trends: Aktivist*innen im Visier

Die aktuellen Daten offenbaren einen besonders alarmierenden Trend: Waren 2023 noch sechs Prozent aller ermordeten Personen Aktivist*innen, stieg die Zahl 2024 auf neun Prozent und 2025 auf 14 Prozent. Die Gruppe, die nach Sexarbeiter*innen am häufigsten Zielscheibe transfeindlicher Gewalt wird, sind Aktivist*innen und prominente Figuren in der trans Bewegung.

Deekshitha Ganesan, Policy Manager bei TGEU, erklärt: „Dieser Anstieg ist ein bewusster Versuch, diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich für Freiheit und Gleichberechtigung einsetzen. Diese Morde sind die extremste Folge eines politischen Diskurses, der trans Personen entmenschlicht".

Mehrfachdiskriminierung: Wer ist besonders betroffen?

Die Statistiken zeigen deutlich, wer am stärksten gefährdet ist: 88 Prozent der Ermordeten sind nicht weiß. Überwältigende 90 Prozent der gemeldeten Morde waren Feminizide – die Opfer waren trans Frauen oder transfeminine Personen.

Sexarbeiter*innen sind am häufigsten von transfeindlicher Gewalt betroffen und machen im Trans Murder Monitoring 34 Prozent der Getöteten aus. Aufgrund von Marginalisierung und Fetischisierung finden viele trans Personen nur in der Sex-Industrie eine Möglichkeit, Geld zu verdienen.

Die Situation in Deutschland: Gedenken und wachsende Bedrohung

Auch in Deutschland fanden zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt. Dank mutiger trans Aktivist*innen finden trotz erstarkender rechter Kräfte überall im Land Gedenkveranstaltungen und Demos statt – allein in Baden-Württemberg elf. In Karlsruhe nahmen etwa 150 Menschen an der Mahnwache teil, gemeldet waren ursprünglich 50.

Doch die Lage verschlechtert sich: Laut einem Bericht der Amadeu-Antonio-Stiftung kam es 2025 bei fast jedem zweiten der 245 ausgerichteten CSDs zu Angriffen und Störungen. Fast die Hälfte dieser gingen von Rechtsextremen aus. Von den insgesamt 180 CSDs in 2024 wurden 55 von Rechtsextremen angegriffen.

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 1.500 Delikte gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst – die Zahl stieg das sechste Jahr in Folge auf einen deutlichen Höchststand. In Deutschland berichteten 65 Prozent der trans Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten.

Dunkelziffer und mediales Versagen

TGEU weist darauf hin, dass trans Opfer oft in Medienberichten oder Polizeiakten mit dem falschen Geschlecht bezeichnet werden, was die Erfassung aller gemeldeten Morde zunehmend erschwert. Die tatsächliche Zahl der durch Gewalt getöteten trans Personen ist „wahrscheinlich weit höher".

Dieses Jahr wurde weder über die Transgender Awareness Week noch über den Trans Day of Remembrance großartig berichtet. Die geringere Zahl an Morden bedeutet laut TGEU nicht, dass sich die Situation für trans Personen global verbessert hat – viel eher hängt die Zahl wohl mit dem sinkenden Medieninteresse über diese Morde zusammen.

Parallel in Deutschland: Sexarbeit und Schutz

Ein besonders wichtiger Aspekt für den Schutz trans Menschen in Deutschland ist die Entkriminalisierung von Sexarbeit. Von 2002 bis 2025 wurden in Deutschland 88 Sexarbeiter*innen getötet und 50-mal wurde versucht, eine zu töten.

Die Forderung nach Entkriminalisierung von Sexarbeit ist nicht neu: TGEU fordert die Entkriminalisierung von Sexarbeit, um „Arbeitsschutz für trans und geschlechtsdiverse Menschen zu gewährleisten". In Deutschland setzen sich Organisationen wie der LSVD für bessere Arbeitsbedingungen und gegen die Stigmatisierung von Sexarbeitenden ein.

Was muss sich ändern?

„Jede ermordete Aktivistin repräsentiert eine zum Schweigen gebrachte Community", sagt Freya Watkins, Senior Research Officer bei TGEU. Die Organisation fordert:

  • Internationalen Schutz für trans Menschenrechtsverteidiger*innen
  • Entkriminalisierung von Sexarbeit zum Schutz vulnerabler Gruppen
  • Stärkere Hassverbrechen-Gesetze und deren konsequente Anwendung
  • Bekämpfung politischer Desinformation gegen trans Menschen
  • Nachhaltige Unterstützung trans-geführter zivilgesellschaftlicher Organisationen

Diese Zahlen sind nur der Beweis für das, was viele in der trans Community bereits wussten: Diese Gesellschaft hat kein Interesse daran, trans Personen zu schützen. Wachsender Rassismus, Streichung von Bildungsprojekten und Schließung von Schutzorten sind eine Frage von Leben und Tod.

Der TDOR ist auch ein Tag, um die Stärke und Widerstandskraft der Lebenden zu würdigen – der trans, nicht-binären und geschlechtsnonkonformen Personen, die in einer Welt bestehen, die sie oft ablehnt. Die sich zeigen, Gemeinschaften schaffen und für ein Leben in Freiheit und Würde kämpfen.

Wenn du Unterstützung brauchst: Der Bundesverband Trans* bietet Beratung und Vernetzung in ganz Deutschland an. Bei akuter Bedrohung wende dich an die Polizei (Notruf 110) oder das schwule Anti-Gewalt-Projekt MANEO.


Durchbruch in der HIV-Forschung: Kölner Virologe Florian Klein erhält hochdotierten Hamburger Wissenschaftspreis

Der Kölner HIV-Forscher Professor Florian Klein wurde mit dem renommierten Hamburger Wissenschaftspreis 2025 ausgezeichnet, der mit 150.000 Euro dotiert ist. Der Experte auf dem Gebiet des Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) sei für seine Arbeit auf dem Gebiet der «Immunmodulation» ausgezeichnet worden, wie die Akademie der Wissenschaften mitteilte. Die Auszeichnung würdigt Kleins bahnbrechende Forschung zu Antikörpertherapien, die neue Hoffnung für Menschen mit HIV bringen könnte – und damit auch für die LGBTQ+-Community, die von der HIV-Epidemie nach wie vor überproportional betroffen ist.

Pionierarbeit für eine mögliche HIV-Kontrolle ohne Medikamente

Klein, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Köln, erforscht einen faszinierenden Ansatz: Bei einigen Personen, die mit HIV infiziert sind und eine Antikörpertherapie erhalten haben, wird das eigene Immunsystem stimuliert und es kommt teilweise sogar zu einer vollständigen Viruskontrolle. Den hier zu Grunde liegenden Mechanismus zu verstehen und dann diese Form der Immunmodulation nutzbar zu machen, ist eines der wichtigsten Forschungsziele. Das Preisgeld will der Wissenschaftler vollständig in diese vielversprechende Forschung investieren.

Besonders bemerkenswert: Bei manchen Personen mit einer HIV-Infektion wird das Virus nach einer Antikörper-Therapie über viele Jahre ohne Medikamente kontrolliert. „Wir sehen, dass in diesen Fällen das Virus durch das eigene Immunsystem der Patienten in Schach gehalten wird. Diese Kontrolle kann über Jahre andauern", erklärt Klein. Dies könnte einen Paradigmenwechsel in der HIV-Behandlung bedeuten – weg von der lebenslangen täglichen Medikamenteneinnahme hin zu einer funktionellen Heilung.

Warum diese Forschung für die queere Community so bedeutend ist

Die Relevanz von Kleins Arbeit für die LGBTQ+-Community kann kaum überschätzt werden. Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), sind von HIV-Infektionen und Aids in Deutschland immer noch am häufigsten betroffen. Im Jahr 2024 haben sich geschätzt 2.300 Personen mit HIV infiziert, wie aktuelle Daten des Robert Koch-Instituts zeigen. Die Zahl der Menschen mit HIV in Deutschland lag Ende 2024 bei 97.700. Von diesen sind etwa 8.200 HIV-Infektionen noch nicht diagnostiziert.

Während moderne antiretrovirale Therapien heute ein weitgehend normales Leben ermöglichen, müssen Menschen mit HIV lebenslang Medikamente einnehmen. In Deutschland können inzwischen die meisten Menschen mit einer HIV-Infektion dank der medizinischen Fortschritte und Versorgung ein selbstbestimmtes Leben führen. Sie sollten auch ein angst- und diskriminierungsfreies Leben führen können. Selbstbewusst, offen und ohne Angst vor Ausgrenzung leben zu können, ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Prävention und Therapie, betont der LSVD.

Ein international anerkannter Wissenschaftler aus Deutschland

Klein ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und zählt seit Jahren zu den weltweit meistzitierten Wissenschaftlern in seinem Fach. Seine Karriere führte ihn von Köln über die renommierte Rockefeller University in New York zurück nach Deutschland, wo er seit 2017 das Institut für Virologie an der Universität zu Köln leitet.

Für seine Arbeiten sei er vielfach ausgezeichnet worden – unter anderem mit dem Georges-Köhler-Preis der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, dem Deutschen AIDS-Preis, dem Heinz Ansmann-Preis für HIV-Forschung sowie zuletzt mit dem Galenus-von-Pergamon-Preis. Die aktuelle Auszeichnung mit dem Hamburger Wissenschaftspreis unterstreicht die internationale Bedeutung seiner Forschung.

Von der Grundlagenforschung zum Patienten

Prof. Dr. Florian Klein erforscht die Entwicklung von Antikörpern und deren gezielten Einsatz gegen Virusinfektionen. Einer seiner Schwerpunkte liegt dabei auf HIV, also dem Humanen Immundefizienz-Virus. Sein besonderes Interesse gilt den sogenannten breit-neutralisierenden monoklonalen Antikörpern, die er für die Prävention und Therapie von Infektionskrankheiten entwickelt.

„Ich mache translationale Forschung", erklärt Klein in einem Interview mit der Akademie der Wissenschaften Hamburg. „Bei der geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse zurück zum Patienten zu bringen." Dieser Ansatz macht seine Arbeit besonders wertvoll: Es geht nicht nur um theoretisches Wissen, sondern um konkrete Therapien, die das Leben von Menschen mit HIV verbessern können.

Hoffnung auf eine neue Ära der HIV-Behandlung

Hamburgs Wissenschaftssenatorin Maryam Blumenthal (Grüne) würdigte Kleins Arbeit als „gesellschaftlich hochrelevantes Forschungsfeld". Klein leiste mit seiner herausragenden Forschung insbesondere zur Antikörper-vermittelten Prävention und Therapie von HIV echte Pionierarbeit. Seine Arbeit zeige beispielhaft, wie Forschungsehrgeiz, Neugier und der Mut, neue Wege zu gehen, wissenschaftliche Durchbrüche ermöglichen und weit über die Grenzen des eigenen Fachgebiets hinauswirken können.

Für die queere Community, die seit Beginn der HIV-Epidemie in den 1980er Jahren besonders betroffen war und ist, könnte Kleins Forschung einen Meilenstein darstellen. Während heute oft eine Tablette am Tag reicht, um HIV im Körper zu unterdrücken und ein langes und gutes Leben zu führen, konzentriert sich die HIV-Forschung heute auf die Weiterentwicklung der HIV-Therapien, die Entwicklung von Impfstoffen und Wege zu einer Heilung. Klein arbeitet an genau diesem Ziel – und bringt es mit seiner Forschung ein entscheidendes Stück näher.

Der Hamburger Wissenschaftspreis wird alle zwei Jahre verliehen und ist mit 150.000 Euro dotiert. Das Preisgeld stammt von der Hamburgischen Stiftung für Wissenschaften, Entwicklung und Kultur Helmut und Hannelore Greve. Mit der Auszeichnung von Florian Klein setzt die Akademie der Wissenschaften ein wichtiges Zeichen für die Bedeutung der HIV-Forschung – nicht nur für die medizinische Wissenschaft, sondern für Millionen von Menschen weltweit, die mit HIV leben oder von einer Infektion bedroht sind.


Brutale Attacke im Görlitzer Park: Sechs Männer schlagen schwulen 33-Jährigen zusammen

Ein Freitagnachmittag im Görlitzer Park, Berlin-Kreuzberg, der eigentlich friedlich hätte sein können. Doch für einen 33-jährigen schwulen Mann endete ein Spaziergang mit leichten Verletzungen am Kopf und Rumpf – das Opfer eines brutalen homofeindlichen Übergriffs. Wie die Polizei Berlin mitteilte, wurde ein 33-jähriger Mann von einer Gruppe von sechs Männern attackiert. Der Vorfall ereignete sich am Freitagnachmittag gegen 15:15 Uhr und zeigt einmal mehr die bedrohliche Realität queerfeindlicher Gewalt in Deutschland.

Der Hergang: Von der harmlos gestellten Frage zur Gewalttat

Nach eigenen Aussagen des Opfers begann der Tag harmlos: Der Mann kaufte in einem Spätkauf ein alkoholisches Getränk und begab sich dann zu einem Spaziergang in den Park. Was als entspannter Nachmittagsausflug gedacht war, verwandelte sich schnell in einen Albtraum. Drei unbekannte Männer sprachen ihn an und fragten nach seiner sexuellen Orientierung. Als der 33-Jährige sich als schwul outete, schlugen die Angreifer unvermittelt zu und brachten ihn zu Boden.

Während das Opfer bereits am Boden lag, schlossen sich drei weitere Männer der Attacke an. Zwei von ihnen schlugen mit einer Bierflasche auf den wehrlosen Mann ein. Erst als eine couragierte Passantin lautstark um Hilfe rief, konnte der Betroffene fliehen. Er erlitt leichte Verletzungen im Kopf- und Rumpfbereich. Die Kriminalpolizei der Direktion 5 (City) hat die Ermittlungen zu der gefährlichen Körperverletzung übernommen.

Görlitzer Park: Ein bekannter Brennpunkt

Der Park im Berliner Stadtteil Kreuzberg gilt als Kriminalitäts-Hotspot, und der angrenzende Wrangelkiez wurde von der Berliner Polizei als kriminalitätsbelasteter Ort (kbO) eingestuft. Der "Görli", wie er von Berliner*innen genannt wird, steht seit Jahren im Fokus der Sicherheitsdebatte. Doch die jüngsten Entwicklungen zeigen: Schon jetzt verlagert sich die Gewalt in die angrenzenden Wohngebiete.

Der aktuelle Vorfall reiht sich in eine erschreckende Serie queerfeindlicher Angriffe ein. Queerfeindliche Gewalt und homophobe Anfeindungen sind dort und in ganz Neukölln auffallend gestiegen. Die politischen Debatten rund um den Park – einschließlich der geplanten nächtlichen Einzäunung – zeigen die Komplexität der sozialen Probleme in dieser Gegend.

Berlin als Vorreiter in der Sichtbarmachung queerfeindlicher Gewalt

Es mag paradox erscheinen, doch die hohe Anzahl gemeldeter LGBTIQ-feindlicher Übergriffe in Berlin ist teilweise ein positives Zeichen. Auffällig ist, dass sich viele der berichteten Fälle in Berlin ereignen. Das hat vor allem damit zu tun, dass in Berlin seit einigen Jahren mutmaßliche queerfeindliche Hintergründe von Straftaten ausdrücklich in den Polizeiberichten genannt werden.

Berlin legt den 3. Monitoringbericht Queerfeindliche Gewalt in Berlin vor und verfügt damit als einziges Bundesland über ein solches Instrument zur Bekämpfung von Hassgewalt gegen LSBTIQ+-Personen. Die Zahl queerfeindlicher Straftaten in Berlin erreichte mit 588 Vorfällen im Jahr 2023 einen neuen Höchststand. Diese Zahlen sind alarmierend, doch sie machen ein Problem sichtbar, das in anderen Bundesländern oft im Dunkeln bleibt.

Die nationale Dimension: Queerfeindliche Gewalt nimmt bundesweit zu

Der Angriff im Görlitzer Park ist kein Einzelfall. Laut den Zahlen von Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium wurden 2024 im Unterthemenfeld "sexuelle Orientierung" 1.765 Straftaten erfasst, was einer Steigerung von etwa 18% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Hierbei wurden 253 Gewaltdelikte und 447 Beleidigungen registriert. Im Unterthemenfeld "geschlechtsbezogene Diversität" wurden 1.152 Fälle gemeldet, davon 128 Gewaltdelikte und 237 Beleidigungen.

Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Ein erschreckendes Zeichen dafür, wie queerfeindliche Einstellungen in der Gesellschaft zunehmen – oder zumindest immer häufiger in Gewalt münden.

Das Dunkelfeld: Die Spitze des Eisbergs

Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass die offiziellen Zahlen nur einen Bruchteil der Realität abbilden. Der Dunkelfeld-Studie „A long way to go for LGBTI equality" der Europäischen Agentur für Grundrechte aus dem Jahr 2020 (EU-LGBTI II) zufolge, zeigten 96 Prozent der LSBTIQ* Hate Speech und 87 Prozent körperliche oder sexuelle Übergriffe nicht an.

Die Gründe: Sie hielten das Vergehen für „zu gering/nicht ernst genug" (33 Prozent) oder hatten Angst vor homo- oder transphoben Reaktionen der Polizei (23 Prozent). Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig vertrauensbildende Maßnahmen und spezialisierte Ansprechpartner*innen sind.

Berlins vorbildliche Strukturen: Ansprechpartner*innen und Spezialabteilungen

Die Berliner Polizei gilt bundesweit als Vorbild im Umgang mit queerfeindlicher Hasskriminalität. Die Ansprechpersonen für LSBTI bei der berliner Polizei wurde 1992 geschaffen und ist ans LKA Berlin angedockt. Die Behörde erhalte den Preis "für Verdienste um ihr Engagement gegen LSBTIQ+-feindliche Diskriminierung und Hassgewalt, die wir vorbildlich für ganz Deutschland halten". Die Polizei hat etwa bereits seit Jahren eigene Ansprechpartner*innen für queere Menschen.

Auch die Berliner Staatsanwaltschaft hat eigene Ansprechpersonen für LSBTI eingerichtet. Zugleich fungieren die Abteilungsleiterin, Frau Oberstaatsanwältin Karl, und Herr Staatsanwalt Oswald als Ansprechpersonen für LSBTI, die sich auf die Verfolgung queerfeindlicher Straftaten spezialisiert haben.

Was muss jetzt passieren?

Der brutale Angriff im Görlitzer Park zeigt: Es braucht mehr als symbolische Gesten. Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre. Die Bundesregierung hat zwar Maßnahmen angekündigt, doch die Umsetzung muss flächendeckend erfolgen.

Prävention, Erfassung und Bekämpfung queerfeindlicher Hasskriminalität muss flächendeckend ausgebaut werden. Ich freue mich, dass immer mehr Polizeien und Bundesländer ihre Arbeit in dem Bereich verstärken, Personal schulen und Ansprechpersonen für queere Menschen benennen. Dies sagte der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, und brachte damit auf den Punkt, was bundesweit notwendig ist.

Für Betroffene von queerfeindlicher Gewalt gibt es in Berlin verschiedene Anlaufstellen. Die Ansprechpersonen der Berliner Polizei für LSBTIQ sind per E-Mail unter lsbti@polizei.berlin.de erreichbar. Zusätzlich bietet das schwule Anti-Gewalt-Projekt Maneo Unterstützung und Beratung für Betroffene.

Der 33-jährige Mann im Görlitzer Park hatte Glück im Unglück – eine aufmerksame Passantin verhinderte möglicherweise Schlimmeres. Doch nicht immer ist Hilfe zur Stelle. Jede*r Einzelne kann durch Zivilcourage und die Bereitschaft, Übergriffe zu melden und anzuzeigen, dazu beitragen, dass queerfeindliche Gewalt nicht zur traurigen Normalität wird.


Umstrittener US-Bericht gegen trans* Versorgung: Wissenschaft oder Ideologie?

Ein kürzlich vom US-Gesundheitsministerium veröffentlichter Bericht gegen geschlechtsbejahende Versorgung für trans* Jugendliche sorgt für heftige Kontroversen – auch in Deutschland. Die Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit (dgti) warnt vor den Hintergründen und Netzwerken hinter diesem Dokument, das wissenschaftliche Objektivität beansprucht, aber von einer umstrittenen Organisation stammt.

SEGM: Eine Organisation mit zweifelhaftem Ruf

Das US-Gesundheitsministerium beauftragte die umfassendste Studie zu geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen, deren Autor*innen aus verschiedenen Disziplinen stammen – darunter Evgenia Abbruzzese von der Society for Evidence-Based Gender Medicine (SEGM). Doch wer ist SEGM wirklich?

SEGM ist eine Non-Profit-Organisation, die bekannt dafür ist, sich gegen geschlechtsbejahende Versorgung für trans* Jugendliche zu positionieren und in politischem Lobbying aktiv zu sein. Die Organisation ist für die Verbreitung von Fehlinformationen über Trans*-Gesundheitsversorgung bekannt. Forscher*innen der Yale School of Medicine bezeichneten SEGM als kleine Gruppe von Anti-Trans-Aktivist*innen und nicht als "anerkannte wissenschaftliche Organisation".

Besonders besorgniserregend: Das renommierte Southern Poverty Law Center (SPLC) stuft SEGM als Anti-LGBTQIA+-Hassgruppierung ein. Laut SPLC verbreitet SEGM wissenschaftlich nicht haltbare Behauptungen und trägt zur politischen Mobilisierung gegen die Rechte von trans*geschlechtlichen Menschen bei.

Die SEGM-Konferenz in Berlin: Ein Weckruf für Deutschland

Im September 2025 fand in Berlin eine SEGM-Konferenz statt, die in Deutschland für Aufregung sorgte. Die Konferenz "Youth Gender Distress: Etiologies, Ethics, Evidence, and Psychotherapy" klang auf den ersten Blick wie ein medizinischer Fachkongress. Bei genauerem Hinschauen wurde jedoch erkennbar: Hinter dem scheinbar neutralen Titel verbarg sich eine Plattform für trans*feindliche Positionen und pseudowissenschaftliche Argumentationen.

Mari Günther, Fachreferentin des Bundesverbands Trans* (BVT*), warnte: "Diese Konferenz ist keine Plattform für offene Debatte. Sie ist ein Versuch, die öffentliche Meinung zu kippen – auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen, die bereits jetzt mit Diskriminierung, Ausgrenzung und psychischer Belastung kämpfen. Studien belegen: Zugang zu geschlechtsaffirmativer Medizin kann Leben retten".

Besonders problematisch: Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, hielt eine Rede zur Eröffnung des Programms, was der Veranstaltung eine fatale Legitimation verlieh.

Der deutsche Kontext: Zwischen Fortschritt und Rückschritt

In Deutschland ist die Situation ambivalent. Einerseits wurde 2024 das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet, das trans* und nicht-binären Menschen mehr Rechte einräumt. Andererseits warnen Expert*innen vor einer ähnlichen Entwicklung wie in den USA.

Zahlen der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) verdeutlichen das Ausmaß der Belastung: Mehr als die Hälfte der befragten trans* Jugendlichen in Deutschland hatte im vorangehenden Jahr Suizidgedanken – bei trans* Männern im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sogar mehr als 80 Prozent. Mindestens jede vierte jugendliche trans* Person hat demnach bereits versucht, sich das Leben zu nehmen.

Rechercheprojekte wie Fundiwatch zeigten sich besorgt angesichts der Verbindungen zwischen SEGMs Bestrebungen und anderen Vorstößen gegen die Gesundheitsversorgung junger trans* Menschen in Deutschland, etwa auf dem 128. Deutschen Ärztetag. Diese Ereignisse seien Hinweise darauf, dass sich gezielte Vorhaben ähnlich dem britischen Verschreibungsverbot für Pubertätsblocker in der Vorbereitung befinden.

Was sagt die etablierte Medizin?

Im Gegensatz zu SEGM stehen die etablierten medizinischen Fachgesellschaften klar hinter geschlechtsbejahender Versorgung. Führende medizinische Organisationen, darunter die American Medical Association und die Weltgesundheitsorganisation, erkennen die geschlechtsangleichende Versorgung als medizinisch notwendig an.

Die World Professional Association for Transgender Health (WPATH) ist eine internationale, multidisziplinäre Fachvereinigung, deren Mission es ist, evidenzbasierte Versorgung, Bildung, Forschung und politische Maßnahmen im Bereich trans* Gesundheit zu fördern. Eine der Hauptfunktionen von WPATH ist die Förderung höchster Versorgungsstandards für trans* und geschlechtsdiverse Menschen durch die Standards of Care (SOC).

In Deutschland arbeiten Organisationen wie der Bundesverband Trans* und die dgti an medizinischen Leitlinien und setzen sich für eine respektvolle, evidenzbasierte Gesundheitsversorgung ein.

Die Gefahr für trans* Jugendliche in den USA

Die Entwicklungen in den USA zeigen, wohin eine Politik führen kann, die wissenschaftliche Erkenntnisse zugunsten ideologischer Positionen ignoriert. Die US-Gesundheitsbehörden schlugen vor, geschlechtsangleichende Behandlungen von der Liste der wesentlichen Gesundheitsleistungen zu streichen. Damit wären Versicherungen nicht mehr verpflichtet, sie zu übernehmen, was den Zugang zu medizinisch notwendigen Behandlungen für trans* Personen einschränken könnte.

Ein Bericht von Human Rights Watch dokumentiert die verheerenden Folgen von Verboten geschlechtsbejahender Versorgung für trans* Jugendliche, darunter zunehmende Angstzustände, Depressionen und in sieben gemeldeten Fällen sogar Suizidversuche. Diese Gesetze tragen zu einem zunehmend aggressiven, transfeindlichen Klima bei und zwingen die betroffenen Jugendlichen, ihre Identität zu verbergen und sich sozial zurückzuziehen.

Ein Aufruf zur Wachsamkeit

Die Verquickung von SEGM mit dem US-Gesundheitsministerium und die Berliner Konferenz zeigen: Die Debatte um trans* Gesundheitsversorgung ist hochpolitisiert. Expert*innen warnen: "Das ist keine Wissenschaft – das ist falsch und verantwortungslos. Hier sollen gezielt Zweifel an geschlechtlicher Selbstbestimmung und wissenschaftlich basierter medizinischer Versorgung geschürt werden".

Für Deutschland gilt es, wachsam zu bleiben und die hart erkämpften Fortschritte in der trans* Gesundheitsversorgung zu verteidigen. Die Geschichten von trans* Jugendlichen und ihren Familien – sowohl in den USA als auch hier – erinnern uns daran, dass hinter jeder politischen Entscheidung echte Menschen stehen, deren Gesundheit und Wohlbefinden auf dem Spiel stehen.

Weitere Informationen und Unterstützung bieten die dgti unter dgti.org sowie der Bundesverband Trans* unter bundesverband-trans.de.


Slowakei unter Brüssels Lupe: EU-Kommission leitet Verfahren nach queerfeindlicher Verfassungsänderung ein

Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakei eingeleitet, weil das Land mit seiner queerfeindlichen Verfassungsänderung gegen den Grundsatz verstößt, dass EU-Recht Vorrang vor nationalem Recht hat. Wie die Behörde am 21. November 2024 in Brüssel mitteilte, hat Bratislava nun zwei Monate Zeit, auf die Aufforderung der EU-Kommission zu reagieren. Die seit dem 1. November geltende Verfassungsänderung war Teil einer Maßnahme zur Einschränkung der Rechte von queeren Menschen in dem osteuropäischen Land. Quelle: queer.de

Ein gefährlicher Präzedenzfall für die Europäische Union

Der Fall wiegt schwer: Die Slowakei hat festgeschrieben, dass die „Souveränität" der Slowakei in „kulturellen und ethischen Fragen" Vorrang vor EU-Recht haben soll. Die EU-Kommission stellte klar, dass nationale Zuständigkeiten nicht die Pflicht aufheben, die grundlegenden Prinzipien des EU-Rechts einzuhalten. Nach Angaben der Berliner Zeitung hatte die Kommission die slowakischen Behörden bereits vor der Verfassungsänderung auf die Problematik hingewiesen.

Das Prinzip des Vorrangs des Unionsrechts ist ein Grundpfeiler der europäischen Rechtsordnung. Der Grundsatz garantiert, dass das EU-Recht die Menschen in der gesamten EU einheitlich schützt. Wenn Mitgliedstaaten diesen Grundsatz in Frage stellen, untergraben sie die Funktionsfähigkeit der gesamten Union. Bleibt die Antwort der Slowakei unzureichend oder verweigert Bratislava Änderungen, kann die Kommission den Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bringen.

Was die Verfassungsänderung für queere Menschen bedeutet

Die konkreten Auswirkungen der slowakischen Verfassungsreform sind verheerend. Die Slowakei erkennt jetzt nur zwei Geschlechter – männlich und weiblich – an, die „von Geburt an" biologisch gegeben seien. Geschlechtsanpassungen bei trans Menschen werden dadurch erheblich erschwert, während die Anerkennung nichtbinärer Menschen komplett verboten wird.

Zusätzlich wurde festgelegt, dass nur noch verheiratete Paare Kinder adoptieren dürfen, was gleichgeschlechtliche Paare faktisch ausschließt, da es in dem Land keine Ehe für alle gibt. Die Ehe in der Slowakei ist ausschließlich zwischen einem Mann und einer Frau möglich – eine Regelung, die bereits 2014 während Ficos früherer Amtszeit festgelegt wurde.

Fico auf Konfrontationskurs mit Brüssel

Ministerpräsident Robert Fico, ein Unterstützer von US-Präsident Donald Trump, verteidigte die Verfassungsänderung vehement und verkündete: „Ich kann zu hundert Prozent zusagen, dass es keine Änderung geben wird". Bereits im November hatte er die Kritik aus Brüssel mit den Worten zurückgewiesen, die Slowakei freue sich auf den Konflikt. Er könne sich nicht vorstellen, dass irgendeine internationale Organisation befehlen dürfe, wie viele Geschlechter es gebe oder wer heiraten dürfe.

Ficos Kurs ist Teil einer größeren Entwicklung: Nach den Parlamentswahlen im September 2023 bildet seine rechtspopulistische Partei SMER-SD eine Koalition mit der Parteiabspaltung HLAS-SD und der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei (SNS), die sich durch eine beispiellose Geschwindigkeit und Radikalität der Reformen auszeichnet. Die Friedrich-Naumann-Stiftung warnt, dass liberale und progressive Werte zunehmend als Bedrohung für die slowakische Nation dargestellt werden, oft im Zusammenhang mit den Rechten von Minderheiten wie der LGBTQIA+-Gemeinschaft.

Deutschlands Weg als Kontrast zur Slowakei

Während die Slowakei queere Menschen rechtlich unsichtbar macht, geht Deutschland einen anderen Weg. Im April 2024 verabschiedete der Bundestag ein wegweisendes Gesetz, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren anzupassen. Das Selbstbestimmungsgesetz trat im August 2024 in Kraft.

Das neue deutsche Gesetz macht deutlich, wie unterschiedlich die Entwicklungen in Europa verlaufen. Das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das veraltete Transsexuellengesetz von 1980, das von Trans*Personen zwei „Experten"-Gutachten verlangte. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor bereits andere drakonische Aspekte des Gesetzes gekippt, darunter operative Eingriffe, die zur Anerkennung des Geschlechts erforderlich waren. Deutschland folgt damit Ländern wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay, die bereits einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts eingeführt haben.

Ein Muster, das an Ungarn und Polen erinnert

Die Entwicklung in der Slowakei ist kein Einzelfall in Osteuropa. Die queere Organisation Iniciatíva Inakosť kritisierte, dass es ähnliche Gesetze bislang nur in Russland und Ungarn gebe. Die EU hat in der Vergangenheit Mitgliedsstaaten wie Ungarn oder Polen wegen Einschränkungen der Rechte von LGBTQ+-Personen unter Druck gesetzt – durch Vertragsverletzungsverfahren oder das Einfrieren von Fördergeldern.

In Ungarn hatte die Regierung 2020 ein Verbot von gleichgeschlechtlicher Adoption beschlossen und die Anerkennung von Trans-Personen abgeschafft. 2021 folgte ein Gesetz, das den Zugang von Minderjährigen zu Medien beschränkt, die der „Förderung oder Darstellung der Abweichung von der Geschlechtsidentität" dienen. Im Juli 2021 leitete die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und Polen ein.

Was nun auf die Slowakei zukommt

Das nun eingeleitete Verfahren ist ein mehrstufiger Prozess. Die Kommission richtet ein Mahnschreiben an den jeweiligen Mitgliedstaat und fordert ihn zur Stellungnahme auf. Der Mitgliedstaat muss innerhalb einer festgelegten Frist antworten. Sollte die Slowakei ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, drohen letztlich finanzielle Sanktionen durch den Europäischen Gerichtshof.

Für queere Menschen in der Slowakei bedeutet die Verfassungsänderung eine dramatische Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Sie werden nicht nur rechtlich unsichtbar gemacht, sondern auch von grundlegenden Rechten wie der Familiengründung ausgeschlossen. Die EU-Kommission sendet mit ihrem Vorgehen ein klares Signal: Die Grundwerte der Union – Gleichheit, Würde und Menschenrechte – sind nicht verhandelbar, auch nicht unter dem Deckmantel der „nationalen Souveränität".

Der Fall Slowakei wird zum Prüfstein dafür, wie entschlossen die Europäische Union ihre eigenen Werte verteidigt. In einer Zeit, in der rechtspopulistische Bewegungen in mehreren Mitgliedstaaten auf dem Vormarsch sind, ist dies keine Frage mehr nur der LGBTQIA+-Rechte, sondern des Zusammenhalts und der Glaubwürdigkeit der gesamten Europäischen Union.


Überraschende Wende: Linken-Politiker Ramelow verteidigt Klöckners Regenbogenfahnen-Verbot

Die Debatte um die Regenbogenfahne am Reichstagsgebäude hat eine überraschende Wendung genommen: Bodo Ramelow, ehemaliger Ministerpräsident von Thüringen und seit März 2025 Vizepräsident des Deutschen Bundestags, stellt sich hinter die umstrittenen Entscheidungen von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU). Im Interview mit der Tageszeitung "Freies Wort" erklärte der prominente Linken-Politiker: "Ich stehe hinter den Entscheidungen von Julia Klöckner."

Kontroverse Entscheidung spaltet die Politik

Klöckner hatte entschieden, dass die Regenbogenfahne am Internationalen Tag gegen Homophobie am 17. Mai, nicht aber am Christopher Street Day in Berlin auf dem Reichstagsgebäude gehisst werden soll. Die Regenbogenflagge wurde erstmals 2022 unter Klöckners Vorgängerin Bärbel Bas (SPD) zum Berliner CSD auf dem Reichstagsgebäude gehisst. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge nannte Klöckners Entscheidung "ein fatales Signal".

Klöckner verteidigt ihre Entscheidung mit der "notwendigen politischen Neutralität der Verwaltung". Zusätzlich verbot sie dem queeren Netzwerk der Bundestagsverwaltung die offizielle Teilnahme am CSD – eine Maßnahme, die im Sommer für heftige Kritik sorgte. Aus Protest erschienen Abgeordnete von Grünen und Linken am 27. Juni in Regenbogenkleidung im Plenarsaal und setzten sich so hin, dass die Farben einer Regenbogenflagge glichen.

Ramelows überraschende Rechtfertigung

Der 69-jährige Bundestagsvizepräsident begründet seine Unterstützung mit pragmatischen Überlegungen: "Der Bundestag könne nicht bei jeder Großdemonstration in Berlin Fahnen der demonstrierenden Gruppierungen hissen, schließlich findet hier fast jede Woche eine Großdemonstration statt", zitiert ihn das "Freie Wort". Klöckner habe ihn gefragt, ob man dann künftig bei jeder Pro-Palästina-Demo die palästinensische Fahne hissen sollte – was er nur verneinen konnte.

Ramelow betont, er habe seine Position bereits im Sommer geäußert, sei von den Medien jedoch nur mit der Aussage zitiert worden, dass er in Erfurt alljährlich die Regenbogenfahne hissen ließ. "Doch sie ändert nichts daran, dass ich die Regelung, die Julia Klöckner getroffen hat, akzeptiere", so der Linken-Politiker.

Symboldebatte als Antwort auf Eskalation

Im Interview spricht Ramelow von einem "Überbietungswettbewerb der Provokationen durch Symbole im Parlament". Bei den Regeln gehe es "nicht um Kleinkariertheit, sondern darum, dass im Parlament wieder der Austausch von Argumenten im Vordergrund stehen soll und nicht der Kampf um immer extremere Symbole", erklärt er. Das Präsidium habe sich darauf verständigt, keine sichtbaren Pins oder Symbole zu tragen, "damit die Neutralität gewahrt bleibt".

Als Beispiel nennt Ramelow: "Wenn wir der einen Fraktion das Tragen der Farben der Reichsflagge verbieten, dann müssen wir anderen Abgeordneten auch das Tragen der Palästina-Flagge auf T-Shirts oder als Anstecker verbieten." Ausnahmen habe man für die rote Schleife der Aids-Hilfe und die gelbe Schleife für die Opfer des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober gemacht.

Kritik aus der queeren Community bleibt bestehen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte: "In Zeiten rasant steigender Hasskriminalität gegen queere Menschen braucht es mehr Solidarität und öffentliche Sichtbarkeit. Denn wo die Persönlichkeitsrechte Einzelner angegriffen werden, sind die Grundrechte Aller in Gefahr." Politiker*innen von SPD, Grünen und Linken sowie queere Organisationen hatten in ihrer Kritik unter anderem auf die zunehmenden Übergriffe von Rechtsextremen auf Pride-Demonstrationen verwiesen.

Eine Petition gegen das Verbot der Regenbogenfahne sammelte mehr als 237.000 Unterschriften. Eine klare Mehrheit von 73 Prozent der Deutschen spricht sich gegen die Diskriminierung der LGBTQIA+-Community und für gleiche Rechte aus, wobei vor allem bei jungen Männern queerfeindliche Ansichten zunehmen.

Historischer Kontext der Beflaggung

Bärbel Bas hatte mit dem Hissen der Regenbogenflagge 2022 ein Zeichen der Solidarität mit Menschen gesetzt, die aufgrund ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden. Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums, erklärte: "Die Regenbogenflagge repräsentiert das Streben nach Vielfalt, Respekt und Toleranz in der deutschen Gesellschaft. Daher ist sie für uns als materielles Gedächtnis deutscher Geschichte ein wichtiges Objekt."

Ramelows Position als prominenter Linken-Politiker macht deutlich, dass die Debatte über Symbole und Neutralität im Bundestag nicht entlang klassischer politischer Lager verläuft. Der seit März 2025 amtierende Bundestagsvizepräsident setzt mit seiner Unterstützung für Klöckner ein Zeichen, das viele in der queeren Community und seiner eigenen Partei überraschen dürfte – gerade in Zeiten, in denen die Anzahl der polizeilich erfassten Straftaten gegen die sexuelle Orientierung in Deutschland 2024 mit 1.765 Fällen einen traurigen Höhepunkt erreichte.


Wenn die Vergangenheit anklopft: Cold-Case-Erfolg nach 43 Jahren

Fast 43 Jahre mussten vergehen, bis die Polizei Hamburg einen Durchbruch in einem Mordfall erzielen konnte, der die queere Community erschüttert: Die Polizei Hamburg hat am Mittwoch in Finkenwerder einen 61-jährigen Mann verhaftet, der im Verdacht steht, im Januar 1983 einen Mord in Hammerbrook begangen zu haben. Das Opfer war ein 41-jähriger Sexarbeiter, der in seinem Wohnwagen erschossen wurde. Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie moderne DNA-Technologie selbst Jahrzehnte alte Verbrechen aufklären kann – und wirft gleichzeitig ein Licht auf die anhaltende Vulnerabilität queerer Menschen und Sexarbeitender.

Der älteste Cold Case der Hamburger Polizei

Eine DNA-Spur führte schließlich zur Identifizierung des Tatverdächtigen. Nach Angaben der Polizei handelt es sich um den "mutmaßlich bisher ältesten Fall", bei dem die Cold Case Unit der Polizei Hamburg einen Fahndungserfolg erzielt hat. Der heute 61-Jährige war zur Tatzeit gerade einmal 19 Jahre alt.

Der Durchbruch kam durch die erneute Untersuchung der damals gesicherten Spuren mit moderner Kriminaltechnik. Da Mord oder andere schwere Straftaten in zahlreichen Ländern nicht oder erst nach mehreren Jahrzehnten verjähren und sich die Kriminaltechnik ständig weiterentwickelt, beispielsweise die DNA-Analyse, sowie aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse hinsichtlich Tatort- oder Täterverhaltensanalyse (Operative Fallanalyse), können ungeklärte Mordfälle mitunter auch nach Jahrzehnten noch aufgeklärt und die Täter verurteilt werden.

460 Cold Cases warten auf Aufklärung

Die Dimension ungelöster Verbrechen in Hamburg ist beachtlich: 18 der Altfälle werden zurzeit bearbeitet, wie der Senat auf eine Anfrage der AfD-Bürgerschaftsfraktion mitteilte. Zu den übrigen 443 Fällen liegen aktuell keine Ermittlungsansätze vor. Es handele sich ausschließlich um vollendete oder versuchte Tötungsdelikte sowie Vermisstenfälle, bei denen die Polizei von einem Tötungsdelikt ausgehe.

Die ersten Einheiten wurden in den Jahren 2015 und 2016 gegründet, manchmal auch als „Soko Altfälle" bezeichnet, etwa in Schleswig-Holstein, Thüringen und Hamburg. Diese spezialisierten Teams können sich im Gegensatz zu regulären Mordkommissionen ausschließlich auf alte Fälle konzentrieren, ohne durch aktuelle Taten abgelenkt zu werden.

Ein zweiter Fall mit tragischem Ausgang

Der aktuelle Erfolg erinnert an einen anderen Hamburger Cold Case mit queerer Dimension: Im Oktober 2023 wurde ein Mann in Großbritannien festgenommen – über 32 Jahre nach dem gewaltsamen Tod eines schwulen Blumenhändlers in Hamburg-Horn. Mit Flasche geschlagen, gefesselt und erdrosselt: 1992 starb ein 60-Jähriger Blumenhändler in Hamburg durch enorme Gewaltanwendung.

Der Fall nahm jedoch eine bittere Wendung: Im vergangenen Jahr wurde der angeklagte Rumäne, ein ehemaliger Sexarbeiter, vom Landgericht Hamburg freigesprochen. Zwar war das Gericht überzeugt, dass der Mann den Blumenhändler getötet hatte – allerdings ließen sich die für eine Mordverurteilung nötigen Tatmerkmale nicht mehr nachweisen. Im Gegensatz zu Mord verjährt Totschlag nach 20 oder in besonderen Fällen nach 30 Jahren.

Gewalt gegen queere Menschen und Sexarbeitende

Die beiden Fälle werfen ein grelles Licht auf eine bedrückende Realität: 2024 Insgesamt verzeichnete die Polizei in Hamburg 149 Straftaten in den Bereichen „Geschlechtsbezogene Diversität" und „Sexuelle Orientierung". In 38 Fällen waren diese Straftaten mit Gewalt verbunden. Besonders alarmierend: In Hamburg gibt es einen Anstieg von 75 Prozent, zeigen neuen Zahlen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 75 Prozent.

Sexarbeitende, besonders wenn sie der LGBTQ+ Community angehören, befinden sich in einer doppelt prekären Situation. Später übersteht sie die Aids-Krise, den Koks-Konsum in der Szene, die wachsende Gewalt, einen Zusammenbruch mit Depressionen. Diese Beschreibung aus einer ZDF-Dokumentation über eine Hamburger Domina illustriert die vielfältigen Gefahren, denen Menschen in diesem Milieu ausgesetzt sind.

Die Bedeutung der DNA-Revolution

Der aktuelle Ermittlungserfolg verdeutlicht die transformative Kraft moderner Forensik. Mit ganz neuen Forschungsmethoden gehen die Ermittler an die Fälle ran – so werden etwa Klebestreifen, an denen winzige Kleidungspartikel des Täters haften könnten, Stück für Stück unter ein Mikroskop gelegt, um die DNA des Täters aufzuspüren. Diese technologischen Fortschritte geben Opfern und ihren Angehörigen neue Hoffnung auf späte Gerechtigkeit.

Für die queere Community hat dieser Fall eine besondere Bedeutung: Er zeigt, dass selbst Jahrzehnte später nicht vergessen wird. Dass das Leben eines Sexarbeiters genauso zählt wie jedes andere. Und dass moderne Ermittlungsmethoden dazu beitragen können, Verbrechen aufzuklären, die in einer Zeit begangen wurden, als queere Menschen und Sexarbeitende noch stärker marginalisiert waren als heute.

Der verhaftete Tatverdächtige sitzt nun in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen dauern an. Nach fast 43 Jahren könnte der Fall endlich eine juristische Klärung finden – ein kleiner Trost für alle, die damals um das Opfer trauerten.


Staatsanwaltschaft ermittelt gegen spanischen Bischof wegen Äußerungen zu "Homo-Heilung"

Die Staatsanwaltschaft Madrid hat Ermittlungen gegen den katholischen Bischof von Orihuela-Alicante, José Ignacio Munilla, aufgenommen. Hintergrund ist eine Anzeige, die dem Geistlichen Hass- und Diskriminierungsdelikte gegenüber der LGBTQ+-Community vorwirft. Der Bischof steht unter Verdacht, in öffentlichen Äußerungen die in Spanien seit 2023 verbotenen Konversionstherapien verteidigt zu haben, wie die katholische Zeitung "Die Tagespost" und queer.de berichten.

Der Vorwurf: Verteidigung verbotener "Therapien"

Die Bürgerplattform "Tu pueblo y el mío" hat Munilla vorgeworfen, in einer Radiosendung im Mai 2025 die Konversionstherapien verteidigt zu haben, indem er von der "Begleitung" homosexueller Menschen zu einem Leben in Keuschheit sprach. Nach Artikel 510 des spanischen Strafgesetzbuches drohen für die öffentliche Förderung von Hass oder Diskriminierung gegen Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Haftstrafen von einem bis vier Jahren.

Die Staatsanwaltschaft verweist in ihrer Begründung auch auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Meinungsfreiheit keine Äußerungen schützt, die Verachtung oder Erniedrigung gegenüber historisch diskriminierten Gruppen bedeuten. Internationale Berichte der Vereinten Nationen betrachten Konversionstherapien als Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.

Bischof weist Vorwürfe zurück

Munilla bestreitet die Anschuldigungen vehement und bezeichnet die Anzeige als Versuch, "die Kirche einzuschüchtern", damit sie die christliche Botschaft nicht mehr frei verkünde. Er behauptet, noch keine offizielle Mitteilung von der Staatsanwaltschaft erhalten zu haben, was seiner Meinung nach zeige, dass es mehr um mediales als um juristisches Interesse gehe.

Der Bischof findet es "ironisch", dass die Freiheit zum Geschlechtswechsel verteidigt werde, homosexuellen Menschen aber eine freiwillige "therapeutische Entscheidung" vorenthalten werde. Er betont, die Kirche werde weiterhin Menschen mit homosexuellen Neigungen spirituelle Hilfe anbieten, um in Keuschheit zu leben.

Auch in Deutschland: Konversionstherapien seit 2020 verboten

Der spanische Fall wirft auch ein Schlaglicht auf die deutsche Rechtslage. In Deutschland sind Konversionstherapien bei allen Minderjährigen bis 18 Jahre seit 2020 verboten. Verstöße können mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr oder hohen Bußgeldern geahndet werden. Das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen verbietet medizinische und andere Interventionen, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität einer Person zu verändern oder zu unterdrücken – ebenso wie die Werbung dafür.

Die Weltgesundheitsorganisation hat klargestellt, dass Homosexualität keine Krankheit ist. Der Weltärztebund verurteilte 2013 Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzung und als mit der ärztlichen Ethik unvereinbar. Wissenschaftlich nachgewiesen sind schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche "Therapien", darunter Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko.

Katholische Kirche in Deutschland: Ein anderer Weg

Während der spanische Bischof Konversionstherapien verteidigt, zeigt sich die katholische Kirche in Deutschland offener. Bei der Synodalversammlung des "Synodalen Wegs" forderte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße 2020 neue Wege zur Beurteilung von Homosexualität. Im September 2022 wurde der Handlungstext "Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität" mit 92 Prozent der Delegierten und 83 Prozent der Bischöfe angenommen. Die Synodalversammlung beschloss, dass Segensfeiern für homosexuelle Paare ermöglicht werden sollen.

Die ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche begrüßte das deutsche Verbot von Konversionstherapien als wichtiges Signal. Kritiker weisen allerdings darauf hin, dass die katholische Kirche mit ihrer Lehre, homosexuelles Empfinden sei nicht sündhaft, das Ausleben dieser Gefühle aber schon, Menschen ein schlechtes Gewissen macht und mitverantwortlich dafür ist, dass manche solche "Therapien" in Betracht ziehen.

Ein wichtiges Signal gegen Diskriminierung

Die Ermittlungen in Spanien zeigen, wie wichtig gesetzliche Verbote von Konversionstherapien sind – und dass deren Durchsetzung ständige Wachsamkeit erfordert. Die Plattform "Tu pueblo y el mío" betont, dass sich die Anzeige nicht gegen die Kirche oder den Glauben richte, sondern gegen konkrete Äußerungen, die die Staatsanwaltschaft als ausreichend schwerwiegend erachtet habe, um Ermittlungen zu eröffnen.

Während in Deutschland das rechtliche Fundament für den Schutz von LGBTQ+-Personen vor schädlichen "Umpolungsversuchen" gelegt ist, zeigt der Fall aus Spanien, dass religiöse Akteure weltweit versuchen, diese Praktiken unter dem Deckmantel der "seelsorglichen Begleitung" fortzusetzen. Die Wissenschaft ist eindeutig: Homosexualität ist keine Krankheit und bedarf keiner Therapie – im Gegenteil, solche Versuche verursachen schweres Leid.


Rechtsextreme Anti-CSD-Mobilisierung: Eine wachsende Bedrohung für queere Menschen in Deutschland

Eine neue Studie des gemeinnützigen "Center für Monitoring, Analyse und Strategie" (Cemas) schlägt Alarm: Jede fünfte CSD-Veranstaltung in Deutschland war 2025 von rechten Gegenversammlungen und Störaktionen betroffen. Die am Freitag veröffentlichte Untersuchung mit dem Titel "Keine Entwarnung: Rechtsextreme Anti-CSD-Aufmärsche zwischen Fragmentierung und Kontinuität" zeichnet ein beunruhigendes Bild einer sich professionalisierenden rechtsextremen Bewegung, die gezielt queere Sichtbarkeit angreift.

Mehr Aufmärsche, aber kleinere Teilnehmerzahlen

In diesem Jahr wurden 47 rechtsextreme Anti-CSD-Aufmärsche gezählt, im vergangenen Jahr waren es 33. Gleichzeitig sank die durchschnittliche Zahl der Teilnehmer von 134 im vergangenen Jahr auf 62. Diese Fragmentierung bedeutet jedoch keine Entwarnung: Die meisten Demonstrationen gab es in Sachsen (11), gefolgt von Thüringen (6), mit den meisten Teilnehmenden in Bautzen (450), Magdeburg und Grevesmühlen (jeweils 350).

Von den bundesweit insgesamt 237 CSD- und Pride-Veranstaltungen zwischen 26. April und 25. Oktober wurde damit ein erschreckend hoher Anteil zur Zielscheibe rechtsextremer Mobilisierung. Die Studie basiert auf der Auswertung von Angriffen auf Pride-Veranstaltungen, Medienberichten und Internetaktivitäten.

Junge Neonazis als treibende Kraft

Besonders zentral für die Anti-CSD-Mobilisierung seien die aktionsorientierten, rechtsextremen Jugendgruppen "Junge Nationalisten" und "Deutsche Jugend Voran". Diese Gruppen, die Cemas als Teil einer neu entstehenden Subkultur größtenteils jugendlicher und gewaltorientierter Rechtsextremer einordnet, nutzen systematisch soziale Medien zur Rekrutierung.

Vernetzung und Mobilisierung erfolgte vor allem auf Instagram und TikTok. Laut CeMAS sind die hauptsächlichen Kommunikationsmittel der neuen rechten Jugendbewegungen öffentliche Social-Media-Plattformen wie Instagram, WhatsApp und TikTok. Die Jungen Nationalisten, Jugendorganisation der rechtsextremen Partei "Die Heimat" (vormals NPD), haben deutlich stärker als im Vorjahr versucht, von der Stimmungsmache gegen queere Menschen zu profitieren.

Ostdeutschland im Fokus der Gewalt

Die größten rechtsextremen Mobilisierungen fanden ausnahmslos in Ostdeutschland statt. In Bautzen beispielsweise nahmen nach Polizeiangaben 500 Neonazis an dem Aufmarsch teil – weniger als im Vorjahr, doch nicht weniger gewaltbereit. In Grevesmühlen mobilisierte der bekannte Rechtsextremist Sven Krüger unter dem Motto "Für Familie, Heimat & Tradition – statt CSD, Pädophilie und Perversion!" rund 350 Gleichgesinnte.

In Bautzen demonstrierten 700 Rechtsextreme gegen 1.000 CSD-Teilnehmende, in Görlitz waren es 460 Rechtsextreme gegen 700 CSD-Besucher:innen. Die Rechtsextremen versuchten durch ihre zahlenmäßige Präsenz systematisch, das Ausmaß ihrer Mobilisierung als Mittel zur Einschüchterung der CSD-Teilnehmenden zu nutzen.

Der "Stolzmonat": AfD als Stichwortgeber

Die rechtsextremen Proteste sind keine isolierte Erscheinung. Als strategisches Gegennarrativ etablierte sich der sogenannte "Stolzmonat" als Reaktion auf den Pride Month. Die AfD und ihre Anhänger fluten seit 2023 die sozialen Netzwerke mit Bildern, in denen ein schwarz-rot-goldener "Stolzmonat" propagiert wird, wobei die Deutschlandfahne meist in sieben Farben gezeigt wird, um die Regenbogenflagge zu imitieren.

Hinter der Kampagne steckt ein metapolitischer Social Media-Kaperungsversuch, welcher den Pride Monat gezielt untergraben möchte, um dadurch queere Menschen zu verhöhnen und weiter zu marginalisieren. Die Kampagne wird von der AfD systematisch beworben und zeigt laut Cemas-Bericht, wie Rechtsextreme "stets an bestehende gesellschaftliche Ressentiments anzuknüpfen" versuchen.

Strategische Bedrohung für demokratische Werte

"Hinter der scheinbar spontanen Jugendprotestkultur verbergen sich zunehmend strategische Bestrebungen etablierter rechtsextremer Strukturen", sagte Joe Düker, der sich bei Cemas mit Rechtsextremismus befasst. "Ihr Ziel ist es, queere Sichtbarkeit anzugreifen und demokratische Grundwerte zu untergraben".

Die Studie betont, dass die queerfeindlichen Proteste "als strategischer Versuch verstanden werden können, die breite Gesellschaft empfänglicher für rechtsextremes Gedankengut zu machen". Das selbstbewusste Auftreten der neuen rechtsextremen Jugendbewegungen führen die Forschenden auf die allgemein steigende Zahl an Hassverbrechen gegen LSBTIQ*-Personen zurück, wobei die Gruppen von einer größeren gesellschaftlichen Unterstützung ausgehen.

Was muss jetzt passieren?

Die Autor*innen der Studie empfehlen konkrete Maßnahmen: Der politische Druck auf Social-Media-Plattformen sollte erhöht werden, um rechtsextreme Mobilisierung zu unterbinden. Alle rechtlichen Maßnahmen zur Bekämpfung neonazistischer Gruppen müssen geprüft werden. Zudem sollten präventive Ansätze wie Deradikalisierungsprogramme und die Stärkung demokratischer Bildung priorisiert werden.

Das Fazit der Studie ist eindeutig: "Queerfeindlichkeit sollte durch ein breites Bündnis von Demokrat:innen konsequent entgegengetreten werden." Denn die Zahl queerfeindlicher Straftaten steigt seit Jahren an – von etwa 1.785 Fällen im Jahr 2023 auf 2.917 Fälle im Jahr 2024. Die Bedrohung ist real, koordiniert und verlangt nach einer entschlossenen demokratischen Antwort.

Für 2025 ist bereits jetzt absehbar: Solche Angriffe müssen wir auch im nächsten Jahr wieder erwarten – nicht nur in Ostdeutschland. Die queere Community braucht mehr denn je Solidarität und Schutz – nicht nur während der Pride-Saison, sondern das ganze Jahr über.


Berliner AfD demonstriert gegen Dragqueens: Zwischen Kinderrechten und politischem Kulturkampf

Am kommenden Sonntag will die Berliner AfD vor dem Humboldt-Forum gegen eine Bilderbuchlesung durch die Dragqueens Vivienne Lovecraft und Kaey demonstrieren. Die Veranstaltung findet anlässlich des UN-Kinderrechte-Tags am 20. November statt, dem Tag, an dem vor 35 Jahren die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet wurde. Auch eine Gegendemo unter dem Titel "Berlin steht gegen die AfD – 100 Drag Queens für ein buntes Berlin!" wurde angemeldet.

Zwischen Bilderbüchern und Falschinformationen

Bei der Drag Story Hour stehen die Bilderbücher "Teddy Tilly" der australischen Autorin Jessica Walton sowie "Wählt Wolf!" des Italieners David Cali auf dem Programm. "Teddy Tilly" handelt von einem Stoffbär, der nicht mehr Thomas sondern Tilly heißen möchte. "Wählt Wolf" zeigt die Gefahren von Populismus auf. Drag Story Hour ist eine in San Francisco (USA) gegründete Organisation, die sich für Akzeptanz und Liebe einsetzt. Seit 2018 ist sie auch in Berlin mit Veranstaltungen für Kinder und Familien aktiv.

Doch die AfD verbreitet eine völlig andere Darstellung: Auf ihrem Plakat ist eine Comic-Dragqueen in einem tief ausgeschnittenen Paillettenkleid abgebildet, die aus einem Buch mit dem Titel "SEX" in Regenbogenfarben liest. Der Berliner AfD-Vizefraktionschef Thorsten Weiß behauptet, es gehe um "eine nicht wünschenswerte Frühsexualisierung von Kindern durch die Konfrontation mit sexualisierter Thematik".

Museumsdirektorin widerspricht vehement

Sophie Plagemann, Direktorin des Berliner Stadtmuseums, bezeichnet das AfD-Bild als haltlose Darstellung ohne Bezug zur Veranstaltung. "Bei unserem Programmtag und damit auch bei dieser Veranstaltung geht es jedenfalls um Vielfalt und um die Rechte von Kindern auf Selbstbestimmung", betont sie.

Auf ihrer Website verteidigt das Stadtmuseum die Lesung vehement: Sie fördere "Fantasie, Lesefreude und kulturelle Teilhabe". Drag sei "eine künstlerische Ausdruckform des Verkleidens und Übertreibens – vergleichbar mit Theater, Märchenfiguren oder Kostümfesten, was Kindern sehr vertraut ist".

Nicht nur die AfD: Auch etablierte Parteien hetzten

Der aktuelle Protest ist kein Einzelfall. Bereits vor zwei Jahren gab es öffentlichkeitswirksamen Protest gegen Veranstaltungen, bei denen Dragqueens Kindern vorlasen, losgetreten wurde die Debatte damals von einem CSU-Politiker in München. Dabei kamen die Hassbotschaften nicht nur von der AfD, sondern auch von etablierten Parteien.

Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach von "Kindswohlgefährdung", die frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) brachte den Begriff "Pädophilie" in die Debatte ein. Der Münchner SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter zeigte für "diese Art Programm kein Verständnis".

Der Fall Jurassica Parka und die Sippenhaft

Drag-Gegner fühlen sich nun bestärkt, nachdem im Oktober bekannt wurde, dass gegen die Berliner Dragqueen Jurassica Parka wegen des Vorwurfs des Besitzes und der Verbreitung von kinderpornografischem Material ermittelt wird. Im Zuge der Ermittlungen wurde publik, dass Parka bereits 2023 für die Verbreitung sowie den Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.

Ehemalige Kolleginnen beendeten schnell die Zusammenarbeit mit Parka und betonten, dass der Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt nicht verhandelbar sei. Dennoch versuchen die AfD und konservative Kräfte seither, alle Dragqueens für das mutmaßliche Vergehen in Sippenhaft zu nehmen – eine Strategie, die auch international von rechten Bewegungen eingesetzt wird.

Die Dragqueens stehen zu ihrem Engagement

Die Dragqueen Kaey betont, der Protest der AfD habe sie durchaus verunsichert, über ein Absagen der Veranstaltung habe sie allerdings nicht nachgedacht. "Ich bin selbst in einer Zeit aufgewachsen, in der es keine queere Repräsentation für Kinder und Jugendliche gab. Ich hätte mir gewünscht, solche Bücher zu haben, die wir jetzt vorlesen. Manchmal muss ich meine Tränen unterdrücken, weil es mich so berührt, dass ein Kind jetzt lernen kann, dass es okay ist, anders zu sein", erklärt sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Ein Blick über die Grenzen: Deutschland im Kontext

Die Kontroverse um Drag-Vorlesestunden ist kein rein deutsches Phänomen. Die Tradition kommt aus den USA, wo sie 2015 entstand und Nachahmer in vielen Ländern gefunden hat. An den Anlässen, die für Diversität, Inklusion und Toleranz werben, lesen Dragqueens und -kings Geschichten mit gesellschaftlich relevanten Themen wie Vielfalt, Identität und Geschlecht.

Auch in anderen Ländern sorgen die Veranstaltungen für Kontroversen. Die Debatten folgen dabei oft ähnlichen Mustern: Rechte Gruppen nutzen das Thema für ihre politische Agenda, während eine Drag-Queen per se keine Gefahr für Kinder darstellt, wie mehrere Expertinnen und Experten betonen.

Der politische Kontext: AfD im Fokus

Die Demonstration findet in einem angespannten politischen Klima statt. Im Januar 2024 protestierten mehr als 100.000 Menschen vor dem Bundestag gegen die AfD und den Rechtsruck, nachdem eine Correctiv-Recherche ein Geheimtreffen mit Rechtsextremen und AfD-Vertretern zu "Remigrations"-Plänen enthüllt hatte.

Die sonntägliche Drag-Lesung wird somit zum Symbol eines größeren Kulturkampfs: Auf der einen Seite steht eine rechtsextreme Partei, die queere Menschen und ihre Sichtbarkeit bekämpft. Auf der anderen Seite stehen jene, die für Vielfalt, Kinderrechte und eine offene Gesellschaft eintreten – passend zum Motto des diesjährigen Aktionstags "Kinderrechte leben. Demokratie stärken".


Trans-Frau in Lebensgefahr: Trump-Regierung deportiert Britania Uriostegui Rios trotz Gerichtsverbot nach Mexiko

In einem erschütternden Fall hat die Trump-Administration im November 2025 eine trans Frau „versehentlich" nach Mexiko deportiert – und das trotz einer eindeutigen Gerichtsentscheidung, die genau dies verbieten sollte. Die Trump-Administration gab zu, dass sie Britania Uriostegui Rios „versehentlich" nach Mexiko abgeschoben hat, nachdem ein Richter angeordnet hatte, sie dürfe nicht in das Land abgeschoben werden aus Angst, sie könnte gefoltert oder gewaltsam verfolgt werden, wie der Originalfall auf PinkNews dokumentiert.

Eine Frau kämpft ums Überleben

Ohne ihre Anwältin zu benachrichtigen, wurde Rios letzte Woche vom Winn Correctional Center in Winnfield, Louisiana, nach Harlingen, Texas, nahe der Grenze zwischen den USA und Mexiko geflogen, ohne Geld, ohne ihre Medikamente für psychische Gesundheit und HIV-Prävention, ohne geschlechtsangleichende Hormone und ohne ihr Telefon. Die Situation ist verzweifelt: Ihre Anwältin Pranzatelli erklärte gegenüber CNN: „Britania ist eine trans Frau, die extremes Trauma durchlebt hat, darunter sexuellen Menschenhandel durch Kartelle, als sie erst 12 Jahre alt war".

Seit ihrer Ankunft in Mexiko versteckt sich Rios bei Verwandten. Doch ihre Familie akzeptiert ihre Identität als trans Frau nicht, weshalb sie gezwungen ist, ihren Deadname zu verwenden und ihre Identität zu verbergen – eine Situation, die ihr erhebliche psychische Qualen bereitet. Noch dramatischer: Seit sie nach Mexiko geschickt wurde, schützt Uriostegui Rios ihre Identität, während sie bei ihrer Familie Zuflucht sucht, aus Angst, dass sie entdecken, dass sie trans ist, und sie hinauswerfen.

Mexiko: Ein tödliches Land für trans Frauen

Die Abschiebung nach Mexiko bedeutet für Britania eine akute Lebensgefahr. Mexiko gehört laut dem Trans Murder Monitoring Project zu den tödlichsten Ländern der Welt für transgender Menschen. Die Zahlen sprechen eine erschreckende Sprache: Die Organisation Transrespect dokumentierte 701 Morde an trans Menschen in Mexiko zwischen 2008 und 2023, was Mexiko weltweit an zweiter Stelle nach Brasilien bei Gewalt gegen trans Menschen platziert.

Im Jahr 2024 wurden 50 Femizide an trans Frauen begangen, davon 27 mit Schusswaffen. Besonders alarmierend: Medienberichte deuten darauf hin, dass allein im Januar 36 Morde an trans Frauen gemeldet wurden, wobei allein in den Monaten Juni und Juli mindestens 8 trans Personen in verschiedenen Bundesstaaten Mexikos ermordet wurden.

Parallelen zu Deutschland: Auch hier sind trans Geflüchtete gefährdet

Der Fall wirft auch Fragen zur Situation in Deutschland auf. Während Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder der Geschlechtsidentität in der europäischen und deutschen Rechtsprechung als Fluchtgrund anerkannt ist, zeigen sich in der Praxis erhebliche Herausforderungen. Laut der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU ist eine Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ein anerkannter Asylgrund, wie der LSVD informiert.

Doch die Realität sieht oft anders aus. Noch immer gibt es beträchtliche Hürden für verfolgte LSBTIQ*, in Deutschland anerkannt zu werden. Besonders problematisch: Für geflüchtete trans* und intergeschlechtliche Personen im laufenden Asylverfahren ist die Möglichkeit des selbstbestimmten Geschlechtseintrages von enormer Bedeutung, wie das neue Selbstbestimmungsgesetz zeigt.

„Die Regierung kann nicht vertrauen"

Der Fall markiert das jüngste Beispiel dafür, wie die Trump-Administration unrechtmäßig jemanden abschieben lässt, der durch Gerichtsbeschlüsse oder besonderen Status geschützt ist, während sie das Ziel des Präsidenten verfolgt, ein historisches Massenabschiebungsprogramm durchzuführen. Die US-Regierung bietet Rios zwar an, zurückkehren zu dürfen – aber nur, wenn sie es lebend zur Grenze schafft. Ihre Anwälte fordern, dass sie nicht in die Bundesgewahrsam zurückkehren muss, sobald sie wieder in den USA ist – „falls sie es schafft, einen Grenzübergang zu erreichen, ohne zu sterben".

Wenn Uriostegui Rios in der Lage ist, in die USA zurückzukehren, bittet ihr Rechtsteam darum, dass sie aus dem ICE-Gewahrsam entlassen wird und unter einer Überwachungsanordnung nach Hause gehen darf, mit der Begründung: „Der Regierung kann nicht vertraut werden, dass sie das Gesetz befolgt" oder Gerichtsbeschlüsse einhält.

Trans Menschen in ICE-Haft: Systematisches Leid

Der Fall Britania Uriostegui Rios steht nicht allein. Trans Menschen in Gewahrsam – in Abschiebehaftanstalten sowie in Gefängnissen – sind einem erhöhten Risiko verbaler Belästigung, medizinischer Vernachlässigung einschließlich der Verweigerung geschlechtsangleichender Versorgung, sich verschlechternder psychischer Gesundheit, verlängerter Einzelhaft und körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt.

Die Trump-Administration hat systematisch Schutzmaßnahmen abgebaut: In den letzten Monaten hat ICE Verträge für mindestens zwei Haftzentren in Florida und New York geändert, um Anforderungen zur Trans-Versorgung zu entfernen, wie The Intercept berichtete. Noch alarmierender: Seit Februar 2025, kurz nachdem Präsident Donald Trump sein Amt antrat, hat ICE aufgehört, diese Zahlen zu melden, trotz einer Anforderung aus dem Jahr 2021, dass die Behörde diese Zahlen offenlegen muss.

Ein Kampf um Würde und Überleben

Während Britania Uriostegui Rios in Mexiko um ihr Überleben kämpft, verdeutlicht ihr Fall die tödlichen Konsequenzen einer Politik, die trans Menschen systematisch entmenschlicht. Ein Richter blockierte gleichzeitig die Regierung daran, Uriostegui Rios in ihr Heimatland Mexiko abzuschieben, mit der Feststellung, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie dort „Folter" erfahren könnte – doch genau dorthin wurde sie deportiert.

Der Fall wirft fundamentale Fragen über Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und den Schutz besonders vulnerabler Gruppen auf – sowohl in den USA als auch hier in Deutschland, wo trans Geflüchtete ebenfalls mit erheblichen Hürden konfrontiert sind. Britania Uriostegui Rios' Geschichte ist eine dringende Mahnung: Trans Leben sind nicht verhandelbar, und ihr Schutz muss überall gewährleistet werden – auch und gerade im Asylsystem.


Trans-Frau in Lebensgefahr: Trump-Regierung deportiert Britania Uriostegui Rios trotz Gerichtsverbot nach Mexiko

In einem erschütternden Fall hat die Trump-Administration im November 2025 eine trans Frau „versehentlich" nach Mexiko deportiert – und das trotz einer eindeutigen Gerichtsentscheidung, die genau dies verbieten sollte. Die Trump-Administration gab zu, dass sie Britania Uriostegui Rios „versehentlich" nach Mexiko abgeschoben hat, nachdem ein Richter angeordnet hatte, sie dürfe nicht in das Land abgeschoben werden aus Angst, sie könnte gefoltert oder gewaltsam verfolgt werden, wie der Originalfall auf PinkNews dokumentiert.

Eine Frau kämpft ums Überleben

Ohne ihre Anwältin zu benachrichtigen, wurde Rios letzte Woche vom Winn Correctional Center in Winnfield, Louisiana, nach Harlingen, Texas, nahe der Grenze zwischen den USA und Mexiko geflogen, ohne Geld, ohne ihre Medikamente für psychische Gesundheit und HIV-Prävention, ohne geschlechtsangleichende Hormone und ohne ihr Telefon. Die Situation ist verzweifelt: Ihre Anwältin Pranzatelli erklärte gegenüber CNN: „Britania ist eine trans Frau, die extremes Trauma durchlebt hat, darunter sexuellen Menschenhandel durch Kartelle, als sie erst 12 Jahre alt war".

Seit ihrer Ankunft in Mexiko versteckt sich Rios bei Verwandten. Doch ihre Familie akzeptiert ihre Identität als trans Frau nicht, weshalb sie gezwungen ist, ihren Deadname zu verwenden und ihre Identität zu verbergen – eine Situation, die ihr erhebliche psychische Qualen bereitet. Noch dramatischer: Seit sie nach Mexiko geschickt wurde, schützt Uriostegui Rios ihre Identität, während sie bei ihrer Familie Zuflucht sucht, aus Angst, dass sie entdecken, dass sie trans ist, und sie hinauswerfen.

Mexiko: Ein tödliches Land für trans Frauen

Die Abschiebung nach Mexiko bedeutet für Britania eine akute Lebensgefahr. Mexiko gehört laut dem Trans Murder Monitoring Project zu den tödlichsten Ländern der Welt für transgender Menschen. Die Zahlen sprechen eine erschreckende Sprache: Die Organisation Transrespect dokumentierte 701 Morde an trans Menschen in Mexiko zwischen 2008 und 2023, was Mexiko weltweit an zweiter Stelle nach Brasilien bei Gewalt gegen trans Menschen platziert.

Im Jahr 2024 wurden 50 Femizide an trans Frauen begangen, davon 27 mit Schusswaffen. Besonders alarmierend: Medienberichte deuten darauf hin, dass allein im Januar 36 Morde an trans Frauen gemeldet wurden, wobei allein in den Monaten Juni und Juli mindestens 8 trans Personen in verschiedenen Bundesstaaten Mexikos ermordet wurden.

Parallelen zu Deutschland: Auch hier sind trans Geflüchtete gefährdet

Der Fall wirft auch Fragen zur Situation in Deutschland auf. Während Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder der Geschlechtsidentität in der europäischen und deutschen Rechtsprechung als Fluchtgrund anerkannt ist, zeigen sich in der Praxis erhebliche Herausforderungen. Laut der EU-Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU ist eine Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ein anerkannter Asylgrund, wie der LSVD informiert.

Doch die Realität sieht oft anders aus. Noch immer gibt es beträchtliche Hürden für verfolgte LSBTIQ*, in Deutschland anerkannt zu werden. Besonders problematisch: Für geflüchtete trans* und intergeschlechtliche Personen im laufenden Asylverfahren ist die Möglichkeit des selbstbestimmten Geschlechtseintrages von enormer Bedeutung, wie das neue Selbstbestimmungsgesetz zeigt.

„Die Regierung kann nicht vertrauen"

Der Fall markiert das jüngste Beispiel dafür, wie die Trump-Administration unrechtmäßig jemanden abschieben lässt, der durch Gerichtsbeschlüsse oder besonderen Status geschützt ist, während sie das Ziel des Präsidenten verfolgt, ein historisches Massenabschiebungsprogramm durchzuführen. Die US-Regierung bietet Rios zwar an, zurückkehren zu dürfen – aber nur, wenn sie es lebend zur Grenze schafft. Ihre Anwälte fordern, dass sie nicht in die Bundesgewahrsam zurückkehren muss, sobald sie wieder in den USA ist – „falls sie es schafft, einen Grenzübergang zu erreichen, ohne zu sterben".

Wenn Uriostegui Rios in der Lage ist, in die USA zurückzukehren, bittet ihr Rechtsteam darum, dass sie aus dem ICE-Gewahrsam entlassen wird und unter einer Überwachungsanordnung nach Hause gehen darf, mit der Begründung: „Der Regierung kann nicht vertraut werden, dass sie das Gesetz befolgt" oder Gerichtsbeschlüsse einhält.

Trans Menschen in ICE-Haft: Systematisches Leid

Der Fall Britania Uriostegui Rios steht nicht allein. Trans Menschen in Gewahrsam – in Abschiebehaftanstalten sowie in Gefängnissen – sind einem erhöhten Risiko verbaler Belästigung, medizinischer Vernachlässigung einschließlich der Verweigerung geschlechtsangleichender Versorgung, sich verschlechternder psychischer Gesundheit, verlängerter Einzelhaft und körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt.

Die Trump-Administration hat systematisch Schutzmaßnahmen abgebaut: In den letzten Monaten hat ICE Verträge für mindestens zwei Haftzentren in Florida und New York geändert, um Anforderungen zur Trans-Versorgung zu entfernen, wie The Intercept berichtete. Noch alarmierender: Seit Februar 2025, kurz nachdem Präsident Donald Trump sein Amt antrat, hat ICE aufgehört, diese Zahlen zu melden, trotz einer Anforderung aus dem Jahr 2021, dass die Behörde diese Zahlen offenlegen muss.

Ein Kampf um Würde und Überleben

Während Britania Uriostegui Rios in Mexiko um ihr Überleben kämpft, verdeutlicht ihr Fall die tödlichen Konsequenzen einer Politik, die trans Menschen systematisch entmenschlicht. Ein Richter blockierte gleichzeitig die Regierung daran, Uriostegui Rios in ihr Heimatland Mexiko abzuschieben, mit der Feststellung, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie dort „Folter" erfahren könnte – doch genau dorthin wurde sie deportiert.

Der Fall wirft fundamentale Fragen über Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und den Schutz besonders vulnerabler Gruppen auf – sowohl in den USA als auch hier in Deutschland, wo trans Geflüchtete ebenfalls mit erheblichen Hürden konfrontiert sind. Britania Uriostegui Rios' Geschichte ist eine dringende Mahnung: Trans Leben sind nicht verhandelbar, und ihr Schutz muss überall gewährleistet werden – auch und gerade im Asylsystem.


HIV-Neuinfektionen in Deutschland steigen: Deutsche Aidshilfe warnt vor Folgen der Präventionskürzungen

Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist 2024 erstmals seit Jahren wieder in allen Bevölkerungsgruppen gestiegen. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) haben sich im Jahr 2024 geschätzt 2.300 Personen mit HIV infiziert, etwa 200 mehr als im Jahr 2023, wie aus dem aktuellen Epidemiologischen Bulletin des RKI hervorgeht. Die Deutsche Aidshilfe macht dafür vor allem Kürzungen in der Prävention und Drogenhilfe verantwortlich und fordert ein sofortiges Umsteuern.

Anstieg in allen Risikogruppen

Besonders deutlich wird die Entwicklung bei der Betrachtung der einzelnen Bevölkerungsgruppen: Geschätzt 1.300 Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), infizierten sich 2024 mit HIV – 100 mehr als im Vorjahr. Bei heterosexuellen Übertragungen gab es etwa 590 Neuinfektionen (+45), und 400 weitere Personen steckten sich durch injizierenden Drogengebrauch an. Während bei schwulen und bisexuellen Männern in den Jahren zuvor noch ein Rückgang der Infektionszahlen zu beobachten war, hat sich dieser positive Trend nun offenbar nicht fortgesetzt.

Besonders besorgniserregend ist die kontinuierliche Entwicklung bei drogengebrauchenden Menschen: Seit 2010 zeigt die Modellierung einen deutlichen Anstieg der Neuinfektionen in dieser Gruppe. Dies deutet auf erhebliche Lücken in der Drogenhilfe und Prävention hin.

Tausende wissen nichts von ihrer Infektion

Die Zahl der Menschen mit HIV in Deutschland lag Ende 2024 bei 97.700. Ein großes Problem bleibt die späte Diagnose: Von diesen sind etwa 8.200 HIV-Infektionen noch nicht diagnostiziert. Das bedeutet, dass derzeit nur 92 Prozent der Menschen mit HIV in Deutschland von ihrer Diagnose wissen – das UNAIDS-Ziel für 2025 liegt jedoch bei 95 Prozent.

Etwa ein Drittel aller neudiagnostizierten HIV-Infektionen wurde 2024 erst mit einem fortgeschrittenen Immundefekt diagnostiziert, fast jede fünfte Infektion sogar erst mit dem Vollbild AIDS. Diese späten Diagnosen gefährden nicht nur die Gesundheit der Betroffenen, sondern erhöhen auch das Risiko weiterer Übertragungen.

Kürzungen gefährden Präventionserfolge

Die Deutsche Aidshilfe (DAH) sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den steigenden Infektionszahlen und den Kürzungen im Präventionsbereich. „Der Anstieg ist noch moderat, aber sehr ernstzunehmen", erklärte DAH-Vorstandsmitglied Sylvia Urban laut der ursprünglichen Meldung auf queer.de. „Wo in Prävention und Drogenhilfe gekürzt wird, sind steigende Infektionszahlen die logische Folge", so Urban weiter.

Kürzungen öffentlicher Mittel bedrohen an immer mehr Orten die erfolgreiche HIV- und Aids-Prävention in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen und Berlin sind drastische Einschnitte angekündigt. Auch in anderen Bundesländern sowie in vielen Kommunen gehen die Mittel faktisch stark zurück, weil steigende Lohnkosten und Inflation erneut nicht ausgeglichen werden.

Besonders dramatisch ist die Situation in Nordrhein-Westfalen: Nach dem vorliegenden Entwurf des Landeshaushalts 2025 soll die Förderung für HIV/Aids- und STI-Prävention um knapp 1,6 Millionen Euro und damit um rund ein Drittel reduziert werden. Dies würde die erfolgreiche Arbeit von 31 regionalen Aidshilfen sowie landesweite Präventionsprojekte massiv gefährden.

PrEP: Wirksame Prävention noch nicht flächendeckend verfügbar

Ein wichtiges Instrument der HIV-Prävention ist die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) – die vorbeugende Einnahme von HIV-Medikamenten durch HIV-negative Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko. Mit der PrEP steht ein hochwirksames Instrument zur Verhinderung von Infektionen zur Verfügung. Seit September 2019 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Menschen mit substanziellem HIV-Risiko.

Doch die Nutzung stagniert: Ende September 2024 gab es etwa 40.000 PrEP-Nutzende in Deutschland, so viele wie Ende 2023. Die Deutsche Aidshilfe kritisiert, dass die Versorgung noch immer nicht flächendeckend gewährleistet sei und das Angebot fast ausschließlich von schwulen Männern angenommen werde. Der Anstieg der Neudiagnosen bei MSM und bei Menschen mit injizierendem Drogengebrauch zeigt, dass der Zugang zu PrEP für alle Menschen mit einem substanziellen HIV-Infektionsrisiko nicht nur erhalten, sondern weiter in der Fläche ausgebaut werden sollte. Es sollte darauf hingearbeitet werden, dass mehr Frauen sich durch PrEP schützen können.

Behandlungserfolge geben Hoffnung

Eine positive Nachricht gibt es dennoch: Der Anteil der Menschen mit diagnostizierter HIV-Infektion, die eine antiretrovirale Therapie erhalten, lag 2024 insgesamt weiterhin hoch bei etwa 98 Prozent. Bei fast allen Behandelten ist die Behandlung erfolgreich, so dass sie HIV nicht mehr auf sexuellem Weg übertragen können. Dies unterstreicht die Bedeutung früher Tests und rechtzeitiger Behandlung.

Wo man sich testen lassen kann

Man kann sich bei einer Aidshilfe, einem Checkpoint oder Gesundheitsamt anonym, kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr auf HIV testen lassen. Anonym heißt: Man muss seinen Namen nicht nennen, und das Ergebnis wird nicht in einer Akte festgehalten. Adressen von Teststellen finden sich auf der Website der Deutschen Aidshilfe.

Die Deutsche Aidshilfe appelliert: „Wer ungeschützten Sex hatte, sollte sich auf HIV und andere Infektionen testen lassen. HIV sollte so früh wie möglich erkannt und behandelt werden. So wird die Gesundheit geschützt, weitere Übertragungen werden verhindert."

Politische Forderungen

Um den Anstieg der Neuinfektionen zu stoppen, fordert die Deutsche Aidshilfe konkrete Maßnahmen: Kürzungen müssen zurückgenommen und Präventions- sowie Testangebote verstärkt werden. Für Menschen mit injizierendem Drogenkonsum sollte der Zugang zu sterilen Konsumutensilien und Opioidagonistentherapie (Substitution) weiter verbessert werden, auch in Haft.

Sylvia Urban von der Deutschen Aidshilfe fasst zusammen: „Die Entwicklung der Neuinfektionen ist kein Zufall. Sie spiegelt direkt wider, ob die Angebote möglicher Schutzmaßnahmen ausreichen. Unser Ziel muss sein, den Trend wieder umzukehren."

Die aktuellen Zahlen zeigen deutlich: Nach Jahren der Erfolge in der HIV-Bekämpfung steht Deutschland an einem kritischen Punkt. Nur mit ausreichenden Ressourcen für Prävention, niedrigschwelligen Testangeboten und flächendeckendem Zugang zu wirksamen Schutzmethoden wie der PrEP kann das Ziel erreicht werden, die HIV-Epidemie zu beenden. Sparmaßnahmen an der falschen Stelle werden sich langfristig als teurer erweisen – nicht nur finanziell, sondern vor allem in Form vermeidbarer Neuinfektionen und Erkrankungen.


Wenn Transfeindlichkeit zur Eskalation führt: Was der Fall Bad Homburg über unsere Gesellschaft aussagt

Eine trans Frau steht in Bad Homburg vor Gericht, weil sie im Februar 2025 einem Mann nach einer transfeindlichen Beleidigung mit einer Schere in den Hals stach. Der Mann überlebte knapp, die 29-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Doch dieser schockierende Fall wirft eine Frage auf, die weit über den Einzelfall hinausgeht: Was bedeutet es, wenn Diskriminierung so allgegenwärtig wird, dass Menschen nicht mehr anders können, als zu reagieren?

Der Tag, an dem alles zusammenbrach

Es war ein Tag wie viele andere – und doch anders. Die Angeklagte kam gerade von einer Psychotherapeutin, die sich weigerte, ein Indikationsschreiben für die von ihr gewünschte Hormontherapie auszustellen. "Ich fühlte mich entmündigt", sagte sie weinend vor Gericht. Auf dem Weg zum Bahnhof begegnete sie einer Gruppe von Männern. Einer rief: "Ist das eine Transe oder eine Schwuchtel?" Im Vergleich zu dem, was sie normalerweise erlebt, sei das eigentlich harmlos gewesen, gab die 29-Jährige zu. Doch an diesem Tag traf der Satz "hundertprozentig ihren wunden Punkt".

Was folgte, beschreibt sie selbst als etwas, das sie nicht von sich kannte: Sie stach zu. "Ich wollte ihm Angst machen, die gleiche Angst, die ich so oft verspüre", erklärte sie im Prozess. Die Rettungsschere, die sie bei sich trug, drang in den Hals des 52-Jährigen. Nur eine Notoperation rettete ihm das Leben.

Alltag trans Menschen: Beleidigung, Gewalt, Angst

Trans Frauen sind in Deutschland besonders gefährdet: 32 Prozent wurden in den letzten fünf Jahren angegriffen, 16 Prozent allein in den letzten 12 Monaten, zeigen aktuelle Daten der EU-Grundrechteagentur. Fast die Hälfte aller trans Frauen meidet bestimmte Orte aus Angst vor Gewalt oder Belästigung. Die Angeklagte berichtete im Gericht, täglich beleidigt oder angegriffen zu werden, sobald sie in Frauenkleidern unterwegs sei.

Die Zunahme queerfeindlicher Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend, und viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an, warnte Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Dezember 2024 bei der Veröffentlichung des Lageberichts zur Sicherheit von LSBTIQ* Menschen. Im Unterthemenfeld „geschlechtsbezogene Diversität" wurden 2024 insgesamt 1.152 Fälle gemeldet – ein Anstieg von etwa 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Beleidigungen, intime Fragen von Fremden, Aufdringlichkeit bis hin zu Morddrohungen und körperliche Angriffe gehören für viele trans Personen zum Alltag, beschreibt eine Analyse die Situation. Die Angeklagte aus Bad Homburg ist keine Ausnahme – sie ist ein Symptom.

Wenn der Körper zum Kampffeld wird

Die Psychotherapeutin hatte sich geweigert, das Indikationsschreiben auszustellen. Für die Angeklagte bedeutete das: Noch länger in einem Körper leben zu müssen, der sich falsch anfühlt. Noch länger warten auf eine Behandlung, die ihr helfen könnte, sie selbst zu sein. Trans und intergeschlechtliche Personen leiden besonders häufig an Depressionen – 58,7 Prozent mindestens einmal im Leben, zeigen Studien zur Gesundheit von LSBTIQ* Menschen.

Mehr als die Hälfte der befragten trans Jugendlichen in Deutschland hatte im vorangehenden Jahr Suizidgedanken – bei trans Männern im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sogar mehr als 80 Prozent. Mindestens jede vierte jugendliche trans Person hat bereits versucht, sich das Leben zu nehmen, dokumentiert das Institut für Menschenrechte basierend auf Zahlen der Europäischen Grundrechteagentur.

Die psychische Belastung durch ständige Diskriminierung ist enorm. Diskriminierung und Minderheitenstress können krank machen und haben insbesondere Auswirkungen auf die psychische und mentale Gesundheit, den Selbstwert und damit auch auf gesundheitsschädigendes Risikoverhalten.

Das Selbstbestimmungsgesetz – ein Hoffnungsschimmer?

Seit dem 1. November 2024 gilt in Deutschland das Selbstbestimmungsgesetz. Es erleichtert trans, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen zu ändern – durch eine einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt. Das diskriminierende Transsexuellengesetz von 1980 ist damit Geschichte.

Doch ein Gesetz allein kann nicht ändern, was in den Köpfen der Menschen verankert ist. Rechtliche Fortschritte dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass gesellschaftliche Anerkennung noch immer vielerorts fehlt, mahnt das Institut für Menschenrechte. Rund zwei von drei trans Jugendlichen berichten über Bedrohungen, Spott und Beleidigungen in Schulen, vielfach auch durch Lehrkräfte.

Strukturelle Gewalt und ihre Folgen

Fast die Hälfte der trans Frauen glaubt nicht, dass eine Anzeige bei der Polizei etwas bringen würde, und 53 Prozent haben kein Vertrauen in die Polizei. Diese Zahlen verdeutlichen ein tieferliegendes Problem: Trans Menschen fühlen sich vom System im Stich gelassen – sowohl beim Zugang zu medizinischer Versorgung als auch beim Schutz vor Gewalt.

Der Fall aus Bad Homburg ist tragisch für alle Beteiligten. Ein Mann wurde lebensgefährlich verletzt, eine Frau sitzt in Untersuchungshaft und wird wegen versuchten Totschlags angeklagt. Doch er ist auch ein Weckruf: Wir müssen all diejenigen schützen und unterstützen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Hass, Diskriminierung und Gewalt erleben. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden.

Was jetzt getan werden muss

Die Debatte um trans Rechte darf nicht auf juristischem Terrain stehen bleiben. Es braucht:

  • Flächendeckende Schulungen für medizinisches Personal und Polizei im Umgang mit trans Menschen
  • Niedrigschwelligen Zugang zu psychosozialer Unterstützung und geschlechtsangleichenden Behandlungen
  • Aufklärungskampagnen in Schulen, Behörden und der Öffentlichkeit
  • Konsequente Verfolgung transfeindlicher Hassverbrechen
  • Community-Räume und Schutzstrukturen für Betroffene

"So kenne ich mich nicht", sagte die Angeklagte über ihre Tat. Diese Worte sollten uns alle aufhorchen lassen. Wenn Menschen, die täglich Diskriminierung und Gewalt erleben, an einen Punkt kommen, an dem sie selbst zu Gewalt greifen, haben wir als Gesellschaft versagt.

Das Urteil im Prozess wird Mitte Dezember erwartet. Doch unabhängig davon, wie es ausfällt: Die eigentliche Frage lautet nicht, wie wir mit dieser einen Frau umgehen. Die Frage ist, wie wir eine Gesellschaft schaffen, in der solche Verzweiflungstaten gar nicht erst entstehen – weil trans Menschen endlich die Anerkennung, den Schutz und die medizinische Versorgung erhalten, die ihnen zusteht.


Sechs Jahre Rosenkrieg beendet: Ex-Frau von Astronautin Anne McClain gesteht Lüge

Ein spektakulärer Fall, der als das "erste Verbrechen im Weltall" durch die Medien ging, hat nach sechs Jahren ein Ende gefunden. Summer Worden, eine ehemalige Geheimdienstoffizierin der US Air Force, hat sich schuldig bekannt, ihre Ex-Frau, die NASA-Astronautin Anne McClain, fälschlicherweise beschuldigt zu haben. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Realität queerer Menschen in der Raumfahrt und die Gefahren von falschen Anschuldigungen in Sorgerechtsstreitigkeiten – Themen, die auch in Deutschland hochaktuell sind.

Der Fall: Von der ISS zur Gerichtssaal-Saga

Im März 2019 beschuldigte Worden ihre damals getrennt lebende Ehefrau McClain, von der Internationalen Raumstation aus unerlaubt auf ihr Bankkonto zugegriffen und das Passwort erraten zu haben. Der Fall wurde zur ersten strafrechtlichen Anschuldigung gegen eine Person im Weltraum und machte weltweit Schlagzeilen.

Die Wahrheit sah jedoch anders aus: Ermittlungen der NASA ergaben, dass Worden das Bankkonto im April 2018 eröffnet hatte und beide bis Januar 2019 Zugriff darauf hatten. Worden hatte McClain regelmäßig Zugang zu ihren Bankdaten gewährt, einschließlich der Login-Daten, und zwar seit mindestens 2015. McClains Anwältin erklärte, sie habe das Konto lediglich überprüft, um die Familienfinanzen zu überwachen, und Worden habe ihr nie gesagt, dass sie keinen Zugriff mehr haben dürfe.

Die Anschuldigungen kamen zu einem Zeitpunkt, als das Paar mitten in einer erbitterten Scheidung und einem Sorgerechtsstreit um ihren damals sechsjährigen Sohn steckte, der durch In-vitro-Fertilisation und eine Leihmutter geboren wurde.

Folgen für Summer Worden

Am 13. November 2025 bekannte sich Worden schuldig, Bundesbehörden angelogen zu haben. Sie wird am 12. Februar 2026 verurteilt und könnte bis zu fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe von bis zu 250.000 Dollar erhalten. Die Staatsanwaltschaft erklärte sich bereit, alle anderen Anklagepunkte fallen zu lassen, im Gegenzug für das Schuldbekenntnis. Zu den zusätzlichen Anklagen gehörten Betrugsvorwürfe im Zusammenhang mit einem Immobiliengeschäft von 2017, bei dem Worden angeblich acht Personen, darunter McClain, um über 200.000 Dollar betrogen haben soll.

McClains erfolgreiche Karriere trotz Belastungen

Während die Vorwürfe ihrer Ex-Frau McClains Leben auf den Kopf stellten, hat die Astronautin ihre Karriere fortgesetzt und beeindruckende Erfolge erzielt. McClain wurde als Kommandantin für die SpaceX Crew-10 Mission zur ISS ausgewählt und startete am 14. März 2025. Sie kommandierte kürzlich die SpaceX Crew-10 Mission zur Raumstation von März bis August dieses Jahres.

NASA stellte sich damals hinter McClain und erklärte in einer Stellungnahme: "Lt. Col. Anne McClain hat eine herausragende militärische Karriere, flog Kampfeinsätze im Irak und ist eine der Top-Astronautinnen der NASA. Sie hat einen großartigen Job bei ihrer jüngsten NASA-Mission an Bord der Internationalen Raumstation geleistet".

Unfreiwilliges Outing und LGBTQ+ Pionierinnen im All

Der Fall führte zu einem unfreiwilligen Outing McClains, die als Astronautin beschuldigt wurde, von ihrer getrennt lebenden Ehefrau, Summer Worden, einer ehemaligen Air Force Geheimdienstoffizierin und ebenfalls Astronautin. McClain selbst hat sich nie öffentlich zu ihrer sexuellen Orientierung geäußert, wird aber nun als "erste offen lesbische Astronautin" bezeichnet.

Doch sie ist nicht die erste queere Frau im All: Die erste amerikanische Frau im Weltraum war Sally Ride, die 1983 mit dem Space Shuttle Challenger flog. Rides lesbische Identität wurde erst nach ihrem Tod im Jahr 2012 bekannt. Ride war mit der ehemaligen Tennisspielerin Tam O'Shaughnessy 27 Jahre lang zusammen, hielt ihre Beziehung aber bis zu ihrem Tod geheim. Erst im Nachruf wurde O'Shaughnessy als ihre Partnerin genannt.

Kurz vor ihrem Tod gab Ride ihrer Partnerin die Erlaubnis, ihre Beziehung öffentlich zu machen. "Offen über uns zu sein, könnte für die NASA und das Astronautenkorps sehr schwierig sein. Aber das ist mir egal. Was immer du für richtig hältst, ist für mich in Ordnung", sagte Ride laut O'Shaughnessy.

Parallelen zu Deutschland: Falsche Anschuldigungen im Sorgerechtsstreit

Der Fall McClain-Worden zeigt ein Problem, das auch in Deutschland bestens bekannt ist: Falsche Anschuldigungen in Sorgerechtsstreitigkeiten. Die Gründe für bewusste oder unbewusste Falschbeschuldigungen reichen von gezielt falschen Anschuldigungen aus Rache oder im Streit um das Sorgerecht bis zu diffusen Anschuldigungen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Deutsche Rechtsexperten warnen: Besonders problematisch sind falsche Anschuldigungen im Kontext von Trennungs- und Scheidungskonflikten, besonders im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreitigkeiten. In diesen emotional aufgeladenen Situationen werden Strafanzeigen manchmal als Mittel im persönlichen Konflikt instrumentalisiert.

Für LGBTQ+ Paare können solche Situationen besonders belastend sein, da sie häufig bereits mit Vorurteilen und rechtlichen Hürden konfrontiert sind. Der McClain-Fall zeigt, wie destruktiv falsche Beschuldigungen sein können – nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für das öffentliche Bild queerer Menschen in sichtbaren Positionen.

Warum Sally Ride ihre Beziehung geheim hielt

Die NASA wurde 1958 als zivile Behörde gegründet und rekrutierte ihre ersten Astronauten aus dem Militär, was die Testpiloten-Mentalität für immer mit dem Mythos männlicher Überlegenheit verband. In dieser konservativen Macho-Kultur wurden Frauen kategorisch ausgeschlossen und gleichgeschlechtliche Beziehungen waren so willkommen wie eine Invasion von Klingonen.

Bis 1977, als das soziale Bewusstsein in den USA wuchs und die NASA mehr nicht-militärische Wissenschaftler für das neue Space-Shuttle-Programm suchte, darunter auch die ersten Frauen und Minderheiten, war die Möglichkeit einer schwulen oder lesbischen Astronautin laut einem von Rides Klassenkameraden noch unvorstellbar.

Ride und O'Shaughnessy hielten ihre romantische Beziehung während Rides Leben privat und machten sie erst nach Rides Tod durch Bauchspeicheldrüsenkrebs im Jahr 2012 öffentlich bekannt. O'Shaughnessy führt dies auf Rides extrem private Natur und auch auf die Angst zurück, Finanzierung für ihr Bildungsunternehmen Sally Ride Science aufgrund möglicher negativer Reaktionen zu verlieren.

Ein wichtiges Signal für die LGBTQ+ Community

Nach sechs Jahren endet der Fall mit einer klaren Botschaft: Anne McClain wurde vollständig entlastet. Neue Beweise und Wordens Schuldbekenntnis entlasteten McClain nicht nur von der Anschuldigung, sondern beendeten auch einen lang schwelenden, erbitterten Streit zwischen den Ex-Partnerinnen.

Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, Beschuldigungen gründlich zu prüfen und nicht vorschnell zu urteilen – besonders wenn es um LGBTQ+ Personen in der Öffentlichkeit geht, die ohnehin oft unter besonderer Beobachtung stehen. Gleichzeitig macht er deutlich, wie weit wir noch von einer Gesellschaft entfernt sind, in der queere Menschen in allen Bereichen – von der Raumfahrt bis zum Alltag – ohne Angst vor Diskriminierung oder Instrumentalisierung ihrer Identität leben können.

Anne McClain setzt ihre beeindruckende Karriere fort und ist ein Vorbild für LGBTQ+ Menschen weltweit. Ihr Durchhaltevermögen angesichts falscher Anschuldigungen und ihr professioneller Erfolg trotz der Belastungen zeigen, dass Talent und Leistung über Vorurteile und persönliche Angriffe siegen können.


Ein neues Zuhause für den Regenbogen: "foll bunt" gibt Fuldas queerer Community eine dauerhafte Struktur

In der osthessischen Bischofsstadt Fulda ist ein wichtiger Meilenstein für die queere Community erreicht: 19 engagierte Menschen haben am Dienstag den Verein "foll bunt" gegründet, der künftig nicht nur den Christopher Street Day organisieren, sondern auch als dauerhafte Anlaufstelle für LGBTQIA+-Personen in der Region dienen soll. Wie queer.de berichtet, fand die Gründungsversammlung in den Räumen der Aidshilfe Fulda statt – ein symbolträchtiger Ort für einen Neuanfang.

Von der Notlösung zur festen Struktur

Nachdem im vergangenen Jahr der CSD Fulda 2025 unter dem Motto "FOLL BUNT – Vielfalt ist unsere Heimat" mit rund 2.000 Menschen stattfand, wurde deutlich: Die queere Community in Osthessen braucht eine verlässliche Organisationsstruktur. Susanne Maul, Geschäftsführerin der Aidshilfe Fulda, erklärt die Ausgangslage: "Nachdem der CSD Fulda im letzten Jahr nach Wegfall des früheren Trägers von der Aidshilfe Fulda aufgefangen wurde, war klar, dass es eine eigene Struktur braucht."

Der neue Verein ist mehr als nur eine organisatorische Notwendigkeit. Das LSBT*IQ-Netzwerk Nordhessen vernetzt und unterstützt zwar bereits Akteur*innen aus den queeren Communitys in Kassel und den Landkreisen Waldeck-Frankenberg, Werra-Meißner, Schwalm-Eder, Hersfeld-Rothenburg und Fulda, doch fehlte es in Fulda selbst an einer sichtbaren, lokalen Vereinsstruktur mit Rechtsform.

Queeres Leben im ländlichen Raum sichtbar machen

Die Herausforderungen für LGBTQIA+-Menschen in ländlichen Regionen sind real und gut dokumentiert. Die Akzeptanz für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt unterscheidet sich in Hessen zwischen größeren Städten und den überwiegend ländlich geprägten Regionen. In den ländlichen Regionen ist die freie Entfaltung der Persönlichkeit und ein offenes und diskriminierungsfreies Leben für LSBT*IQ Personen teilweise noch immer erschwert. Studien zeigen, dass viele queere Menschen in die Großstädte umziehen – trotz rechtlicher Anerkennung queerer Lebensformen verlassen sie ländliche Regionen, sobald es möglich ist, etwa wenn sie ein Studium beginnen.

Niklas Schmitt, Mitglied des neu gewählten Vorstandes, bringt es auf den Punkt: "Der Verein 'foll bunt' soll nicht nur den CSD organisieren. Wir wollen Angebote schaffen, die queeren Menschen im Landkreis das Gefühl geben, willkommen und zu Hause zu sein. Unser Ziel ist es, die Community zu stärken, mit Vorurteilen in der Bevölkerung aufzuräumen und die kulturelle Landschaft in Fulda zu erweitern. In Städten vergleichbarer Größe gibt es längst queere Bars, Zentren oder Beratungsstellen. Hier muss Fulda aufholen."

Ein deutschlandweites Phänomen mit lokalen Lösungen

Die Vereinsgründung in Fulda reiht sich ein in eine bundesweite Bewegung zur Professionalisierung und Verstetigung von CSD-Strukturen. Der CSD Deutschland e.V. versteht sich als Dachverband aller deutschen Christopher Street Day-organisierenden Vereine, Initiativen und Projekte, und immer mehr Städte schaffen dauerhafte Vereinsstrukturen. Die grundsätzlich ehrenamtliche Struktur bestimmt die meisten CSD-Vereine. Lediglich für Kernaufgaben und in Kernbereichen, die für die Aufrechterhaltung des Vereins und die Sicherstellung der CSD Demonstration notwendig sind, werden überhaupt Honorare oder Gehälter bezahlt.

Die vier LSBT*IQ-Netzwerke in Nordhessen, Mittelhessen, Rhein-Main und Südhessen sind die „Hubs" für die queeren Communitys in ihren Regionen und werden aus Mitteln des Hessischen Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt gefördert. In diesem Netzwerk kann "foll bunt" nun als lokaler Ankerpunkt für Fulda und Region fungieren.

Von der "Queeren Stunde" zum eingetragenen Verein

Besonders bemerkenswert: In Fulda wurde bereits im Jahr 2020 die queere Stunde ins Leben gerufen. An wechselnden Orten kommen Gleichgesinnte zusammen, um Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Diese und andere Initiativen wie die "Queere Stunde" liefen bisher ohne Rechtsform – ein Zustand, der nun durch die Vereinsgründung ein Ende findet. Mit "foll bunt" bekommen diese Angebote endlich einen rechtlichen Rahmen und eine dauerhafte Heimat.

Der fünfköpfige Vorstand – bestehend aus Fabian Hülsemann, Johnathan Jiptner, Toni, Niklas Schmitt und Robin Richter – hat bereits mit der Arbeit begonnen. Die Planungen für den CSD Fulda 2026 laufen bereits. Nach den bewegenden Ereignissen beim CSD 2025, bei dem am 12. Juli rund 2.000 Menschen durch die Innenstadt zogen – friedlich, laut und entschlossen, gibt es nun eine klare Perspektive für die Zukunft.

Mehr als nur ein Tag im Jahr

Die Gründungsmitglieder haben ehrgeizige Ziele: Sie wollen dem "queeren Osten" Hessens mehr Sichtbarkeit verleihen und dauerhafte Strukturen aufbauen. Während es in anderen Regionen Hessens bereits mehrere queere Vereine und Strukturen gibt, fehlte in Fulda bislang genau diese sichtbare Organisation. Das wissenschaftliche Forschungsprojekt "Akzeptanz und Vielfalt in Fulda und Region" der Hochschule Fulda hat in den vergangenen Jahren eindrücklich dokumentiert, wie notwendig solche Anlaufstellen sind.

Mit "foll bunt" erhält Fuldas queere Community nun endlich das, was sie verdient: eine dauerhafte Struktur, die über einen einzelnen Tag im Jahr hinausgeht, die Vernetzung fördert und queeres Leben in der Region nicht nur sichtbar, sondern selbstverständlich macht. Ein wichtiger Schritt für eine Stadt, die zeigen will, dass Vielfalt auch auf dem Land Heimat ist.


Neuseeland stoppt Pubertätsblocker: Ein besorgniserregender Rückschritt für trans Jugendliche

Die Regierung Neuseelands hat angekündigt, dass ab Mitte Dezember keine neuen Rezepte für Pubertätsblocker an junge trans Menschen mehr ausgestellt werden dürfen. Der konservative Gesundheitsminister Simeon Brown begründete die Entscheidung mit einer unzureichenden wissenschaftlichen Evidenzlage, wonach es an „hochwertigen Belegen" fehle, die die Vorteile oder Risiken der Medikation eindeutig belegen. Die Neuregelung tritt am 19. Dezember 2025 in Kraft und gilt zunächst bis zum Abschluss einer groß angelegten klinischen Studie in Großbritannien, die voraussichtlich 2031 beendet sein soll.

Was sind Pubertätsblocker und warum sind sie wichtig?

Pubertätsblocker unterdrücken vorübergehend die Ausschüttung von Geschlechtshormonen und können bei trans und nicht-binären Jugendlichen eingesetzt werden, um Zeit für die Klärung der Geschlechtsidentität zu gewinnen. Dieser Prozess gilt als vollständig umkehrbar, sobald die Medikamente abgesetzt werden. Die Behandlung kann queeren Jugendlichen helfen, den psychischen Druck zu reduzieren, der durch unerwünschte körperliche Veränderungen während der Pubertät entsteht.

Für aktuelle Anwender, die bereits Pubertätsblocker bekommen, ändert sich vorerst nichts – die Beschränkungen greifen nur bei Jugendlichen, die bisher keine Medikamente verschrieben bekommen haben. Im Jahr 2023 erhielten laut Gesundheitsministerium 113 Minderjährige in Neuseeland entsprechende Präparate. Für Patient*innen, die Pubertätsblocker aufgrund frühzeitiger Pubertät, Endometriose oder Prostatakrebs benötigen, bleibt der Zugang nach Regierungsangaben bestehen.

Internationaler Trend mit problematischen Folgen

Neuseeland folgt damit Ländern wie England oder Nordirland, die bereits 2024 Pubertätsblocker für Minderjährige verboten hatten. Der NHS in England hatte im vergangenen Monat mitgeteilt, dass Kinder unter 16 Jahren außerhalb von klinischen Studien keine Pubertätsblocker mehr erhalten. Diese Entscheidungen basieren auf dem sogenannten Cass-Report, einem 400-seitigen Abschlussbericht der Kinderärztin Dr. Hilary Cass zur Behandlung von Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie.

Doch aus internationalen Fachkreisen gab es methodische und fachliche Kritik am Cass-Review. Die Entscheidung wird von queeren Verbänden scharf kritisiert, die befürchten, dass sich die psychische Gesundheit der betroffenen Jugendlichen verschlechtern könnte. Elizabeth McElrea, Sprecherin der trans Gesundheitsorganisation „Professional Association for Transgender Health Aotearoa", warnte: „Das Verbot wird zu einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit, einer Zunahme von Suizidgedanken und Dysphorie bei geschlechtsdiversen Kindern und Jugendlichen führen."

Deutschland geht einen anderen Weg

Im Gegensatz zu Neuseeland, Großbritannien und einigen anderen Ländern verfolgt Deutschland einen differenzierteren Ansatz. Im März 2024 veröffentlichten 26 medizinische Fachgesellschaften und zwei Patientenvertretungs-Organisationen eine wissenschaftlich-medizinische Leitlinie zur Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter, die im Mai 2025 finalisiert wurde.

Mari Günther vom Bundesverband Trans* erklärte: „Die Leitlinie beruht auf den Erkenntnissen evidenzbasierter Medizin, den Rahmensetzungen der Weltgesundheitsorganisation und medizinethischen Grundsätzen. Sie ermöglicht soziale Akzeptanz und medizinische Begleitung von gendervarianten und trans Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ihr zentrales Anliegen ist die sorgfältige am Einzelfall orientierte medizinische Begleitung der behandlungssuchenden Jugendlichen und ihrer Eltern unter Berücksichtigung der Selbstbestimmung und der sich entwickelnden Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger."

In Deutschland sind Pubertätsblocker grundsätzlich zugelassen. Die Bundesregierung empfiehlt nicht die Einnahme von Pubertätsblockern, aber die Entscheidung über die Verschreibung liegt ausschließlich im Ermessen der behandelnden Fachärztinnen und -ärzte. Diese können nach sorgfältiger medizinischer Indikation und auf Grundlage von wissenschaftlichen Leitlinien verschrieben werden.

Selbstbestimmungsgesetz als Meilenstein

Deutschland hat zudem mit dem Selbstbestimmungsgesetz, das seit November 2024 in Kraft ist, einen wichtigen Schritt zur Anerkennung von trans Menschen gemacht. Ab dem 01.11.2024 ist es Personen möglich, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen per Selbstauskunft gegenüber dem Standesamt zu ändern. Das Gesetz ersetzt das über 40 Jahre alte diskriminierende Transsexuellengesetz.

Zahlen der Europäischen Grundrechteagentur verdeutlichen das Ausmaß der Not: Mehr als die Hälfte der befragten trans Jugendlichen in Deutschland hatte in dem vorangehenden Jahr Suizidgedanken – bei trans Männern im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sogar mehr als 80 Prozent. Mindestens jede vierte jugendliche trans Person hat demnach bereits versucht, sich das Leben zu nehmen.

Politische Reaktionen in Neuseeland

Shanan Halbert, der Sprecher der Oppositionspartei Labour für LGBTIQ+-Themen, sagte, dass Entscheidungen über medizinische Behandlungen von Ärzten, Jugendlichen und deren Eltern gemeinsam getroffen werden sollten. Ricardo Menéndez March, Abgeordneter der Grünen Partei, warf der Regierung vor, sich in „importierte Kulturkämpfe" einzumischen: „Die Regierung sollte sich darauf konzentrieren, die eigentlichen Probleme im Gesundheitswesen anzugehen, anstatt Kulturkämpfe gegen transsexuelle Menschen zu führen."

Was bedeutet das für trans Jugendliche?

Das jüngste Verbot von Pubertätsblockern für junge trans Menschen in Neuseeland hat bereits nach kurzer Zeit erneut eine landesweite Debatte ausgelöst. Befürworter des Verbots betonen die Notwendigkeit einer gründlicheren wissenschaftlichen Grundlage für solche Behandlungen, während Kritiker vor den psychischen und sozialen Konsequenzen für die betroffenen Jugendlichen warnen.

Die Entwicklung in Neuseeland zeigt, wie wichtig es ist, dass Deutschland seinen eigenen, wissenschaftlich fundierten und menschenrechtsorientierten Weg fortsetzt. Die medizinische Leitlinie und das Selbstbestimmungsgesetz bieten trans Jugendlichen in Deutschland einen Rahmen, der ihre Würde respektiert und ihnen gleichzeitig den Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung ermöglicht – immer unter sorgfältiger Einzelfallprüfung durch qualifizierte Fachkräfte.

Es bleibt zu hoffen, dass Neuseeland und andere Länder diese restriktiven Maßnahmen überdenken und stattdessen einen Weg einschlagen, der auf wissenschaftlicher Evidenz, medizinischer Sorgfalt und vor allem auf dem Wohl der betroffenen jungen Menschen basiert.


"Lebewohl, lieber Junge": Draven Bennington schreibt berührendes Gedicht zu ihrer Trans-Identität

Zur Trans Awareness Week hat Draven Bennington, die trans Tochter von Chester Bennington, dem verstorbenen Frontmann von Linkin Park, ein herzliches Gedicht an ihr früheres Selbst geteilt. Das bewegende Gedicht auf Instagram, das mit "Dear Boy" beginnt und neben einem alten auch ein aktuelles Foto zeigt, gibt tiefe Einblicke in die Transition einer jungen Frau – und berührt damit nicht nur die LGBTQ+ Community weltweit, sondern auch zahlreiche Fans in Deutschland.

Trans Awareness Week: Eine Zeit der Sichtbarkeit

Die Trans Awareness Week findet vom 13. bis 19. November statt und macht auf die Lebensrealitäten von trans, nicht-binären und genderdiversen Menschen aufmerksam. Die Woche endet am 20. November mit dem Trans Day of Remembrance, an dem wir der trans Menschen gedenken, die durch Hass und Gewalt ihr Leben verloren haben. Auch in Deutschland ist diese Woche von besonderer Bedeutung: Das Deutsche Institut für Menschenrechte erinnert zu Beginn der Awareness Week an die anhaltend hohe psychische Belastung junger trans Menschen in Deutschland.

Zahlen der Europäischen Grundrechteagentur verdeutlichen das Ausmaß: Mehr als die Hälfte der befragten trans Jugendlichen in Deutschland hatte in dem vorangehenden Jahr Suizidgedanken – bei trans Männern im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sogar mehr als 80 Prozent. Diese erschreckenden Statistiken unterstreichen, wie wichtig Sichtbarkeit, Unterstützung und Geschichten wie die von Draven sind.

Ein Abschied voller Hoffnung

In ihrem poetischen Brief an ihr früheres Ich schreibt Draven über den bittersüßen Prozess des Abschieds von der Person, die sie einmal war. Sie reflektiert über die Verwirrung und den Schmerz, den sie empfand, als ihr Körper sich nicht mit ihrem Gehirn verbunden anfühlte. Besonders bewegend ist ihre Frage, ob die Schmerzen der Vergangenheit sie auf eine "schöne Weise" geformt haben – und ob sie ohne diese Erfahrungen heute dieselbe Person wäre.

Draven erzählte ihren Followern, dass sie sich im August 2024 als trans outete und mit der geschlechtsangleichenden Behandlung, einschließlich Hormonersatztherapie (HRT), begann. "Ich habe mich für den Weg des Glücks und der Wahrhaftigkeit entschieden", erklärte sie. "Es war die beste Entscheidung, die ich je in meinem Leben getroffen habe".

Ein Echo in Deutschland: Trans Kinder brauchen Unterstützung

Dravens Geschichte findet auch in Deutschland großen Widerhall. Eine Studie zeigt: Aus Angst vor Ablehnung verbergen trans Kinder und Jugendliche oft ihre geschlechtliche Identität, und die Spanne zwischen dem Bewusstwerden des Trans-Seins und einem Coming-out umfasst meist mehrere Jahre. Tatsächlich berichten 70% der befragten 14-27-Jährigen von schlechten Erfahrungen innerhalb der engeren Familie.

Da Kinder und Jugendliche besonders von den Reaktionen ihrer Familie, Freunde und Mitschüler abhängig sind, stellen sie unter den transidenten Personen eine besonders vulnerable Gruppe dar. Erfahren sie in diesen Bereichen größtenteils Anerkennung und Unterstützung, unterscheidet sich das Stresslevel oftmals nicht signifikant von dem der Altersgenossen. Die positive Reaktion, die Draven erfuhr, ist leider nicht die Regel: Viele trans Jugendliche kämpfen mit Ablehnung und Diskriminierung.

Über Grenzen hinweg: Linkin Park und Deutschland

Chester Bennington war mit seiner ersten Frau, Samantha Marie Olit, ab dem 31. Oktober 1996 verheiratet. Gemeinsam hatten sie ein Kind, Draven, geboren 2002, die sich 2024 als transgender outete. Benningtons Beziehung zu seiner ersten Frau verschlechterte sich während seiner frühen Jahre mit Linkin Park, und sie ließen sich 2005 scheiden. Chester Bennington, der 2017 verstarb, hatte während seiner Karriere eine besonders enge Verbindung zu deutschen Fans aufgebaut – Linkin Park füllten hierzulande regelmäßig Stadien.

Die Resonanz auf Dravens Coming-out war überwältigend positiv. Ein Follower schrieb, sie sei "eine der schönsten, erstaunlichsten Seelen", während ein anderer kommentierte: "Ich bin so stolz auf dich, Draven, und dein Vater wird auch stolz auf dich sein. Er hat dich so sehr geliebt."

Ein Aufruf zur Akzeptanz

Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, betont: "Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht für alle. Doch viele trans Menschen erfahren in ihrem Alltag das Gegenteil: fehlende gesellschaftliche Anerkennung, Anfeindungen, Isolation. Diese anhaltende Diskriminierungserfahrung wird dann oft auch gegen die eigene Person gerichtet – in Form von Selbstzweifeln bis hin zu Selbstmordgedanken".

Dravens Gedicht endet mit den Worten: "So ruhe nun diese Augen, ruhe aus... Lebewohl, lieber Junge, in Träumen wirst du bleiben." Es ist ein Abschied, der zugleich ein Neuanfang ist – und eine Botschaft der Hoffnung für alle trans Menschen, die noch auf ihrem Weg sind. Geschichten wie diese erinnern uns daran, dass Trans Rechte Menschenrechte sind und trans Personen Schutz, Respekt und die Möglichkeit verdienen, selbstbestimmt zu leben – ohne Angst vor Ausgrenzung oder Gewalt.

Mehr Informationen zur Situation von trans Jugendlichen in Deutschland und Unterstützungsangebote für Familien finden sich bei verschiedenen deutschen Organisationen.


Mainz setzt historisches Zeichen: Erstmals Trans-Fahne am Transgender Day of Remembrance gehisst

Am 20. November 2025, dem weltweiten Transgender Day of Remembrance, hisste die Stadt Mainz erstmals offiziell die Trans-Fahne vor dem Stadthaus Große Bleiche. Mit dieser symbolträchtigen Geste setzte Oberbürgermeister Nino Haase ein kraftvolles Zeichen der Solidarität mit trans*, inter* und genderdiversen Menschen – in einer Zeit, in der die Zunahme queerfeindlicher Straftaten in Deutschland erschreckend ist und von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss.

Ein Zeichen gegen Diskriminierung und Gewalt

"Mit dem heutigen Hissen der Transgender-Fahne möchten wir deutlich machen, dass Mainz eine Stadt ist, in der jede Person gesehen, geschützt und respektiert wird", erklärte der parteilose Oberbürgermeister Nino Haase bei der Zeremonie. Seine Worte verdeutlichen die Dringlichkeit: "Der Transgender Day of Remembrance mahnt uns, Diskriminierung und Gewalt entschieden entgegenzutreten."

Der Transgender Day of Remembrance geht auf das Jahr 1999 zurück und wurde von der Transgender-Aktivistin Gwendolyn Ann Smith ins Leben gerufen, um die Erinnerung an Rita Hester zu ehren, eine trans Frau, die 1998 ermordet wurde. Seitdem wird am 20. November weltweit der Opfer von Übergriffen gegen trans* Menschen gedacht.

Erschreckende Zahlen: Gewalt gegen trans* Menschen weltweit und in Deutschland

Die Notwendigkeit solcher Gedenktage zeigt sich in den erschütternden Statistiken: In den Jahren 2008 bis 2023 wurden weltweit 4.690 Morde an trans* Personen bekannt, 107 in der EU und drei in Deutschland – besonders häufig betroffen sind BPoCs und trans* Frauen. Doch diese Zahlen erzählen nur einen Teil der Geschichte.

In Deutschland wurden im Jahr 2023 rund 1.500 Delikte gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst, womit ihre Zahl das sechste Jahr in Folge stieg und einen deutlichen Höchststand erreichte. Dabei handelt es sich jedoch nur um die dokumentierten Fälle. Lediglich 8 Prozent der trans* Frauen, 10 Prozent der trans* Männer und 10 Prozent der nicht-binären Personen haben den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei angezeigt.

Die Gründe für die niedrige Anzeigequote sind vielfältig: 45 Prozent der trans* Frauen, 48 Prozent der trans* Männer und 49 Prozent der nicht-binären Personen glaubten nicht, dass eine Anzeige etwas bringen würde; 53 Prozent der trans* Frauen, 40 Prozent der trans* Männer und 48 Prozent der nicht-binären Personen haben kein Vertrauen in die Polizei. Diese Zahlen verdeutlichen die tiefe Verunsicherung in der Community.

Partnerschaft mit der dgti: Mehr als symbolische Gesten

Kooperationspartnerin der Stadt Mainz bei dieser bedeutsamen Aktion war die Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit (dgti). Die dgti ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für die Belange von transidenten, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen einsetzt und ihnen Unterstützung auf verschiedenen Ebenen bietet.

Petra Weitzel, Vorsitzende der dgti, betonte die Bedeutung des gemeinsamen Auftretens: "Der Transgender Day of Remembrance ist ein Tag des Gedenkens – aber auch ein Tag der Ermutigung." Die Fahnenhissung zeige, dass die Stadt Mainz an der Seite von trans* und inter* Menschen steht, und die Gemeinschaft brauche verlässliche Unterstützung, gerade in Zeiten, in denen Diskriminierung weiterhin Realität ist.

Die dgti engagiert sich seit Jahren für die Rechte und Unterstützung der trans*-Community in Mainz und in Deutschland und bietet wichtige Beratungsangebote auch in Mainz an – etwa für Menschen, die Begleitung bei ihrer Transition oder bei rechtlichen Fragen suchen.

Ein lebendiges Zeichen der Solidarität

Die Fahnenhissung in Mainz reiht sich ein in eine Vielzahl weltweiter Aktionen zum Transgender Day of Remembrance. Rund um den TDoR finden weltweit Aktionen wie Workshops, Mahnwachen und Kunstprojekte statt, in den sozialen Medien lenken Hashtags wie #TDOR Aufmerksamkeit auf die Anliegen der Trans*-Community, zudem ist es möglich, an virtuellen Gedenkveranstaltungen teilzunehmen.

Während andere deutsche Städte in jüngster Zeit Diskussionen über das Hissen der Deutschlandflagge führten, setzte Mainz bewusst ein anderes Signal. Mit dem erstmaligen Hissen der Transgender-Fahne vor dem Stadthaus Große Bleiche zeigt Mainz unmissverständlich, wofür die Stadt steht: für Vielfalt, für Schutzräume und für den entschlossenen Einsatz gegen jede Form von Diskriminierung – ein sichtbares Bekenntnis, das nicht nur die lokale Community stärkt, sondern auch eine wichtige Botschaft nach außen trägt.

Der Alltag trans* Menschen: Leben in ständiger Alarmbereitschaft

Hinter den Statistiken verbergen sich individuelle Geschichten von Menschen, die täglich mit Diskriminierung konfrontiert sind. 48 Prozent der trans* Frauen, 37 Prozent der trans* Männer und 25 Prozent der nicht-binären Personen vermeiden oft oder immer bestimmte Plätze und Orte aus Angst vor Gewalt oder Belästigung. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es sich nicht um abstrakte Bedrohungen handelt, sondern um reale Ängste, die den Alltag vieler trans* Menschen prägen.

32 Prozent der trans* Frauen, 21 Prozent der trans* Männer und 18 Prozent der nicht-binären Personen wurden in den letzten fünf Jahren angegriffen, weil sie LSBTIQ* sind. Diese Zahlen machen deutlich: Der Kampf für Akzeptanz und Gleichstellung ist noch lange nicht gewonnen.

Ein Vorbild für andere Kommunen

Die Aktion in Mainz könnte Signalwirkung für andere Städte in Deutschland haben. In einer Zeit, in der queerfeindliche Gewalt als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden muss, braucht es mutige politische Zeichen. Die erstmalige Fahnenhissung in Mainz ist mehr als eine symbolische Geste – sie ist ein Bekenntnis zu einer vielfältigen, inklusiven Stadtgesellschaft.

Für die trans*, inter* und genderdiversen Menschen in Mainz bedeutet diese Aktion Sichtbarkeit, Anerkennung und das Gefühl, nicht allein zu sein. In Zeiten, in denen die Rechte von trans* Menschen zunehmend in Frage gestellt werden, sendet Mainz ein klares Signal: Hier seid ihr willkommen, hier werdet ihr geschützt, hier habt ihr einen Platz.


"Eine globale Krise der Menschenrechte" – Trans* Menschen gedenken der Opfer transfeindlicher Gewalt

Am 20. November, dem Transgender Day of Remembrance, kommen trans*, nicht-binäre und genderdiverse Menschen weltweit zusammen, um der Opfer transfeindlicher Gewalt zu gedenken. Das Trans Murder Monitoring Projekt (TMM) der Menschenrechtsorganisation TGEU meldet in den vergangenen 12 Monaten weltweit 350 Morde – eine erschütternde Bilanz, die trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Menschen, die aufgrund von Gewalt, Diskriminierung und Hass ihr Leben verloren haben, sichtbar machen soll.

Transfeindliche Gewalt ist kein Randphänomen

"Gewalt gegen trans*, nicht-binäre und gender-nonkonforme Personen ist kein gesellschaftliches Randphänomen, sondern Ausdruck einer globalen Krise der Menschenrechte", erklärt Robin Ivy Osterkamp, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Trans*. Die Organisation setzt sich bundesweit für die Menschenrechte, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe von trans* Personen ein.

350 trans und genderdiverse Menschen wurden zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 30. September 2024 weltweit ermordet – die Gesamtzahl dokumentierter Morde hat damit die Marke von 5.000 Fällen seit 2008 überschritten. Die meisten getöteten Personen waren trans* Frauen oder trans*feminine Personen, die Schwarz, indigen, migrantisiert und_oder of Colour waren. 94% der gemeldeten Morde waren Femizide, und Sexarbeiter*innen bleiben die am stärksten gefährdete Gruppe.

Politische Attacken verschärfen die Situation

Die politischen Angriffe auf trans* Menschen haben sich in den letzten Jahren weltweit verschärft. Nach dem Amtsantritt von Donald Trump in den USA im Januar verbot er trans* Menschen etwa, im Militär zu dienen oder sich am Schul- oder Unisport zu beteiligen. In Deutschland übernahm die AfD transfeindliche Rhetorik und bezeichnete die Anerkennung geschlechtlicher Minderheiten als "Dekadenz". In Berlin wählte die AfD einen Mann auf ihre Landesliste, der offen die "Ausrottung" von trans* Menschen fordert. Auch aus der Union kommen zunehmend transfeindliche Töne mit der Forderung, trans* Menschen das Recht auf Selbstbestimmung wieder zu entziehen.

In Deutschland stieg die Zahl erfasster Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung im Jahr 2024 um 17,75% auf 1.765, während Straftaten aufgrund geschlechtsbezogener Diversität um 34,89% auf 1.152 zunahmen. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Besonders gravierend ist der Anstieg queer- und transfeindlicher Gewalttaten um 40% im Vergleich zum Vorjahr, wie Opferberatungsstellen dokumentieren.

Gedenken in vielen deutschen Städten

In ganz Deutschland finden am 20. November Protestaktionen und Gedenkveranstaltungen statt. In Karlsruhe versammeln sich Menschen um 18:30 Uhr am Platz der Grundrechte, in Mannheim um 17 Uhr am Marktplatz und in Stuttgart um 18 Uhr an der Königstraße. In Frankfurt am Main beginnt die Gedenkveranstaltung um 18 Uhr am Römerberg, in Magdeburg um 19 Uhr an der Magnus Hirschfeld Gedenktafel. Hamburg startet bereits um 16 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Heidi-Kabel-Platz.

Die Geschichte des Trans Day of Remembrance

Der Transgender Day of Remembrance wurde 1999 von Gwendolyn Ann Smith, Nancy Nangeroni und Jahaira DeAlto gegründet, um der ermordeten Schwarzen trans* Frau Rita Hester zu gedenken, die am 28. November 1998 in Allston, Massachusetts, ermordet wurde. Anders als beim Mord an dem jungen schwulen Mann Matthew Shepard, der sich nur sechs Wochen vorher ereignet hatte, gab es fast keine Berichterstattung über Hester.

Rita Hester wurde in ihrer Wohnung zwanzigmal von einem unbekannten Täter erstochen – ihr Mord ist bis heute ungeklärt. Eine Mahnwache zu ihrem Gedenken am 4. Dezember versammelte etwa 250 Menschen. Trans* Aktivist*innen waren damals außer sich, dass die Öffentlichkeit offenbar wenig Interesse am Tod einer Schwarzen trans* Frau zeigte. Sie begannen mit öffentlichen Aktionen, um auf die Gewalt gegen trans* Menschen aufmerksam zu machen.

Dringender Handlungsbedarf

"Wir erleben weltweit und auch in Deutschland eine politische und gesellschaftliche Entwicklung, die trans* und queeres Leben zunehmend delegitimiert und angreifbar macht", betont Robin Ivy Osterkamp. Hier müsse "durch Schutz, Aufklärung und Solidarität" gegengesteuert werden. Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an, erklärt auch das Bundesinnenministerium in seinem aktuellen Lagebericht zur Sicherheit von LSBTIQ* Menschen.

Der Transgender Day of Remembrance ist mehr als ein Gedenktag – er ist ein Appell an die Gesellschaft und Politik, entschlossen gegen transfeindliche Gewalt vorzugehen und die Menschenrechte aller Menschen zu schützen.


Wenn Bahnhöfe zu Kampfzonen werden: Der Regenbogen gegen rechte Vereinnahmung

In der mecklenburgischen Kleinstadt Bützow ist ein Bahnhof zum Symbol eines größeren Konflikts geworden, der Deutschland derzeit spaltet. Die Deutsche Bahn brachte laut NDR über dem Ortsschild ein Schild mit der Aufschrift "Bunt sind wir stärker" und einer stilisierten Regenbogenfahne an – als direkte Reaktion auf am Bahnhofsgebäude seit Sommer angebrachte Fahnen der rechtsextremen AfD. Der Vorfall, über den queer.de berichtet, wirft grundlegende Fragen auf: Wem gehört der öffentliche Raum? Und wie weit geht das Recht auf Meinungsäußerung, wenn es um menschenfeindliche Ideologien geht?

Ein Bahnhof als Politikum

Die Ausgangslage ist kompliziert: Das Bützower Bahnhofsgebäude befindet sich seit dem 29. August 2014 in Privatbesitz von Poppe Gerken. Der Landwirt hat in der Zeit, seitdem er sich für die AfD geoutet hat, vier Kündigungen erhalten – seine Bank, die seinen Hof und Bahnhof vermarkten sollte, und sein Steuerbüro kündigten ihm. Da das Gebäude in Privatbesitz ist und eine politische Nutzung im Kaufvertrag nicht verboten ist, kann die Stadt nichts dagegen unternehmen.

Für die AfD ist die Situation ein PR-Coup: Der AfD-Landtagsabgeordnete Martin Schmidt veröffentlichte etwa im Juni in sozialen Medien ein Video, in dem er triumphierend schrieb: "Bützow ist erobert, die Flaggen wehen." Die Station in der knapp 8.000 Einwohner*innen zählenden Stadt, in der bei der diesjährigen Bundestagswahl rund 46 Prozent die rechtsextreme Partei gewählt hatten, bezeichnete Schmidt außerdem als "AfD-Bahnhof". Diese Wortwahl – "erobert" – ist bewusst gewählt und erinnert an militärische Terminologie, die zeigt, wie die extreme Rechte den öffentlichen Raum als Schlachtfeld begreift.

Die Deutsche Bahn setzt ein Zeichen

Die Reaktion der Deutschen Bahn mag symbolisch erscheinen, doch sie ist bedeutsam. Ein Sprecher der Deutschen Bahn erklärte gegenüber dem NDR: "Weil wir ein weltoffenes, internationales und diverses Unternehmen und stolz auf unsere bunte Belegschaft sind, setzen wir bewusst auf Vielfalt. Wir sind Gastgeber für Menschen jedweder Herkunft, sexueller Orientierung und Religion, jedweden Geschlechts und Alters".

Das Engagement der Deutschen Bahn für LGBTIQ*-Rechte hat dabei Tradition. Die Deutsche Bahn engagiert sich bereits seit Jahren für LGBTI-Rechte. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Richard Lutz steht als Schirmherr für die Vielfaltsdimension "LSBTIQ*" ein. Gemeinsam mit dem Vorstand für Personal und Recht, Martin Seiler, hisst er seit 2019 zum Pride Monat die Regenbogenfahne am Berliner Hauptbahnhof. Das Employee Resource Group Railbow setzt sich seit 2011 für Diversity im Konzern ein.

Wenn Pendler*innen sich schämen

Die Auswirkungen der AfD-Flaggen sind real und schmerzhaft. Bürgermeister Christian Grüschow (parteilos) sagte im Juni: "Unser Bahnhof ist seit jeher Ankommens- und Willkommensort – ein Ort der Offenheit und der Begegnung. Eine politische Vereinnahmung lehne ich daher kategorisch ab!" Doch die Stadt ist machtlos.

Die Stadtverwaltung erreichen E-Mails von Reisenden, die sich an den Fahnen stören. Ein Mann nannte die Fahnen "beschämend". Eine Frau schrieb, dass die Fahnen sie "zutiefst schockiert" hätten. Ein Dritter warf die Frage auf: "Bützow ist eine Nazistadt?" Diese Reaktionen zeigen, welchen Imageschaden eine Stadt erleidet, wenn rechtsextreme Symbolik ihr Gesicht prägt.

Widerstand formiert sich

Die Zivilgesellschaft reagierte: Unter dem Motto "Bützow bleibt bunt – keine AfD-Flaggen am Bahnhof Bützow" fand eine Demo statt. Von rund 150 Teilnehmern und einer friedlichen Versammlung, die zum Großteil störungsfrei ablief, berichteten Polizei und Bundespolizei. Zeitgleich versammelten sich rund 50 Personen – mutmaßlich aus dem rechtsextremen Spektrum. Einige Teilnehmende trugen ihre politische Meinung auf T-Shirts und Plakaten – darunter AfD-Logos, Wehrmachtssymbole und Szenemotive.

Die Zukunft: Ein "AfD-Bahnhof"?

Die Situation könnte sich weiter verschärfen: Der augenblickliche Besitzer hat laut einem "Spiegel"-Bericht vom Juli angeboten, das Gebäude an die AfD zu verkaufen – als neue Landeszentrale. Schon jetzt trifft sich der Stadtverband der rechtsextremen Partei im Bahnhof. Der gegenwärtige Besitzer versucht eigenen Angaben zufolge bereits seit 2021, das Bahnhofsgebäude zu verkaufen. Zunächst habe er damals 1,45 Millionen Euro verlangt – inzwischen ist das Objekt für 650.000 Euro bei Immoscout verfügbar.

Der Kontext: AfD-Erfolge in Mecklenburg-Vorpommern

Der Fall Bützow steht nicht isoliert. In Mecklenburg-Vorpommern ist die AfD bei der Bundestagswahl die stärkste Kraft – mit 35,0 Prozent der Wählerstimmen. Die CDU kommt auf 17,8 Prozent, die SPD auf 12,4 Prozent. Alle sechs Wahlkreise gingen an die AfD. Diese Zahlen erklären, warum rechtsextreme Akteure wie Schmidt so triumphierend auftreten.

Doch Wahlerfolge allein legitimieren nicht die Vereinnahmung öffentlicher Räume durch menschenfeindliche Ideologie. Der Bürgermeister verweist darauf: Die AfD nimmt rund elf Prozent der Sitze in der Stadtvertretung ein – von "erobert" kann also keine Rede sein.

Symbole im Kampf um Deutungshoheit

Die Regenbogenfahne ist in Deutschland zu einem umkämpften Symbol geworden. Während Staatsrechtler Christoph Degenhart feststellt, die Regenbogenfahne werde überparteilich verwendet und könne deshalb "nicht als Stellungnahme für oder gegen eine bestimmte Partei oder politische Richtung unter missbräuchlichem Einsatz der Amtsautorität interpretiert werden", sieht die AfD das anders: AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch bezeichnete die Regenbogenfahne beim "Demo für alle"-Kongress als "politisches extremes Symbol".

Diese Umdeutung ist Teil einer Strategie: Was als Zeichen für Menschenwürde und Gleichberechtigung gedacht ist, wird zum "politischen" Symbol erklärt, um es zu delegitimieren. Das Verwaltungsgericht Dresden hatte 2020 geurteilt, dass mit der Flagge keine Weltanschauung bekundet werde. "Die Regenbogenfahne ist nach derzeitigem gesellschaftlichem Verständnis ein Zeichen der Toleranz und Akzeptanz, der Vielfalt von Lebensformen".

Was bleibt?

Der Bahnhof von Bützow ist zu einem Mikrokosmos größerer gesellschaftlicher Kämpfe geworden. Die Deutsche Bahn hat mit ihrem Regenbogenschild ein wichtiges Zeichen gesetzt – doch es bleibt symbolisch. Die eigentliche Frage ist, wie Demokratie und Zivilgesellschaft auf rechtsextreme Raumnahme reagieren, wenn rechtliche Mittel fehlen.

Was in Bützow passiert, ist mehr als ein lokaler Streit um Flaggen. Es ist ein Kampf darum, welche Werte unsere öffentlichen Räume prägen sollen: Offenheit und Vielfalt – oder Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit. Die Regenbogenfahne über dem Ortsschild mag klein sein, doch sie sendet eine klare Botschaft: Bützow lässt sich nicht kampflos vereinnahmen.


Pride Champion Index 2025: Qualität vor Quantität – Warum weniger Unternehmen mehr Engagement zeigen

Die Zahlen scheinen auf den ersten Blick ernüchternd: Nur noch 46 Unternehmen und Institutionen beteiligten sich am aktuellen Pride Champion Index 2025 der Berliner Uhlala Group – im Vorjahr waren es noch 54, und 2023 sogar mehr als 70 Teilnehmende. Doch hinter diesem Rückgang verbirgt sich eine ermutigende Entwicklung: Die teilnehmenden Organisationen zeigen messbare Fortschritte in ihrem LGBTIQ+ Diversity Management, wobei Großunternehmen mit durchschnittlich 90 Prozent einen "historischen Höchstwert" erreichen.

Ein Signal in polarisierten Zeiten

Der Pride Champion Index, der seit 2019 veröffentlicht wird, ist mehr als ein bloßes Ranking. Das Audit bietet Unternehmen und Öffentlichen Institutionen die Möglichkeit, ihr Diversity Management im Bereich LGBTIQ+ von Diversity-Expert:innen prüfen und auszeichnen zu lassen. Stuart Bruce Cameron, Gründer der Uhlala Group, betont die Bedeutung gerade in der aktuellen Zeit: "2025 ist das Jahr, in dem sichtbar wird, welche Organisationen ihre Werte nicht nur formulieren, sondern sie messbar machen. Die Teilnahme am Pride Champion Audit ist kein Imageprojekt, sondern eine bewusste Entscheidung für Verantwortung. In Zeiten politischer Polarisierung zeigt sich, wer wirklich Haltung zeigt."

Diese Worte bekommen besondere Relevanz vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen. Während auf Druck von Donald Trump etliche Firmen in den USA ihre Diversitätsprogramme beenden, machen Unternehmen in Deutschland nicht mit – im Gegenteil: Die Charta der Vielfalt hat derzeit großen Zulauf.

Versicherungen an der Spitze, Rechtswesen mit Nachholbedarf

Die Ergebnisse zeigen deutliche Branchenunterschiede: Versicherungen gingen mit rund 99 Prozent als Sieger hervor, während die Rechtsbranche mit 72 Prozent das Schlusslicht bildet. Zu den Unternehmen, die die volle Punktzahl erreichten, gehören der Leverkusener Chemieriese Bayer, die Kölner Supermarktkette Rewe und das Berliner Versicherungsunternehmen Allianz.

Das ITZBund ist als einzige Organisation aus dem öffentlichen Dienst im Pride Index vertreten und zählt zu den Arbeitgebern in Deutschland, die Maßstäbe für die LGBTIQ+-Inklusion am Arbeitsplatz setzen. Die Bundesbehörde verbesserte sich gegenüber dem Vorjahr um rund zehn Prozentpunkte und gelangte erstmals vom Gold- in den Platinstatus.

Warum authentisches Engagement zählt

Der Fragebogen zum Pride Index orientiert sich an der Unternehmensgröße und Organisationsform und besteht aus 40 bis 86 Fragen, die in die Themenblöcke Organisationsstruktur, Human Resources, Kommunikation & Sichtbarkeit und rechtlicher Rahmen & Regelungen eingeteilt sind. Diese umfassende Prüfung unterscheidet echtes Engagement von oberflächlichem "Pinkwashing".

Für queere Menschen in Deutschland ist der Index zu einem wichtigen Orientierungswerkzeug geworden. Der Index soll für queere Menschen ein Kompass bei der Suche nach Arbeitgebenden darstellen, die sich für eine diversitysensible und wertschätzende Kultur am Arbeitsplatz einsetzen. Gleichzeitig zeigt er Unternehmen auf, wo noch Handlungsbedarf besteht.

Die wirtschaftliche Dimension von Diversity

Dass queere Inklusion nicht nur eine ethische, sondern auch eine ökonomische Dimension hat, belegen zahlreiche Studien. Firmen mit queerfreundlichen Richtlinien haben mehr Erfolg als Firmen, die keinen Wert auf LGBTI-Vielfalt legen, wie eine aktuelle finnische Studie zeigt. Menschen, die ihre sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz verstecken, verlieren schätzungsweise rund 20 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit, erklärt Matthias Weber vom Völklinger Kreis, einem Netzwerk homosexueller Führungskräfte.

Michaela Jaap, Vorständin bei der Charta der Vielfalt, erklärt: "Es gibt natürlich die großen, amerikanisch geprägten Unternehmen, die dem Druck nachgeben. Es gibt aber sehr viel mehr große Unternehmen, die das eben nicht tun." Die Charta der Vielfalt habe aktuell einen "sehr starken Zulauf" von kleinen und mittelständischen Unternehmen: "Wir hatten noch nie so viele neue Unterzeichnende wie aktuell".

Netzwerke als Erfolgsfaktor

Besonders erfolgreich sind Unternehmen, die interne LGBTIQ+-Netzwerke fördern. Das Netzwerk DITO bei der Rewe Group ist ein starkes Zeichen für Vielfalt und Inklusion und schafft deutschlandweit Akzeptanz und Unterstützung für LGBTQIA+ Mitarbeitende, was Zufriedenheit und Innovationskraft steigert. Solche Strukturen schaffen sichere Räume, in denen sich Mitarbeitende authentisch zeigen können.

Ein internes Netzwerk von LGBTQIA+-Mitarbeiter:innen schafft einen sicheren Raum am Arbeitsplatz. Unternehmen, die eine inklusive Kultur leben, zeigen eine erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit sowie ein positives und wertschätzendes Arbeitsumfeld. In einem Arbeitsumfeld ohne Vorurteile und Diskriminierung können Mitarbeiter:innen ihr volles Potenzial besser nutzen und entfalten.

Herausforderungen bleiben bestehen

Trotz aller Fortschritte bleibt viel zu tun. Laut DIW Berlin erleben immer noch 30 Prozent der LGBTQI+-Personen Diskriminierung im Arbeitskontext. Die Gründe für den Rückgang der Teilnehmerzahlen am Pride Champion Index sind vielfältig und spiegeln möglicherweise auch die Tatsache wider, dass etwas mehr als ein Drittel der Befragten in Deutschland Programme für queere Mitarbeitende befürworten, während 43 Prozent sich neutral äußern.

Doch die Botschaft des aktuellen Pride Champion Index ist klar: Qualität geht vor Quantität. Die Unternehmen, die sich beteiligen, tun dies mit wachsender Ernsthaftigkeit und messbaren Ergebnissen. In einer Zeit, in der andere Regionen Rückschritte machen, setzen deutsche Unternehmen ein starkes Zeichen für Vielfalt und Wertschätzung – und profitieren nachweislich davon.


Posthume Verurteilung in Russland: Wenn der Tod nicht das Ende der Verfolgung ist

Ein Jahr nach seinem Tod in Haft hat ein Moskauer Gericht den Reisebüro-Betreiber Andrei Kotov posthum wegen "extremistischer Taten" verurteilt. Der 48-Jährige starb im Dezember 2024 in Untersuchungshaft – nach offiziellen Angaben durch Suizid. Das Moskauer Golovinskij-Bezirksgericht fand ihn am 14. November 2025 schuldig der Organisation und Teilnahme an extremistischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der verbotenen "internationalen LGBT-Bewegung" (Originalquelle: queer.de). Doch dieser Fall wirft grundlegende Fragen über Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde und die zunehmende Verfolgung queerer Menschen in Russland auf – Fragen, die auch für Deutschland relevant sind.

Eine Anklage, die keiner Beweise bedarf

Kotov hatte in der russischen Hauptstadt das Reisebüro "Men Travel" betrieben, das kommerzielle Reisen für schwule Männer organisiert haben soll. Im November 2024 beschrieb Kotov seine Festnahme vor Gericht: "15 Leute sind in der Nacht zu mir gekommen, haben mich verprügelt und mir ins Gesicht geschlagen". Seine Anwältin warf den Behörden vor, ihren Mandanten mit Elektroschocks gefoltert sowie ihm Medikamente und warme Kleidung verweigert zu haben.

Mehrere Zeugen erschienen nicht vor Gericht oder lieferten widersprüchliche Aussagen. Ein von den Ermittlungsbehörden bestellter Zeuge sollte Material für den Fall sammeln, konnte aber keine klaren Beweise vorlegen. Zu Lebzeiten hatte Kotov alle Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, lediglich ein normales Reisebüro betrieben zu haben.

Posthume Verurteilungen: Ein rechtsstaatlicher Widerspruch

Posthume Verurteilungen sind in Russland ungewöhnlich und widersprechen eigentlich der russischen Verfassung. Im Fall Kotov hatte die Mutter des Verstorbenen darauf bestanden, einen Prozess durchzuführen, um die Unschuld ihres Sohnes zu beweisen – mit verheerendem Ausgang. Die Richter verurteilten Kotov posthum in allen Punkten schuldig, verzichteten lediglich auf das Verlesen einer posthumen Haftstrafe.

Die Praxis der posthumen Verurteilung ist in Russlands Rechtssystem nicht neu. Bereits 2013 wurde der Anwalt Sergei Magnitski posthum verurteilt, nachdem er im November 2009 in Untersuchungshaft durch Herzversagen gestorben war. Sein Tod löste international großes Echo aus, der US-Kongress verabschiedete daraufhin die sogenannte Magnitski-Liste. In Deutschland würde eine solche Praxis als klarer Verstoß gegen Artikel 1 des Grundgesetzes – die Würde des Menschen ist unantastbar – gelten.

Die systematische Verfolgung der LGBTQ+ Community

Ende 2023 hatte das Oberste Gericht Russlands die nicht näher definierte "internationale LGBT-Bewegung" als extremistisch eingestuft und im Frühjahr 2024 wurde sie auf die Terrorliste gesetzt. Seitdem drohen für entsprechende Aktivitäten bis zu zehn Jahre Haft. Diese Einstufung ermöglicht willkürliche Verfolgung: Die Richter stellten nicht klar, wer genau unter die "LGBT-Bewegung" fällt, wodurch der Spielraum der Behörden enorm groß ist.

Eine Studie des University College Dublin zeigt, dass homophobe Gewalt nach Verabschiedung des "Anti-Propaganda-Gesetzes" von 2013 zugenommen hat. Von 2010 bis 2020 wurden 1.056 Hassverbrechen gegen 853 Personen festgestellt, von denen 365 tödlich endeten. Die Anzahl der Verbrechen nach Verabschiedung des Gesetzes beträgt das Dreifache im Vergleich zu der Zeit davor.

Deutschland und die Verantwortung gegenüber queeren Geflüchteten

Der Fall Kotov verdeutlicht die dramatische Lage queerer Menschen in Russland. Der LSVD fordert die Bundesregierung, insbesondere Außenministerin Baerbock und Innenministerin Faeser, dringend auf, verfolgte und besonders schutzbedürftige LSBTIQ* aus Russland aufzunehmen. Dies ist gemäß dem Aktionsplan "Queer leben" der Bundesregierung und den Leitlinien für eine feministische Außenpolitik dringend geboten.

Die Organisation Quarteera e.V., ein Verein von LGBTQ+-Personen aus Russland in Deutschland, unterstützt Geflüchtete bei Asylverfahren. Im September 2013 erhielt ein 26-jähriger schwuler Mann aus Nowosibirsk mit Unterstützung von Quarteera politisches Asyl in Deutschland – der erste Fall eines homosexuellen Russen, der in Deutschland Asyl erhielt. Doch die Hürden bleiben hoch.

Nach aktueller deutscher Rechtsprechung droht homosexuellen Personen in der Russischen Föderation mit Ausnahme des Nordkaukasus keine flüchtlingsrelevante Gruppenverfolgung – jedenfalls für Personen, die nicht öffentlich als LGBTI-Aktivisten auftreten oder durch ihr äußeres Erscheinungsbild auffallen. Damit sind die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung nicht erfüllt. Diese restriktive Auslegung wird der Realität nicht gerecht, wie der Fall Kotov zeigt: Er betrieb lediglich ein Reisebüro.

Ein Rechtssystem als Waffe

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schafft den notwendigen Ausgleich für die erheblichen Defizite des russischen Justizsystems. Im Jahr 2016 wurde die Russische Föderation in über 200 Fällen wegen einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt. Ungewöhnlich hoch sind die russischen Konventionsverstöße wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.

Die posthume Verurteilung Kotovs reiht sich ein in eine besorgniserregende Entwicklung: Das Urteil gegen Anwälte macht Verteidiger zu Mittätern bei einem Vergehen, nur weil sie verteidigen. Es öffnet Folter und Fälschungen von Beweisen Tor und Tür. Auch die drei Anwälte des verstorbenen Oppositionellen Alexej Nawalny wurden im Januar 2025 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt – ein Signal an alle Juristen.

Was bleibt

Andrei Kotov ist tot. Sein Prozess fand ohne ihn statt. Er konnte sich nicht verteidigen, keine Zeugen befragen, keine Beweise vorlegen. Trotzdem wurde er verurteilt. Diese kafkaeske Realität zeigt, wie weit sich Russland von rechtsstaatlichen Prinzipien entfernt hat.

Für Deutschland bedeutet dies eine klare Verantwortung: Queere Menschen aus Russland brauchen realistischen Zugang zu Asyl. Die aktuelle Rechtsprechung, die nur bei öffentlich sichtbarem Aktivismus von Verfolgung ausgeht, wird der Realität nicht gerecht. Jeder, der als Teil der "LGBT-Bewegung" wahrgenommen wird – und das kann bereits der Betrieb eines Reisebüros sein – ist gefährdet.

Der Fall Kotov erinnert uns daran, dass Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit sind. Sie müssen aktiv verteidigt werden – auch über Grenzen hinweg. Deutschland hat mit seiner Geschichte eine besondere Verpflichtung, Verfolgten Schutz zu bieten. Die posthume Verurteilung eines Mannes, der bereits tot ist, zeigt: In Putins Russland endet die Verfolgung nicht einmal mit dem Tod.


Frankreich vor Gericht: Warum drei Stunden Sexualkunde im Jahr Theorie bleiben – und was Deutschland besser macht

Paris mag die Stadt der Liebe sein – doch in französischen Klassenzimmern kommt die Aufklärung oft zu kurz. Ein Verwaltungsgericht in Paris befasst sich derzeit mit einer wegweisenden Klage: Mehrere Organisationen, darunter die 1994 gegründete Organisation SOS Homophobie mit Sitz in Paris, werfen dem französischen Staat vor, das seit 2001 geltende Gesetz zu ignorieren, das drei Unterrichtseinheiten Sexualkunde pro Schuljahr vorschreibt.

Wenn Gesetze auf dem Papier bleiben

Die Zahlen sind ernüchternd: Eine französische Behörde räumte bereits 2021 ein, dass das Gesetz zur Sexualaufklärung nicht umgesetzt wird. Noch gravierender: Es existieren keine offiziellen Statistiken darüber, wie viele Schulen tatsächlich Sexualkundeunterricht anbieten. Erst seit Februar 2025 gibt es überhaupt einen verpflichtenden Lehrplan – mehr als zwei Jahrzehnte nach Inkrafttreten des Gesetzes. Dieser sieht vor, dass Kinder in Vor- und Grundschulen etwas über Beziehungen und Gefühle lernen, während ab der Mittelstufe auch Sexualität thematisiert werden soll.

Die klagenden Organisationen betonen die gravierenden Folgen mangelnder Aufklärung: ungewollte Schwangerschaften, das Festhalten an überkommenen Rollenbildern, sexuelle Gewalt und die Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten. Queere Themen sind dabei explizit Teil des neuen Lehrplans – die Curricula sollen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt einbeziehen, Akzeptanz fördern und Diskriminierung wie Homophobie und Transphobie bekämpfen.

Deutschland: Verpflichtung seit 1977 – Umsetzung mit Lücken

Wie steht es um die Sexualaufklärung in Deutschland? Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1977 zur Sexualerziehung in der Schule regelt die sexuelle Bildung in Schulen bis heute. Inzwischen ist Sexualaufklärung in allen 16 Bundesländern ab der Grundschule fächerübergreifend vorgesehen – meist in Biologie, Sachkunde, Sozialkunde, Ethik, Religion oder Deutsch. Anders als in Frankreich gibt es klare rechtliche Grundlagen: Sexualkundeunterricht muss in Deutschland verpflichtend stattfinden und ist ein Aspekt des schulischen Bildungsauftrags.

Doch auch hierzulande gibt es Herausforderungen. In Deutschland wird die Sexualaufklärung nicht flächendeckend überwacht, und die letzte Studie von 2019 zeigt, dass die Zahl der Jugendlichen, die angeben Sexualkundeunterricht zu haben, erstmals leicht rückläufig ist. Jugendliche mit einem niedrigeren Bildungsabschluss geben seltener an, Sexualkundeunterricht erhalten zu haben.

Queere Themen: Deutschland auf unterschiedlichen Wegen

Wie werden LGBTQ+-Themen in deutschen Schulen behandelt? Die Antwort ist kompliziert – und bundeslandabhängig. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz spricht sich gegen jede Form der Diskriminierung aus und will die Akzeptanz der Vielfalt sexueller Identitäten durch einen Landesaktionsplan fördern, der auch vom Bildungsministerium mitgetragen wird. In Berlin geht es in Klassenstufe 7 oder 8 neben dem Thema Pubertät auch ausdrücklich um sexuelle Orientierung, sexuelle Praktiken, Empfängnisverhütung, sexuellen Missbrauch und Transsexualität.

Doch die Realität sieht oft anders aus. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland hat die Ergebnisse der zweiten großen LGBTI-Survey der EU-Grundrechtagentur für Deutschland übersetzt: Bei 77 Prozent der Befragten wurden LGBTIQ-Themen in der Schule nicht ausreichend behandelt. Fast alle Lehrkräfte bekommen Homophobie und Transfeindlichkeit mit, die wenigsten fühlen sich aber kompetent genug für das Thema „sexuelle und geschlechtliche Vielfalt".

Widerstand von rechts – in Frankreich und Deutschland

Der französische Lehrplan wurde von konservativen Gruppen massiv kritisiert. Sie warfen ihm vor, „Gender-Ideologie" zu verbreiten – ein Vorwurf, der auch in Deutschland immer wieder laut wird. In Deutschland wächst die Opposition aus rechtskonservativen Kreisen, die Sexualaufklärung aus Schule und KiTa weitgehend fernhalten wollen. Rechtskonservative und religiös-fundamentalistische Kreise attackieren eine Pädagogik der Vielfalt mit ihren Kampfbegriffen wie „Frühsexualisierung" oder „Genderwahn".

Dabei zeigen Umfragen ein anderes Bild: Eine YouGov-Umfrage ergab, dass nur sechs Prozent grundsätzlich dagegen sind, LGBT-Lebensweisen in der Schule zu thematisieren, und nur sieben Prozent wollen den Kindern Transsexualität verschweigen.

Ein Urteil mit Signalwirkung?

Das Pariser Verwaltungsgericht will am 2. Dezember sein Urteil verkünden. Es könnte wegweisend sein – nicht nur für Frankreich. Die Klage macht deutlich, dass gesetzliche Verpflichtungen allein nicht ausreichen. Es braucht verbindliche Lehrpläne, ausreichend ausgebildete Lehrkräfte und eine konsequente Überwachung der Umsetzung.

Deutschland mag auf dem Papier weiter sein als Frankreich, doch auch hier zeigt sich: Zwischen Theorie und Praxis klaffen oft Welten. Die Debatte um Sexualaufklärung und queere Themen ist längst nicht abgeschlossen – weder diesseits noch jenseits des Rheins.


Marjorie Taylor Greene entschuldigt sich für "toxische Politik" – Eine überraschende Wende mit Schattenseiten

In einer bemerkenswerten Kehrtwende hat sich die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene für ihre Rolle in der „toxischen Politik" entschuldigt, die seit Jahren die politische Landschaft der USA prägt. Die Politikerin aus Georgia, bekannt für ihre vehemente Opposition gegen LGBTQ+-Rechte und die Verbreitung von Verschwörungstheorien, äußerte sich in einem Interview mit CNN-Moderatorin Dana Bash zu ihrer Verantwortung für die zunehmend polarisierende politische Rhetorik. Auslöser für diese ungewöhnliche Reflexion war die Ermordung des konservativen Podcasters Charlie Kirk im September 2025, der am 10. September während einer öffentlichen Veranstaltung an der Utah Valley University erschossen wurde.

„Ich möchte demütig sagen: Es tut mir leid, dass ich an der toxischen Politik teilgenommen habe", erklärte Greene. „Ich bin nur für mich selbst und meine eigenen Worte und Taten verantwortlich … und ich habe in letzter Zeit viel daran gearbeitet, die Messer in der Politik niederzulegen", betonte die Kongressabgeordnete. Diese Aussagen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem Greene selbst zur Zielscheibe scharfer Attacken wurde – ausgerechnet von ihrem einstigen politischen Mentor Donald Trump, der sie als „Verräterin" bezeichnete und behauptete, dass solche Worte „Menschen gegen mich radikalisieren und mein Leben in Gefahr bringen können".

Ein Streit im Zentrum der MAGA-Bewegung

Der öffentliche Bruch zwischen Greene und Trump ereignet sich inmitten eines Konflikts, der in die Öffentlichkeit eskalierte, nachdem Trump der Republikanerin vorwarf, die Partei verraten zu haben, insbesondere durch ihre Kritik an der Regierungsführung während des jüngsten Government Shutdowns. Die Auseinandersetzung entzündete sich auch an Greenes Unterstützung für die Veröffentlichung der Epstein-Akten, die Trump zunächst ablehnte. Trump nannte Greene eine „Verräterin", nachdem sie seine Opposition gegen die Freigabe der Jeffrey-Epstein-Dokumente des Justizministeriums infrage gestellt hatte.

Greene, die sich selbst als „Gründungsväter" der „America First"-Bewegung bezeichnete, argumentiert nun, dass Trump seine ursprüngliche Vision verraten habe. „Niemand interessiert sich für die ausländischen Länder. Niemand interessiert sich für die unendliche Anzahl ausländischer Führungskräfte, die jede einzelne Woche ins Weiße Haus kommen", kritisierte Greene. Diese Haltung markiert eine deutliche Distanzierung von einem Präsidenten, den sie jahrelang bedingungslos unterstützte.

Eine Geschichte der LGBTQ+-Feindlichkeit

Greenes Entschuldigung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine der prominentesten Gegnerinnen von LGBTQ+-Rechten im US-Kongress ist. Wie der Originalartikel von Pink News dokumentiert, hat Greene wiederholt homophobe und transfeindliche Bundes- und Landesgesetze unterstützt. Besonders besorgniserregend: Sie befürwortete den „Protect Children's Innocence Act", der die medizinische Versorgung von trans Jugendlichen unter 18 Jahren unter Strafe stellen würde – mit Gefängnisstrafen von bis zu 25 Jahren.

Darüber hinaus verwendete Greene den diffamierenden Begriff „Groomer", der LGBTQ+-Menschen mit Pädophilen gleichsetzt – eine gefährliche Rhetorik, die zu Gewalt gegen queere Menschen beitragen kann. Als Bash sie auf ihre früheren Angriffe auf politische Gegner ansprach – etwa als sie 2020 ein Bild einer Waffe neben einer Gruppe progressiver demokratischer Kongressfrauen postete –, entschuldigte sich Greene und räumte ein: „Das ist faire Kritik."

Deutsche Parallelen: Wenn Politiker:innen sich entschuldigen müssen

Die Entwicklung in den USA wirft Fragen über die politische Kultur im Umgang mit LGBTQ+-Rechten auch in Deutschland auf. Während es früher fast nur bei den Grünen offen schwul und lesbisch lebende Politiker gab, hat sich dies in Deutschland vor allem seit Klaus Wowereits „Flucht nach vorne" im Jahr 2001 geändert. Heute gibt es offen schwul und lesbisch lebende Politiker in allen im Bundestag vertretenen Parteien. Doch auch hierzulande gibt es problematische Rhetorik: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn berichtete, dass er oft wegen seiner Homosexualität beschimpft wird. „Wüste Beleidigungen kommen vielfach auch per Post im Ministerium oder Bundestagsbüro an, viel davon zielt auf mein Schwulsein ab".

Besonders die AfD fällt durch ihre systematische Ablehnung von LGBTQ+-Rechten auf. Die rechtsextreme Partei fordert einen „Schutz von Kindern und Jugendlichen mit Geschlechtsdysphorie vor geschlechtsangleichenden medizinischen Eingriffen" und spricht mit „Demo-für-alle"-artigen wissenschaftlichen Verdrehungen von einem „Trans-Hype". Die CDU/CSU schließt zwar offiziell eine Koalition mit der AfD aus, doch gibt es inhaltliche Überschneidungen bei konservativen Themen wie der Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetzes oder der Einschränkung genderneutraler Sprache.

Ein zweifelhafter Sinneswandel

Wie glaubwürdig ist Greenes plötzliche Reue? Als Bash sie darauf ansprach, warum sie sich erst gegen Trumps aggressive Rhetorik äußerte, als diese gegen sie selbst gerichtet war, räumte Greene ein: „Ich denke, das ist faire Kritik". Diese Eingeständnisse kommen jedoch zu einem Zeitpunkt, an dem Greene selbst massive Bedrohungen erfährt. Greene beschuldigte Trump, dass seine Angriffe zu einer Rohrbombendrohung gegen ihr Bauunternehmen führten und warnten, dass die Attacken zu „einem schädlichen oder sogar tödlichen Ergebnis" führen könnten. Stunden später erhielt ihr Sohn eine Morddrohung.

Trotz ihrer Entschuldigung bleibt Greene bei ihrer Position, einen „neuen Weg nach vorne" finden zu wollen und forderte die Menschen auf, „zusammenzukommen". Ob diese Worte mehr sind als eine taktische Reaktion auf ihre aktuelle politische Isolation, wird sich zeigen müssen. Für die LGBTQ+-Community bleibt die Botschaft eindeutig: Politische Rhetorik hat reale Konsequenzen, und Entschuldigungen allein können Jahre der Diskriminierung und Hetze nicht ungeschehen machen.

Die Geschichte von Marjorie Taylor Greene zeigt eindrücklich, wie toxische Politik nicht nur Minderheiten schadet, sondern letztlich auch ihre eigenen Urheber:innen verschlingt – eine Lektion, die auch in Deutschland nicht vergessen werden sollte.


Katholische Bischöfe in Deutschland lehnen queersensibles Schuldokument ab – Spaltung in der Amtskirche vertieft sich

Eine neue Debatte erschüttert die katholische Kirche in Deutschland: Ein Ende Oktober von der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichtes Dokument mit dem Titel „Geschaffen, erlöst und geliebt" zur Anerkennung queerer Menschen an Schulen stößt auf massiven Widerstand konservativer Bischöfe. Die Kontroverse zeigt, wie tief die Spaltung in der deutschen Amtskirche beim Thema LGBTQ+ bereits ist.

Oster, Voderholzer und Woelki distanzieren sich

Der Passauer Bischof Stefan Oster hat sich von dem Papier der Schulkommission distanziert und erklärt: „Wenn auch auf dem Umschlag der Broschüre steht: ‚Die deutschen Bischöfe', dann spricht der Text trotzdem nicht in meinem Namen". Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer schloss sich dieser Kritik an, indem das Bistum Regensburg Osters Einschätzung auf seiner Internetseite veröffentlichte. Auch das Erzbistum Köln unter Kardinal Rainer Maria Woelki stellte sich hinter die Kritik des Passauer Bischofs.

Voderholzer äußerte am Rand einer Versammlung heftige Kritik: „Es wird hier eine Agenda durchgezogen. Ich möchte nicht in 30 Jahren hören, dass die katholische Kirche auch hier wieder mitgemacht hat." Diese Wortwahl erinnert an dunkle Kapitel der Kirchengeschichte und zeigt die Dramatik, mit der die Gegner des Dokuments agieren.

Was steht im umstrittenen Dokument?

Das 48-seitige Dokument will Orientierung im Umgang mit sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität geben und fordert, dass Schulen Orte sein sollen, an denen Kinder und Jugendliche Schutz vor Diskriminierung finden. Das Papier liefert eine Bestandsaufnahme der Situation queerer Jugendlicher, Lehrkräfte und Eltern und gibt schulpädagogische sowie schulpastorale Leitlinien für einen achtsamen Umgang mit sexueller Vielfalt.

Die Bischöfe heben hervor, dass alle an einer Schule Verantwortung für einen guten Umgang mit unterschiedlichen sexuellen Identitäten tragen, und Schülerinnen und Schüler sollten Diskriminierungen entgegentreten und sensibel werden gegenüber verletzenden, ausgrenzenden Schmähungen anderer.

Die Kritikpunkte der konservativen Bischöfe

Bischof Oster kritisiert, der Text suggeriere, dass jede Diversität im Blick auf sexuelle Orientierung und sexuelle Identität gottgewollt sei, und zeige „eine Überdosis eines gefühlsbeladenen Superdogmas: ‚Gott hat alle genau so lieb, wie sie sind.' Deshalb darf auch keiner in seiner Diversität kritisch angefragt werden, das wäre ja schon Diskriminierung". Besonders problematisch findet er die Aussagen zur Transidentität, bei denen der Text Risiken und Konflikte wie mögliche negative körperliche oder seelische Folgen ausblende.

Voderholzer beklagte, dass das Dokument trotz Änderungswünschen von Kritikern fast unverändert veröffentlicht worden sei: „Es wird hier eine Agenda durchgezogen. Ich möchte nicht in 30 Jahren hören, dass die katholische Kirche auch hier wieder mitgemacht hat."

Erzbistum Köln und die Rainbow-Kontroversen

Die Positionierung des Erzbistums Köln überrascht kaum, hat doch Kardinal Woelki bereits mehrfach seine queerfeindliche Haltung unter Beweis gestellt. Bei der Eröffnung einer Kölner Schule des Erzbistums waren Regenbogensymbole verboten, Eltern und Kinder wurden gebeten, auf „provokative Kleidung" zu verzichten, und Schülerinnen und Schüler sollen aufgefordert worden sein, Regenbogensymbole an ihrer Kleidung abzunehmen.

Ein Lehrer hatte zur 60-Jahr-Feier eines katholischen Gymnasiums einen Kapuzenpullover mit Regenbogendesign getragen und wurde eine Woche später vom Bereichsleiter für die katholischen Schulen im Erzbistum einbestellt. Bei dem Treffen sei ihm gedroht worden – er sei etwa gefragt worden, ob er den Schuldienst „quittieren" wolle. Der Bereichsleiter drohte, man werde den Lehrer künftig „im Auge behalten". Diese systematische Einschüchterung zeigt ein besorgniserregendes Muster.

Kontext: Queere Pastoral in Deutschland

Dabei steht die Kritik der konservativen Bischöfe in krassem Gegensatz zu einer sich langsam entwickelnden Realität in der deutschen Kirche. In mittlerweile 20 von 27 deutschen Diözesen gibt es Ansprechpersonen und Seelsorgende für queere Menschen. Diese Entwicklung zeigt, dass viele kirchliche Akteure den Bedarf nach einem inklusiveren Umgang mit LGBTQ+-Gläubigen erkannt haben.

Der Rottenburger Weihbischof Thomas Maria Renz bewertete das Dokument „Geschaffen, erlöst und geliebt" grundsätzlich positiv und betonte, das Papier setze ein wichtiges Zeichen gegen Stigmatisierung und Ausgrenzung Jugendlicher. Er erwähnte eine deutliche Zunahme von Anfeindungen gegenüber betroffenen Jugendlichen, die die pädagogische Leitung katholischer Schulen registriere.

Ein Dokument, zwei Realitäten

Laut dem katholischen Portal Communio war das Schreiben unter den deutschen Bischöfen im Sommer umstritten. Der Ständige Rat der Bischofskonferenz hatte es an die Schulkommission zurückverwiesen. Es kam nur zu kleineren Anpassungen. Trotzdem trägt das Papier den Schriftzug: „Die deutschen Bischöfe". Diese Vorgeschichte erklärt die Vehemenz, mit der sich Oster, Voderholzer und Woelki nun öffentlich distanzieren.

Die Kontroverse macht deutlich: Die deutsche katholische Kirche ist in Fragen queerer Rechte tief gespalten. Während viele Bistümer bereits queere Pastoral etabliert haben und Lehrkräfte sowie Seelsorger für einen inklusiven Umgang kämpfen, halten einflussreiche konservative Bischöfe an einer rigiden Linie fest. Für queere Jugendliche an katholischen Schulen bedeutet dies weiterhin Unsicherheit und die Angst, nicht willkommen zu sein.

Die Frage bleibt: Welchen Weg wird die katholische Kirche in Deutschland einschlagen? Die Distanzierung von Oster, Voderholzer und Woelki zeigt, dass der Kampf um eine queersensible Kirche noch lange nicht gewonnen ist – und dass konservative Kräfte bereit sind, jeden Schritt in Richtung Akzeptanz und Würdigung queerer Menschen mit aller Macht zu bekämpfen.


Niedersachsen: Landtag hebt Immunität von AfD-Abgeordneter nach queerfeindlichen Äußerungen auf

Der niedersächsische Landtag hat am Dienstag die Immunität der AfD-Abgeordneten Vanessa Behrendt aufgehoben. Der niedersächsische Landtag hat die Immunität der AfD-Abgeordneten Vanessa Behrendt aufgehoben. Damit kann die Staatsanwaltschaft Göttingen nun gegen die Politikerin wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten ermitteln. Die AfD enthielt sich bei der Aufhebung der Immunität. Für den Antrag stimmten alle demokratischen Fraktionen im Landesparlament (Quelle: queer.de).

Die Vorwürfe: Regenbogenfahne als Symbol für Pädophilie diffamiert

Im Oktober 2024 soll Behrendt auf X (früher Twitter) unter anderem die Regenbogenfahne als Symbol für die "Gefährdung von Kindern durch pädophile Lobbygruppen" bezeichnet haben. In ihrem Post behauptete die 40-jährige Landtagsabgeordnete, die Regenbogenfahne stehe für "Machenschaften pädophiler Lobbygruppen" und "die Gefährdung von Kindern durch LGBTQ-Propaganda". Zudem soll sie später die Anschrift eines Mannes veröffentlicht haben, der gegen sie Anzeige erstattet hatte.

Nach Angaben des SPD-Abgeordneten Wiard Siebels wird Behrendt vorgeworfen, die Regenbogenfahne pauschal als Symbol pädophiler Lobbygruppen bezeichnet zu haben. Das sei erstens unwahr und zweitens in hohem Maße verwerflich. Die Regenbogenfahne gilt weltweit als Symbol der LGBTQ+-Community und steht für Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz.

Ungewöhnliche Debatte im Landtag

Die Aufhebung der Immunität wurde durch eine seltene Debatte im niedersächsischen Landtag begleitet. Fraktionschef Klaus Wichmann erklärte, es gebe zunehmend Verfahren mit möglicher politischer Motivation. Seine Fraktion wolle keine Strafverfolgung verhindern, warne aber, dass der Rechtsstaat bei immer mehr Bürgern das Vertrauen zu verlieren drohe.

SPD-Abgeordneter Wiard Siebels warf der AfD daraufhin Doppelmoral vor und verwies auf einen Fall, in dem AfD-Chefin Alice Weidel eine Potsdamerin wegen der Beleidigung "Nazischlampe" angezeigt hatte. Die Frau wurde kürzlich zu einer Geldstrafe von 4.800 Euro verurteilt – nach einem Paragrafen, den die AfD selbst abschaffen möchte.

Systematische Strategie der AfD gegen queere Menschen

Der Fall Behrendt ist kein Einzelfall. Der Hass hat eine parteipolitische Heimat gefunden. Etwa jeder dritte Kommentar hat AfD-Bezug. Die AfD versucht seit Jahren systematisch, die LGBTQ+-Community mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Verbindung zu bringen. Diese Taktik zeigt sich in zahlreichen Äußerungen von AfD-Politiker*innen bundesweit.

In Wirklichkeit wird die AfD aber schon seit ihrer Gründung für ihre LGBTI-Feindlichkeit kritisiert. So brachte die Rechtsaußen-Bundestagsfraktion beispielsweise einen Antrag ein, der zum Ziel hatte, Schwulen und Lesben das Recht auf Eheschließung wieder zu entziehen. Bei einem sogenannten "Kinderschutzkongress" im Juni 2025 im niedersächsischen Landtag attackierte die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch erneut die Regenbogenfahne.

Bedeutung für den Rechtsstaat

Zweck der Immunität ist es, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages insbesondere auch bei politisch motivierten Klagen gegen Abgeordnete zu schützen. Die Aufhebung der Immunität ist ein wichtiges parlamentarisches Instrument: Die Immunität soll aber nicht den Abgeordneten selbst vor Strafe (im Gegensatz zur Indemnität) schützen, sondern soll die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicherstellen. Sie kann daher vom jeweiligen Parlament aufgehoben werden.

"Ein Abgeordnetenmandat ist kein Freibrief, um Minderheiten zu beleidigen und Menschen zu verleumden.", betonte der Grünen-Abgeordnete Volker Bajus. Die Entscheidung des Landtags sendet ein klares Signal: Auch gewählte Volksvertreter*innen stehen nicht über dem Gesetz, wenn sie Menschengruppen diffamieren und zu Hass aufstacheln.

Kontext: Queerfeindliche Hasskriminalität nimmt zu

In den letzten Jahren zeigt sich ein deutlicher Anstieg der in der Statistik erfassten Fallzahlen. Von 2018 bis 2021 verdreifachten sich die Zahlen. Parallel dazu verschärft sich die politische Rhetorik gegen LGBTQ+-Menschen, insbesondere von rechtsextremen Parteien. Entscheidungen zu homophober oder sexistischer Volksverhetzung sind trotz weitverbreiteter homophober und sexistischer Hassreden äußerst selten.

Für die queere Community in Deutschland bedeutet diese Entwicklung eine zunehmende Bedrohung. Die systematische Verbindung von LGBTQ+-Themen mit Pädophilie ist eine bekannte Strategie rechtsextremer Bewegungen, um Ressentiments zu schüren und Minderheitenrechte zurückzudrängen.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen wird nun prüfen, ob die Äußerungen Behrendts den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Die Staatsanwaltschaft Göttingen plant, Anklage gegen die Politikerin zu erheben, wie Behrendt der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Die Entscheidung des Landtags zeigt: Demokratische Institutionen wehren sich gegen die Instrumentalisierung des Kinderschutzes für queerfeindliche Hetze.


"Miles war tapfer und authentisch" – Der tragische Tod eines trans Teenagers und was wir daraus lernen müssen

Die Geschichte des 15-jährigen Miles Phipps aus Iowa, der am 4. November sein Leben beendete, erschüttert – und sie ist zugleich ein dringender Weckruf. Wie das LGBTQ+-Nachrichtenportal Pink News berichtet, erlebte der trans Junge jahrelang Mobbing, sowohl in als auch außerhalb der Schule. Einen Tag vor seinem Tod weigerte sich eine Vertretungslehrkraft, seine korrekten Pronomen zu verwenden – ein Vorfall, der die Familie als symbolisch für das ständige Erleben von Respektlosigkeit beschreibt, dem Miles ausgesetzt war.

Eine Familie spricht über den Verlust

Miles' Mutter Ashley Campbell findet klare Worte: "Der Schutz von trans Kindern ist wichtig, aber ebenso wichtig ist es, nicht grausam zu sein, einfach Verständnis zu zeigen." Sie betont, dass das Problem größer sei als nur die Geschlechtsidentität. "Mein Kind konnte es nicht ertragen, weil er am meisten wegen seiner Transidentität gemobbt wurde. Er hätte das niemals ertragen müssen."

Miles wird als "ein freundlicher, talentierter und kreativer Mensch" beschrieben, der sich durch Musik ausdrückte, gerne Skateboard fuhr und Zeit in der Natur verbrachte. Die GoFundMe-Kampagne der Familie würdigt ihn als "stolzen trans Mann, der entschlossen war und der Welt mit Mut, Authentizität und Anmut begegnete, selbst angesichts von Mobbing und Unverständnis."

Auch in Deutschland: Trans Jugendliche besonders gefährdet

Die Tragödie in Iowa ist kein Einzelfall – und das Problem beschränkt sich nicht auf die USA. Laut dem Trevor Project, einer führenden Organisation für Suizidprävention bei LGBTQ+ Jugendlichen, erwogen 2024 39 Prozent der LGBTQ+ jungen Menschen zwischen 13 und 24 Jahren ernsthaft einen Suizidversuch – bei trans und nicht-binären Jugendlichen lag der Anteil bei 46 Prozent.

Auch in Deutschland zeigen die Zahlen ein alarmierendes Bild. Trans Menschen erfahren überdurchschnittlich viel Mobbing in Schule, Ausbildung, Beruf und in der eigenen Familie. Trans Personen leiden häufiger unter Depression und suizidalen Gedanken. Eine aktuelle Studie des Robert Koch-Instituts zur HBSC-Studie 2022 zeigt: Heranwachsende, die sich als gender-divers identifizierten, gaben besonders häufig Mobbingerfahrungen an.

Internationale Metastudien belegen: Trans Jugendliche haben ein fast sechsfach erhöhtes Risiko für Suizidversuche, gefolgt von bisexuellen (4,87 mal erhöht) und homosexuellen Jugendlichen (3,71 mal erhöht). Die erhöhte Zahl an Suizidversuchen hängt nicht direkt mit der sexuellen Orientierung zusammen, sondern kommt über indirekte Faktoren wie Homophobie, Schikanen in der Schule oder fehlende Akzeptanz in der Familie zustande.

Mobbing an deutschen Schulen: Die Dimension des Problems

Nach Daten der OECD im Rahmen der PISA-Studie 2022 sind in Deutschland knapp sieben Prozent aller 15-jährigen Schülerinnen und Schüler sehr häufigem Mobbing ausgesetzt. Zwölf Prozent werden mindestens mehrmals im Monat durch Mitschülerinnen und Mitschüler gemobbt. Eine erschreckende Zahl: Ein Viertel der von Mobbing Betroffenen haben Suizidgedanken und knapp ein Sechstel trinkt Alkohol oder nimmt Tabletten.

Queere Schülerinnen und Schüler leiden häufig unter Ausgrenzung und Mobbing. In einer Studie zu Lebenslagen queerer Menschen in Nordrhein-Westfalen gaben 37,9 Prozent der Befragten an, dass sie in den vergangenen fünf Jahren in NRW selbst Übergriffe erfahren haben.

Was Schulen tun können – und müssen

Nach Miles' Tod gingen mehr als 150 Schülerinnen und Schüler der Urbandale High School auf die Straße, um für mehr Freundlichkeit zu demonstrieren. Sein Vater Rocky Phipps appelliert an alle Jugendlichen: "Wenn ihr seht, dass jemand eine andere Person mobbt, sprecht es an. Mobber mögen es nicht, angesprochen zu werden. Seid immer freundlich, denn ihr wisst nie, was diese Person gerade durchmacht."

In Deutschland haben trans, inter und nicht-binäre Schülerinnen und Schüler laut Grundgesetz das Recht darauf, im Schulalltag mit Namen und Pronomen angesprochen zu werden, die mit ihrer geschlechtlichen Identität korrespondieren – auch vor einer offiziellen Personenstandsänderung. Lehrkräfte müssen fortgebildet und sensibilisiert werden, fordern Expertinnen und Experten.

Das bundesweite Antidiskriminierungsnetzwerk "Schule der Vielfalt" setzt sich dafür ein, dass an Schulen mehr gegen Homo- und Trans*feindlichkeit und für die Akzeptanz von unterschiedlichen Lebensweisen getan wird. Teilnehmende Projektschulen verpflichten sich zu einem nachhaltigen Einsatz gegen Homophobie und Transphobie.

Schulen sollten Orte sein, in denen Kinder erfahren, dass transidente Menschen zur Normalität dazugehören – dass sie in einem Umfeld leben, in dem ein Outing kein Problem ist. Eine Untersuchung der Antidiskriminierungsstelle ergab, dass etwa 90 Prozent der Bevölkerung der Ansicht sind, es sollte ein Ziel der Schule sein, den Schülerinnen und Schülern Akzeptanz gegenüber homo- und bisexuellen Personen zu vermitteln.

Ein Denkmal für Miles – und eine Botschaft für alle

Die Familie von Miles sammelt Spenden für die Beerdigung und möchte eine Parkbank vor seiner Lieblingsbibliothek in Urbandale aufstellen lassen – ein Ort, an dem er sich sicher fühlte. Der Text eines Liedes, das seine Mutter Ashley teilte, trägt den Titel "Love Worthy" und enthält eine Botschaft, die heute aktueller ist denn je: "Selbst wenn die Welt sich kalt und hart anfühlt, musst du wissen, dass du genug bist. Egal was sie sagen, du bist es wert. Geliebt in jeder Hinsicht."

Miles war tapfer. Miles war authentisch. Miles hätte geliebt werden sollen, wie er war. Sein Tod mahnt uns alle: Respekt, Akzeptanz und Freundlichkeit sind keine Luxusgüter – sie können Leben retten.

Wenn du selbst von Suizidgedanken betroffen bist oder jemanden kennst, der Hilfe braucht:

Deutschland:
Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (kostenlos, rund um die Uhr)
Online-Beratung: www.telefonseelsorge.de

Für Kinder und Jugendliche:
Nummer gegen Kummer: 116 111 (kostenlos, Mo-Sa 14-20 Uhr)

USA:
National Suicide Prevention Lifeline: 1-800-273-8255 oder 988
The Trevor Project (für LGBTQ+ Jugendliche): 1-866-488-7386


Blowjob-Gate: Wenn absurde Gerüchte die Epstein-Affäre überschatten

Ein bizarres Gerücht sorgt derzeit für Aufsehen: Hatte US-Präsident Donald Trump Oralsex mit seinem Amtsvorgänger Bill Clinton? Eine E-Mail aus dem Jahr 2018, in der Mark Epstein seinen Bruder Jeffrey scherzhaft fragte, ob Putin "Fotos von Trump blowing Bubba" habe, löste eine Welle der Spekulation in den sozialen Medien aus, nachdem über 20.000 Dokumente aus dem Epstein-Nachlass vom US-Kongress am 12. November 2025 veröffentlicht wurden. Die Geschichte klingt absurd – und ist es auch. Die vollständige E-Mail erschien im Originalquellenartikel auf queer.de.

Die Dementi-Maschine läuft an

Mark Epstein stellte gegenüber dem queeren Magazin "The Advocate" klar, dass die E-Mails "einfach Teil eines humorvollen privaten Austauschs zwischen zwei Brüdern" waren und "Bubba" in diesem Zusammenhang "in keiner Weise auf Ex-Präsident Bill Clinton" Bezug nehme. Snopes bestätigte zwar die Authentizität der E-Mail, bezeichnete die "Blowjob"-Interpretation jedoch als unbewiesene Spekulation.

"Bubba" ist tatsächlich ein verbreiteter Spitzname in den US-Südstaaten – ein folkloristischer Kosename für einfach gestrickte Männer. Da Clinton aus Arkansas stammt, wird der Begriff manchmal satirisch auf ihn angewandt. Doch in diesem Fall scheint es sich um nichts weiter als einen geschmacklosen Scherz zwischen Brüdern zu handeln.

Die eigentliche Epstein-Affäre: Trumps toxische Verstrickungen

Während die Blowjob-Story die Schlagzeilen dominiert, geraten die wirklich brisanten Enthüllungen fast in den Hintergrund. In einer E-Mail an Ghislaine Maxwell schrieb Jeffrey Epstein 2011 über Donald Trump: "Ich möchte, dass du erkennst, dass der Hund, der nicht gebellt hat, Trump ist... [Opfer] verbrachte Stunden in meinem Haus mit ihm". In einer weiteren Nachricht erklärte Epstein dem Autor Michael Wolff 2019 explizit, dass Trump "über die Mädchen Bescheid wusste, weil er Ghislaine bat aufzuhören".

Trumps Name erscheint in den Zehntausenden Dokumenten häufiger als jeder andere – über tausend Mal, schätzt die Miami-Herald-Reporterin Julie K. Brown. Trump versprach im Wahlkampf die Veröffentlichung aller Epstein-Akten, machte dann aber als Präsident einen Rückzieher. Stattdessen ordnete Trump dem Justizministerium an, gegen Bill Clinton wegen dessen Verbindungen zu Epstein Bundesermittlungen einzuleiten – ein klassisches Ablenkungsmanöver.

Queere Themen als politische Waffe

Die Reaktionen auf das absurde Gerücht offenbaren ein tieferes Problem: die Instrumentalisierung queerer Sexualität für politische Zwecke. Wie ein Reddit-Kommentator treffend bemerkte: "Die Clinton-Blowjob-Geschichte regt Republikaner mehr auf als der Handel mit Minderjährigen – sie hassen queere Menschen wirklich".

In Deutschland ist dieses Phänomen als "Homonationalismus" bekannt – die eigene Toleranz gegenüber LGBTQ-Personen wird als Rechtfertigung gesehen, sich als überlegen zu betrachten, während die Instrumentalisierung der LGBTQ-Community zur Rechtfertigung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dient. Zwischen Schlagworten wie "feministische Außenpolitik" und "Homopropaganda" werden queere Menschen zum moralischen Grenzwall in der Konfrontation ökonomischer und nationaler Interessen gemacht – so werden mit der Behauptung, dass migrantische Männer besonders queerfeindlich seien, Abschiebungen legitimiert.

Trumps homophobe Agenda wird übersehen

Während sich alle über das angebliche Sex-Tape amüsieren, wird Trumps tatsächliche Anti-LGBTQ-Politik kaum thematisiert. An seinem ersten Tag als Präsident im Januar 2025 strich Trump alle bundesweiten Maßnahmen für "Diversity, Equity, and Inclusion (DEI)". In seiner Amtseinführungsrede erklärte Trump, dass künftig nur noch zwei Geschlechter anerkannt werden sollten, und seine Regierung baut systematisch die Rechte von trans Menschen ab.

Queerfeindliche Kräfte in den US-Bundesstaaten fühlen sich nach Trumps Amtsübernahme gestärkt – bereits jetzt werden in mehreren Staaten Gesetzentwürfe diskutiert, die sich hauptsächlich gegen trans Menschen richten, aber auch andere queere Personen betreffen. Eine Woche nach Trumps Amtsübernahme forderte das Parlament von Idaho den Supreme Court mit 46 zu 24 Stimmen auf, die Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare von 2015 zurückzunehmen.

Deutsche Perspektive: Ähnliche Muster

Auch in Deutschland beobachten wir besorgniserregende Entwicklungen. Laut offiziellen Zahlen gibt es jeden Tag mindestens drei Angriffe auf LGBTIQ-Personen in Deutschland – die Dunkelziffer ist deutlich höher. Das Berliner Register zeigt, dass sich die Anzahl queerfeindlicher Vorfälle zwischen 2018 und 2022 mehr als verdoppelt hat – allein 2023 wurden in Berlin 239 queerfeindliche Vorfälle registriert.

Der queerpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Maik Brückner, kommentierte die absurden Trump-Clinton-Gerüchte pragmatisch auf Instagram: "Ob Donald Trump (he/him) nun etwas mit Bill Clinton hatte oder nicht: Er wird trotzdem nicht unser Freund."

Fazit: Nicht vom Wesentlichen ablenken lassen

Das "Blowjob-Gate" ist letztlich nichts weiter als eine bizarre Randnotiz in einer viel dunkleren Geschichte. Die eigentliche Skandal liegt in Trumps nachweislichen Verbindungen zu Jeffrey Epstein, seiner Weigerung, alle Dokumente freizugeben, und seiner systematischen Politik gegen LGBTQ-Rechte. Während Social Media über einen absurden Scherz zwischen zwei Brüdern diskutiert, werden reale Menschenrechte abgebaut – in den USA wie in Deutschland.

Queere Menschen dürfen nicht zur Verhandlungsmasse politischer Machtspiele werden. Ob als Sündenbock autoritärer Regime oder als Feigenblatt für rassistische Politiken – unsere Rechte und unsere Würde sind nicht verhandelbar. Die Epstein-Affäre sollte uns an die Machtverstrickungen der Eliten erinnern, nicht an homophobe Fantasien.


Historisches Strafverfahren: Pride-Organisator in Ungarn droht Gefängnisstrafe – EU muss handeln

Die Nachricht aus Ungarn markiert einen erschreckenden Tiefpunkt für Grundrechte in der Europäischen Union: Géza Buzás-Hábel, der Organisator der Pécs Pride – der einzigen ungarischen Pride-Veranstaltung außerhalb von Budapest – steht unter strafrechtlicher Ermittlung, weil er trotz des Pride-Verbots der Regierung eine friedliche Demonstration organisierte. Erstmals in der Geschichte der EU droht einem Menschen strafrechtliche Verfolgung, allein weil er eine Pride-Parade organisiert hat. Die irische LGBTQ+-Zeitung GCN berichtet, dass im Falle einer Verurteilung bis zu ein Jahr Haft und der Verlust seiner Lehrlizenz drohen.

Ein Lehrer und Aktivist im Fadenkreuz der Orban-Regierung

Buzás-Hábel unterrichtet Roma-Sprache und Roma-Kultur an Europas erster Roma-Nationalitätenschule – eine Pionierarbeit, die er nun verlieren könnte. Die ungarische Polizei befragte den Aktivisten, der auch Direktor des Diverse Youth Network ist, Ende Oktober als Beschuldigten. In einem auf Video dokumentierten Statement erklärte er: "Natürlich habe ich eine Aussage gemacht und zugegeben, dass ich Pride organisiert und Menschen zur Teilnahme eingeladen habe. Ich fühle mich nicht schuldig. Ich habe ein Grundrecht ausgeübt, das in verschiedenen internationalen und europäischen Menschenrechtskonventionen verankert ist".

Die Polizei schloss die Ermittlungen kürzlich ab und empfahl der Staatsanwaltschaft eine Anklageerhebung – nachdem Buzás-Hábel Ende Oktober als Beschuldigter vernommen worden war, weil am 4. Oktober trotz eines Verbots der Behörden eine Demonstration stattfand, die schließlich unter Polizeischutz durchgeführt wurde.

Das Pride-Verbot: Ein Angriff auf europäische Grundwerte

Im März und April 2025 verabschiedete Ungarn Maßnahmen, die Pride-Veranstaltungen verbieten oder kriminalisieren, der Polizei die Anwendung von Gesichtserkennung gegen Teilnehmende ermöglichen und öffentliche Proteste abschrecken. Das ungarische Parlament verabschiedete am 18. März 2025 Gesetzgebung zum Schutz von Kindern vor Versammlungen, die Homosexualität fördern. Obwohl die Änderung allgemeine Beschränkungen der Versammlungsfreiheit auferlegt, wird sie gemeinhin als Verbot des LGBTQ+-Pride-Marsches verstanden, kurz vor dem 30. Jubiläum im Jahr 2025.

Tausende marschierten für Gleichheit, Würde und Freiheit trotz Einschüchterung, Androhung von Geldstrafen und dem Einsatz von Gesichtserkennungsüberwachung durch Strafverfolgungsbehörden. Gegen den Willen des ungarischen Volkes bleibt die Einschränkung bestehen, und jetzt ermittelt die Polizei strafrechtlich gegen den Organisator der Pécs Pride.

Parallelen zu Deutschland: Versammlungsfreiheit als Grundrecht

Die Entwicklung in Ungarn sollte für Deutschland und alle EU-Länder ein Weckruf sein. In Deutschland ist das Recht auf Versammlungsfreiheit im Grundgesetz fest verankert. In Deutschland werden zwischen April und September zahlreiche Christopher Street Days (CSDs) organisiert, wobei die größten Events in Köln und Berlin stattfinden. Diese Veranstaltungen sind Ausdruck eines fundamentalen demokratischen Rechts, das nun in Ungarn systematisch ausgehöhlt wird.

Was in Ungarn geschieht, könnte überall passieren. In einigen EU-Ländern werden LGBTI-Rechte sogar wieder eingeschränkt. Hassreden sowie homo- und transphobisch motivierte Taten kommen nach wie vor viel zu häufig vor, selbst in Ländern, in denen die Fortschritte enorm sind. Deutschland hat als Gründungsmitglied der Equal Rights Coalition und durch das LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung eine besondere Verantwortung.

Intersektionale Diskriminierung: Roma und LGBTQ+

Buzás-Hábels Fall zeigt eindrücklich, wie verschiedene Formen der Diskriminierung zusammenwirken. Als Rom und als Organisator einer Pride-Veranstaltung ist er doppelt gefährdet. In Deutschland hat der queere Roma-Aktivist Gianni Jovanovic wichtige Pionierarbeit im Bereich intersektionaler Diskriminierung geleistet und die Initiative "Queer Roma" gegründet. Die Roma-Community, bereits seit Jahrhunderten mit Antiziganismus konfrontiert, steht vor besonderen Herausforderungen, wenn es um LGBTQ+-Rechte geht.

Die EU muss jetzt handeln

Diese Einschränkungen stehen auch im Widerspruch zu den EU-Verträgen, einschließlich der Charta der Grundrechte. Die Europäische Union hat sowohl die Verantwortung als auch die rechtliche Grundlage zu handeln und muss daher unverzüglich Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eröffnen (oder wieder eröffnen).

ILGA-Europe warnt in ihrer Stellungnahme auf LinkedIn, dass die ungarische Regierung "Gézas Fall als Warnung nutzt, dass diejenigen, die friedliche Proteste organisieren, Gefängnis und den Verlust ihrer Lebensgrundlage riskieren". Die Organisation betont: Das vollständige Verbot von Pride stellt die Gleichwürdigkeit und Würde von Personen infrage, die LGBTQ+-Rechte unterstützen. Indem sie aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen werden, wird ihnen faktisch die volle Mitgliedschaft in der ungarischen – und damit der europäischen – politischen Gemeinschaft verweigert. Präsentiert von Ministerpräsident Orbán als frontaler Angriff auf "Brüssel" und europäische Werte, erfordert diese Maßnahme eine Reaktion, die den Schutz des Wertes der Demokratie aktiviert.

Massive Solidarität trotz Repression

Trotz aller Einschüchterungsversuche gab es beeindruckende Solidarität. Nach der Einschränkung des Versammlungsrechts, die am 17. April 2025 in Kraft trat, gingen zwischen 350.000 und 500.000 Menschen bei der Budapest Pride 2025 auf die Straße, was zum größten politischen Protest des Landes wurde. Die Veranstalter sprachen von 200.000 Teilnehmern der 30. Budapester Pride-Parade. Es war die größte Pride in 30 Jahren und eine der machtvollsten Kundgebungen in der modernen Geschichte Ungarns.

Im Oktober gingen Tausende erneut in Pécs auf die Straße, um zu zeigen, dass diese Einschränkungen in einer Demokratie keinen Platz haben. Dennoch beschloss die Polizei, strafrechtliche Ermittlungen gegen Géza Buzás-Hábel, den Organisator des lokalen Marsches, einzuleiten.

Was kann jeder Einzelne tun?

ILGA-Europe ruft die Öffentlichkeit auf, Mitglieder des Europäischen Parlaments zu kontaktieren und sie zum Handeln aufzufordern sowie Buzás-Hábels Geschichte zu teilen. Die European Pride Organisers Association (EPOA) hat eine klare Botschaft: "Pride ist friedlich, legitim und geschützt. Die Kriminalisierung von Organisator*innen ist inakzeptabel. Wir stehen an der Seite von Géza Buzás-Hábel, an der Seite der Pécs Pride und an der Seite aller, die in Ungarn für Gleichheit marschieren".

Dennoch steht Buzás-Hábel nun als erster Mensch in der Europäischen Union unter Verdacht, ein Pride-Event illegal organisiert zu haben und muss eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr fürchten. Sein Fall ist nicht nur ein ungarisches Problem – er ist ein Test für die Grundwerte der gesamten Europäischen Union. Wenn die EU jetzt nicht entschlossen handelt, sendet sie ein gefährliches Signal an andere autoritäre Regierungen in Europa.

Die Versammlungsfreiheit ist kein Privileg, das von Regierungen gewährt wird – sie ist ein Menschenrecht. Und dieses Recht gilt für alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder ethnischen Zugehörigkeit. Es ist Zeit zu handeln.


Historischer Moment am Volkstrauertag: Steinmeier gedenkt erstmals queerer NS-Opfer

Ein historischer Schritt in der deutschen Gedenkkultur: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Volkstrauertag 2024 erstmals ausdrücklich Menschen in das traditionelle Totengedenken aufgenommen, die während des Nationalsozialismus aufgrund ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität verfolgt und getötet wurden. Die zentrale Gedenkstunde fand am Sonntag im Deutschen Bundestag statt – mehr als 70 Jahre nach der ersten offiziellen Gedenk zeremonie 1952. Der ursprüngliche Bericht von queer.de dokumentiert diese längst überfällige Anerkennung einer lange marginalisierten Opfergruppe.

Eine späte, aber bedeutsame Anerkennung

Das Totengedenken zum Volkstrauertag wurde 1952 von Bundespräsident Theodor Heuss eingeführt und im Laufe der Jahrzehnte mehrfach angepasst. Doch lange Zeit blieben die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus aus der Gedenkkultur ausgeschlossen – in der Bundesrepublik wie in der DDR. Die neue Formulierung ergänzt nun erstmals explizit Menschen, die wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität Opfer der NS-Verfolgung wurden – eine Gruppe, deren Leid jahrzehntelang unsichtbar gemacht wurde.

Diese Erweiterung ist mehr als eine symbolische Geste. Sie erkennt endlich an, was queere Menschen unter dem NS-Regime erleiden mussten: Die NS-Justiz verurteilte bis 1945 rund 50.000 Personen nach § 175, dem berüchtigten Paragraphen gegen "widernatürliche Unzucht". 10.000 bis 15.000 Männer sperrten die Nationalsozialisten in KZ, wo sie mit dem rosa Winkel gekennzeichnet wurden. Die Sterblichkeitsrate dieser mit dem rosa Winkel gekennzeichneten Häftlinge war extrem hoch, tausende überlebten die von Willkür und Brutalität geprägte Haft nicht oder wurden ermordet.

Die systematische Verfolgung queerer Menschen

Die Nationalsozialisten verstärkten während ihrer Herrschaft in Deutschland zwischen 1933 und 1945 die Verfolgung von homosexuellen Menschen erheblich. Sie hoben 1935 das Strafmaß des § 175 stark an, weiteten den Tatbestand deutlich aus und förderten die polizeiliche Verfolgung von homosexuellen Personen mit besonderem Nachdruck. Die Verschärfung bedeutete, dass bereits ein Blick oder eine Berührung zur Verurteilung führen konnten.

Zentral gelenkt wurde die strafrechtliche Verfolgung durch die im Herbst 1936 eingerichtete „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung", die Homosexuelle in Karteien erfasste. Die Intensität der Verfolgung zeigt sich in den Zahlen: Die Zahl der Verurteilungen Homosexueller stieg von knapp 1100 im Jahr 1934 auf über 9000 im Jahr 1937.

Wichtig zu betonen: Obwohl sich die strafrechtliche Verfolgung per Gesetzestext ausdrücklich auf homosexuelle Männer bezog, wurden auch weitere Personengruppen, wie Lesben, Transpersonen und Sexarbeiter:innen Opfer der homofeindlichen Verfolgung durch den NS-Staat. Die Gestapo verschleppte viele jüdische Lesben oder auch Frauen, die einen unangepassten Lebensstil führten, in die Konzentrationslager.

Verfolgung nach 1945: Das doppelte Trauma

Was diese Anerkennung besonders dringend macht: Die Verfolgung endete 1945 nicht. Während die DDR zu den Bestimmungen aus der Weimarer Republik zurückkehrte, galt Paragraph 175 in der BRD in der im Nationalsozialismus erlassenen Fassung weiter. Teilweise wurden Männer, die eine KZ-Haft überlebt hatten, nach 1945 wieder inhaftiert.

Bis 1969 ermittelten die Behörden aufgrund von § 175 gegen circa 100.000 Personen. Etwa 50.000 wurden verurteilt. Erst 1994 – fast 50 Jahre nach Kriegsende – wurde der Paragraf endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Die strafrechtliche Rehabilitation der NS-Opfer erfolgte erst 2002, die aller nach 1945 Verurteilten sogar erst 2017.

Forschungslücken und die Zukunft des Gedenkens

Die Verfolgung homo- und bisexueller Männer und Frauen, insbesondere in der NS-Zeit, aber auch ihre Kontinuität in der Bundesrepublik und der DDR, sind nicht ausreichend erforscht. Zur Geschichte von trans- und intergeschlechtlichen Menschen gibt es kaum Forschung. Die explizite Nennung im Totengedenken kann – so die Hoffnung vieler Aktivist*innen – einen Anstoß für weitere Forschungsvorhaben liefern.

Die Gedenkstunde wurde durch eine Rede des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella bereichert, der den Volkstrauertag der italienisch-deutschen Freundschaft widmete. Seine mahnenden Worte erinnerten daran, dass dem "Nie wieder" als Reaktion auf den Holocaust heute ein "Wieder" gegenüberstehe: "Dies erleben wir gerade: wieder Krieg, wieder Rassismus, wieder große Ungleichheit, wieder Gewalt, wieder Aggression."

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) betonte, dass Gedenken mehr bedeuten müsse als Erinnern: "Es muss heißen, zu verstehen und zu handeln: Frieden und auch Demokratie sind keine Zustände, die einfach gegeben sind, die man verwalten kann. Sie sind Aufgaben, die jeden Tag neu beginnen und die kein anderer für uns erledigt."

Ein Zeichen für die Gegenwart

Die Erweiterung des Totengedenkens um queere NS-Opfer ist ein wichtiger Schritt in der deutschen Erinnerungskultur. Sie kommt spät – für die meisten Betroffenen zu spät. Doch sie sendet ein klares Signal: Die Bundesrepublik erkennt das systematische Unrecht an, das queeren Menschen angetan wurde, sowohl unter dem NS-Regime als auch in der Nachkriegszeit. In einer Zeit, in der LGBTQ+-Rechte weltweit wieder unter Druck geraten und queerfeindliche Rhetorik zunimmt, ist diese Anerkennung ein wichtiges Zeichen: Nie wieder darf Liebe als Verbrechen gelten.

Der Volkstrauertag wird jährlich zwei Sonntage vor dem ersten Advent mit zahlreichen Gottesdiensten, Kranzniederlegungen und Gedenkstunden in ganz Deutschland begangen – und wird nun endlich auch den queeren Opfer der NS-Zeit gerecht.


Jahrzehntelanges Unrecht: Neue Studie beleuchtet Sorgerechtsentzug bei lesbischen Müttern in NRW

Eine neue wissenschaftliche Studie wirft Licht auf ein dunkles Kapitel deutscher Rechtsgeschichte: Zwischen 1946 und 2000 wurden in Nordrhein-Westfalen lesbischen Müttern systematisch das Sorgerecht entzogen. Am 24. November 2025 präsentiert die renommierte Historikerin Dr. Kirsten Plötz ihre Forschungsergebnisse im Düsseldorfer Townhouse – eine Veranstaltung, die erstmals umfassend dokumentiert, wie Frauen allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zu Unrecht ihre Kinder verloren.

Systematische Diskriminierung bis in die 1990er Jahre

Bis in die 90er Jahre mussten Mütter, die eine gleichgeschlechtliche Beziehung führten, damit rechnen, dass ihnen von Gerichten das Sorgerecht entzogen wurde. Was besonders erschüttert: Diese Praxis war zwar nicht gesetzlich festgeschrieben, aber gängiger Usus. „Manche betroffene Mutter wird bis heute befürchten, der Entzug des Sorgerechts sei ihr persönliches Versagen – obwohl es eine Folge von Diskriminierung war", erklärt Dr. Kirsten Plötz.

Die Studie entstand im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen unter Leitung des Queeren Netzwerks NRW. Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes fördert die Untersuchung über den Zeitraum 1946 bis 2000. Damit wird ein bislang kaum erforschter Aspekt der Diskriminierung von LGBTIQ*-Menschen in Deutschland aufgearbeitet.

Zeitzeug*innen brechen das Schweigen

Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit stehen die Berichte von Zeitzeug*innen: betroffene Mütter, ihre Kinder, Lebenspartnerinnen, Väter und weitere Beteiligte schildern ihre Erfahrungen von Diskriminierung, Gerichtsverfahren und Angst – aber auch von Solidarität und Widerstand. Die Studie soll das Wissen von Zeitzeug*innen einbeziehen und damit Erkenntnislücken schließen sowie die Erfahrungen einzelner Menschen und Familien aussprechbar machen.

Die Ergebnisse belegen, dass lesbische Mütter in Angst, Abhängigkeit und Sorge um den Verlust des Sorgerechts ihrer Kinder und den Unterhalt lebten, wenn sie sich von ihrem Ehemann scheiden ließen, um in einer Liebesbeziehung mit einer Frau zu leben. Diese ständige Bedrohung führte dazu, dass viele Frauen ihre Beziehungen verschwiegen oder sogar Jahre länger in unglücklichen Ehen blieben.

Rechtsgeschichtlicher Kontext und gesellschaftliche Normen

Die Diskriminierung lesbischer Mütter hatte mehrere rechtliche und gesellschaftliche Ursachen. Das Schuldprinzip im Scheidungsrecht, das bis 1977 galt, führte dazu, dass schuldig geschiedene Ehepartnerinnen den Unterhalt verloren. Der gleichgeschlechtliche Verkehr wurde als „schwere Eheverfehlung" angesehen. Dem schuldig geschiedenen Elternteil wurde in der Regel das Sorgerecht nicht zugesprochen, da eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft als moralisch bedenklich galt.

Besonders perfide: Eine Gefährdung des Kindeswohls wurde auch damit begründet, dass eine Diskriminierung der Kinder zu befürchten sei, wenn sie bei ihrer lesbischen Mutter leben. Die Gesellschaft selbst schuf also die diskriminierenden Bedingungen und nutzte sie dann als Argument gegen lesbische Mütter.

Pionierin der Forschung zu lesbischer Geschichte

Dr. Kirsten Plötz forscht seit über 30 Jahren über lesbische Geschichte und ist Expertin für den Entzug des Sorgerechts wegen lesbischen Begehrens. Ihre vorherige Forschung zum Sorgerechtsentzug in Rheinland-Pfalz, die 2021 veröffentlicht wurde, war bundesweit die erste systematische Aufarbeitung dieses Themas. Damals entschuldigte sich die damalige Familienministerin des Bundeslands, Anne Spiegel, ausdrücklich bei den Betroffenen für das erlebte Unrecht.

Unterschiedliche Rechtspraxis in NRW

Die Forschung zeigt: Gerichte und Institutionen in Nordrhein-Westfalen trafen durchaus unterschiedliche Entscheidungen. In NRW gab es Forderungen von Institutionen, die verlangten, offen lesbisch lebende Mütter sollten nicht mit ihren Kindern leben dürfen. Doch es gab auch Fortschritte: Das Amtsgericht Mettmann fällte 1984 das erste bekannte Urteil, das Homosexualität und Kindeswohl nicht als Gegensätze wertete und die gute Beziehung der Kinder zur Mutter und zu deren Lebensgefährtin als entscheidend ansah.

Aktuelle Relevanz: Kampf um Gleichstellung geht weiter

Obwohl die rechtliche Situation sich seit den 1990er Jahren erheblich verbessert hat, kämpfen queere Familien bis heute um ihre rechtliche Gleichstellung – etwa beim Sorgerecht und der damit verbundenen rechtlichen Absicherung der Kinder. Die Aufarbeitung dieser Geschichte ist daher nicht nur eine Frage historischer Gerechtigkeit, sondern auch relevant für aktuelle familienpolitische Debatten.

NRW-Familienministerin Josefine Paul betont: „Mir ist es sehr wichtig, die Aufarbeitung der historischen Verfolgung und Ausgrenzung von LSBTIQ* Menschen weiter fortzusetzen." Mit dem Forschungsprojekt zum Sorgerechtsentzug soll ein bisher wenig bekannter Aspekt der Diskriminierung sichtbar gemacht werden. Dabei ist es wichtig, die Opfer zu Wort kommen zu lassen und das erlittene Unrecht anzuerkennen.

Öffentliche Präsentation und Teilnahme

Die Präsentation der Studienergebnisse findet am 24. November 2025 um 16 Uhr im Düsseldorfer Townhouse (Bilker Straße 36) statt und ist öffentlich zugänglich. Anmeldungen sind online möglich. Die Veranstaltung bietet Betroffenen, Angehörigen und der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit, mehr über dieses dunkle Kapitel deutscher Rechtsgeschichte zu erfahren und mit der Forscherin ins Gespräch zu kommen.

Diese wichtige Studie ist ein weiterer Schritt zur Aufarbeitung der systematischen Diskriminierung von LGBTIQ*-Menschen in Deutschland. Sie gibt den betroffenen Müttern und ihren Kindern eine Stimme und dokumentiert ein Unrecht, das viel zu lange im Verborgenen blieb. Die Erkenntnis, dass staatliche Institutionen bis in die jüngste Vergangenheit aktiv Familien zerstört haben, sollte uns mahnen, wachsam zu bleiben und für die Rechte aller Familienformen einzutreten.


Menschenverachtende Entgleisung: CDU-Funktionär in Potsdam macht queere Community fassungslos

Ein homophober WhatsApp-Kommentar eines CDU-Funktionärs aus Potsdam erschüttert derzeit die queere Community in Deutschland. Jan Jacobi, Stadtverbandsvorsitzender der CDU Stern-Drewitz-Kirchsteigfeld in Potsdam, kommentierte einen "Bild"-Bericht über die Segnung von vier schwulen Männern durch die evangelische Pfarrerin Lena Müller in Berlin mit den Worten "Es gab Zeiten, da hatten sie so viel Respekt und hätten sich selbst angezündet." Der Vorfall in der parteiinternen WhatsApp-Gruppe wirft erneut die Frage auf, wie ernst es Teile der CDU mit dem Schutz queerer Menschen wirklich meinen.

Parteiausstieg nach Verhöhnung

Öffentlich gemacht wurde die Entgleisung von dem Juristen und langjährigen Christdemokraten Ulrich Magerl in diversen Beiträgen auf Facebook und X. Auf seine Nachfrage, ob diese Äußerung den Werten der CDU entspräche, sei er verhöhnt und aus der WhatsApp-Gruppe geworfen worden. Die Konsequenz: Magerl trat aus der Partei aus. "Diese menschenverachtenden, homophoben Äußerungen meines ehemaligen 'Parteifreundes' trage ich nicht mit", schrieb er auf Facebook.

Die Wortwahl des CDU-Funktionärs ist besonders perfide: Zuletzt hatte sich 2021 eine trans Frau auf dem Berliner Alexanderplatz verbrannt. Queere Menschen sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger von Suizidgedanken und -versuchen betroffen. Der aktuelle Kenntnisstand der Forschung sieht die Ursache dafür vor allem in gesellschaftlicher Diskriminierung, Ablehnung durch das soziale Umfeld sowie in internalisierter Homo- oder Transfeindlichkeit. Jacobis Anspielung auf Selbsttötungen aus "Respekt" verhöhnt das Leid dieser Menschen zynisch.

Keine Entschuldigung, nur Relativierung

Gegenüber dem Tagesspiegel räumte Jacobi seine Wortwahl zwar ein, will sie aber als "sarkastische Bemerkung" verstanden wissen, die er aus großer Verärgerung geschrieben habe. Sein Kommentar habe sich nicht gegen die vier schwulen Männer gerichtet, sondern gegen die Pastorin, die "Polygamie propagiere". Eine Entschuldigung kam ihm allerdings nicht über die Lippen. Stattdessen erklärte er: "Mir Homophobie vorzuwerfen, ist absurd."

Diese Reaktion ist symptomatisch: Statt Verantwortung zu übernehmen, wird relativiert und abgelenkt. Der CDU-Mann löschte den Kommentar, um "Missverständnissen vorzubeugen" – nicht etwa, weil er dessen menschenverachtenden Charakter erkannt hätte.

Ein Muster wird sichtbar

Jacobi ist in der Potsdamer CDU keine unbedeutende Randfigur. Er ist kein unbeschriebenes Blatt in der Potsdamer Union, mit queerfeindlicher Hetze war er bisher aber noch nicht aufgefallen. Neben seiner Funktion als Stadtverbandsvorsitzender ist er auch Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) Potsdam. Auf seinem X-Account teilt er vorwiegend Inhalte rechtspopulistischer Medien wie "Bild" und "Nius".

Besonders brisant: Jacobi ist Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten Saskia Ludwig, die dem rechten Rand der CDU zugerechnet wird. Ludwig balanciert seit Jahren auf dem rechten Rand und sorgt immer wieder auch in der eigenen Partei für Kritik. Einen Monat vor der Bundestagswahl wirbt sie dafür, die „Brandmauer" zur AfD aufzubrechen. Ludwig sprach sich beim MCC in Ungarn offen gegen die Brandmauer aus und traf dort AfD-Chefin Alice Weidel.

Suizidprävention statt Verhöhnung

Der Fall wirft Licht auf ein dramatisches Problem: Die EU-Grundrechteagentur (FRA) zeigt, dass 14 % aller befragten LGBTIQ-Personen in Deutschland bereits einen Suizidversuch hinter sich haben. Diese Raten sind innerhalb der Community ungleich verteilt: Trans Personen haben die höchsten Raten an Suizidversuchen: 28 % bei trans Männern und 26 % bei trans Frauen. Diese erschütternden Zahlen sind keine Folge des Queer-Seins, sondern der gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen wir leben. Das Minderheitenstress-Modell erklärt, wie ständige Diskriminierung, Ablehnung und Gewalt zu psychischem Leid und Suizidalität führen.

Würde an Vorschulen und Schulen Mobbing besser bekämpft und die Akzeptanz von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten gesteigert, könne die Selbstmordrate unter queeren Kindern und Jugendlichen erheblich gesenkt werden. Stattdessen erleben wir, wie politische Funktionäre mit menschenverachtendem Zynismus über die Selbsttötung queerer Menschen sprechen.

CDU zwischen Bekenntnis und Realität

Der Vorfall steht im krassen Widerspruch zum offiziellen Kurs der Bundes-CDU. In ihrem neuen Grundsatzprogramm erkennt die CDU den Status quo der LGBTI-Gleichstellung an. Im Mai 2024 hat die CDU ihr neues Grundsatzprogramm vorgestellt, darin ein Bekenntnis zur gleichgeschlechtlichen Ehe und für Gleichberechtigung. Beim letzten Grundsatzprogramm 2007 hatte die Partei die Ehe für alle noch abgelehnt.

Doch die Kluft zwischen programmatischen Aussagen und der Haltung einzelner Funktionäre bleibt bestehen. Die Union will vor allem am Status quo festhalten, bleibt vage und lässt insgesamt 14 Forderungen unbeantwortet, wie der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in seinen Wahlprüfsteinen zur Bundestagswahl 2021 feststellte.

Was jetzt geschehen muss

Der Fall Jacobi darf nicht folgenlos bleiben. Die CDU Potsdam muss klar Position beziehen: Sind solche menschenverachtenden Äußerungen mit den Werten der Partei vereinbar? Wird Jacobi zur Rechenschaft gezogen? Eine bloße Distanzierung reicht nicht aus – gefordert sind konkrete Konsequenzen.

Darüber hinaus zeigt der Vorfall, wie dringend notwendig eine umfassende Suizidpräventionsstrategie ist, die queere Menschen explizit einbezieht. Ein Suizidpräventionsgesetz mit zweckgebundener Finanzierung für queere Hilfsangebote muss sofort verabschiedet werden. Die systematische Erfassung von SOGI-Daten (sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität) in allen Gesundheitsstatistiken ist unerlässlich. Ohne Daten gibt es keine evidenzbasierte Politik.

Wenn Parteifunktionäre offen über die Selbsttötung queerer Menschen spotten, ist das mehr als eine "Entgleisung" – es ist ein Angriff auf die Würde und das Lebensrecht von LGBTIQ*-Menschen. In Zeiten, in denen queerfeindliche Gewalt zunimmt, tragen solche Äußerungen zu einem gesellschaftlichen Klima bei, das queere Leben gefährdet.

Hilfsangebote bei Suizidgedanken: Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0800-1110111 und 0800-1110222 erreichbar. Für queere Jugendliche gibt es zudem viele spezialisierte Anlaufstellen und Jugendgruppen in Deutschland, die Beratung und Unterstützung bieten.


Ein Urteil mit Signalwirkung: Späte Gerechtigkeit für die queere Community

In einer bemerkenswerten Entscheidung hat das Amtsgericht Weinheim den bekannten Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen wegen Hetze gegen Homosexuelle verurteilt. Das Original auf queer.de berichtet von einem Urteil, das in seiner Bedeutung weit über den Einzelfall hinausgeht – es markiert einen wichtigen Wendepunkt im strafrechtlichen Umgang mit queerfeindlicher Hetze in Deutschland.

Die Verurteilung: Ein Signal gegen Queerfeindlichkeit

Das Amtsgericht Weinheim hat Klaus Günter Annen wegen eines homofeindlichen Hetzartikels wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 3.600 Euro (120 Tagessätze à 30 Euro) verurteilt. Annen ist seit 2016 stellvertretender Vorsitzender der fundamentalistischen Christlichen Mitte und erstattete laut Süddeutscher Zeitung seit 2001 Strafanzeigen gegen über 400 Mediziner wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft.

Der 74-jährige hatte auf seiner indizierten Website "babykaust.de" einen alten Flyer des Vereins erneut veröffentlicht, der Homosexuelle für "mehr als sechs Millionen Aids-Tote" verantwortlich machte und von einer "naturwidrigen Trieb-Verirrung" sprach. Die Äußerungen seien "geistiger Nährboden für Exzesse gegenüber Homosexuellen", begründete der Vorsitzende Richter sein Urteil laut Medienberichten.

Ein Wandel in der Rechtsprechung

Besonders bemerkenswert ist der Kontrast zur Entscheidung von vor zwölf Jahren: Damals hatte die Staatsanwaltschaft Münster eine Anklage gegen den identischen Text abgelehnt. Die Begründung aus dem Jahr 2013 wirkt aus heutiger Sicht erschreckend: Die Äußerungen würden Homosexualität lediglich als "heilbare Erkrankung" ansehen und seien daher wegen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung "gerechtfertigt".

Diese Wende in der juristischen Bewertung spiegelt einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel wider. Rechtsprechung entwickelt sich immer weiter und nimmt dabei gesellschaftliche Entwicklungen auf, erklärt der Berliner Theologe Georg Essen. In Deutschland scheint es so zu sein, dass die Rechtsprechung tendenziell religionsneutraler wird und damit folgerichtig distanzierter gegenüber religiösen Bekenntnissen.

Historischer Kontext: Deutschlands schwieriges Erbe

Die zögerliche Entwicklung des rechtlichen Schutzes für LGBTQ+ Menschen in Deutschland hat tiefe historische Wurzeln. Bis 1994 waren sexuelle Handlungen zwischen Männern – unter wechselnden Tatbestandsvoraussetzungen – nach Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Deutschland strafbar. Zwischen 1950 und 1969 kam es zu mehr als 100.000 Ermittlungsverfahren und etwa 50.000 rechtskräftigen Verurteilungen.

Besonders beschämend: Die staatliche Verfolgung Homosexueller unter dem von den Nationalsozialisten verschärften § 175 ging in der Bundesrepublik bis 1969 unverändert weiter und übertraf bei weitem die Zahl der Verurteilungen während der Weimarer Republik. Die Verfolgung endete nicht mit der NS-Zeit, sondern wurde in der Bundesrepublik strafrechtlich bruchlos fortgesetzt. Noch jahrzehntelang wurde mit § 175 StGB NS-Recht gegen Homosexuelle angewandt und damit ein Klima der Homophobie legitimiert und befördert, das bis heute negative Auswirkungen hat.

Die Herausforderung des Paragrafen 130

Trotz des aktuellen Urteils bleibt der rechtliche Schutz vor queerfeindlicher Volksverhetzung unvollständig. In § 130 werden als mögliche Ziele von Volksverhetzung „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe(n)" ausdrücklich hervorgehoben. Sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität sind dagegen nicht benannt. Das Ergebnis: Entscheidungen zu homophober oder sexistischer Volksverhetzung sind trotz weit verbreiteter homophober und sexistischer Hassreden äußerst selten.

Der LSVD (Lesben- und Schwulenverband) kritisiert diese Lücke seit Jahren. Es ist ein fatal falscher Weg, wenn der Gesetzgeber Homophobie und Transfeindlichkeit in den einschlägigen Strafrechtsnormen weiterhin tabuisiert und unsichtbar hält. § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB sowie § 130 StGB sollten so ausgestaltet werden, dass sie die empirisch belegten Erscheinungsformen von Hasskriminalität angemessen im Wortlaut benennen.

Bedeutung für die queere Community

Das Weinheimer Urteil ist dennoch ein wichtiges Signal. Es zeigt, dass die deutsche Justiz bei der Verfolgung queerfeindlicher Volksverhetzung sensibler geworden ist – auch wenn der Weg dorthin beschämend lang war. Die Tatsache, dass derselbe Text, der 2013 als durch die Meinungsfreiheit gedeckt galt, nun als strafbare Volksverhetzung bewertet wird, dokumentiert einen fundamentalen Wandel im Rechtsverständnis.

Für queere Menschen in Deutschland bedeutet das Urteil mehr als nur eine juristische Genugtuung. Es erkennt an, dass Hassrede gegen LGBTQ+ Menschen nicht unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit oder Meinungsfreiheit legitimiert werden kann. Dass Homo- und Bisexuelle in Deutschland immer noch diskriminiert beziehungsweise benachteiligt werden, bestätigten 2017 noch 80,6 Prozent der Befragten. Homophobie ist 2018 also weiterhin ein politisch-gesellschaftlich relevantes Thema.

Der Weg nach vorn

Obwohl Annen angekündigt hat, gegen das Urteil Berufung einzulegen, markiert diese Entscheidung einen wichtigen Präzedenzfall. Sie zeigt: Hetze gegen LGBTQ+ Menschen ist keine Meinung, sondern eine Straftat. Sie ist kein legitimer Ausdruck religiöser Überzeugungen, sondern ein Angriff auf die Menschenwürde.

Dennoch bleibt viel zu tun. Solange sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität nicht explizit im Volksverhetzungsparagrafen genannt werden, bleibt der Schutz unvollständig. Das Weinheimer Urteil ist ein Schritt in die richtige Richtung – aber es darf nicht der letzte sein. Die queere Community verdient den gleichen umfassenden rechtlichen Schutz vor Hassrede wie alle anderen schutzbedürftigen Gruppen in unserer Gesellschaft.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Weinheim ist späte Gerechtigkeit – aber sie ist ein hoffnungsvolles Zeichen dafür, dass sich Deutschland seiner historischen Verantwortung zunehmend bewusst wird und bereit ist, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.


Hessen: 869 Menschen ändern 2024 ihren Geschlechtseintrag – Ein Jahr Selbstbestimmungsgesetz

Ein Jahr nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes zeigt sich in Hessen: 869 Menschen haben 2024 ihren Geschlechtseintrag geändert, wie das Hessische Innenministerium auf eine Kleine Anfrage mitteilt. Die Zahlen verdeutlichen, wie groß der Bedarf nach einem unbürokratischen Verfahren war – und räumen mit Befürchtungen vor Missbrauch auf.

Das Ende eines diskriminierenden Verfahrens

Mit dem seit 1. November 2024 geltenden Selbstbestimmungsgesetz können Menschen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen per Erklärung im Personenstandsregister ändern lassen – ohne Gutachten, ärztliche Bescheinigungen oder richterliche Beschlüsse. Es löst das jahrzehntelang kritisierte Transsexuellengesetz ab, das für Betroffene lange Wartezeiten, hohe Kosten und belastende intime Fragen der Begutachtenden bedeutete.

Das alte Transsexuellengesetz von 1980 wurde vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt. Es basierte auf einem medizinisch veralteten, pathologisierenden Verständnis von Transgeschlechtlichkeit. Der Gesetzgeber schafft damit erstmals auf Eigeninitiative eine rechtliche Verbesserung für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen, ohne vorher vom Bundesverfassungsgericht dazu aufgefordert worden zu sein.

Höhere Nachfrage als erwartet – bundesweit über 22.000 Nutzungen

Die hessischen Zahlen fügen sich in ein bundesweites Bild: Im ersten Jahr haben über 22.000 TIN* Menschen das Selbstbestimmungsgesetz genutzt. Bereits in den ersten beiden Monaten nach Inkrafttreten (November und Dezember 2024) gab es bundesweit 10.589 Geschlechtseintragsänderungen. Zum Vergleich: Von Januar bis Oktober 2024 waren es unter dem alten Transsexuellengesetz nur 596 Fälle.

Die Bundesregierung hatte in ihrem Gesetzentwurf mit ungefähr 4.000 Fällen pro Jahr gerechnet – die tatsächliche Nachfrage liegt deutlich höher. Dies zeigt laut Expert*innen nicht etwa einen "Trend", sondern dass sehr viele Menschen sehr lange gewartet haben, ihr Geschlecht in dieser vereinfachten Form ändern lassen zu können.

Keine Hinweise auf Missbrauch

Ein zentrales Ergebnis der hessischen Auswertung: Fälle, in denen das Selbstbestimmungsgesetz gezielt missbräuchlich genutzt wurde, sind der Landesregierung nicht bekannt. Auch eine konkrete Einschränkung oder Gefährdung von Rechten von Frauen und Mädchen durch das neue Gesetz sei nicht zur Kenntnis gelangt, teilt das Innenministerium mit.

Diese Erfahrung deckt sich mit internationalen Erkenntnissen: Ein Bericht aus dem Jahr 2022, der bestehende Selbstbestimmungsmodelle in verschiedenen Ländern wie Dänemark, Portugal und der Schweiz untersucht hat, zeigt, dass kein Fall einer Änderung des Geschlechtseintrags aus betrügerischen oder kriminellen Absichten bekannt geworden ist.

Wie das Verfahren funktioniert

Das Gesetz sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Drei Monate vorher muss die Änderung bei dem Standesamt angemeldet werden. Eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen kann durch eine persönliche "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt erfolgen. Diese dreimonatige Wartefrist soll Menschen Bedenkzeit geben, wird aber von Aktivist*innen als Einschränkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung gesehen.

Für eine erneute Änderung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr nach der vorherigen Änderungserklärung. Für Minderjährige gibt es besondere Regelungen: Für Minderjährige bis 14 Jahren können die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung abgeben; die Erklärung bedarf des Einverständnisses des Kindes, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat.

Deutschland folgt internationalem Trend

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz folgt Deutschland 16 weiteren Staaten, die bereits vergleichbare Regelungen zur Verwirklichung der Geschlechtsidentität vorsehen. Dazu gehören Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay, Spanien, Finnland, die Schweiz, Brasilien, Kolumbien und Ecuador.

Positive Bilanz nach einem Jahr

Menschen, die von der neuen Regelung Gebrauch gemacht haben, berichten von Erleichterung, mehr Sicherheit und einem neuen Gefühl gesellschaftlicher Zugehörigkeit. Erfahrungsberichte zeigen, dass die Umsetzung in weiten Teilen unbürokratisch, respektvoll und verlässlich verläuft.

Die hessischen Zahlen – 869 Änderungen bei 6,28 Millionen Einwohner*innen – belegen, dass es sich um eine kleine, aber wichtige Gruppe von Menschen handelt, für die das Selbstbestimmungsgesetz einen entscheidenden Schritt zu mehr Würde und Selbstbestimmung bedeutet. Das Selbstbestimmungsgesetz stärkt das Vertrauen in den Staat, weil es verdeutlicht, dass Grundrechte für alle gelten – nicht nur auf dem Papier, sondern im Alltag.


Zeug*innen gesucht nach queerfeindlicher Attacke in Mainz

Am Donnerstagabend wurden eine 33-jährige Frau und ein 37-jähriger Mann in der Mainzer Wallstraße Opfer einer queerfeindlichen Attacke. Laut Polizeimeldung vom Freitag verfolgte ein unbekannter Mann das Paar gegen 21:30 Uhr auf ihrem Heimweg, belauschte ihr Gespräch und griff sie schließlich sowohl verbal als auch körperlich an. Die Polizei sucht nun dringend nach Zeug*innen, die Hinweise zu dem Täter geben können.

Vom Belauschen zur Gewalt

Was als harmloser Heimweg begann, entwickelte sich schnell zu einer bedrohlichen Situation. Die beiden Geschädigten bemerkten zunächst, dass der Unbekannte ihnen folgte und ihr Gespräch über politische Themen belauschte. Plötzlich begann der Mann, lautstark homofeindliche und politisch motivierte Beleidigungen zu äußern und fragte den 37-Jährigen gezielt nach seiner sexuellen Orientierung. Die Situation eskalierte, als der Täter beide Personen mehrfach schubste und stieß. Glücklicherweise blieben die beiden körperlich unverletzt, konnten die Polizei verständigen – woraufhin der Täter in Richtung Hauptbahnhof West flüchtete.

Teil eines alarmierenden Trends

Der Vorfall in Mainz ist kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine besorgniserregende Entwicklung: Im Jahr 2023 wurden bundesweit 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* registriert – ein dramatischer Anstieg von 1.188 Fällen im Jahr 2022. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht, wie das Bundeskriminalamt berichtet.

Auch in Rheinland-Pfalz ist die Entwicklung besorgniserregend. Die Melde- und Dokumentationsstelle für menschenfeindliche Vorfälle in Rheinland-Pfalz verzeichnet für das Jahr 2024 im Phänomenbereich Queerfeindlichkeit 103 Vorfälle – 66 Vorfälle richteten sich gegen die sexuelle Identität und 44 Vorfälle gegen die geschlechtliche Identität von Menschen. Mainz selbst war in den vergangenen Jahren bereits mehrfach Schauplatz queerfeindlicher Übergriffe.

Die Dunkelziffer bleibt erschreckend hoch

Besonders beunruhigend: Die Dunkelziffer wird auf 80 bis 90 Prozent geschätzt. Nur in 13 Prozent von Vorfällen wird eine Anzeige erstattet, woraus zu folgern ist, dass die Dunkelziffer queerfeindlicher Gewalt weit höher ist als aus den polizeilichen Zahlen hervorgeht. Viele Betroffene trauen sich nicht zur Polizei – aus Scham, aus Angst vor mangelnder Unterstützung oder weil sie die Übergriffe als "normal" empfinden.

Zu den häufigsten gegen LSBTIQ* gerichteten Straftaten gehörten im Jahr 2023 Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen sowie Nötigungen und Bedrohungen. Dies wird einerseits mit der LSBTIQ*-feindlichen Gegenreaktion auf die wachsende Sichtbarkeit von LSBTIQ* in Verbindung gebracht, andererseits wird auch davon ausgegangen, dass die Anzeigenbereitschaft unter LSBTIQ* langsam zunimmt.

Unterstützungsangebote in Rheinland-Pfalz

Für Betroffene queerfeindlicher Gewalt gibt es in Rheinland-Pfalz wichtige Anlaufstellen. Die Fachberatungsstelle „Quint*" in Mainz bietet queeren Menschen mit Gewalterfahrung und ihren Angehörigen niedrigschwellig professionelle psychosoziale, therapeutische und rechtliche Beratung an und wird vom Familienministerium im Rahmen des Landesaktionsplans „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen" gefördert. Weitere Informationen finden sich unter www.quint-beratung.de.

Zudem steht die Ansprechstelle der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz für lesbische, schwule, bisexuelle, transidente und intergeschlechtliche Menschen allen offen – besonders Menschen, die aufgrund ihrer tatsächlichen, unterstellten oder erwarteten Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung Opfer von Straftaten wurden.

Zeug*innen gesucht

Die Polizei beschreibt den Täter als etwa 30 Jahre alt, mit schwarzen Haaren und Hochdeutsch sprechend. Zum Tatzeitpunkt trug er eine schwarze 3/4-Hose, ein T-Shirt und war barfuß unterwegs. Möglicherweise stand er unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln. Die Polizeiinspektion Mainz 2 bittet Personen, die sachdienliche Hinweise geben können, sich unter der Rufnummer (06131) 65-34250 oder per E-Mail unter pimainz2@polizei.rlp.de zu melden.

Dieser Vorfall zeigt einmal mehr: Queerfeindliche Gewalt ist alltäglich und kann jeden treffen – mitten in der Stadt, auf dem Heimweg, beim Gespräch über politische Themen. „Jeden Tag werden in Deutschland Menschen angegriffen, bloß weil sie lieben, wie sie lieben oder sind wie sie sind. Bei allen rechtlichen und gesellschaftlichen Fortschritten: LSBTIQ* bleiben eine verwundbare gesellschaftliche Gruppe", so der Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann.


Könnte dieser schwule Netflix-Star der nächste James Bond werden?

Die Debatte um die Besetzung des nächsten James Bond nimmt Fahrt auf – und diesmal sorgt ein unerwarteter Name für Aufmerksamkeit. Max Parker, bekannt aus der britischen Serie Emmerdale und zuletzt aus der Netflix-Militärserie Boots, wird als möglicher Kandidat gehandelt und erhält bereits viel Zuspruch im Internet. Die spannende Frage dabei: Ist die Welt bereit für einen offen schwulen James Bond?

Der britische Schauspieler Max Parker, der kürzlich in der Netflix-Serie Boots zu sehen war, hat eine intensive Online-Diskussion ausgelöst. In Boots spielt Parker Sergeant Sullivan, eine harte Figur, die ihre Homosexualität verbergen muss, da diese in den 1990er Jahren, in denen die Serie spielt, illegal war.

Eine virale Debatte über Authentizität

Am 11. November teilte jemand auf Threads ein Bild von Parker zusammen mit einem Headshot und schrieb: "Ich frage mich, was die Öffentlichkeit davon halten würde, wenn der nächste James Bond von einem schwulen Schauspieler gespielt würde". Die Reaktionen waren überwiegend positiv. Nutzer kommentierten unter anderem: "Ein guter Schauspieler ist ein guter Schauspieler. Sexuelle Präferenzen sind irrelevant".

Parker kam 2020 in einem Interview mit dem Attitude Magazin öffentlich als schwul heraus und bestätigte seine Beziehung mit Emmerdale-Kollege Kris Mochrie. Die beiden verlobten sich im Januar 2022 und heirateten im August desselben Jahres.

Perfektes Timing für Denis Villeneuves Suche

Parkers Chancen könnten tatsächlich nicht schlecht stehen. Denis Villeneuve, der Regisseur des nächsten Bond-Films, möchte seinen Bond nach Abschluss der Dreharbeiten zu Dune 3 besetzen, und laut Deadline sucht er nach einem britischen "frischen Gesicht" für die Rolle. Der Regisseur und seine Mitarbeiter suchen nach einem "frischen Gesicht" für die 007-Rolle – idealerweise ein Unbekannter, möglicherweise Ende 20 oder Anfang 30.

Wenn dies die Überlegung ist, wäre jemand wie Parker ideal für Bond, da er bereits etwas Anerkennung hat, aber noch kein A-Lister ist. Der 33-jährige Schauspieler hat neben Boots auch in Serien wie Casualty, Emmerdale und Vampire Academy mitgewirkt. Im März 2025 wurde bekannt gegeben, dass Parker für die fünfzehnte Staffel von Doctor Who gecastet wurde.

Ein deutscher Blickwinkel auf LGBTQ+ Repräsentation im Film

Die Diskussion um Parkers mögliche Besetzung erinnert an wichtige Debatten in Deutschland. Im Februar 2021 outeten sich 185 deutsche Schauspieler*innen in der Initiative #ActOut als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer, intergeschlechtlich oder nichtbinär. Nahezu alle Unterzeichner von #ActOut können eine Geschichte über offene oder zumindest versteckte Homophobie erzählen.

Selbst Agenten rieten queeren Menschen, sich lieber nicht öffentlich zu outen – aus Angst, keine Hetero-Rollen mehr angeboten zu bekommen. Diese Erfahrungen zeigen, wie relevant die Frage nach einem offen schwulen Bond-Darsteller auch für die deutsche Kulturlandschaft ist.

James Bonds queere Geschichte

Die Bond-Franchise hat bereits zaghafte Schritte in Richtung LGBTQ+ Repräsentation unternommen. No Time to Die zeigte eine Szene, die Ben Whishaws Q als schwul bestätigte und ihn zum ersten Verbündeten von James Bond machte, der offen Mitglied der LGBTQ+ Community ist. Die Daniel-Craig-Ära von Bond brachte große Veränderungen in der Darstellung dieser Thematik.

Allerdings hatten LGBT-Charaktere in James-Bond-Filmen traditionell eine komplexe Geschichte, da sich Einstellungen gegenüber LGBTQ+ Menschen grundlegend verändert haben. Frühere Filme zeigten queere Charaktere oft als Bösewichte – ein problematisches Muster, das die moderne Ära hinter sich lassen möchte.

Ist die Zeit reif?

Die Frage bleibt offen: Darf ein Bond-Darsteller inzwischen offen schwul sein? Ist die Welt bereit dafür? Diskussionen darüber, ob der neue Bond schwarz oder eine Frau sein könnte, wurden intern von den Verantwortlichen offenbar dementiert. Der nächste Bond wird erneut ein weißer Mann aus Großbritannien werden.

Max Parker verkörpert genau diese Kriterien – mit einem entscheidenden Unterschied: Er ist offen schwul. In einem Interview für den Red Hot-Kalender sprach Parker über seine Ängste als schwuler Schauspieler: "Ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden, wollte aber auch keine Chancen verpassen, weil mich Leute vielleicht nicht als heterosexuellen Hauptdarsteller besetzen würden".

Doch Parker hat seine Meinung geändert: "Authentisch man selbst zu sein, öffnet so viele Türen, als man denkt. Als ich mich outete, war es wahrscheinlich die letzte Tür, die geöffnet werden musste, um mit meinem Leben und meiner Karriere weiterzumachen. Authentisch du selbst zu sein, ist das Befreiendste, was du tun kannst. Und je schneller du es tust, desto schneller kannst du leben".

Ob Max Parker tatsächlich der nächste 007 wird, bleibt abzuwarten. Doch allein die Tatsache, dass diese Diskussion stattfindet, zeigt einen bedeutenden Wandel in der Filmindustrie. Die Bond-Franchise hat sich über sechs Jahrzehnte immer wieder neu erfunden – vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt für den nächsten mutigen Schritt.

Alle Episoden von Boots sind jetzt auf Netflix verfügbar.


Historischer Schritt: EKD distanziert sich von queerfeindlicher "Homo-Heilungs"-Vergangenheit

Ein bemerkenswerter Moment für die Gleichberechtigung queerer Menschen: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat am Mittwoch bei ihrer Synode in Dresden den Antrag "Gleichberechtigung queerer Menschen" beschlossen. Damit vollzieht die größte protestantische Kirche Deutschlands eine klare Abkehr von ihrer dunklen Vergangenheit – darin distanziert sie sich von ihrer eigenen Orientierungshilfe "Mit Spannungen leben" aus dem Jahr 1996. Ein Text, der jahrzehntelang zur theologischen Rechtfertigung von Diskriminierung diente und wie queer.de berichtet, bis heute von queerfeindlichen Kräften missbraucht wird.

Das dunkle Erbe: Wenn Kirchen "Heilung" predigten

Was heute fast unvorstellbar klingt, war in den 1990er Jahren offizielles Kirchendokument: Die Orientierungshilfe propagierte die angebliche "Heilbarkeit" von Homosexualität durch Therapie und Seelsorge. Das Papier behauptete, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften widersprächen dem Willen Gottes und nur Heterosexuelle verdienten es, eine Ehe zu schließen. Jahrzehntelang beriefen sich evangelikale Kreise auf diesen Text, um ihre diskriminierende Haltung zu rechtfertigen.

Der Schaden, den solche "Konversionstherapien" anrichten, ist heute wissenschaftlich erwiesen: Wissenschaftlich nachgewiesen sind schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche "Therapien" wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Die Weltgesundheitsorganisation hat erklärt, dass Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit keine Krankheit sind und keine Indikation für eine "Therapie" besteht.

Deutschland als Vorreiter: Das Verbot von Konversionstherapien

Die Bundesrepublik hat hier international Zeichen gesetzt: Das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen ist am 24. Juni 2020 in Kraft getreten. Medizinische und andere Interventionen, die darauf gerichtet sind, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken (sogenannte Konversionstherapien) und das Werben hierfür ist verboten. Verstöße werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einem hohen Bußgeld geahndet. Deutschland gehört damit zu den wenigen europäischen Ländern, die solche menschenverachtenden Praktiken konsequent sanktionieren.

Kirche bekennt sich zu Menschenrechten für alle

Mit dem Dresdner Beschluss schlägt die EKD ein neues Kapitel auf: Die Kirche erklärt nun unmissverständlich, dass die Orientierungshilfe von 1996 "nicht dieser Grundüberzeugung" entspreche und bittet den Rat, dafür zu sorgen, "dass dieser Text (analog und digital) nicht mehr als Orientierungshilfe zur Verfügung gestellt wird."

Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) begrüßte in einem ersten Statement den Synodenbeschluss zur Gleichberechtigung queerer Menschen. Der Verein bot der Kirche zudem Unterstützung bei der "Erarbeitung eines zeitgemäßen Papiers zur Verbindung unterschiedlicher Lebensentwürfe und Identitäten im gemeinsamen Glauben" an.

Regenbogenfahne offiziell erlaubt: Sichtbare Vielfalt

Ein weiteres starkes Zeichen setzte die EKD mit einem neuen Flaggengesetz: In einem neuen "Kirchengesetz über die Verwendung von Fahnen, Flaggen und ähnlichen Kennzeichen" heißt es: "Die Verwendung von Fahnen, Flaggen und ähnlichen Kennzeichen durch die evangelische Kirche dient der Darstellung der Kirche in der Öffentlichkeit. Sie darf dem Auftrag der Kirche nicht widersprechen." Die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs hatte bereits zur Eröffnung der Synode am Sonntag erklärt, dass die Regenbogenfahne als Symbol der Vielfalt dem "kirchlichen Selbstverständnis" entspreche.

EKD im europäischen Vergleich: Eine der queerfreundlichsten Kirchen

Und wie steht die EKD im internationalen Vergleich da? Nach dem Rainbow Index of Churches in Europe 2025 erreicht die Evangelische Kirche in Deutschland 85 Prozent – ein beachtlicher Wert. Nur die Schwedische Kirche schneidet unter den großen protestantischen Kirchen noch besser ab. Innerhalb der EKD ist die Situation allerdings heterogen: Während viele Landeskirchen längst gleichgeschlechtliche Trauungen anbieten, hielt die württembergische Landeskirche erst im Oktober am Verbot gleichgeschlechtlicher Trauungen fest.

Die Gleichstellung in deutschen Landeskirchen

Viele evangelische Landeskirchen haben längst Fakten geschaffen: Die Evangelische Kirche im Rheinland ermöglicht seit 2016 die Trauung und eine Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und verheirateten Paaren. Die Evangelische Kirche von Westfalen stellt die Trauung seit 2019 mit der Ehe zwischen Mann und Frau gleich. Auch in Hessen-Nassau, Hannover, Baden und vielen anderen Landeskirchen können gleichgeschlechtliche Paare kirchlich heiraten – mit denselben liturgischen Rechten wie heterosexuelle Paare.

Ein Blick über den evangelischen Tellerrand: Die katholische Kirche

Zum Vergleich: In der römisch-katholischen Kirche ist die Situation deutlich restriktiver. Homosexuelle Paare können seit Ende 2023 auch in der katholischen Kirche gesegnet werden. Das vatikanische Glaubensdikasterium veröffentlichte eine Grundsatzerklärung, wonach Geistliche unverheiratete und homosexuelle Paare segnen dürfen. Allerdings gibt es dabei erhebliche Einschränkungen: Die Segnung darf nicht in einem gottesdienstlichen Rahmen erfolgen, denn eine solche liturgische Segnung würde voraussetzen, dass die gesegnete Verbindung dem Plan Gottes in seiner Schöpfung entspreche. Von einer echten Gleichstellung kann also keine Rede sein.

Interessant dabei: Nach dem Rainbow Index of Churches in Europe (RICE) vom Oktober 2025 rangiert die katholische Kirche in Deutschland auf Platz 72 Prozent und ist damit die inklusivste katholische Kirche in Europa, gleichauf mit Belgien und nur knapp hinter England und Wales. Der Synodale Weg in Deutschland hatte hier wichtige Impulse gesetzt.

Was bedeutet das für queere Menschen in Deutschland?

Die Entscheidung der EKD ist mehr als nur symbolisch: Sie sendet ein klares Signal an die rund 18 Millionen evangelischen Christ*innen in Deutschland – und an queere Menschen überall. Die Kirche übernimmt Verantwortung für ihre Vergangenheit und macht deutlich: Hier seid ihr willkommen, hier habt ihr die gleichen Rechte. Das ist besonders wichtig in Zeiten, in denen rechtspopulistische Kräfte verstärkt gegen LGBTIQ*-Rechte mobilisieren.

Dennoch bleibt Arbeit: Die innere Vielfalt der EKD zeigt, dass nicht alle Landeskirchen gleich weit sind. Und auch international ist die Situation für queere Christ*innen oft prekär. Die EKD kann hier mit gutem Beispiel vorangehen – als eine der größten protestantischen Kirchen Europas hat sie Vorbildfunktion.

Quellen: queer.de, Bundesgesundheitsministerium, Rainbow Index of Churches in Europe


Vier Monate nach dem Hakenkreuzskandal: Daniel Born stimmt wieder ab – Ein Moment der Wiederkehr

Es war ein Moment, der die politische Karriere eines Mannes in Trümmern legte: Im Juli 2025 kritzelte der schwule SPD-Abgeordnete Daniel Born aus Frustration über eine transfeindliche Rede im baden-württembergischen Landtag ein Hakenkreuz auf seinen Stimmzettel – eine Tat, die er später als "Kurzschlussreaktion" und einen "schwerwiegenden Fehler" bezeichnete. Nun, knapp vier Monate später, wie queer.de berichtet, durfte Born erneut an einer Abstimmung teilnehmen – gelöster und gelassener als beim ersten Mal.

Ein Skandal mit weitreichenden Konsequenzen

Die Ereignisse vom Juli hatten massive politische Folgen: Born gab sein Amt als Landtagsvizepräsident auf und trat aus der SPD aus, sein Landtagsmandat behielt er jedoch als fraktionsloser Abgeordneter. Er verzichtete außerdem auf seine Landtagskandidatur und trat von seinen Parteiämtern zurück, sein Mandat will er aber bis zum Ende der Legislaturperiode behalten. Was Born zu seiner Tat trieb, beschrieb er eindringlich: Die Verachtung, mit der eine AfD-Rednerin im Landtag über transsexuelle Kinder gesprochen hatte, habe ihn "intensiv aufgewühlt".

Der Vorfall zeigt exemplarisch die emotionale Belastung, die queere Politiker*innen in Deutschland erleben, wenn sie mit der zunehmenden Normalisierung rechtsextremer Rhetorik konfrontiert werden. Born erklärte, die "zunehmende Gewöhnung an die AfD" lasse ihm "keine ruhige Minute mehr". Seine Verzweiflung führte zu einer Handlung, die er selbst als verheerenden Fehler erkannte.

Die neuerliche Abstimmung: Ein Zeichen der Normalität?

Am Donnerstag stand erneut die Wahl von AfD-Vertreter*innen in den Oberrheinrat an – jenes grenzüberschreitende Gremium, bei dem im Juli der Skandal ausbrach. Diesmal zeigte sich Born gut gelaunt mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) an der Urne. Die AfD scheiterte zum elften Mal mit ihren Wahlvorschlägen, auch Born dürfte gegen die Kandidat*innen gestimmt haben – diesmal höchstwahrscheinlich mit einem ganz normalen Kreuz.

Die wiederholte Ablehnung der AfD-Kandidat*innen ist kein Einzelfall: Am selben Tag scheiterte die Partei bereits zum 15. Mal in der laufenden Legislaturperiode bei der Wahl von Vertreter*innen ins Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung. Die AfD hatte bereits vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes gegen die wiederholte Ablehnung ihrer Kandidat*innen geklagt, blieb damit jedoch erfolglos.

Queere Sichtbarkeit in der deutschen Politik – Fortschritt und Rückschläge

Der Fall Daniel Born wirft ein Schlaglicht auf die komplexe Situation queerer Politiker*innen in Deutschland. Gab es früher fast nur bei den Grünen offen schwul und lesbisch lebende Politiker, so hat sich dies in Deutschland vor allem seit Klaus Wowereits "Flucht nach vorne" im Jahre 2001 geändert – heute gibt es offen schwul und lesbisch lebende Politiker in allen Parteien, die im Bundestag vertreten sind. Diese Entwicklung hat die politische Landschaft nachhaltig verändert.

Doch der Fortschritt ist fragil. Heute können sich lesbische Politikerinnen und schwule Politiker ohne weiteres outen, ohne dass sie befürchten müssen, dass das ihrer Karriere schadet – der ehemalige Berliner Regierende Bürgermeister Wowereit hat durch sein mutiges Coming-out sicher sehr viel zu dieser Entwicklung beigetragen. Born selbst ist ein Beispiel dafür, wie weit die Akzeptanz gekommen ist – und zugleich, welche emotionalen Kosten der alltägliche Umgang mit rechtsextremer Hetze fordern kann.

Die AfD als Belastungsprobe für die Demokratie

Der wiederholte Versuch der AfD, in Gremien wie den Oberrheinrat oder das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung einzuziehen, und das ebenso konsequente Scheitern dieser Versuche, illustriert die Spannungen im deutschen Parlamentarismus. Born rechtfertigte sich damit, dass die AfD eine "gesichert rechtsextreme, die Demokratie verachtende Partei" sei, und die "zunehmende Gewöhnung an die Partei" lasse ihm keine ruhige Minute mehr.

Besonders für LGBTQ+ Politiker*innen stellt die Präsenz der AfD in Parlamenten eine tägliche Herausforderung dar. Sie müssen mit ansehen und anhören, wie ihre Existenz und Identität zur Zielscheibe von Hass und Hetze werden. Born selbst sagte: "Ich habe mit dem Hakenkreuz dem Kampf gegen die AfD geschadet. Auch das tut mir unendlich leid." Er betonte, dass die parlamentarische Brandmauer zur AfD zwar stehe, diese aber nicht verhindere, dass die Partei "mit ihren menschen- und demokratiefeindlichen Positionen zur Gewohnheit wird und Zulauf hat".

Ein Neuanfang unter schwierigen Bedingungen

Daniel Borns Rückkehr zur Normalität der parlamentarischen Arbeit vier Monate nach dem Skandal ist bemerkenswert. Er kündigte an, sich in den kommenden Monaten ganz auf seine Arbeit als Abgeordneter für den Wahlkreis Schwetzingen konzentrieren zu wollen. Ob ihm dies gelingen wird, bleibt abzuwarten. Die Staatsanwaltschaft prüft noch immer, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt – in Betracht kommt der Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs, der das öffentliche Verwenden und Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt.

Der Fall erinnert uns daran, dass der Kampf für Gleichberechtigung und gegen Rechtsextremismus auch von jenen, die ihn führen, einen hohen Preis fordern kann. Born hat seine politische Karriere faktisch beendet – und doch macht er weiter, Tag für Tag im Landtag, als Mahnung dafür, was passiert, wenn Frustration und Wut die Oberhand gewinnen. Seine Geschichte ist zugleich ein Appell: Der Kampf gegen Rechts muss mit den Mitteln der Demokratie geführt werden, auch wenn es schwerfällt.


US-Regierung droht trans Personen mit Ungültigkeitserklärung ihrer Reisepässe

In einer beunruhigenden Entwicklung hat das US-Außenministerium angekündigt, keine Reisepässe mehr mit dem geschlechtsneutralen „X"-Marker auszugeben und die Bearbeitung aller Anträge von Amerikaner*innen, die ihren Geschlechtseintrag im Pass ändern wollen, ausgesetzt. Noch alarmierender: Der Oberste Gerichtshof erlaubte der Trump-Administration am Donnerstag, die Geschlechtsbezeichnung in US-Pässen an das biologische Geschlecht einer Person anzupassen, ein schwerer Schlag für trans und nicht-binäre Menschen in den USA. Die ursprüngliche Meldung von PinkNews wirft ein Schlaglicht auf eine Politik, die Menschen in ihrer Existenz bedroht.

Was bedeutet die neue Richtlinie?

Nach dem Gerichtsentscheid hat das US-Außenministerium seine FAQ-Seite aktualisiert und dabei eine besorgniserregende Formulierung eingefügt. Pässe mit „X"-Markern seien „gültig für Reisen bis zum Ablaufdatum, bis Sie ihn ersetzen oder bis wir ihn gemäß Bundesvorschriften für ungültig erklären", so die neue Sprachregelung. Diese Formulierung lässt die Möglichkeit offen, dass die Behörde bereits ausgestellte Pässe zukünftig für ungültig erklären oder neu ausstellen könnte, auch wenn die Regierung noch nicht angekündigt hat, Pässe massenhaft zu widerrufen.

Präsident Donald Trump hat eine Exekutivanordnung unterzeichnet, die vorschreibt, dass US-Bundesdokumente wie Pässe nur die binären Geschlechter männlich und weiblich anerkennen. Dies kehrt die Politik von 2022 um, die „X" als Geschlechtsmarker zuließ. Seit 1992 konnten Pass-Antragsteller*innen Dokumente mit Geschlechtsmarkern erhalten, die ihre gewählte Geschlechtsidentität widerspiegeln – wenn diese vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweicht – durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über eine klinische Behandlung der Geschlechtsangleichung.

Deutsche Perspektive: Ein Kontrastprogramm

Während in den USA trans Rechte massiv zurückgedrängt werden, zeigt Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) einen anderen Weg. Das deutsche Parlament verabschiedete am 12. April 2024 ein wegweisendes Gesetz, das trans und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein administratives Verfahren auf Basis von Selbstidentifikation an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Das Gesetz trat im November 2024 in Kraft und ersetzt das veraltete Transsexuellengesetz von 1980.

Nach dem neuen Gesetz können trans und nicht-binäre Personen zu einem Standesamt gehen und ihren Geschlechtseintrag sowie ihre Vornamen durch eine einfache Erklärung ändern lassen. Es werden keine „Gutachten" oder medizinischen Bescheinigungen mehr benötigt. Im deutschen Reisepass muss grundsätzlich das Geschlecht vermerkt werden; für Personen, die laut Melderegister weder weiblich noch männlich sind, ist auf der Passkartendatenseite der Eintrag „X" vorgesehen.

Auswirkungen auf deutsche Reisende

Die US-Politik hat bereits konkrete Auswirkungen auf Menschen in Deutschland. Auf der Website des Auswärtigen Amtes zu US-Reisehinweisen heißt es nun: „Aufgrund einer Executive Order vom 20. Januar 2025 müssen Einreisende in die USA in Zukunft bei ESTA- oder Visumanträgen entweder das Geschlecht ‚männlich' oder ‚weiblich' angeben; relevant ist hierbei der Geschlechtseintrag der antragstellenden Person zum Zeitpunkt der Geburt".

Die deutsche Bundesregierung hat eine Reisewarnung für trans und nicht-binäre Personen herausgegeben, die in die USA reisen wollen. Die Warnung verweist speziell auf Trumps Exekutivanordnung, die dem Außenministerium verbietet, Pässe mit „X"-Geschlechtsmarkern auszustellen. Menschen mit diversem oder ohne Geschlechtseintrag sollten vor der Einreise die zuständige US-Auslandsvertretung kontaktieren.

In Deutschland gibt es eine teilweise Lösung für dieses Problem: Auf Antrag ist es möglich, dass Menschen mit divers- oder ohne Geschlechtseintrag einen binären Geschlechtseintrag im Reisepass bekommen können, also männlich oder weiblich. Doch diese Regelung ist umstritten und setzt eine „Variante der Geschlechtsentwicklung" voraus, was hohe Hürden bedeutet.

Menschenrechtliche Bedenken

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs fiel mit 6 zu 3 Stimmen. Richterin Ketanji Brown Jackson warf ihren Kolleg*innen in einer scharfen Dissens-Meinung vor, trans Menschen nicht fair zu behandeln. „Indem die Regierung trans Amerikaner*innen daran hindert, geschlechtskongruente Pässe zu erhalten, macht sie mehr als nur eine Aussage über ihre Überzeugung, dass trans Identität ‚falsch' sei", schrieb Jackson.

Die ACLU warnt: „Trans Menschen zu zwingen, Pässe zu tragen, die sie gegen ihren Willen outen, erhöht das Risiko, dass sie Belästigung und Gewalt ausgesetzt sind, und fügt den bereits erheblichen Barrieren hinzu, mit denen sie konfrontiert sind, um Freiheit, Sicherheit und Akzeptanz zu erlangen". Amnesty International fordert die US-Regierung auf: „Nehmen Sie trans, intergeschlechtlichen und nicht-binären Bürger*innen nicht das seit über 30 Jahren bestehende Recht auf einen Reisepass, der ihre Identität widerspiegelt".

Ein Angriff auf Menschenwürde

Die neue Politik ist Teil eines umfassenderen Musters. Am 20. Januar erließ Präsident Trump die Exekutivanordnung Nr. 14168, die trans Identität als „falsch" und „korrosiv" für die amerikanische Gesellschaft charakterisiert. Diese Maßnahmen sind Teil eines umfassenderen Versuchs, trans und nicht-binäre Menschen unsichtbar zu machen.

Der Kontrast zu Deutschland könnte kaum größer sein. Während die USA Rechte zurückdrängen, schließt sich Deutschland einer wachsenden Liste von Ländern an, die pathologisierende Anforderungen für die Anerkennung des Geschlechts abschaffen, die in diversen und demokratischen Gesellschaften keinen Platz haben.

Für trans Menschen in den USA bedeutet diese Politik konkrete Gefahren im Alltag. Richter*innen stellten fest, dass Kläger*innen „unbestrittene Beweise für die Schäden vorgelegt haben, denen trans und nicht-binäre Menschen ausgesetzt sind, wenn sie verpflichtet werden, Pässe mit Geschlechtsbezeichnungen zu verwenden, die mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmen statt mit ihrer Geschlechtsidentität". Die Folgen: erhöhtes Risiko bei Flughafenkontrollen, Belästigung und Gewalt, besonders bei Reisen in Länder, die trans Ausdruck kriminalisieren.

Was in den USA geschieht, ist mehr als Bürokratie – es ist ein Angriff auf die Menschenwürde und das Recht auf Selbstbestimmung. Deutschland zeigt mit seinem Selbstbestimmungsgesetz, dass ein anderer Weg möglich ist: einer, der Menschen in ihrer Identität anerkennt statt sie zu verleugnen.


Studie zeigt: Östrogen-Monotherapie könnte die HRT für trans Frauen revolutionieren

Eine bahnbrechende neue Studie könnte die Art und Weise verändern, wie Hormonersatztherapie (HRT) für trans Frauen verschrieben wird. Alle Studienteilnehmer*innen erreichten einen Testosteronspiegel von weniger als 50 ng/dL während der Studiendauer, obwohl die wöchentliche Östradiol-Dosis sogar gesenkt wurde – ein Ergebnis, das weitreichende Konsequenzen für die trans Gesundheitsversorgung haben könnte.

Die überraschenden Forschungsergebnisse

Die durchschnittliche Östradiol-Dosis sank von 4,3 auf 3,7 mg wöchentlich, während gleichzeitig ein finaler Östradiol-Spiegel von 248 pg/mL im Blut erreicht wurde. Die im Journal of the Endocrine Society veröffentlichte Untersuchung analysierte Daten von 29 Patient*innen, die von traditionellen Formen der Östradiol-Behandlung wie Gels oder Tabletten auf wöchentliche Injektionen umstellten und über 15 Monate beobachtet wurden.

Besonders bemerkenswert: Spironolacton war nicht mit einer niedrigeren anfänglichen Testosteronspiegel unter Behandlung assoziiert, obwohl es mit einem niedrigeren Östradiol-Spiegel von 285 pg/dL im Vergleich zu 427 pg/dL bei Östradiol-Monotherapie verbunden war.

Spironolacton: Keine zusätzliche Testosteron-Unterdrückung nachgewiesen

Die Ergebnisse werfen Fragen über den Einsatz von Spironolacton auf – das am häufigsten verschriebene Antiandrogen, das die Testosteronproduktion blockieren soll. Spironolacton war nicht mit zusätzlicher Testosteronunterdrückung verbunden und könnte zu niedrigeren Östradiol-Spiegeln führen, so das Fazit der Forscher*innen.

Eine größere Multi-Center-Studie mit 357 Teilnehmer*innen bestätigte diese Befunde: Injizier bares Östradiol war auch als Monotherapie effektiv bei der Testosteronunterdrückung bei 82,6 % der Patient*innen und vergleichbar mit einer Kombinationstherapie mit Antiandrogen(en) oder Progestogen.

Nebenwirkungen von Spironolacton

Neben den möglicherweise reduzierten Östradiol-Spiegeln ist Spironolacton auch mit verschiedenen Nebenwirkungen verbunden. Häufig berichten Patient*innen von Müdigkeit, Schwindel und erhöhtem Harndrang. Mediziner*innen warnen zudem vor seltenen, aber ernsthaften Nebenwirkungen wie Hyperkaliämie (erhöhter Kaliumspiegel im Blut), Elektrolytstörungen sowie Nieren- und Leberproblemen.

Was bedeutet das für trans Frauen in Deutschland?

In Deutschland erfolgt die Behandlung Mann-zu-Frau mit 17β-Estradiol oder 17β-Estradiolvalerat oral oder transdermal. Da auch die Absenkung der Androgene eine wichtige Voraussetzung für die erwünschte Feminisierung des Körpers darstellt, erfolgt ergänzend eine antiandrogene Medikation. Standard ist dabei die Gabe von Cyproteronacetat, während Spironolacton eine mögliche Alternative darstellt.

Das Hormon Estradiol ist in Deutschland in den Verabreichungsformen Gel, Spray oder Pflaster, bei denen der Wirkstoff über die Haut aufgenommen wird, und in Tablettenform erhältlich. Injizierbare Formen von Östradiol, wie sie in der US-amerikanischen Studie verwendet wurden, sind hierzulande weniger verbreitet, obwohl sie potenzielle Vorteile bieten könnten.

Internationale Entwicklungen und deutsche Perspektiven

In Großbritannien wird Spironolacton zunehmend durch Triptorelin (auch bekannt als Decapeptyl) ersetzt – ein injizierbarer Testosteronblocker, der typischerweise alle drei Monate verabreicht wird und als stärker wirksam gilt, mit weniger schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Hitzewallungen und gelegentlichen Stimmungsschwankungen.

Die neuen Forschungsergebnisse könnten dazu führen, dass Östradiol-Monotherapie – also die Einnahme nur von Östradiol ohne zusätzliche Testosteronblocker – häufiger wird. Dies würde nicht nur die Behandlung vereinfachen, sondern auch potenzielle Nebenwirkungen und Kosten reduzieren.

Zugang zur Hormontherapie in Deutschland

Voraussetzung zum Therapiebeginn ist die Diagnosesicherung der Geschlechtsinkongruenz und eine klare, schriftliche Indikationsstellung durch einen erfahrenen Psychologen/Psychologin oder Psychiater/Psychiaterin. Die geschlechtsangleichende Hormontherapie wird in Deutschland von den Krankenkassen übernommen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Dies führt zu einer Abnahme psychischer und körperlicher Symptome und einer Zunahme der Lebensqualität der betroffenen Personen, so die medizinische Literatur zur geschlechtsangleichenden Hormontherapie.

Ausblick: Was bedeuten diese Erkenntnisse?

Die Studienergebnisse legen nahe, dass niedrigere Dosen von injizierbar em Östradiol therapeutische Spiegel erreichen können, während gleichzeitig eine exzellente Testosteronunterdrückung erzielt wird. Für viele trans Frauen könnte dies bedeuten, dass sie weniger Medikamente einnehmen müssen, weniger Nebenwirkungen erleben und dennoch ihre Therapieziele erreichen.

Allerdings sind weitere Forschungen notwendig, insbesondere im deutschen Kontext, wo andere Präparate und Verabreichungsformen standardmäßig verwendet werden. Expert*innen empfehlen, dass trans Frauen, die an ihrer aktuellen Hormontherapie interessiert sind, mit ihren behandelnden Ärzt*innen über individuelle Anpassungsmöglichkeiten sprechen sollten.

Die Forschung unterstreicht die Notwendigkeit einer individualisierten, evidenzbasierten Hormontherapie, die sowohl wirksam als auch sicher ist – ein wichtiger Schritt für die Gesundheitsversorgung von trans Menschen weltweit.


Homophobe Gewalt in Worms: Ein Mann wird zum Opfer – und Deutschland hat ein Problem

Am helllichten Tag, auf dem Marktplatz von Worms, wurde ein 31-jähriger Mann Opfer einer brutalen homophoben Attacke. Die beiden Täter beleidigten ihr Opfer erst homophob, stießen es dann zu Boden und drückten seinen Kopf auf den Asphalt. Nur das beherzte Eingreifen eines Passanten verhinderte Schlimmeres. Dieser Vorfall, über den queer.de berichtet, ist kein Einzelfall – er ist Teil einer alarmierenden Entwicklung in Deutschland.

Dramatischer Anstieg queerfeindlicher Gewalt

Die aktuellen Zahlen sind erschreckend: 2024 wurden in Deutschland 1.765 Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung sowie 1.152 Fälle aufgrund geschlechtsbezogener Diversität registriert – ein Anstieg von über 17 bzw. 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Bei den Gewalttaten, zu denen auch der Angriff in Worms zählt, wurden 212 Opfer festgestellt – ein Anstieg gegenüber 197 im Jahr 2022.

Besonders alarmierend: Laut einer Dunkelfeld-Studie der Europäischen Agentur für Grundrechte zeigten 96 Prozent der LSBTIQ* Hate Speech und 87 Prozent körperliche oder sexuelle Übergriffe nicht an. Die tatsächliche Zahl der Angriffe liegt also vermutlich um ein Vielfaches höher.

Rheinland-Pfalz: Über 100 queerfeindliche Vorfälle

Auch in Rheinland-Pfalz, wo Worms liegt, ist die Situation besorgniserregend. Die Melde- und Dokumentationsstelle für menschenfeindliche Vorfälle verzeichnete für das Jahr 2024 im Phänomenbereich Queerfeindlichkeit 103 Vorfälle – dabei richteten sich 66 Vorfälle gegen die sexuelle Identität und 44 Vorfälle gegen die geschlechtliche Identität von Menschen. Die Polizei Rheinland-Pfalz hat zwar eine Ansprechstelle für LSBTI* eingerichtet, doch die Hemmschwelle für Betroffene bleibt hoch.

Der Fall in Worms: Täter weiterhin flüchtig

Der Angriff ereignete sich am Montagnachmittag gegen 15:30 Uhr auf dem Marktplatz in Worms. Die beiden etwa 40-jährigen Täter – einer mit dunklen Haaren, der andere mit einer Mütze, beide mit gebräunter Haut und dunkel gekleidet – flohen auf E-Bikes in Richtung Dom. Trotz sofortiger Fahndungsmaßnahmen konnten sie nicht gefasst werden. Das Opfer erlitt Schürfwunden am Kopf. Die Polizei bittet unter der Rufnummer (06241) 852-0 oder per E-Mail an piworms@polizei.rlp.de um Hinweise.

Politik muss endlich handeln

Der LSVD kritisiert scharf, dass das Bundesinnenministerium kein Wort zur verschärften Bedrohungslage für LSBTIQ* verloren hat. Diese Ignoranz sei brandgefährlich und relativiere die Folgen queerfeindlicher Gewalt. Queere Menschen brauchen Schutz, Sichtbarkeit und explizite politische Anerkennung ihrer Bedrohungslage.

Rheinland-Pfalz hat mit dem Landesaktionsplan „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen" zwar wichtige Strukturen geschaffen, doch die steigenden Fallzahlen zeigen: Es braucht mehr als Aktionspläne. Der LSVD erinnert an die Handlungsempfehlungen der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2023 zur Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt – Bund und Länder müssen diese Maßnahmen endlich konsequent umsetzen.

Was können wir tun?

Der Fall in Worms zeigt eindrücklich, wie wichtig Zivilcourage ist: Nur durch das Eingreifen eines mutigen Passanten konnte Schlimmeres verhindert werden. Gleichzeitig braucht es Strukturen, die Betroffene unterstützen. In Rheinland-Pfalz bietet etwa die Meldestelle für menschenfeindliche Vorfälle Dokumentation und Unterstützung, die Fachberatungsstelle „Quint*" in Mainz psychosoziale, therapeutische und rechtliche Beratung für queere Menschen mit Gewalterfahrung.

Der Vorfall in Worms ist ein Weckruf: Queerfeindliche Gewalt ist kein Problem von gestern – sie findet hier und heute statt, auf unseren Marktplätzen, in unseren Städten. Es ist Zeit, dass Politik, Gesellschaft und jede*r Einzelne von uns Position bezieht. Denn Hass hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.


Kasachstan beschließt drakonisches Verbot von "Homo-Propaganda" – Ein dunkler Tag für Menschenrechte

Das Parlament Kasachstans hat am Mittwoch einstimmig ein Gesetz gegen sogenannte "Propaganda" für queere Lebensweisen verabschiedet – ein Schritt nach russischem Vorbild, der von Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland scharf kritisiert wird. Wie queer.de berichtet, markiert diese Entscheidung einen dramatischen Rückschritt für die LGBTIQ+-Community in dem zentralasiatischen Land.

Was das Gesetz bedeutet: Geldstrafen und Haft

Das Gesetz untersagt die Verbreitung von "nichttraditionellen sexuellen Werten" im öffentlichen Raum, in den Massenmedien und im Internet. Die Strafen sind empfindlich: Erst-"Täter*innen" droht eine Strafe von 121.000 Tenge (rund 200 Euro), was ungefähr einem Viertel des durchschnittlichen Monatsgehalts entspricht. Wer wiederholt "Propaganda" verbreite, kann mit bis zu zehn Tagen Haft bestraft werden.

Die Formulierung ist dabei bewusst vage gehalten – ähnlich wie im russischen Vorbild. Laut Kulturstaatssekretär Evgeny Kochetov würde bereits die öffentliche Befürwortung queerer Lebensweisen als "Propaganda" gelten. Dies erinnert fatal an die russische Gesetzgebung, die unter dem Deckmantel des "Jugendschutzes" systematisch die Rechte von LGBTIQ+-Menschen beschneidet.

Jugendschutz als Vorwand

Der kasachische Bildungsminister Gani Beisembajew rechtfertigte das Verbot als Jugendschutzmaßnahme: Er argumentierte laut Reuters, dass "Kinder und Heranwachsende jeden Tag Online-Informationen ausgesetzt sind, die negative Auswirkungen auf ihre Ideen über Familie, Moral und die Zukunft haben".

Doch diese Argumentation ist gefährlich irreführend. Human Rights Watch hat in einer umfassenden Studie zu Russland nachgewiesen, dass solche "Propaganda-Gesetze" Jugendlichen massiv schaden, indem sie ihnen lebenswichtige Informationen vorenthalten und ihre Isolation verstärken.

Russlands verhängnisvolles Vorbild

Russland verabschiedete 2013 ein Bundesgesetz, das jegliche positive Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien unter Strafe stellt. Die Folgen waren verheerend: Die Anzahl von Hassverbrechen gegen LGBTQ-Personen verdreifachte sich nach Verabschiedung des Gesetzes im Vergleich zur Zeit davor.

Sowohl die quantitative als auch die qualitative Steigerung bei Straftaten gegen LGBTQ-Personen in Russland lassen sich auf das Gesetz gegen "Propaganda für Homosexualität" zurückführen, wie Forschungen der Universität Dublin belegen. 2022 verschärfte Russland das Gesetz noch weiter und im November 2023 erklärte ein Gericht die "internationale LGBT-Bewegung" sogar für extremistisch.

Kasachstan: Ein Land zwischen Tradition und Unterdrückung

Kasachstan ist ein zwischen Europa und Asien liegender Binnenstaat, der acht Mal so groß ist wie Deutschland, in dem aber nur 20,6 Millionen Menschen wohnen. Das Land bezeichnet sich selbst zwar als Demokratie, das politische System ist allerdings sehr autoritär geprägt, da der Präsident sehr mächtig ist und es starke Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit gibt.

Homosexualität ist in der Republik Kasachstan nach ihrer Unabhängigkeit vom Verfolgerstaat Sowjetunion im Jahr 1998 zwar legalisiert worden. Allerdings existieren weder Gleichbehandlungsgesetze noch werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkannt. Hohe Regierungsvertreter und Minister erklärten in den letzten Jahren mehrfach, dass schwule Männer eine "gestörte sexuelle Begierde" hätten, krank seien oder schlicht Kriminelle wären.

Eine queerfeindliche Gesellschaft

Die Bevölkerung, die zu zwei Dritteln aus sunnitischen Muslim*innen und zu einem Fünftel aus orthodoxen Christ*innen besteht, gilt als äußerst queerfeindlich. Laut einer Umfrage des Pew Research Center aus dem Jahr 2020 stimmten nur rund 10 Prozent der Kasach*innen der Aussage zu, dass "Homosexualität gesellschaftlich akzeptabel" sei. Eine Umfrage der Open Society Foundations kam zu dem Ergebnis, dass 90,5 Prozent der Bevölkerung homosexuelle Beziehungen als "völlig inakzeptabel" ablehnten.

In der Praxis sind LGBTQ+-Personen in Kasachstan nicht nur mit rechtlichen Einschränkungen konfrontiert, sondern auch mit Fällen von Gewalt und Diskriminierung durch Strafverfolgungs- und andere Sicherheitsbehörden. Menschenrechtsverbände dokumentieren seit Jahren ein Klima der Angst innerhalb der Community, vor allem schwule Männer seien von Diskriminierung und gewalttätigen Übergriffen betroffen.

Warnungen von Menschenrechtsorganisationen ignoriert

Vor der Abstimmung hatten Menschenrechtsorganisationen dringend an das Parlament appelliert, den Gesetzentwurf abzulehnen. Die in New York ansässige Organisation Human Rights Watch verwies dabei darauf, dass die kasachische Verfassung Diskriminierung verbietet und das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert. Sieben internationale Menschenrechtsorganisationen, darunter Human Rights Watch und Amnesty International, erklärten, das Gesetz "verletzt eklatant Kasachstans internationale Menschenrechtsverpflichtungen, einschließlich der Kinderrechte auf Bildung, Gesundheit und Information".

Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International, stellte klar: Das Verbot gehe nicht um Kinderschutz, sondern darum, "Stigmatisierung, Angst und Zensur zu institutionalisieren".

Eine Geschichte gescheiterter Verbote

In Kasachstan gab es bereits mehrere Versuche, LGBTI-"Propaganda" zu verbieten. 2015 hatte das Parlament bereits ein derartiges Gesetz beschlossen, es wurde jedoch später vom Verfassungsrat, einem inzwischen abgeschafften Gremium, untersagt. Mittlerweile gibt es nach einer Verfassungsreform ein Verfassungsgericht, das allerdings nicht unabhängig ist und als regierungstreu gilt – eine düstere Aussicht für die rechtliche Überprüfung des aktuellen Gesetzes.

Der Kontrast zu Deutschland

Während Kasachstan queere Menschen systematisch ausgrenzt, hat sich die Situation in Deutschland grundlegend anders entwickelt. Gleichgeschlechtliche Paare können seit Oktober 2017 heiraten und sind heterosexuellen Ehepaaren rechtlich gleichgestellt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz garantiert gleiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orientierung und verbietet die Diskriminierung von LGBTIQ+-Personen.

Deutschland hat sich im aktuellen Regenbogen-Ranking von ILGA Europe deutlich verbessert und gehört nun zu den Top 10 in Europa. Innerhalb der Europäischen Union liegt Deutschland auf Platz 8. Aktuelle Umfragen zeigen, dass 78 Prozent der Deutschen für den Schutz von LGBTIQ+-Menschen vor Diskriminierung am Arbeitsplatz oder bei der Wohnungssuche sind, und 75 Prozent sprechen sich für den Schutz von transgeschlechtlichen Menschen aus.

Doch auch in Deutschland gibt es besorgniserregende Entwicklungen: Straftaten gegen queere Menschen sind 2022 auf insgesamt 1.422 gestiegen, wobei von einer besonders hohen Dunkelziffer ausgegangen wird. Dies zeigt, dass rechtliche Fortschritte allein nicht ausreichen – gesellschaftliche Akzeptanz muss kontinuierlich gestärkt werden.

Ein globales Muster der Repression

Das kasachische Gesetz reiht sich ein in eine besorgniserregende internationale Entwicklung. Ähnliche Gesetze existieren bereits in Russland und Ungarn und verbieten die Verbreitung von Informationen, die sogenannte Familienwerte verleugnen oder "nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen" fördern. Auch in Georgien wurde im September 2024 ein solches Gesetz verabschiedet, und in der Türkei wird die Rhetorik zunehmend LGBTIQ+-feindlicher.

In 64 Ländern weltweit sind gleichgeschlechtliche Beziehungen nach wie vor strafbar. In einigen Ländern droht LGBTI+ sogar die Todesstrafe, darunter Brunei, Iran, Saudi-Arabien, Jemen, Uganda oder die Nordstaaten Nigerias. Homosexualität ist noch in mindestens 67 Ländern strafbar, in sieben droht für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sogar die Todesstrafe.

Was jetzt passiert

Das Gesetz muss nun im Senat beraten werden, auch dort wird eine große Mehrheit erwartet. Danach wird es dem Präsidenten Qassym-Schomart Toqajew zur Unterschrift vorgelegt. Seine nationalistisch-autoritäre Regierung betonte in den letzten Jahren "traditionelle Werte" und "moralische Stabilität" – ein Code für eine ablehnende Haltung gegenüber queeren Menschen.

Die lokale Organisation Queer.KZ hat bereits angekündigt, den Kampf fortzusetzen und den Senat sowie den Präsidenten aufzufordern, das Gesetz abzulehnen. Doch die Aussichten sind düster: Das Gesetz wurde verabschiedet, während Kasachstans Präsident Tokajew am Mittwoch mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin in Moskau zusammentraf – ein symbolträchtiges Timing, das die politische Ausrichtung des Landes unterstreicht.

Ein Weckruf für Europa

Die Entwicklungen in Kasachstan sind nicht nur eine regionale Tragödie, sondern ein Warnsignal für ganz Europa. Die "globale Zunahme queerfeindlicher, antifeministischer und rechtspopulistischer Bewegungen" ist "sehr besorgniserregend". Dieses Wachstum der international vernetzten Anti-Gender-Bewegung sei nicht zufällig, sondern werde seit Jahren strategisch koordiniert und finanziert.

Weltweit werden Anti-Gender-Bewegungen immer aktiver und versuchen, Fortschritte der Gleichstellung gezielt rückgängig zu machen. Die Bewegungen fokussieren sich dabei unter anderem auf die Einschränkung von Rechten sowie die Ausübung von Gewalt gegen LSBTIQ+. Dies macht deutlich: Menschenrechte sind keine Selbstverständlichkeit, sie müssen aktiv verteidigt werden.

Für die queeren Menschen in Kasachstan bedeutet dieses Gesetz einen dramatischen Rückschritt in ein Leben voller Angst, Diskriminierung und Unsichtbarkeit. Es liegt an der internationalen Gemeinschaft, lautstark zu protestieren und deutlich zu machen: Menschenrechte sind unteilbar – überall auf der Welt.


Studie zeigt: Östrogen-Monotherapie könnte die HRT für trans Frauen revolutionieren

Eine bahnbrechende neue Studie könnte die Art und Weise verändern, wie Hormonersatztherapie (HRT) für trans Frauen verschrieben wird. Alle Studienteilnehmer*innen erreichten einen Testosteronspiegel von weniger als 50 ng/dL während der Studiendauer, obwohl die wöchentliche Östradiol-Dosis sogar gesenkt wurde – ein Ergebnis, das weitreichende Konsequenzen für die trans Gesundheitsversorgung haben könnte.

Die überraschenden Forschungsergebnisse

Die durchschnittliche Östradiol-Dosis sank von 4,3 auf 3,7 mg wöchentlich, während gleichzeitig ein finaler Östradiol-Spiegel von 248 pg/mL im Blut erreicht wurde. Die im Journal of the Endocrine Society veröffentlichte Untersuchung analysierte Daten von 29 Patient*innen, die von traditionellen Formen der Östradiol-Behandlung wie Gels oder Tabletten auf wöchentliche Injektionen umstellten und über 15 Monate beobachtet wurden.

Besonders bemerkenswert: Spironolacton war nicht mit einer niedrigeren anfänglichen Testosteronspiegel unter Behandlung assoziiert, obwohl es mit einem niedrigeren Östradiol-Spiegel von 285 pg/dL im Vergleich zu 427 pg/dL bei Östradiol-Monotherapie verbunden war.

Spironolacton: Keine zusätzliche Testosteron-Unterdrückung nachgewiesen

Die Ergebnisse werfen Fragen über den Einsatz von Spironolacton auf – das am häufigsten verschriebene Antiandrogen, das die Testosteronproduktion blockieren soll. Spironolacton war nicht mit zusätzlicher Testosteronunterdrückung verbunden und könnte zu niedrigeren Östradiol-Spiegeln führen, so das Fazit der Forscher*innen.

Eine größere Multi-Center-Studie mit 357 Teilnehmer*innen bestätigte diese Befunde: Injizier bares Östradiol war auch als Monotherapie effektiv bei der Testosteronunterdrückung bei 82,6 % der Patient*innen und vergleichbar mit einer Kombinationstherapie mit Antiandrogen(en) oder Progestogen.

Nebenwirkungen von Spironolacton

Neben den möglicherweise reduzierten Östradiol-Spiegeln ist Spironolacton auch mit verschiedenen Nebenwirkungen verbunden. Häufig berichten Patient*innen von Müdigkeit, Schwindel und erhöhtem Harndrang. Mediziner*innen warnen zudem vor seltenen, aber ernsthaften Nebenwirkungen wie Hyperkaliämie (erhöhter Kaliumspiegel im Blut), Elektrolytstörungen sowie Nieren- und Leberproblemen.

Was bedeutet das für trans Frauen in Deutschland?

In Deutschland erfolgt die Behandlung Mann-zu-Frau mit 17β-Estradiol oder 17β-Estradiolvalerat oral oder transdermal. Da auch die Absenkung der Androgene eine wichtige Voraussetzung für die erwünschte Feminisierung des Körpers darstellt, erfolgt ergänzend eine antiandrogene Medikation. Standard ist dabei die Gabe von Cyproteronacetat, während Spironolacton eine mögliche Alternative darstellt.

Das Hormon Estradiol ist in Deutschland in den Verabreichungsformen Gel, Spray oder Pflaster, bei denen der Wirkstoff über die Haut aufgenommen wird, und in Tablettenform erhältlich. Injizierbare Formen von Östradiol, wie sie in der US-amerikanischen Studie verwendet wurden, sind hierzulande weniger verbreitet, obwohl sie potenzielle Vorteile bieten könnten.

Internationale Entwicklungen und deutsche Perspektiven

In Großbritannien wird Spironolacton zunehmend durch Triptorelin (auch bekannt als Decapeptyl) ersetzt – ein injizierbarer Testosteronblocker, der typischerweise alle drei Monate verabreicht wird und als stärker wirksam gilt, mit weniger schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Hitzewallungen und gelegentlichen Stimmungsschwankungen.

Die neuen Forschungsergebnisse könnten dazu führen, dass Östradiol-Monotherapie – also die Einnahme nur von Östradiol ohne zusätzliche Testosteronblocker – häufiger wird. Dies würde nicht nur die Behandlung vereinfachen, sondern auch potenzielle Nebenwirkungen und Kosten reduzieren.

Zugang zur Hormontherapie in Deutschland

Voraussetzung zum Therapiebeginn ist die Diagnosesicherung der Geschlechtsinkongruenz und eine klare, schriftliche Indikationsstellung durch einen erfahrenen Psychologen/Psychologin oder Psychiater/Psychiaterin. Die geschlechtsangleichende Hormontherapie wird in Deutschland von den Krankenkassen übernommen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

Dies führt zu einer Abnahme psychischer und körperlicher Symptome und einer Zunahme der Lebensqualität der betroffenen Personen, so die medizinische Literatur zur geschlechtsangleichenden Hormontherapie.

Ausblick: Was bedeuten diese Erkenntnisse?

Die Studienergebnisse legen nahe, dass niedrigere Dosen von injizierbar em Östradiol therapeutische Spiegel erreichen können, während gleichzeitig eine exzellente Testosteronunterdrückung erzielt wird. Für viele trans Frauen könnte dies bedeuten, dass sie weniger Medikamente einnehmen müssen, weniger Nebenwirkungen erleben und dennoch ihre Therapieziele erreichen.

Allerdings sind weitere Forschungen notwendig, insbesondere im deutschen Kontext, wo andere Präparate und Verabreichungsformen standardmäßig verwendet werden. Expert*innen empfehlen, dass trans Frauen, die an ihrer aktuellen Hormontherapie interessiert sind, mit ihren behandelnden Ärzt*innen über individuelle Anpassungsmöglichkeiten sprechen sollten.

Die Forschung unterstreicht die Notwendigkeit einer individualisierten, evidenzbasierten Hormontherapie, die sowohl wirksam als auch sicher ist – ein wichtiger Schritt für die Gesundheitsversorgung von trans Menschen weltweit.


Digitaler Kahlschlag: China löscht schwule Dating-Apps – und Apple macht mit

Es ist ein beunruhigendes Signal aus Peking, das queere Communities weltweit aufhorchen lässt: Apple hat bestätigt, dass es die beliebten schwulen Dating-Apps Blued und Finka auf Anordnung der chinesischen Cyberspace Administration aus seinem chinesischen iOS Store entfernt hat. Wie queer.de berichtet, verschwanden die Vollversionen der Apps am vergangenen Wochenende ohne Vorwarnung aus den App-Stores – ein weiterer Schritt in der systematischen Einschränkung queerer Räume in der Volksrepublik.

Millionen Nutzer verlieren ihre digitale Heimat

Die Dimensionen dieses digitalen Kahlschlags sind enorm: Blued hatte 2020 etwa 54 Millionen registrierte Nutzer weltweit, Finka 2,7 Millionen. Für viele schwule Männer in China waren diese Plattformen nicht nur Dating-Apps, sondern oft die einzige Möglichkeit, überhaupt Kontakte zu knüpfen. Ein 30-jähriger Nutzer namens Zhao erklärte gegenüber CNN, dass die Apps es Freunden ermöglichten, sich zu treffen, besonders in weniger kosmopolitischen Teilen des Landes, wo Treffpunkte für schwule Menschen fast nicht existieren: „Der Online-Raum wird nun auch eingeschränkt, ich fühle, dass der Raum der Community immer kleiner wird".

Bereits 2022 wurde Grindr, die beliebte US-amerikanische schwule Dating-App, aus dem chinesischen iOS Store entfernt. Mit der Löschung von Blued und Finka sind nun auch die letzten großen lokalen Alternativen verschwunden – ein weiteres Zeichen für die zunehmende Unterdrückung und Zensur der LGBTQ-Community in China.

Apple zwischen Profit und Prinzipien – ein Déjà-vu

Apples Reaktion fällt erwartbar aus: „Wir befolgen die Gesetze in den Ländern, in denen wir tätig sind", erklärte ein Unternehmenssprecher und fügte hinzu: „Basierend auf einer Anordnung der Cyberspace Administration of China haben wir diese zwei Apps nur aus dem China-Store entfernt". Die Begründung ist nicht neu – und zeigt ein grundsätzliches Dilemma westlicher Tech-Konzerne.

Für deutsche LGBTQ+-Menschen, die stolz darauf sind, dass Unternehmen wie Apple hierzulande als besonders LGBTQ+-freundlich gelten und regelmäßig bei Pride-Events auftreten, ist diese Doppelmoral besonders bitter. Wie ein Analyst von The Asia Group formulierte: „Unter allen ausländischen Tech-Unternehmen, die chinesischen Nutzern Dienste anbieten, ist Apple wahrscheinlich dasjenige, das am bereitwilligsten chinesische Internetregulierungen befolgt" – der chinesische Markt, einschließlich iPhone-Verkäufen, sei „zu wichtig" für das Unternehmen.

Xi Jinpings Kreuzzug gegen „westliche Werte"

Die App-Löschungen sind Teil einer umfassenderen Strategie: Unter Generalsekretär Xi Jinping wurden LGBTQ-Veranstaltungsorte und Events zur Schließung gezwungen, LGBTQ-Rechtsaktivisten stehen unter verstärkter Überwachung durch das staatliche Massenüberwachungssystem, und die Kommunistische Partei betrachtet LGBTQ-Aktivismus zunehmend als Produkt „ausländischer Kräfte".

In den letzten Jahren hat die Regierung auch queere Organisationen wie das Pekinger LGBTQ-Zentrum verboten. Seit den späten 2010er Jahren vermeiden die Behörden die Darstellung homosexueller Beziehungen im öffentlichen Fernsehen sowie die Darstellung femininer Männer im Allgemeinen. Die Botschaft ist klar: Alles, was als „westlich" oder „liberal" wahrgenommen wird, wird mit Misstrauen betrachtet und unterdrückt.

Was bedeutet das für Deutschland?

Während in Deutschland Unternehmen im Pride Index für ihre LGBTQ+-Freundlichkeit ausgezeichnet werden und der Bundestag über die weltweite Lage queerer Menschen debattiert, profitieren dieselben Konzerne von Geschäften in Ländern, die LGBTQ+-Rechte systematisch unterdrücken. Diese Doppelmoral sollte die deutsche queere Community alarmieren – und zum Nachdenken anregen, ob Regenbogen-Logos im Juni mehr sind als bloßes „Rainbow-Washing".

Wie Experten im deutschen Bundestag warnten: Die Menschenrechte von queeren Menschen stehen weltweit vermehrt unter Druck, und es braucht ein stärkeres LGBTQ-Engagement in der Außen- und Entwicklungspolitik. Gerade deutsche Technologie-Nutzer sollten sich fragen: Wollen wir Unternehmen unterstützen, die in autoritären Staaten bereitwillig Zensur betreiben, während sie sich bei uns mit Diversity-Kampagnen schmücken?

Ein schrumpfender Raum

Die Realität in China ist düster: Obwohl China Homosexualität 1997 entkriminalisierte, bleibt die gleichgeschlechtliche Ehe verboten. Eine UNDP-Umfrage von 2016 ergab, dass weniger als fünf Prozent der LGBT-Menschen in China vollständig geoutet sind in Schule, Arbeit oder ihrer religiösen Gemeinschaft, während etwa 15 Prozent gegenüber ihren Familien geoutet sind.

Für queere Menschen in China wird der Raum – online wie offline – immer enger. Während wir in Deutschland über Sichtbarkeit und Akzeptanz diskutieren, kämpfen unsere Geschwister in China ums digitale Überleben. Ihre Geschichte sollte uns daran erinnern, dass Freiheit niemals selbstverständlich ist – und dass echter Einsatz für LGBTQ+-Rechte nicht an Ländergrenzen endet.


Wenn Selbstbestimmung unter Betrugsverdacht gerät: Der Fall der Düsseldorfer Polizeibeamtin

Ein Fall aus Düsseldorf sorgt derzeit für heftige Debatten: Eine Polizeikommissarin steht unter Verdacht, ihr Geschlecht nur geändert zu haben, um sich Vorteile bei der Beförderung zu verschaffen. Die Änderung ihres Geschlechtseintrags ließ sie in der Beförderungsrangliste um 43 Plätze nach oben rutschen, wie die ursprüngliche Meldung von queer.de berichtet. Das seit dem 1. November gültige Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen vor dem Standesamt zu ändern – ein historischer Schritt für die Rechte von LGBTIQ+ Menschen in Deutschland. Doch dieser Fall wirft die Frage auf: Was passiert, wenn ein emanzipatorisches Gesetz unter Generalverdacht gerät?

Die Vorwürfe und ihre Hintergründe

Das Düsseldorfer Polizeipräsidium hat gegen die Beamtin Anzeige wegen versuchten Betruges erstattet und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Behörde begründet dies damit, dass die Beamtin "mehrfach an unterschiedlichen Stellen im Kollegenkreis aktiv, explizit und plakativ zum Ausdruck gebracht" habe, den Geschlechtseintrag nur ändern zu lassen, um von der behördlichen Frauenförderung zu profitieren. Bei gleicher Qualifikation zwischen einem Beamten und einer Beamtin wird der Frau der Vorzug gegeben, um der bestehenden Unterrepräsentation von Frauen entgegenzuwirken. Der Unterschied zwischen den Besoldungsgruppen A9 und A10 beträgt monatlich zwischen 247 und 472 Euro – ein durchaus relevanter finanzieller Aspekt.

Die rechtlichen Vertreter der Beamtin widersprechen diesen Vorwürfen vehement. Ihr Anwalt Christoph Arnold betont, seine Mandantin identifiziere sich "schon seit Jahren als Frau" und habe den Schritt nach "reiflicher Überlegung" vollzogen. Die Äußerungen gegenüber Kollegen seien "missverstandene Ironie" gewesen – ein "Gag", um nicht ständig ihr Innerstes offenbaren zu müssen. Er wirft der Polizeipräsidentin eine "queerfeindliche Haltung" vor, was diese als "absurd" zurückweist.

Das Selbstbestimmungsgesetz: Ein Meilenstein für trans* Rechte

Mit dem Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag werden die Rechte für trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen maßgeblich gestärkt. Das neue Gesetz löst das Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 ab, das vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt wurde. Ein Begutachtungs- und Gerichtsverfahren ist somit für die Änderung nicht mehr erforderlich.

Das alte System war erniedrigend: Menschen mussten sich vor Gutachtern rechtfertigen, intime Fragen über sich ergehen lassen und teure, langwierige Gerichtsverfahren durchstehen. Trans*, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen werden bei der Änderung ihres Vornamens und Geschlechtseintrags endlich nicht mehr fremdbegutachtet und als krank betrachtet. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz folgt Deutschland damit 16 weiteren Staaten, die bereits vergleichbare Regelungen vorsehen.

Missbrauchsvorwürfe: Eine alte Debatte in neuem Gewand

Die Vorwürfe im Düsseldorfer Fall sind nicht neu – sie waren Teil der gesamten Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz. Im Vorfeld gab es durchaus Befürchtungen um einen möglichen Missbrauch des Gesetzes. Doch Trans-Aktivist:innen versicherten, dass damit nicht zu rechnen sei; das hätten Erfahrungen aus anderen europäischen Staaten wie Belgien, Dänemark und Portugal gezeigt. Die Realität ist komplexer: Im Selbstbestimmungsgesetz sind zahlreiche Sicherungen eingebaut. Der Antrag muss drei Monate vorab gestellt werden. Nach einer Änderung ist ein neuer Antrag frühestens nach einem Jahr möglich.

Die Befürchtung, Menschenrechte könnten missbraucht werden, rechtfertigt nicht ihre Beschränkung, betont das Deutsche Institut für Menschenrechte. Durch die Betonung eines mutmaßlichen Missbrauchspotentials des Selbstbestimmungsgesetzes besteht die Gefahr, dass ausgerechnet trans Frauen unter Verdacht geraten, keine echten Anliegen zu haben. Dies entbehrt jeglicher Faktenlage.

Trans* Diskriminierung: Die alltägliche Realität

Während über theoretische Missbrauchsfälle diskutiert wird, ist die Diskriminierung von trans* Personen bittere Realität. 65 Prozent der trans* Frauen, 64 Prozent der trans* Männer und 55 Prozent der nicht-binären Personen wurden in mindestens einem von mehr als acht Lebensbereichen in den letzten 12 Monaten diskriminiert, weil sie LSBTIQ* sind, zeigt eine EU-Grundrechteagentur-Studie von 2024.

Besonders erschreckend: Lediglich 8 Prozent der trans* Frauen, 10 Prozent der trans* Männer und 10 Prozent der nicht-binären Personen haben den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei angezeigt. 44 Prozent der trans* Frauen, 39 Prozent der trans* Männer und 40 Prozent der nicht-binären Personen stellten keine Anzeige aus Angst vor einer queerfeindlichen Reaktion der Polizei. Diese Zahlen zeigen das tiefe Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen – ein Misstrauen, das durch Fälle wie den in Düsseldorf nur verstärkt wird.

Der Kontext in Deutschland: Frauenförderung im Beamtenwesen

Um den Düsseldorfer Fall einzuordnen, lohnt ein Blick auf die Frauenförderung im deutschen Beamtenwesen. Die Auswahlkriterien finden sich im Grundgesetz und in allen Beamtengesetzen: "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung". Die Bindung an Leistungsgesichtspunkte soll verhindern, dass Parteizugehörigkeit, familiäre Beziehungen oder andere sachfremde Umstände Geschlecht, Rasse, religiöse Anschauung) Einfluss gewinnen. Gleichzeitig gilt neben dem Leistungsprinzip auch die Chancengleichheit als wichtiges Ziel. Stichworte sind Frauenförderung, § 9 Satz 2 BBG, Bundesgleichstellungsgesetz.

In Nordrhein-Westfalen sorgte bereits eine Frauenförderungsregelung für rechtliche Kontroversen. Bisher waren Frauen "bei im Wesentlichen gleicher Eignung" bevorzugt zu befördern. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hatte 2016 in sechs Musterverfahren erklärt, dass Beförderungsentscheidungen nicht auf die Neufassung gestützt werden konnten. Die Regelung verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestenauslese. Auch im aktuellen Fall stellt sich die Frage: Wo endet legitime Chancengleichheit, wo beginnt unzulässige Bevorzugung?

Ein Fall mit weitreichenden Folgen?

Der Düsseldorfer Fall ist mehr als eine juristische Auseinandersetzung – er ist ein Brennglas gesellschaftlicher Debatten. Die Beamtin hat beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage eingereicht. Die Entscheidung wird weitreichende Folgen haben, nicht nur für die Betroffene, sondern für alle trans* Personen in Deutschland.

Denn eines darf nicht passieren: Dass ein einzelner Fall dazu führt, dass trans* Menschen unter Generalverdacht gestellt werden. Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend. Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an, mahnt Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einem aktuellen Lagebericht.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein Meilenstein für die Rechte von LGBTIQ+ Menschen – ein Gesetz, das Würde zurückgibt und Diskriminierung abbaut. Ob die Vorwürfe gegen die Düsseldorfer Beamtin berechtigt sind, müssen nun die Gerichte klären. Aber unabhängig vom Ausgang dieses Falles gilt: Die Selbstbestimmung von trans*, inter* und nicht-binären Menschen ist ein Menschenrecht – kein Privileg, das unter Vorbehalt steht.


IOC plant vollständigen Ausschluss von trans Frauen bei Olympischen Spielen

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) steht offenbar kurz davor, trans Frauen grundsätzlich von der Teilnahme an Frauenwettbewerben auszuschließen. Laut Berichten soll die Änderung, die voraussichtlich im kommenden Jahr offiziell bekannt gegeben wird, nach einer wissenschaftlichen Überprüfung der körperlichen Vorteile von Personen erfolgen, denen bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, wie queer.de berichtet.

Coventry verspricht "Schutz" der Frauenkategorie

Die im Juni neu gewählte IOC-Präsidentin Kirsty Coventry aus Simbabwe hat deutlich gemacht, dass sie ihr Wahlversprechen umsetzen will, die Frauenkategorie zu schützen. Während ihres Wahlkampfs sprach sie sich lautstark für ein pauschales Verbot von trans Frauen aus, die in weiblichen Kategorien bei den Olympischen Spielen antreten. Die Spekulationen über eine neue IOC-Politik verstärkten sich, nachdem berichtet wurde, dass Dr. Jane Thornton, die Direktorin für Gesundheit, Medizin und Wissenschaft des IOC, den Mitgliedern letzte Woche eine wissenschaftlich fundierte Überprüfung der Beweise vorgelegt hatte.

Die ehemalige Weltmeisterin im Rudern, Dr. Thornton, erklärte, dass wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hindeuten, dass jede Person, die eine männliche Pubertät durchlaufen hat, dauerhafte körperliche Vorteile gegenüber Frauen behält, die durch eine Hormonbehandlung nicht vollständig ausgeglichen werden können. Ein IOC-Sprecher bestätigte zwar, dass Thornton letzte Woche vor den Mitgliedern gesprochen habe, betonte jedoch, dass die Arbeitsgruppe das Thema noch diskutiere und noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen worden seien. Zwei hochrangige IOC-Quellen erklärten jedoch anonym, dass das Verbot für trans Athletinnen und Athletinnen mit DSD fast sicher verhängt werde.

Wissenschaftliche Debatte bleibt kontrovers

Die wissenschaftliche Diskussion über mögliche Leistungsvorteile von trans Athletinnen ist komplex und keineswegs abgeschlossen. Eine Studie aus dem Jahr 2024 zur Kraft, Leistung und aeroben Kapazität von trans Athletinnen ergab, dass trans Frauen bei Tests zur Kraft des Unterkörpers, Sprunghöhe und Lungenfunktion schlechter abschnitten als andere Frauen und nur bei der Griffkraft besser waren. Es gibt keine einzige richtige Antwort aus der Wissenschaft in diesem Stadium, da die wissenschaftlichen Beweise spezifisch für jede Sportart sein müssen und wie dort der Wettbewerbsvorteil zu messen ist. Und dafür gibt es einen sehr einfachen Grund: Gute Leistung bedeutet in verschiedenen Sportarten sehr unterschiedliche Dinge.

Das IOC hatte 2021 ein Framework zu Fairness und Inklusion veröffentlicht, das einen anderen Ansatz verfolgte. Das neue Framework wurde hauptsächlich aus einer bestimmten Menschenrechtsperspektive entworfen, mit wenig Berücksichtigung medizinischer/wissenschaftlicher Fragen, und ersetzte den IOC-Konsens von 2015 zu Geschlechtsangleichung und Hyperandrogenismus. Die Position des IOC, dass es "keine Vermutung eines Leistungsvorteils" geben sollte, steht in krassem Gegensatz zum Ergebnis des IOC-Konsenses von 2015, den wissenschaftlichen Erkenntnissen und der nachfolgenden Bewertung zahlreicher sportmedizinischer Verbände, kritisierten damals Sportmediziner.

Politischer Druck aus den USA

Ein wesentlicher Faktor für die geplante Verschärfung dürfte der massive politische Druck aus den USA sein, wo 2028 die Olympischen Spiele in Los Angeles stattfinden werden. US-Präsident Donald Trump unterzeichnete Anfang des Jahres eine Exekutivverordnung, die trans Frauen vom Frauensport ausschließt und das Außenministerium anweist, die Visa ausländischer Athleten zu überprüfen, um sicherzustellen, dass ihnen bei der Geburt nicht das männliche Geschlecht zugewiesen wurde. Das Außenministerium hat seitdem erklärt, dass es permanente Visasperren für trans Personen verhängen wird – nicht nur Athletinnen –, deren Geschlechtsangabe in ihrem Antrag nicht mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.

Trump unterzeichnete im Februar eine Exekutivverordnung, die trans Athletinnen vom Wettkampf in Mädchen- und Frauensportarten ausschließt und dabei ein zentrales Wahlkampfversprechen erfüllte, das jedoch auch die Rolle der Nation als Gastgeber der nächsten Sommerspiele komplizieren könnte. LGBTQ+-Organisationen vermuten daher, dass das IOC-Verbot eher politisch motiviert als wissenschaftlich belegt ist.

Deutschland geht einen anderen Weg

Während das IOC schärfere Regeln erwägt, zeigt Deutschland im Breitensport einen inklusiveren Ansatz. Der Deutsche Fußballverband (DFB) hat sich gegen den Trend plötzlicher Verbote gewandt, indem er trans Athletinnen ermöglicht, in allen Fußballligen anzutreten. Trans Spieler*innen können nun zu einem selbstbestimmten Zeitpunkt wechseln oder zunächst in der Mannschaft bleiben, in der sie zuvor gespielt haben. Solange die sportliche Aktivität die Gesundheit der Person während der Medikamenteneinnahme nicht beeinträchtigt, kann die Person am Spiel teilnehmen, weshalb die neue Regelung die Doping-Relevanz ausschließt.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies die Integrität des Wettbewerbs nicht gefährdet. Schließlich haben alle Menschen unterschiedliche körperliche Stärken und Fähigkeiten, die nur zusammen in einem Team zum Erfolg führen, unabhängig vom Geschlecht, erklärte der DFB. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) betonte, dass hier eine von Sportart zu Sportart sehr differenzierte Betrachtungsweise notwendig sei. Der DOSB denkt seit geraumer Zeit unter Einbeziehung der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität sowie des Bundesverbandes Intersexuelle Menschen über Möglichkeiten nach, faire Lösungen zu finden.

Bereits bei Olympia 2024 faktisches Verbot

Schon bei den letzten Olympischen Spielen in Paris herrschte ein weitgehendes Teilnahmeverbot für trans Frauen. Viele Sportarten verlangten, dass trans Frauen nur dann im Frauensport antreten dürfen, wenn sie ihre Geschlechtsanpassung vor ihrem zwölften Lebensjahr vollzogen haben – ein Eingriff, der in vielen Ländern in diesem Alter verboten ist. World Aquatics und World Athletics haben beide trans Frauen in den letzten Jahren von Frauenwettbewerben ausgeschlossen und dabei Fairness- und Sicherheitsbedenken angeführt.

Bislang hat nur eine offen trans Frau an den Olympischen Spielen teilgenommen: die neuseeländische Gewichtheberin Laurel Hubbard bei Tokio 2020. Hubbard, die zuvor in Männerwettbewerben angetreten war, schaffte während der Spiele keinen erfolgreichen Versuch. Es bleibt unklar, ob das Verbot vor den Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo in Kraft treten wird. Das IOC könnte die Politik während seiner 145. Sitzung in Mailand vorstellen, nur wenige Tage bevor die Spiele beginnen.

Menschenrechtsgruppen warnen vor Diskriminierung

Menschenrechtsgruppen haben "extreme" Besorgnis über ein totales Verbot von trans und intersexuellen Athletinnen auf Elite-Niveau geäußert. Kimberly Frost, Co-Sekretärin der LGBTQ+-Föderation ILGA World, sagte: "Wir stimmen zu, dass der Schutz weiblicher Athletinnen wichtig ist, und dies sollte durch die Schaffung ernsthafter Richtlinien zur Bekämpfung von Missbrauch sowie ungleicher Bezahlung und beruflicher Chancen geschehen, anstatt Menschen aus Vorurteilen auszuschließen".

Obwohl noch keine Entscheidungen getroffen wurden, hat die neue IOC-Präsidentin Kirsty Coventry den Wunsch geäußert, die Legitimität des Frauensports zu "schützen". Trans Athletinnen sind auch auf Elite-Niveau erheblich unterrepräsentiert. Während bestehende Studien darauf hindeuten, dass zwischen 0,1-1,1% der Weltbevölkerung transgender ist, identifizieren sich weniger als 0,001% der jüngsten Olympioniken offen als trans und/oder nicht-binär. Die geplante IOC-Entscheidung würde diese ohnehin marginalisierte Gruppe vollständig aus dem internationalen Spitzensport ausschließen – ein Schritt, den Aktivist*innen als menschenrechtlich höchst bedenklich kritisieren.


Politischer Angriff auf queere Seelsorge: AfD fordert Rücktritt von Pfarrerin Lena Müller

Die AfD-Bundestagsfraktion hat die Absetzung der Berliner Pfarrerin Lena Müller gefordert, nachdem diese vier Männer in einer polyamoren Beziehung im Rahmen einer Segensfeier begleitete. Die Berliner Pfarrerin Lena Müller hatte im Juni bei einem Pop-up-Hochzeitsfestival eine Polyhochzeit mit vier Männern durchgeführt. Der Vorgang zeigt exemplarisch, wie die rechtsextreme Partei queere Menschen und progressive Geistliche ins Visier nimmt – und wie die evangelische Kirche dagegen Position bezieht.

„Queerextremisten" und „Kindeswohlgefährdung": Die Rhetorik der AfD

In einer Pressemitteilung bezeichnete der familienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Martin Reichardt, die Segnung als Grund für „Kindeswohlgefährdung" und forderte Müllers Entlassung aus ihrem Amt als Landespfarrerin für Kinder, Jugendliche und Konfirmanden. Reichardt sprach von „Regenbogenpropaganda" und nannte die Pfarrerin eine „hochideologisierte Frau, die ihr geistliches Amt für woke Propaganda missbraucht". Die Kinder- und Jugendarbeit dürfe nicht „Spielwiese für in Talar gehüllte Queer- und Linksextremisten" sein, so Reichardt weiter.

Der Berliner Bischof Christian Stäblein distanzierte sich von der als Trauung dargestellten Segnung und erklärte: „Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz traut nur Paare, die standesamtlich verheiratet wurden. Vorwürfe von Polygamie in diesem Kontext sind gegenstands- und haltlos". Die Kirche stellte klar, dass Trauungen und Hochzeiten nur Formen seien, die „zwei Menschen vor Gott segnen".

Solidarität statt Hetze: Die Kirche nimmt ihre Pfarrerin in Schutz

Nach massiven Anfeindungen aus rechten Kreisen stellte sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) schützend vor ihre Pfarrerin. Die Pfarrerin sei in den vergangenen Tagen in sozialen Netzwerken massiv angefeindet worden, teilte die EKBO in sozialen Medien mit: „Wir sind entsetzt über den Hass, der ihr entgegenschlägt. Wir stehen an ihrer Seite und verurteilen diese Angriffe aufs Schärfste".

Bei dem Festival für Pop-up-Segenshochzeiten hätten die vier Männer gerne einen Segen für ihre Beziehung haben wollen. „Man konnte sofort sehen, dass da ganz viel Liebe zwischen ihnen war", wurde die Pfarrerin zitiert. „Deshalb waren wir uns im Team schnell einig: Was sollte Gott dagegen haben, dass es nun eben vier sind und nicht zwei?"

Eine politische Retourkutsche gegen kirchliche Demokratie-Verteidigung

Die AfD-Attacke auf Pfarrerin Müller kommt nicht von ungefähr: Bischof Christian Stäblein und der Synodenvorsitzende Harald Geywitz haben wiederholt eine deutliche Position gegen die AfD bezogen und dazu aufgerufen, Populismus, Rechtsradikalismus und Extremismus eine klare Absage zu erteilen. Stäblein hatte erklärt, es bereite ihm ungeheure Sorgen, „wie viel Zustimmung eine Partei erhält, die offen die Demokratie aushöhlen und unterlaufen will".

In der Pressemitteilung beklagte Reichardt auch, dass Stäblein „meine Parteifreunde und mich in der Vergangenheit als Demokratiefeinde" verleumdet habe. Die Forderung nach Müllers Rücktritt erscheint vor diesem Hintergrund als politische Vergeltung für die klare Haltung der Kirche gegen Rechtsextremismus.

EKD-Synode: Klare Kante gegen die AfD

Die kommissarische EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs hatte bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland am Sonntag erklärt: „Völkisch-nationale Gesinnungen und menschenverachtende Haltungen und Äußerungen sind mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens in keiner Weise vereinbar". Sie warnte: „Wir sehen uns einer Partei gegenüber, die die Würde bestimmter menschlicher Gruppen längst schon für antastbar erklärt und sich damit außerhalb der Grundlagen unseres Grundgesetzes stellt, insbesondere seines ersten Artikels". Die Kirche werde daher einen klaren Abgrenzungskurs zur AfD beibehalten.

Im April 2024 hatte die Landessynode der EKBO beschlossen, dass AfD-Mitglieder künftig kein Amt als Älteste in einem Gemeindekirchenrat übernehmen dürfen, da die Landessynode „angesichts der erkennbaren weiteren Radikalisierung der AfD, die in ihrer Gesamtheit immer stärker menschenfeindliche Ziele verfolgt, die Mitgliedschaft oder tätige Unterstützung dieser Partei für unvereinbar mit dem Bekenntnis zu Wort und Sakrament" halte.

Polyamorie und Kirche: Eine wachsende Debatte

Der Fall Müller wirft auch ein Schlaglicht auf die Debatte um polyamore Beziehungen in der Kirche. Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck hatte bereits als erste Landeskirche Deutschlands bekanntgegeben, dass ihre Pfarrer Menschen in sogenannten polyamoren Beziehungen segnen. In der eigenen Pfarrgemeinde akzeptiert zu sein, sei das A und O, damit sich polyamore Menschen von Kirche ernst genommen fühlen könnten. Ein weiterer Schritt sei die Möglichkeit einer Segnung ihrer Beziehungen: „Warum sollten wir Liebe, die mehr als eine:n Partner:in inkludiert, nicht von Gott segnen lassen?", so eine evangelische Theologin im Blog „kreuz & queer".

Während in Deutschland Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare in vielen evangelischen Landeskirchen längst etabliert sind und auch die katholische Kirche nach kontroversen Debatten eine Handreichung für Segensfeiern queerer Paare veröffentlicht hat, bleibt die rechtliche und kirchliche Anerkennung polyamorer Beziehungen umstritten. Während Eheschließungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren in Deutschland seit 2017 gesetzlich erlaubt sind, bleibt die offizielle Anerkennung von polyamoren Beziehungen bisher unerreichbar.

Ein Signal für queere Inklusion

Der Angriff der AfD auf Pfarrerin Müller zeigt deutlich, wie queere Seelsorge und progressive Theologie zur Zielscheibe rechtsextremer Politik werden. Doch die entschiedene Solidarität der Kirche mit ihrer Pfarrerin sendet ein wichtiges Signal: Die evangelische Kirche in Deutschland steht mehrheitlich für Vielfalt, Demokratie und die Würde aller Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Beziehungsform.

Die Auseinandersetzung um die Polysegnung in Berlin ist damit mehr als ein kirchlicher Binnenkonflikt. Sie ist Teil einer größeren gesellschaftlichen Debatte darüber, wer in Deutschland mitbestimmen darf, welche Lebensformen Anerkennung verdienen – und ob demokratische Institutionen wie die Kirche sich von rechtsextremen Kräften einschüchtern lassen.


Niedersachsen verdoppelt Förderung für queere Akzeptanzarbeit – Ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten

In Zeiten steigender Hasskriminalität gegenüber queeren Menschen setzt Niedersachsen ein wichtiges politisches Zeichen: Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben für den Landeshaushalt 2026 eine deutliche Erhöhung der Mittel für queere Akzeptanzarbeit beschlossen. Die Gesamtzahl der Straftaten gegen LSBTIQ* hat sich in Niedersachsen seit dem Jahr 2020 von 37 auf insgesamt 211 im Jahr 2024 erhöht – eine Entwicklung, die laut queer.de die rot-grüne Landesregierung zum Handeln bewegt hat.

500.000 Euro für Akzeptanz und Sicherheit

Die politische Liste der Regierungskoalition sieht für die "Förderung von Maßnahmen zur Akzeptanz von queeren Menschen und gegen Hasskriminalität" insgesamt 500.000 Euro vor – eine Steigerung um 200.000 Euro gegenüber dem Vorjahr. Diese Aufstockung ist Teil eines Gesamtpakets von rund 93,5 Millionen Euro, mit dem die Koalition verschiedene gesellschaftliche Schwerpunkte finanzieren will, darunter auch mehr Geld für öffentliche Busse, die Sanierung von Schwimmbädern und günstigere Mensen-Mahlzeiten.

Lisa Kühn, Vorstandsmitglied beim Queeren Netzwerk Niedersachsen (QNN), begrüßte die Entscheidung ausdrücklich: "Die Erhöhung der Mittel ist das richtige politische Signal in einer Zeit steigender Hasskriminalität gegenüber queeren Menschen und wachsender Verunsicherung in den queeren Communities." Das QNN vertritt über fünfzig Vereine und Gruppen auf Landesebene und koordiniert als Erstempfänger die Verteilung der Landesmittel an Projekte für LSBTIQ*-Menschen.

Dramatischer Anstieg queerer Hasskriminalität in Deutschland

Die Mittelerhöhung kommt nicht von ungefähr. Im Jahr 2024 kam es zu 2.917 Straftaten gegen die LGBTIQ+-Community, ein Plus von 564 Fällen binnen eines Jahres. Bundesweit zeigt sich ein besorgniserregender Trend: 2024 wurden insgesamt im Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung" 1.765 Straftaten (davon 253 Gewaltdelikte) und im Unterthemenfeld „geschlechtsbezogene Diversität" 1.152 Straftaten (davon 128 Gewaltdelikte) erfasst.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte dazu: "Queerfeindliche Gewalt muss als solche klar benannt und gezielt verfolgt werden. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend". Expert*innen gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus – die Behörden sowie auch die EU-Grundwerteagentur gehen davon aus, dass 90 Prozent aller Übergriffe nicht erfasst wurden, da die Opfer keine Anzeige erstattet haben.

Forderung nach dauerhafter Finanzierung

Trotz der positiven Entwicklung gibt es auch Kritik: Die Mittel der politischen Liste werden nur für ein Haushaltsjahr bereitgestellt. QNN-Geschäftsführer Nico Kerski forderte daher eine langfristige Perspektive: "Nur so können wichtige Projekte der queeren Akzeptanzarbeit und gegen Hasskriminalität auch nachhaltig und effektiv umgesetzt werden. Wir müssen leider davon ausgehen, dass sich das gesellschaftliche Klima für queere Menschen auch in den Folgejahren nicht unbedingt verbessern wird."

Das aktuelle Budget von 540.000 Euro für alle queeren Angebote des Landes reiche bei weitem nicht aus, müsse mindestens verdoppelt, bedarfsgerecht sogar verdreifacht werden – und selbst dann läge der Betrag im Ländervergleich in Relation zur jeweiligen Bevölkerungszahl noch unterhalb des Bundesdurchschnitts.

Vielfältige Projektarbeit in Niedersachsen

Um die Akzeptanz von LSBTIQ* Menschen in Niedersachsen zu stärken fördert das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung Maßnahmen und Projekte zur Aufklärung oder Sensibilisierung, aber auch Projekte mit dem Ziel des Strukturaufbaus oder Empowerment der queeren Community. Die Förderung erfolgt auf Grundlage der LSBTI*-Richtlinie über das QNN.

Zu den geförderten Strukturen gehören queere Zentren in Braunschweig, Gifhorn, Göttingen, Hannover, Lüneburg und Oldenburg sowie das Schulaufklärungsprojekt SCHLAU Niedersachsen, das Bildungs- und Antidiskriminierungsworkshops zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt anbietet. Auch spezialisierte Beratungsangebote wie die Landeskoordination Inter* und die Landesfachstelle Trans* werden aus den Mitteln finanziert.

Ein bundesweites Problem

Niedersachsen steht mit der Herausforderung steigender Queerfeindlichkeit nicht allein da. Die Gesamtzahl der erfassten Hasskriminalität, also von Taten, die durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit motiviert sind, stieg bundesweit um 28 Prozent auf 21.773 Delikte. Mit Aktionsplänen für Akzeptanz von LSBTIQ* versuchen Landesregierungen zwischen Flensburg und Konstanz LSBTIQ*-Feindlichkeit entgegenzuwirken – Zielsetzung sind nicht nur die Förderung von Akzeptanz und Gleichstellung, sondern auch dass die Anliegen von LSBTIQ* als Querschnittsaufgabe in allen Fachpolitiken und gesellschaftlichen Bereichen verankert werden.

Die Erhöhung der Fördermittel in Niedersachsen ist somit ein wichtiger Baustein im bundesweiten Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt. Ob die Gelder künftig in die reguläre Haushaltsplanung überführt werden und damit nachhaltige Strukturen geschaffen werden können, wird sich in den kommenden Haushaltsverhandlungen zeigen müssen.


Trans-Soldat*innen klagen gegen Entzug ihrer Pensionsansprüche

In einem beispiellosen Fall von institutioneller Diskriminierung kämpfen 17 ehemalige Angehörige der US Air Force vor Gericht gegen die Trump-Administration, nachdem ihre im Juni zugesagten Pensionsansprüche im August widerrufen wurden. Die am 10. November eingereichte Klage wirft ein Schlaglicht auf die systematische Benachteiligung trans Soldat*innen in den USA – und macht deutlich, wie wichtig der rechtliche Schutz queerer Menschen im Militär ist.

Vom Versprechen zum Verrat

Master Sergeant Logan Ireland, der 15 Jahre in der Air Force diente und unter anderem in Afghanistan im Einsatz war, beschreibt die Situation als "Verrat an den Opfern, die Soldatinnen und ihre Familien gebracht haben". Die Geschichte von Ireland und seinen Mitstreiter*innen ist symptomatisch für eine Politik, die trans Menschen systematisch ihrer Würde beraubt.

Im Mai, als Trumps zweites Trans-Militärverbot in Kraft trat, bot die Air Force trans Angehörigen mit 15 bis 18 Dienstjahren die Möglichkeit, eine vorzeitige Rente zu beantragen – die Anträge der 17 Kläger*innen wurden im Juli genehmigt. Doch im August wurde diese Genehmigung durch ein Memo des neuen Amtsinhabers Brian L. Scarlett widerrufen, was die Betroffenen um proratierte Rentenleistungen, Pensionen, Zugang zur Krankenversicherung TRICARE, militärischem Wohnraum und Invaliditätsleistungen brachte.

Millionenverluste und existenzielle Unsicherheit

Die finanziellen Folgen sind dramatisch: Trans-Soldat*innen, die von diesem Entzug betroffen sind, verlieren im Laufe ihres Lebens zwischen 1 und 2 Millionen Dollar an verdienten Leistungen. Hinzu kommt der Verlust des lebenslangen Zugangs zur TRICARE-Krankenversicherung, die Zugang zu zivilen Gesundheitsdienstleistern über VA-Einrichtungen hinaus geboten hätte.

Die Klage argumentiert, dass der Widerruf der Rentenbescheide gegen die eigenen Richtlinien der Air Force verstößt, die nur unter sehr begrenzten Umständen wie Betrug oder neu entdeckten Beweisen einen Widerruf erlauben – von denen hier keiner vorliegt.

Ein Kontrast zur Bundeswehr

Die Situation in den USA steht in starkem Kontrast zur Entwicklung in Deutschland. Während die Trump-Administration trans Menschen aus dem Militär verbannt, unterliegt die Bundeswehr den gesetzlichen Vorschriften zum Schutz der Rechte von Transgender-Personen, die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verankert sind, und gewährleistet trans Angehörigen faire Behandlung und Chancengleichheit.

Die deutsche Luftwaffe hat mit Oberstleutnant Anastasia Biefang seit 2017 die erste offen transgeschlechtliche Bataillonskommandeurin der deutschen Streitkräfte. Im Jahr 2000 formulierte der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat in einer Führungshilfe für Vorgesetzte die Forderung nach "Toleranz gegenüber anderen, nicht strafbewehrten sexuellen Orientierungen".

Dennoch bleibt auch in Deutschland Raum für Verbesserungen. Wie Biefang selbst anmerkt: "Wir geben dem Thema sehr wenig Raum. Es wird sehr oft heruntergedrückt in der Frage 'Müssen wir uns jetzt um dieses Thema mit dem Gender auch noch kümmern?'".

Rechtliche und menschliche Dimension

Die von GLAD Law und dem National Center for LGBTQ Rights vertretene Klage ist Teil eines größeren juristischen Kampfes gegen Trumps Trans-Verbot. Der Supreme Court hatte im Mai der Trump-Administration erlaubt, mit dem Anti-Trans-Verbot fortzufahren, zumindest vorläufig.

Shannon Minter, Legal Director beim NCLR und selbst transgender, bringt die Empörung auf den Punkt: "Es gab noch nie eine Administration, die eine solch offene Feindseligkeit gegenüber den mutigen Männern und Frauen gezeigt hat, die unserem Land gedient haben".

Was diese Klage bedeutet

Der Fall Ireland et al. v. United States ist mehr als eine juristische Auseinandersetzung um Pensionsansprüche. Er steht symbolisch für den Kampf um die Würde und Anerkennung trans Menschen, die ihrem Land gedient haben. Wie Logan Ireland es ausdrückt: "Mein Geschlecht sollte keinen Einfluss darauf haben, welche Rentenleistungen mir zustehen. Punkt".

Für Deutschland und Europa ist dieser Fall eine Mahnung: Die Rechte von LGBTQ+ Menschen, auch im Militär, sind keine Selbstverständlichkeit. Sie müssen aktiv verteidigt und ausgebaut werden. Während die USA einen dramatischen Rückschritt erleben, muss Europa zeigen, dass Vielfalt und militärische Exzellenz keine Gegensätze sind – sondern einander bedingen.

Organisationen wie QueerBw, die Interessenvertretung der LGBTQ+ Angehörigen der Bundeswehr, setzen sich seit 2002 für Gleichberechtigung ein und bieten eine Anlaufstelle für alle queeren Bundeswehrangehörigen. Sie zeigen, dass institutioneller Wandel möglich ist – wenn Menschen sich dafür einsetzen.


Deutschlands größte Diskriminierungs-Umfrage gestartet: "Jeder Fall ist einer zu viel"

Unter dem Motto "Deine Erfahrung zählt" hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zur größten Umfrage über Diskriminierungserfahrungen in Deutschland aufgerufen. Bis zum 28. Februar 2026 können alle Menschen ab 14 Jahren anonym ihre Erfahrungen mit Benachteiligungen teilen – ein bedeutsamer Schritt, um das Ausmaß von Diskriminierung im Land sichtbar zu machen. Die ursprüngliche Meldung unterstreicht die Dringlichkeit dieses Anliegens in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen.

Eine umfassende Bestandsaufnahme der Diskriminierung

An der Betroffenenbefragung können alle Menschen in Deutschland teilnehmen, die Diskriminierung erleben. Die Studie erfasst, wie häufig und welche Diskriminierungserfahrungen Menschen machen – zum Beispiel, wie häufig Menschen bei Ämtern und Behörden herablassend behandelt werden oder aufgrund fehlender Barrierefreiheit bestimmte Geschäfte nicht besuchen können. Die Umfrage ist in neun Sprachen verfügbar, darunter auch Einfache Sprache, um möglichst vielen Menschen Zugang zu ermöglichen.

Die erhobenen Daten sollen umfassende Erkenntnisse liefern: Wo erleben Menschen in Deutschland Diskriminierung? Wie gehen sie damit um? Welche Unterstützungsangebote nutzen oder benötigen sie? Und welche Folgen hat Diskriminierung für ihr Leben – ob beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Wohnen, im Gesundheitswesen oder im Alltag? Die Erhebung ist für den Zeitraum Herbst 2025 bis Januar 2026 geplant, wobei die Ergebnisse voraussichtlich im Frühsommer 2027 veröffentlicht werden.

LGBTIQ*-Community besonders betroffen

Für die queere Community ist diese Umfrage von besonderer Bedeutung. 38 Prozent der befragten LSBTIQ* aus Deutschland fühlten sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität im Jahr vor einer früheren Umfrage diskriminiert. Noch gravierender sind die Zahlen für trans* Menschen: 65 Prozent der trans* Frauen und 64 Prozent der trans* Männer fühlten sich aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in den letzten 12 Monaten diskriminiert.

Die Situation verschärft sich weiter: Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend. Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 1.500 Delikte gegen die sexuelle Orientierung polizeilich erfasst. Damit stieg ihre Zahl das sechste Jahr in Folge und auf einen deutlichen Höchststand.

"Jeder Fall von Diskriminierung ist einer zu viel"

Ferda Ataman wurde im Juli 2022 vom Deutschen Bundestag zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt. Zum Auftakt der Befragung erklärte sie: "Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Menschen immer unverblümter Rassismus, Antisemitismus, Frauenhass und anderen Abwertungen ausgesetzt sind, ist es wichtig, Betroffene sprechen zu lassen. Jeder Fall von Diskriminierung ist einer zu viel."

Die Dringlichkeit ihrer Worte wird durch aktuelle Zahlen untermauert: Im Jahr 2024 haben 11.405 Anfragen das Beratungsteam der Antidiskriminierungsstelle des Bundes erreicht. 43 Prozent der Anfragen kamen im vergangenen Jahr zu rassistischer Diskriminierung. Seit 2019 hat sich die Zahl der Beratungsfälle hierzu mehr als verdreifacht. Prominente wie Kabarettistin Maren Kroymann, Ökonom Marcel Fratzscher und Publizistin Marina Weisband unterstützen den Aufruf zur Teilnahme.

Positive Signale trotz Herausforderungen

Trotz der besorgniserregenden Entwicklungen gibt es auch Hoffnungszeichen: 73 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass lesbische, schwule oder bisexuelle Menschen vor Diskriminierung geschützt werden sollten. Bei trans* Personen stimmen sieben von zehn Befragten (70 Prozent) der Aussage zu. Deutschland gehört neben Frankreich und Polen zu den wenigen Ländern, in denen sich die Akzeptanz queerer Lebensweisen in den letzten drei Jahren leicht positiv entwickelt hat.

Allerdings offenbart sich ein beunruhigender Trend: Vor allem bei jungen Männern nehmen queerfeindliche Ansichten aber auch in Deutschland eher zu. Diese Entwicklung zeigt, dass Antidiskriminierungsarbeit kontinuierlich und generationsübergreifend notwendig bleibt.

Warum Teilnahme wichtig ist

Die Studie lebt von ihrer Beteiligung. Nur wenn möglichst viele Menschen mit möglichst vielfältigen Erfahrungen bereit sind, den Fragebogen der Betroffenenumfrage auszufüllen, erhalten wir aussagekräftige Ergebnisse. Hierfür braucht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Erhebung in die Communities tragen und für eine Teilnahme an der Umfrage werben.

Die Umfrage ist sowohl online als auch auf Papier verfügbar. Besonderes Augenmerk liegt auf der Barrierefreiheit: Funktionen wie Zoom und Vorlesesoftware werden integriert. Vereine und Verbände können Papierfragebögen anfordern, um diese in ihren Netzwerken zu verteilen.

Die Ergebnisse dieser historisch umfassenden Befragung werden nicht nur das Ausmaß von Diskriminierung in Deutschland dokumentieren, sondern auch als Grundlage für politische Maßnahmen und gesellschaftliche Debatten dienen. Für die LGBTIQ*-Community bietet sie eine wichtige Chance, ihre Erfahrungen sichtbar zu machen und damit den Weg für besseren Schutz und mehr Gleichberechtigung zu ebnen.

Hier geht es zur Umfrage: Antidiskriminierungsstelle des Bundes - Betroffenenbefragung 2025


US-Höchstgericht lehnt Angriff auf gleichgeschlechtliche Ehe ab – Was bedeutet das für Deutschland?

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat am 10. November 2024 eine weitreichende Entscheidung getroffen: Die Richter*innen lehnten eine rechtliche Petition ab, die das wegweisende Urteil zur gleichgeschlechtlichen Ehe von 2015 hätte kippen können. Die ehemalige Standesbeamtin Kim Davis aus Kentucky hatte das Gericht gebeten, ihre Berufung gegen ein Schadensersatzurteil anzunehmen – und dabei explizit gefordert, das Urteil Obergefell v. Hodges zu revidieren, das gleichgeschlechtlichen Paaren landesweit das Recht auf Eheschließung gewährte. Die ursprüngliche Meldung löste weltweit Aufmerksamkeit aus – und wirft auch für Deutschland wichtige Fragen auf.

Der Fall Kim Davis: Eine Standesbeamtin verweigert die Trauung

Davis, die damals Standesbeamtin im Rowan County in Kentucky war, berief sich auf ihre religiösen Überzeugungen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, um die Ausstellung von Heiratsurkunden an gleichgeschlechtliche Paare zu verweigern. Nachdem ein Bundesgericht feststellte, dass sie gegen eine gerichtliche Anordnung zur Ausstellung der Lizenzen verstoßen hatte, wurde Davis für mehrere Tage inhaftiert. Eine Jury verurteilte sie später zur Zahlung von 100.000 Dollar Schadensersatz sowie 260.000 Dollar Anwaltskosten.

In einer kurzen Anordnung lehnten die Richter*innen die Annahme von Davis' Berufung ab, ohne Begründung und ohne vermerkte abweichende Meinungen. Das Höchstgericht machte damit deutlich, dass die Weigerung, die verfassungsmäßigen Rechte anderer zu respektieren, nicht ohne Konsequenzen bleibt.

Warum diese Entscheidung so wichtig ist

Die Entscheidung erhielt außerordentliche Aufmerksamkeit – unter anderem, weil das Gericht vor drei Jahren mit seiner konservativen Mehrheit von 6:3 Roe v. Wade kippte und damit das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung aufhob. Seitdem wuchsen die Befürchtungen, dass Obergefell das nächste Präzedenzurteil sein könnte, das fällt. Mehrere konservative Richter*innen, darunter Amy Coney Barrett und Brett Kavanaugh, hatten jedoch öffentlich signalisiert, dass die Rechte auf gleichgeschlechtliche Ehe nicht zurückgenommen werden sollten.

Sollte Obergefell aufgehoben werden, wäre die gleichgeschlechtliche Ehe dennoch auf Bundesebene geschützt: 2022 unterzeichnete Präsident Joe Biden das Respect for Marriage Act, das die Legitimität gleichgeschlechtlicher und interrassischer Ehen anerkennt. Dennoch könnten einzelne Bundesstaaten gleichgeschlechtliche Ehen nicht mehr anerkennen.

Breite Unterstützung in der Bevölkerung – auch bei Konservativen

Eine Gallup-Umfrage von 2024 ergab, dass 69 Prozent der Amerikaner*innen die gleichgeschlechtliche Ehe unterstützen – darunter 83 Prozent der Demokrat*innen, 74 Prozent der Unabhängigen und 46 Prozent der Republikaner*innen. Laut einer aktuellen Studie des Public Religion Research Institute unterstützen zwei Drittel der Amerikaner*innen (67 Prozent) die rechtliche Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare – eine Steigerung um 13 Prozentpunkte seit 2014. Dies zeigt: Die Mehrheit der US-Bevölkerung steht fest hinter der Ehe für alle.

Deutschland im Vergleich: Wie sicher ist die Ehe für alle hierzulande?

Die Parallelen zwischen den USA und Deutschland sind bemerkenswert – und zugleich lehrreich. In Deutschland ist die Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare seit dem 1. Oktober 2017 möglich, nachdem der Bundestag am 30. Juni 2017 mit großer Mehrheit die „Ehe für alle" beschloss und § 1353 BGB dahingehend änderte, dass „die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen" wird.

Doch könnte auch in Deutschland eine Standesbeamtin oder ein Standesbeamter die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare aus religiösen Gründen verweigern? Anders als im Fall Kim Davis ist die Rechtslage in Deutschland eindeutig: Das Bundesverfassungsgericht entschied bereits 2002, dass die Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare Art. 6 Abs. 1 GG nicht verletzt. Der besondere Schutz der Ehe hindert den Gesetzgeber nicht daran, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.

Standesbeamt*innen sind als staatliche Amtsträger*innen verpflichtet, Trauungen durchzuführen – unabhängig von der sexuellen Orientierung der Eheschließenden. Der Standesbeamte prüft im Vorfeld verschiedene Voraussetzungen, damit die Ehe wirksam geschlossen werden kann. Eine Verweigerung aus religiösen Gründen wäre eine Verletzung der Amtspflichten und hätte dienstrechtliche Konsequenzen.

Ein Signal gegen Diskriminierung

Kelley Robinson, Präsidentin der Human Rights Campaign, begrüßte die Entscheidung mit den Worten: „Heute hat die Liebe wieder gewonnen. Wenn Beamt*innen einen Eid ablegen, ihrer Gemeinschaft zu dienen, erstreckt sich dieses Versprechen auf alle – einschließlich LGBTQ+-Menschen. Das Höchstgericht hat heute klargestellt, dass die Weigerung, die verfassungsmäßigen Rechte anderer zu respektieren, nicht ohne Konsequenzen bleibt."

Die Entscheidung sendet ein wichtiges Signal: Religiöse Überzeugungen können nicht als Rechtfertigung dienen, um anderen Menschen grundlegende Rechte zu verweigern. Dies gilt in den USA – und es gilt auch in Deutschland. Die Ehe für alle ist ein Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Gleichberechtigung, und ihre Verteidigung bleibt eine gemeinsame Aufgabe auf beiden Seiten des Atlantiks.


Streaming-Dienste streichen queere Figuren: Fast die Hälfte verschwindet vom Bildschirm

Die Zahlen sind alarmierend: Zum 20. Mal veröffentlichte die US-amerikanische LGBTQ+-Organisation GLAAD ihren Bericht "Where We Are On TV" – und die Ergebnisse zeigen, dass trotz eines leichten Anstiegs auf insgesamt 489 queere Figuren über alle Plattformen 41 Prozent dieser Charaktere nicht zurückkehren werden, wie die Originalquelle queer.de berichtet. Ein dramatischer Befund, der GLAAD-Chefin Sarah Kate Ellis zu einer deutlichen Warnung veranlasste.

Trans-Figuren besonders gefährdet

Besonders dramatisch ist die Situation für trans Charaktere: Von 33 gezählten trans Figuren erscheinen nur vier in Serien, die offiziell verlängert wurden. Serien wie "Clean Slate", "Heartstopper", "The Umbrella Academy" und "9-1-1: Lone Star" mit trans Charakteren, die mit dem Publikum eine Verbindung aufbauten und ein Gegennarrativ zur transphoben Rhetorik boten, wurden alle in dieser Auswertungsperiode beendet. Netflix strahlte nur eine Staffel von "Kaos" aus, einer Serie über griechische Götter in der modernen Welt mit mehreren LGBTQ+ Charakteren, einschließlich Caeneus, einem trans Mann, bevor die Serie abgesetzt wurde.

61 Prozent der trans Charaktere werden aufgrund von Serien-Absetzungen, Beendigungen oder dem Limited-Series-Format nicht zurückkehren. Die Botschaft ist klar: Wenn keine neuen trans-inklusiven Serien in Produktion gehen, droht ein gefährlicher Einbruch der trans Repräsentation.

Deutschland hinkt hinterher

Während in den USA immerhin ein Bewusstsein für queere Sichtbarkeit existiert, zeigt sich die Situation im deutschen Fernsehen noch problematischer. Laut der Queeren Medien-Datenbank QUEERmdb beinhalteten 2024 nur 740 von 15.000 ausgestrahlten Filmen und Serien eine für die Handlung relevante LGBT-Figur – das entspricht einer Quote von 4,9 Prozent. Im Vergleich zu Kino (10,4 Prozent), Netflix (8,9 Prozent) und Amazon Prime (8,2 Prozent) bleibt das deutsche Fernsehen das am wenigsten diverse Langfilm-Medium.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kritisiert: "Die Lebensrealität von Lesben, Schwulen und Trans kommt so gut wie gar nicht vor" im deutschen Fernsehen. Im Jahr 2022 schaffte es nur eine einzige trans/nonbinäre Hauptfigur ins deutsche Fernsehen – in der ZDF-Serie "Becoming Charlie".

Politischer Gegenwind und wirtschaftlicher Druck

GLAAD mahnt, dass "hasserfüllte Rhetorik unkontrolliert von Politikern und Nachrichtenmedien verbreitet wird und eine falsch verstärkte Plattform erhält, obwohl die Mehrheit dieses Landes die LGBTQ+-Community überwältigend unterstützt". Dieser gesellschaftliche Wandel schlägt sich auch in Programmentscheidungen nieder.

Gleichzeitig verstärkt der wirtschaftliche Druck auf Streaming-Dienste die Absetzungswelle. Netflix hatte mit 177 LGBTQ+ Charakteren die größte Anzahl auf seinem Streaming-Service, doch 68 dieser Charaktere (38 Prozent) befinden sich in Serien, die abgesetzt oder beendet wurden. Nutzer bemerken, dass häufig Fantasy-Serien sowie Serien mit LGBTQIA+-Repräsentation kein langes Leben bei Netflix oder vergleichbaren Anbietern genießen.

Warum Sichtbarkeit zählt

"Fast ein Drittel der nicht-LGBTQ+-Amerikaner sagen, dass LGBTQ+-inklusive Medien ihre Wahrnehmung unserer Community verändert haben", betont GLAAD-Chefin Sarah Kate Ellis. Die Mehrheit in Deutschland hat keinen persönlichen Kontakt zu offen lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und/oder intergeschlechtlichen Menschen – ihr Wissen über LSBTIQ+ stammt folglich ausschließlich aus anderen Quellen. Mediale Repräsentationen haben damit einen maßgeblichen Einfluss auf gesellschaftliche Einstellungen.

Die Absetzungswelle bedroht nicht nur die Sichtbarkeit queerer Lebensrealitäten, sondern auch die Fortschritte im gesellschaftlichen Bewusstsein. Es besteht die Gefahr, dass Zuschauer neue Serien gar nicht erst anfangen – aus Angst, dass sie umsonst Begeisterung zeigen, nur damit die Serie nach einer Staffel mit einem Cliffhanger endet. Für die queere Community bedeutet jede abgesetzte Serie nicht nur den Verlust von Unterhaltung, sondern auch den Verlust von Vorbildern, Identifikationsfiguren und der Bestätigung, dass ihre Geschichten erzählenswert sind.


Deutschlands erstes digitales LGBTI-Jugendzentrum geht online – Ein Meilenstein für queere Jugendliche

Ein historischer Moment für die queere Jugendarbeit in Deutschland: Am Sonntag, den 16. November, geht mit "lambda space" das erste digitale queere Jugendzentrum des Landes online. Die innovative Plattform des bundesweiten Jugendverbands Lambda richtet sich an junge queere Menschen zwischen 14 und 26 Jahren und verspricht einen sicheren digitalen Raum für Austausch, Unterstützung und Gemeinschaft. Fast 900 Nutzer sind bereits in der Beta-Phase dabei – wie queer.de berichtet.

Warum ein digitales Jugendzentrum?

Die Notwendigkeit eines solchen Projekts ist evident: Im ländlichen Raum existieren kaum Angebote für junge LSBTIQ*. 29 Prozent der queeren Jugendlichen nutzen keine Jugendgruppen mit LSBTIQ-Bezug, weil es solche Angebote nicht in ihrer Nähe gibt, 34 Prozent sind sich unsicher, was sie dort erwartet, und 15 Prozent haben sogar Angst, gesehen zu werden. Diese Zahlen verdeutlichen die dramatische Versorgungslücke – besonders fernab der Großstädte.

Nick Hampel vom Jugendnetzwerk Lambda erklärt: "Leider haben noch immer viele queere Jugendliche keinen Zugang zu unterstützenden Angeboten – insbesondere im ländlichen Raum. Für viele ist das nächste queere Jugendzentrum oder die queere Jugendgruppe schlicht zu weit weg. Kein Wunder also, dass queere Jugendliche eine der Personengruppen sind, die am meisten Zeit im digitalen Raum verbringen".

Ein Safe Space im digitalen Raum

Lambda betont, dass der digitale Raum größtenteils von Tech-Konzernen dominiert wird, die sich einerseits nur auf maximale Profite konzentrieren und andererseits immer queerfeindlicher werden. "lambda space" positioniert sich bewusst als gemeinnützige Alternative, die nicht irgendeinem Unternehmen gehört, sondern der jungen Community selbst – die Jugendlichen sind nicht nur Nutzer*innen, sie sind Teilhaber*innen.

Die Plattform bietet vielfältige Funktionen: Jugendliche können sich in Foren gegenseitig unterstützen, eigene Gruppenräume zu verschiedenen Themen erstellen, sich über einen Messenger sicher austauschen und andere queere Jugendliche aus der Nähe kennenlernen. Besonders innovativ ist die Möglichkeit, einen Umkreis festzulegen, sodass sie sich mit der lokalen Community vernetzen und neue Menschen aus der Nähe kennenlernen können.

Sicherheit hat oberste Priorität

In Zeiten zunehmender Queerfeindlichkeit ist der Schutzaspekt zentral: Ein mehrstufiges Zugangssystem schützt die Jugendlichen, alle Inhalte werden durch ein geschultes Moderationsteam und KI-Unterstützung in Echtzeit moderiert, das Projekt wird psychologisch begleitet, und Jugendliche können sich bei Bedarf niedrigschwellig beraten lassen. Diese umfassenden Sicherheitsmaßnahmen sind besonders wichtig, da junge LSBTIQ* in zentralen Lebensbereichen wie Familie, Schule, Freizeit, Medien, Ausbildung und Arbeit immer noch strukturelle und direkte Diskriminierungen erleben, was zur Vermeidung eines Coming-outs während der Schulzeit und zum Erleben von Minderheitenstress führen kann.

Mentale Gesundheit im Fokus

Der gesundheitliche Aspekt ist nicht zu unterschätzen: Queere Jugendliche, die sich in mindestens einem Online-Raum sicher und verstanden fühlen, haben ein um 20 Prozent geringeres Suizidrisiko, verglichen mit queeren Jugendlichen, die keinen solchen Ort haben, wie eine Studie des Trevor Project zeigt. Diese Erkenntnis unterstreicht die lebensrettende Bedeutung solcher digitalen Schutzräume.

Deutschland im internationalen Vergleich

Während in Deutschland verschiedene Bundesländer wie Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen bereits Initiativen zur Unterstützung queerer Jugendlicher im ländlichen Raum gestartet haben, ist das bundesweite digitale Angebot von lambda space einzigartig. Das Projekt ist bislang einzigartig im deutschsprachigen Raum.

Das 1990 in Berlin gegründete Jugendnetzwerk Lambda hat nach der Wiedervereinigung seinen Wirkungskreis auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt und ist heute der einzige Jugendverband in der lgbtiq* Community in Deutschland, der die Interessen lesbischer, schwuler, bisexueller, trans*, inter* und queerer Jugendlicher vertritt.

Die spannende Beta-Phase beginnt

Die Vorstandsmitglieder Emily Schunk und Oska Jacobs zeigen sich begeistert: "Wir freuen uns unglaublich, dass lambda space endlich seine digitalen Türen öffnet. Nun beginnt die spannende Beta-Phase, in der wir nach und nach allen 865 Jugendlichen auf der Warteliste Zugang zur Plattform geben". In begleitenden Feedbackrunden wird mit den Jugendlichen darüber gesprochen, wie sich die Plattform für sie anfühlt, was gut funktioniert und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

Das klare Ziel: "Wir möchten, dass endlich alle queeren jungen Menschen einen Safer Space haben – egal wo sie wohnen". Mit lambda space wird dieser Wunsch nun digitale Realität – ein Hoffnungszeichen für tausende junger queerer Menschen in Deutschland, die bisher ohne niedrigschwellige Unterstützungsangebote auskommen mussten.

Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden interessierte Jugendliche auf lambdaspace.de.


Über 7.000 Briten wenden sich an Abgeordnete: Angst vor Trans-Toilettenverbot wächst

In Großbritannien wächst der Widerstand gegen ein drohendes Verbot, das trans Menschen den Zugang zu öffentlichen Toiletten verwehren könnte. Mindestens 7.100 Menschen äußerten ihre Sorge, dass der Entwurf des Verhaltenskodex der Equality and Human Rights Commission (EHRC) zur Diskriminierung von trans Männern und Frauen führen könnte. Die Kampagne, initiiert von den Organisationen TransActual und Trans+ Solidarity Alliance, zeigt eindrücklich, wie stark die LGBTQ+-Community und ihre Verbündeten mobilisiert sind – und wirft auch für Deutschland wichtige Fragen auf.

Der Hintergrund: Ein Gerichtsurteil mit weitreichenden Folgen

Der Konflikt hat seinen Ursprung in einem Urteil des Obersten Gerichtshofs, das trans Frauen von der rechtlichen Definition einer „Frau" im Sinne des Gleichstellungsgesetzes von 2010 ausschließt. Nur einen Monat nach Abschluss der Konsultation, die über 50.000 öffentliche Antworten erhielt, überreichte die Regulierungsbehörde einen endgültigen Entwurf – der nicht öffentlich zugänglich ist – an Gleichstellungsministerin Bridget Phillipson. Die vorgeschlagenen Änderungen würden trans Menschen effektiv von der Nutzung öffentlicher Einrichtungen wie Toiletten ausschließen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.

Besonders besorgniserregend: Vorgeschlagene Änderungen könnten trans Menschen dazu zwingen, Ausweispapiere mitzuführen, um Zugang zu geschlechtsspezifischen Einrichtungen einschließlich Umkleideräumen und Toiletten zu erhalten. Die Originalquelle bei Pink News dokumentiert den wachsenden Protest gegen diese Entwicklung.

Wirtschaft schlägt Alarm: „Unworkable" und teuer

In einem offenen Brief, verfasst von Trans+ Solidarity Alliance und Safe Space UK, argumentierten über 650 Organisationen, darunter Ben & Jerry's, Mighty Hoopla und Lush Cosmetics, dass ein ausschließendes Gesetz große „operative Herausforderungen" schaffen würde und sogar kleine Unternehmen in den Bankrott treiben könnte. Der Brief, unterzeichnet von 50 Abgeordneten, stellte fest, dass ein Einzelhändler die Kosten für die Installation geschlechtsneutraler Toiletten in allen 200 landesweiten Filialen auf über 1,2 Millionen Pfund schätzt.

Jude Guaitamacchi, Gründerin der Trans+ Solidarity Alliance, kommentierte: „Tausende Menschen haben ihren Abgeordneten in nur wenigen Wochen geschrieben, mit einer sehr klaren Botschaft: Was die EHRC hier versucht, ist nicht richtig, nicht machbar und muss abgelehnt werden."

Deutschland: Ein anderer Weg mit dem Selbstbestimmungsgesetz

Während Großbritannien restriktivere Regelungen erwägt, hat Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz vom 12. April 2024 einen anderen Weg eingeschlagen, der es Deutschen ab 14 Jahren ermöglicht, ihre Geschlechtsbezeichnung und Vornamen in offiziellen Dokumenten durch eine einfache Erklärung beim örtlichen Standesamt zu ändern. Das Gesetz trat am 1. November 2024 in Kraft und ersetzt das drakonische Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980.

Auch in Deutschland gab es Debatten um die Nutzung von Toiletten und Umkleideräumen. Nach der Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister muss trans Personen der Zugang zu den jeweilig geschlechtsspezifischen Einrichtungen gewährt werden, zusätzlich sollten auch Toilettenräume ohne Geschlechtsvorbehalt zur Verfügung stehen. Das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bietet hier rechtlichen Schutz vor Diskriminierung.

Menschenrechtsorganisationen warnen vor Segregation

TransActual-Mitglied Philippa East erklärte: „Dies zeigt die Stärke der Gefühle zu diesem Thema und wie viele Menschen von Richtlinien der Ausgrenzung, Segregation und Geschlechtspolizei negativ betroffen sein werden." Die Kampagne fordert die Regierung auf, Leitlinien zu entwickeln, die aufzeigen, wie trans Menschen in Unternehmen, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft inkludiert werden können – statt sie auszuschließen.

Dutzende Labour-Hinterbänkler haben ihre Opposition gegen jegliche trans-ausschließende Gesetze signalisiert, die aus der EHRC-Leitlinie resultieren könnten. In einem Brief an The Guardian im Oktober teilten sie mit, dass sie von einer Reihe von Unternehmen und Einzelpersonen kontaktiert wurden, die besorgt über die Leitlinie und ihre Auswirkungen waren.

Was wir aus der UK-Debatte lernen können

Die Entwicklungen in Großbritannien zeigen, wie schnell hart erkämpfte Rechte wieder gefährdet werden können. Für Deutschland, das gerade erst mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen progressiven Schritt gemacht hat, ist dies eine wichtige Mahnung: Rechte müssen nicht nur erkämpft, sondern auch kontinuierlich verteidigt werden.

Die breite Koalition aus LGBTQ+-Organisationen, Unternehmen und Parlamentariern in Großbritannien demonstriert, dass der Schutz von trans Rechten kein Nischenthema ist, sondern eine Frage grundlegender Menschenrechte und gesellschaftlicher Teilhabe. „Wir hoffen, die Regierung wird zuhören, sie hat die Macht, dies zu stoppen und muss handeln, um die fundamentalen Rechte von trans Menschen und ihre Fähigkeit, ihr alltägliches Leben zu leben, zu schützen."

Mit über 7.000 Briefen an Abgeordnete zeigt sich in Großbritannien ein beeindruckender Zusammenhalt – ein Signal, das auch in Deutschland gehört werden sollte, während die Debatte über Inklusion und Sicherheit in öffentlichen Räumen weitergeht.


Apple entfernt queere Dating-Apps in China: Wenn Profitgier über Menschenrechte siegt

Der Tech-Gigant Apple hat auf Anweisung der chinesischen Regierung die beiden größten queeren Dating-Apps Blued und Finka aus dem chinesischen App Store entfernt. Die Entscheidung erfolgte nach einer Anordnung der Cyberspace Administration of China, der wichtigsten Internet-Regulierungs- und Zensurstelle des Landes. Die ursprüngliche Meldung stammt von PinkNews.

Ein schwerer Schlag für Chinas LGBTQ+-Community

Blued und Finka waren die beiden größten Dating-Apps für queere Menschen in China. BlueCity, die Muttergesellschaft von Blued, ging 2020 an die Börse und hatte damals über 49 Millionen registrierte Nutzer und mehr als 6 Millionen monatlich aktive Nutzer. Die Apps waren für viele queere Menschen in China eine der wenigen verbliebenen Plattformen, um sich zu vernetzen und Partner zu finden.

Im Juli hatte Blued bereits die Neuregistrierung von Nutzern gestoppt, was dazu führte, dass verzweifelte Nutzer bis zu 20 Dollar für gebrauchte Blued-Accounts auf E-Commerce-Websites zahlten. Dies war ein erstes Warnsignal für die zunehmende Repression.

Apples Standard-Antwort: "Wir folgen lokalen Gesetzen"

Apple reagierte auf die Kritik mit der üblichen Begründung: "Wir folgen den Gesetzen in den Ländern, in denen wir tätig sind. Basierend auf einer Anordnung der Cyberspace Administration of China haben wir diese beiden Apps nur aus dem chinesischen Storefront entfernt". Diese Rechtfertigung ist nicht neu – sie ist Apples Standard-Argumentation für Zensurmaßnahmen in autoritären Staaten.

Doch diese Entscheidung reiht sich in eine lange Liste fragwürdiger App-Entfernungen ein. Die internationale LGBTQ+-Dating-App Grindr wurde bereits 2022 aus Apples chinesischem App Store entfernt. Insgesamt werden die meisten internationalen LGBTQ+-Dating-Apps in China blockiert.

Die verschärfte Situation für queere Menschen in China

China hat Homosexualität zwar in den 1990er Jahren entkriminalisiert, erkennt aber keine gleichgeschlechtlichen Ehen an. In den letzten Jahren ist Chinas LGBTQ+-Community zunehmend unter Druck geraten, da die Kommunistische Partei Chinas ihre Kontrolle über die Zivilgesellschaft und freie Meinungsäußerung verschärft. Mehrere prominente Menschenrechtsorganisationen für queere Menschen in China wurden geschlossen, und Social-Media-Unternehmen zensieren nun häufig LGBTQ+-Inhalte und -Konten.

Seit 2015 gelten neue Richtlinien, die ein Verbot vorsehen, LGBTQ+-Beziehungen im Fernsehen zu zeigen. In den Vorschriften heißt es: "Keine Fernsehserie darf abnormale sexuelle Beziehungen und Verhaltensweisen zeigen, wie etwa Inzest, gleichgeschlechtliche Beziehungen, sexuelle Perversion, sexuelle Übergriffe, sexuellen Missbrauch, sexuelle Gewalt und so weiter".

Deutsche Parallelen: Wenn Tech-Konzerne zu Zensoren werden

Für deutsche Leserinnen und Leser mag die Situation in China weit entfernt erscheinen, doch auch hierzulande gibt es besorgniserregende Entwicklungen. Bürgerrechtler kritisieren, dass Apples Bekenntnis zu Menschenrechten nur "leere Worte" seien, da der Konzern seine im Jahr 2020 veröffentlichte Human Rights Policy nicht konsequent umsetze.

Besonders problematisch: Apple präsentiert sich als eines der LGBTQ+-freundlichsten Unternehmen und setzt sich angeblich unbeirrt für LGBTQ+-Gleichstellung ein. Das Unternehmen verfügt über Antidiskriminierungsrichtlinien, beteiligt sich an den jährlichen Feiern zum Pride Month und setzt seine Lobbymacht ein, um gegen diskriminierende Gesetze zu kämpfen. Außerdem unterstützt Apple LGBTQ+-Organisationen regelmäßig mit großzügigen Spenden. Diese Doppelmoral – Pride-Marketing im Westen, Zensur im Osten – wird zunehmend kritisiert.

Der hohe Preis des China-Geschäfts

Apple muss lokalen Gesetzen folgen oder mit Konsequenzen rechnen, was besonders dramatisch sein könnte, da China nach wie vor der wichtigste Produktionsstandort des Unternehmens sowie ein extrem großer Markt für seine Produkte ist. Doch dieser wirtschaftliche Druck entbindet Apple nicht von seiner Verantwortung für Menschenrechte.

Es ist nie ein gutes Bild für das Unternehmen, wenn es gezwungen wird, gegen seine eigenen Werte zu handeln. Der Kontrast ist besonders krass, da CEO Tim Cook die Entscheidung getroffen hat, seine Privatsphäre zu opfern und sich als schwul zu outen, weil er darin einen moralischen Imperativ sah, Menschen zu helfen, auf ihrer Gleichberechtigung zu bestehen.

Was bedeutet das für die Zukunft?

In der Vergangenheit konnten einige chinesische Apps nach vom Cyberspace Administration of China geforderten Änderungen in die App-Stores zurückkehren. Es bleibt abzuwarten, ob die Entfernung von Blued und Finka in China dauerhaft sein wird.

Für die LGBTQ+-Community in China bedeutet diese Entwicklung jedoch eine weitere Einschränkung ihrer ohnehin begrenzten Möglichkeiten. Die Apps funktionieren zwar noch für Nutzer, die sie bereits heruntergeladen haben, doch neue Nutzer haben keinen Zugang mehr. Dies trifft besonders junge queere Menschen, die gerade dabei sind, ihre Identität zu entdecken und Anschluss zu suchen.

Die Entscheidung Apples zeigt einmal mehr, dass wirtschaftliche Interessen oft über Menschenrechte und die Unterstützung marginalisierter Communities gestellt werden – trotz aller Pride-Kampagnen und Regenbogen-Logos. Für die queere Community in China ist dies ein weiterer Rückschlag in einem zunehmend repressiven Umfeld.


Wegweiser für Städte: Neuer Leitfaden zeigt, wie Kommunalpolitik queerer werden kann

Das Queere Netzwerk NRW ist ein landesweiter Fachverband für Organisationen der LSBTIAQ+ Communities und hat nun einen praxisnahen Werkzeugkasten für Städte und Gemeinden veröffentlicht. Die neue Broschüre "Queere Kommunalpolitik – Ein Leitfaden für Städte und Gemeinden in NRW" soll Kommunen dabei unterstützen, queere Bürger*innen besser zu fördern und zu schützen.

17 Handlungsfelder für mehr Vielfalt vor Ort

Die Broschüre liefert praxisnahe Anregungen in 17 Handlungsbereichen von Schutzräumen über Familie bis hin zu Sport und Kultur für eine queerfreundliche Kommunalpolitik. Städte und Gemeinden können die vorgeschlagenen Maßnahmen entweder einzeln umsetzen oder als Grundlage für einen umfassenden kommunalen Aktionsplan nutzen. Das Ziel ist klar: Vielfalt sichtbar machen und die Sicherheit queerer Menschen im Alltag stärken.

"Ob queere Menschen im Alltag gleichberechtigt und angstfrei leben können, entscheidest sich direkt vor Ort", betont Heike Kivelitz vom Vorstand des Queeren Netzwerks NRW. In den Kommunen zeige sich, ob Politik den Mut habe, für Akzeptanz einzutreten und queeres Leben sichtbar zu machen.

Warum Kommunalpolitik so wichtig ist

Was vor Ort beschlossen wird, hat direkten Einfluss auf das alltägliche Leben von LSBTIQ*. Von der Gestaltung öffentlicher Räume über Angebote in Jugendeinrichtungen bis hin zu Unterstützung für Regenbogenfamilien – kommunale Entscheidungen prägen den Alltag queerer Menschen maßgeblich. Das Queere Netzwerk NRW veranstaltet als Plattform für Akteure auf kommunalpolitischer Ebene die StadtLandQueer, den LSBTIAQ* Städtetag für NRW, bei dem die LSBTIQ* Selbstorganisation mit ihren Ansprechpersonen aus Räten und Verwaltungen sowie Vertreter*innen der Landespolitik und -verwaltung zusammenkommt.

Gerade in Zeiten, in denen antidemokratische Kräfte bei Wahlen erstarken, ist es umso wichtiger, klare Zeichen für Vielfalt, Gleichberechtigung und Menschenrechte zu setzen. Die Broschüre erscheint daher zu einem strategisch wichtigen Zeitpunkt – im September 2025 finden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt.

Von Schutzräumen bis Sportpolitik

Die 17 Handlungsfelder des Leitfadens decken ein breites Spektrum ab. Sie reichen von Empowerment- und Schutzräumen bis zur besseren Repräsentation von Queers of Color in bestehenden Strukturen. Auch Themen wie Familie, Sport und Kultur werden behandelt – Bereiche, in denen Kommunen konkret aktiv werden können.

Ähnliche Initiativen gibt es auch auf Bundesebene: Die Bundesregierung hat mit dem Aktionsplan „Queer leben" erstmalig eine ressortübergreifende Strategie auf Bundesebene für die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt beschlossen, der zahlreiche Maßnahmen in sechs Handlungsfeldern enthält. Der NRW-Leitfaden übersetzt solche übergeordneten Ziele nun in konkrete kommunale Handlungsempfehlungen.

Beispiele aus anderen Städten

Dass queerfreundliche Kommunalpolitik wirkt, zeigt sich bereits in verschiedenen deutschen Städten. Köln ist die queere Hochburg in Deutschland, der jährliche Christopher Street Day zieht verlässlich mehr als 950.000 Menschen in die nordrhein-westfälische Domstadt, und laut einer von der Stadt beauftragten Studie aus dem Jahr 2019 identifizieren sich 10,6 Prozent der Kölner*innen als lesbisch, schwul, bisexuell, transgeschlechtlich oder intergeschlechtlich. Doch auch Leipzig hat sich über die Jahre zu einer LGBTQ+-freundlichen Stadt entwickelt, vor allem im alternativen Stadtteil Connewitz, und ist zum Sehnsuchtsort für viele queere Personen im Osten Deutschlands geworden.

Kostenlos bestellbar

Die 32-seitige Broschüre kann ab sofort kostenlos über den Online-Shop des Queeren Netzwerks NRW bestellt oder als PDF heruntergeladen werden. Damit haben Kommunalpolitiker*innen, Verwaltungsmitarbeitende und engagierte Bürger*innen ein praktisches Instrument zur Hand, um ihre Stadt oder Gemeinde queerfreundlicher zu gestalten.

Passend zur bevorstehenden Kommunalwahl im September 2025 hat das Queere Netzwerk NRW zudem eine digitale Broschüre „Queere Impulse zur Kommunalwahl 2025" entwickelt, die Anregungen und Forderungen für eine queerfreundliche Kommunalpolitik bietet und zeigt, wie man mit lokalen Politiker*innen ins Gespräch kommen kann.


Eine Pionierin kehrt zurück – Efrat Tilmas bewegende Geschichte im Arte-Dokumentarfilm

Am 15. November um 22:35 Uhr strahlt Arte die deutsche Erstausstrahlung von "I Am What I Am – Stolz, eine Frau zu sein" aus (Quelle: queer.de). Der lebensbejahende Dokumentarfilm von Udi Nir und Sagi Bornstein erzählt die Geschichte von Efrat Tilma, eine der ersten offen lebenden trans Personen Israels. 2022 wurde sie von der BBC in die Liste der "100 einflussreichsten Frauen des Jahres" gewählt.

Von Verfolgung zur Flucht – Efrat Tilmas Weg ins Exil

In den 1960er Jahren musste Efrat Tilma Israel verlassen, nachdem sie mehrfach vergewaltigt und von der Polizei verfolgt wurde. „Wir wurden von der Polizei verprügelt, wenn wir Frauenkleider getragen haben", erinnert sich Tilma in einem Interview über ihre frühen Jahre in Israel. Die Situation war so bedrohlich, dass ein Polizist ihr drohte, sie zu töten, falls er sie jemals wieder in Frauenkleidung auf den Straßen Tel Avivs sehen würde, wie die Jerusalem Cinematheque berichtet.

Ihre Flucht führte sie nach Europa: Zunächst fand sie Unterschlupf bei Madame Arthur im legendären Carrousel de Paris. Nach einer geschlechtsangleichenden Operation in Casablanca begann sie ein neues Leben in Berlin, wo sie mehr als 35 Jahre im Exil verbrachte. Tilma unterzog sich der Operation zur Geschlechtsanpassung als 20-Jährige bei einem französischen Arzt in Casablanca (Marokko). „In Israel und in Deutschland war das damals noch illegal", erklärt Tilma die historischen Umstände ihrer Zeit.

Parallelen zur deutschen Geschichte

Efrat Tilmas Geschichte spiegelt auch die Situation trans Menschen in Deutschland der 1960er Jahre wider. Transgeschlechtliche wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren weiterhin als Psychotiker angesehen, zwangshospitalisiert und mit der Aversionstherapie und mit Elektroschocktherapie behandelt. Erst nach der Reform des Sexualstrafrechts unter dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt 1973 sei eine Befreiung zu spüren gewesen, so Tilma über die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland.

Die rechtliche Situation blieb jedoch lange Zeit prekär. In Deutschland änderte sich die Situation erst nach und nach, zuerst in skandinavischen Ländern wie Schweden, 1981 in Deutschland mit dem sogenannten Transsexuellengesetz. Dieses veraltete Gesetz wurde erst 2024 durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt, das am 1. November 2024 in Kraft trat.

Rückkehr und erneuter Kampf

Nach mehr als 35 Jahren im Exil kehrte Efrat Tilma nach Israel zurück, entschlossen, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Dort fand sie ein verändertes und offenes Land vor und schrieb als erste ehrenamtliche trans Mitarbeiterin bei der israelischen Polizei Geschichte. Tilma hat Vorträge bei der Polizei über die Arbeit mit der trans Community gehalten, wofür sie im Mai 2017 mit einer Bezirksmedaille vom Tel Aviv-Distrikt der israelischen Polizei ausgezeichnet wurde; bei der Zeremonie gab es auch eine offizielle Entschuldigung der Polizei für ihren Umgang mit trans Menschen.

Doch die politische Rechtswende unter der Regierung Netanjahu brachte alte Ängste zurück. Als Israel mit dem Amtsantritt der Regierung Netanjahu nach rechts rückt, kehren die dunklen Schatten der Vergangenheit zurück. Neben politischer Diskriminierung nimmt die Gewalt gegen die LGBTQIA+-Community massiv zu, so wie in vielen anderen Ländern weltweit. Diesmal flieht Efrat Tilma nicht, sondern wird zur mutigen Vorkämpferin gegen den gesellschaftlichen Rückschritt.

Aktuelle Herausforderungen auch in Deutschland

Auch in Deutschland bleibt die Situation für trans Menschen herausfordernd. Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender (LGBT) Aktivist*innen warnen vor einem Anstieg der Anti-LGBT-Gewalt in Deutschland. Der Bundesinnenminister teilte im Juni 2023 mit, dass die Polizei im vergangenen Jahr über 1.400 Hassverbrechen gegen LGBT-Menschen registriert hatte. Laut einer Studie berichteten zwei Drittel der befragten trans* Personen (66 Prozent), innerhalb der letzten fünf Jahre von transfeindlicher Gewalt betroffen gewesen zu sein. Nahezu die Hälfte der Befragten (48 Prozent) erlebte sogar im letzten Jahr vor der Befragung Übergriffe. Und laut Bundeskriminalamt (BKA) hat die Hasskriminalität in Bezug auf „geschlechtsbezogene Diversität" stark zugenommen.

Dennoch gibt es Hoffnung: Der deutsche Bundestag hat am 12. April 2024 ein wegweisendes Gesetz verabschiedet, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren an ihre Geschlechtsidentität anzupassen. Das Gesetz trat im August 2024 in Kraft.

Ausgezeichneter Dokumentarfilm

Der Dokumentarfilm von Udi Nir und Sagi Bornstein wurde mit dem Weil Bloch Award als „Bester Film" ausgezeichnet und ist für den Israeli Documentary Film Award nominiert. Die Regisseure, die bereits mehrfach preisgekrönt wurden, haben mit ihrem Film ein bewegendes Porträt einer außergewöhnlichen Frau geschaffen, deren Leben die Geschichte der trans Bewegung in Israel und darüber hinaus widerspiegelt.

Der Film ist nach der Erstausstrahlung am 15. November um 22:35 Uhr auch in der Arte-Mediathek verfügbar und bietet eine wichtige Gelegenheit, mehr über die Kämpfe und Erfolge einer Pionierin zu erfahren, die nie aufgegeben hat – weder in den dunklen Zeiten der Verfolgung noch angesichts neuer Bedrohungen.


Wenn Liebe zum Politikum wird: Pfarrerin nach polyamorer Segnung massiv bedroht

Eine symbolische Segnung wird zum Sturm der Entrüstung: Die evangelische Pfarrerin Lena Müller aus Berlin wurde in den vergangenen Tagen in sozialen Netzwerken massiv angefeindet, nachdem sie im Sommer bei einem Pop-up-Hochzeitsfestival eine Polyhochzeit mit vier Männern durchgeführt hatte. Die ursprüngliche Meldung bei queer.de zeigt das ganze Ausmaß einer Debatte, die tief in das Spannungsfeld zwischen kirchlicher Tradition, queerer Vielfalt und gesellschaftlicher Akzeptanz hineinreicht.

Eine Segnung wird zur Schlagzeile

Die Berliner Pfarrerin für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen segnete bei einem Hochzeitsfestival im Sommer vor der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche vier Männer, die sich in einer polyamoren Beziehung befanden. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" erklärte die auf Instagram als "Feministin und Pfarrerin" auftretende Theologin, dass man sofort sehen konnte, dass "ganz viel Liebe zwischen ihnen war". Die 33-jährige Geistliche teilte die Zeremonie auf Instagram mit den Worten: "Vier junge Männer haben zueinander ja gesagt, mit uns die Liebe gefeiert und sich unter G*ttes bunten Segen gestellt".

Was zunächst als spontaner Akt der Nächstenliebe gedacht war, entwickelte sich zu einem medialen Skandal. Zwar veröffentlichte die Geistliche der queerfreundlichen Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) bereits im Sommer auf Instagram ein Foto der Hochzeit, allerdings hat das Event erst jetzt die Medien erreicht – und in rechten Kreisen ist man freilich entsetzt.

Zwischen Distanzierung und Solidarität

Die Reaktion der Kirchenleitung fiel zwiegespalten aus. Landesbischof Christian Stäblein distanzierte sich deutlich von dem Vorgang und betonte: "Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz traut nur Paare, die standesamtlich verheiratet wurden". Pröpstin Christina-Maria Bammel unterstreicht: "Evangelische Trauungen segnen die Ehe zweier liebender Menschen".

Gleichzeitig stellte sich die Kirche aber auch schützend vor ihre Mitarbeiterin. In einer Stellungnahme in sozialen Medien hieß es: "Wir sind entsetzt über den Hass, der ihr entgegenschlägt. Wir stehen an ihrer Seite und verurteilen diese Angriffe aufs Schärfste." Eine bemerkenswerte Solidaritätsbekundung in Zeiten, in denen die Gewalt im digitalen Raum stark angestiegen ist und 61,7 Prozent der Befragten trans Personen auf sozialen Medien Angriffe erlebt haben.

Polyamorie und Kirche: Ein Tabu bricht auf

Die Debatte wirft grundsätzliche Fragen auf: Wo endet kirchliche Segnung, wo beginnt politischer Aktivismus? Polyamore Menschen sind Teil unserer Kirche. Manche leben polyamor im Versteck, andere kämpfen offen für Akzeptanz und Gleichbehandlung in Kirche, Theologie und Gesellschaft. Der Verein "NepoMuK – Netzwerk polyamore Menschen und Kirche" setzt sich seit 2019 dafür ein, dass polyamor lebende Christ*innen miteinander verbunden und sichtbar gemacht werden.

Mehrfachehen sind fast überall auf der Welt verboten; Polyleben ist in Deutschland nicht verboten, gefördert wird es aber auch nicht. Und es gibt keinen eigenen Diskriminierungsschutz für Menschen, die poly leben. Diese rechtliche Grauzone macht die Situation für Betroffene besonders schwierig. Der Vorgang bei dem Hochzeitsfestival war so spontan, dass die Pfarrerin heute nach eigenen Angaben nicht einmal die Namen der Menschen kennt, die sie dort gesegnet hat – was die kirchenrechtliche Diskussion zusätzlich verkompliziert.

Der deutsche Kontext: Queere Kirche zwischen Fortschritt und Widerstand

Der Fall reiht sich ein in eine längere deutsche Debatte um queere Akzeptanz in der Kirche. Jede evangelische Landeskirche regelt die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare für sich selbst. In den meisten Landeskirchen sind gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Paare komplett gleichgestellt. Die bayerische evangelische Landeskirche hat bei ihrer Frühjahrstagung am 3. April 2025 in Augsburg die "Trauung für alle" beschlossen. Ab sofort wird bei kirchlichen Eheschließungen in der bayerischen Landeskirche nicht mehr bei der sexuellen Orientierung unterschieden.

Ein historischer Meilenstein war das Schuldbekenntnis der Synode der EKHN 2022 gegenüber queeren Menschen, in dem die Kirche Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle um Verzeihung für in der Vergangenheit erlittenes Leid und Zurücksetzung bittet. Doch der Weg zu voller Akzeptanz ist noch lang: Während in Berlin die Polyhochzeit kein Problem war, dürfen im erzkonservativen Württemberg gleichgeschlechtliche Paare wegen ihrer sexuellen Orientierung bis heute nicht getraut werden.

Hasskommentare und die Macht der sozialen Medien

Das Ausmaß der Anfeindungen gegen Pfarrerin Müller ist erschreckend, aber nicht überraschend. Auf Social Media habe es Kommentare gegeben wie "Das hat nichts mit Jesus zu tun" oder "Geisteskrank. Dekadenz im Endstadium". Auch in rechten Medien gab es zuletzt viel Kritik an der Feier. Noch aufgeregter war das rechtsextreme Magazin "Compact". In einen vor Queerfeindlichkeit triefenden Beitrag zeigt der Autor, dass er weniger die Polyamorie als Problem ansieht als die Tatsache, dass sich hier vier gleichgeschlechtliche Personen ein Ja-Wort gegeben haben.

Diese Entwicklung fügt sich ein in einen besorgniserregenden Trend. Durch die gesellschaftlich zunehmende Rhetorik gegen Personen aus dem LGBTQ-Spektrum sehen sich neonazistische Jugendgruppen in ihrem Handeln ermutigt. Laut einer repräsentativen Umfrage verfügt inzwischen jeder Dritte über ein geschlossen transfeindliches Weltbild. Die rechtsextremen Gruppen scheinen diesen politischen Wandel als Erlaubnis zu betrachten, ihren Hass noch offener zu äußern.

Liebe kennt keine Zahlen – oder doch?

Am Ende bleibt die theologische Grundsatzfrage: Kann Liebe falsch sein, wenn sie ehrlich, einvernehmlich und auf gegenseitigem Respekt basiert? Pfarrerin Müller argumentierte gegenüber der NOZ biblisch: "Im Alten Testament begegnen uns immer wieder Männer, die mehrere Frauen haben. Die bürgerliche Kleinfamilie ist dagegen keine biblische Norm, und auch die heterosexuelle Liebesheirat, bei der die Frau genauso viel mitzureden hat wie der Mann, ist eine neuere Entwicklung. Deshalb würde ich sagen: Sich allein auf die biblischen Vorbilder zu berufen, ist nicht zielführend, sondern wir müssen uns heutige Beziehungen ansehen und sie im Sinne der Bibel deuten".

Der Fall zeigt exemplarisch, wie weit Deutschland noch von einer vollständigen Akzeptanz alternativer Beziehungsformen entfernt ist. Während in den letzten Jahren das Interesse an alternativen Beziehungsformen wächst, sind Vorurteile und Stereotype gegenüber nicht-monogamen Beziehungen immer noch verbreitet. Teilweise hängt das auch mit mangelnder Aufklärung und fehlenden Informationen zusammen.

Was bleibt, ist die Erkenntnis: Liebe – in welcher Form auch immer – wird weiterhin ein Politikum bleiben. Und Menschen wie Pfarrerin Lena Müller, die für ihre Überzeugungen einstehen, brauchen nicht nur den Segen der Kirche, sondern auch den Schutz der Gesellschaft vor Hass und Gewalt. Die EKBO hat hier ein wichtiges Zeichen gesetzt – doch der Kampf um Akzeptanz und Sicherheit für alle Formen liebevoller Beziehungen ist noch lange nicht gewonnen.


Ein Zeichen für Vielfalt: Evangelische Kirche will Regenbogenfahne an Gotteshäusern erlauben

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) setzt ein kraftvolles Signal für die queere Community: Auf der seit Sonntag in Dresden tagenden Synode liegt ein Vorschlag vor, die alte Flaggenverordnung zu streichen. Die seit 1947 geltende Beflaggungsverordnung erlaubt vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Nationalsozialismus, als sich auch Kirchengemeinden vom Regime instrumentalisieren ließen, nur die Kirchenflagge – violettes Kreuz auf weißem Grund – an Kirchengebäuden. Doch diese historische Regelung soll nun fallen – ein Schritt, der weitreichende Bedeutung für LGBTQ+-Personen in Deutschland hat.

Regenbogenfahnen gehören längst zum Kirchenbild

Die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, erklärte, die Verordnung werde längst nicht mehr in der Form praktiziert. Als Beispiel nannte sie das Hissen der Regenbogenfahne an Kirchengebäuden. Tatsächlich wehen in den letzten Jahren zunehmend Regenbogenfahnen an evangelischen Kirchen – als Zeichen der Solidarität während des Christopher Street Day oder im Pride-Monat. Sie sind das Zeichen der Solidarität mit Menschen ganz unterschiedlicher sexueller Orientierung und Identität.

Die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs bezeichnete die Regenbogenfahne als Symbol der Vielfalt, das dem "kirchlichen Selbstverständnis" entspreche. Die Regenbogenfahne repräsentiert als Zeichen für Vielfalt und Toleranz einen großen Teil der queeren Community. Damit macht die evangelische Kirche deutlich: LGBTQ+-Menschen sind willkommen und gehören zur Gemeinschaft.

Keine Deutschlandfahne – Trennung von Kirche und Staat bleibt

Während die Regenbogenfahne künftig offiziell erlaubt sein könnte, bleibt die Deutschlandfahne an Kirchen tabu. Anna-Nicole Heinrich betonte, eine Vereinnahmung für staatliche Zwecke sei weiter nicht vereinbar mit dem kirchlichen Selbstverständnis, eine Deutschlandflagge an einer Kirche sei damit auch ohne Flaggenverordnung nicht statthaft, weil dies gegen die Trennung von Kirche und Staat verstoßen würde. Diese klare Grenze zeigt: Die Kirche will politische Vereinnahmung vermeiden, setzt aber zugleich ein humanitäres Zeichen für Menschenrechte.

Kritik und Forderung nach neuer Regelung

Nicht alle sehen die vollständige Abschaffung der Verordnung positiv. Der Synodale Michael Germann sprach sich gegen die ersatzlose Streichung der alten Verordnung aus und sagte, in einer Zeit, in der Streit um Symbole eine neue Aktualität habe, bestehe die Gefahr, "dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird". Er beantragte eine bundesweit für die evangelische Kirche geltende neue Regelung für angemessene Beflaggung, um regional unterschiedliche Regeln zu verhindern.

Diese Bedenken sind nicht unbegründet: Es gehört inzwischen zum guten Ton, dass Kirchen zum Pride Month oder Christopher Street Day (CSD) eine Regenbogenfahne hissen, und die Kirche mischt seit einigen Jahren mit. Doch wie eine Analyse zeigt, braucht es Mut: Eine Fahne hissen macht Eindruck, sie ändert nicht die Welt, ist aber ein starkes Zeichen, selbstverständlich muss sich die Gemeinde darüber bewusst sein, dass das auch für Gegenwind sorgen kann und sich möglichen Diskussionen stellen.

Klare Kante gegen Rechtsextremismus

Die Synode in Dresden steht auch im Zeichen des politischen Bekenntnisses. EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs erklärte, man sehe sich mit der AfD einer Partei gegenüber, die die Würde bestimmter menschlicher Gruppen längst schon für antastbar erkläre und sich damit außerhalb der Grundlagen des Grundgesetzes stelle. Die Partei falle im Bundestag "durch Pöbeleien und Abwertungen" auf.

Der AfD dürfe keine Unterstützung gewährt werden, betonte Fehrs bei einer Pressekonferenz: "Im Gegenteil: Dass diese Partei Widerstand braucht, ist, glaube ich, eindeutig", sagte die Hamburger Bischöfin. Diese klaren Worte richten sich nicht nur gegen rechtsextreme Politik, sondern schützen auch queere Menschen, die besonders von der menschenfeindlichen Rhetorik der AfD betroffen sind.

Ein Signal mit Geschichte

Die geplante Aufhebung der Beflaggungsverordnung hat tiefe historische Wurzeln. Am 18. November 1947 erließ der Rat der EKD eine Flaggenverordnung, die festhielt, dass kirchliche Gebäude, wenn überhaupt, ausschließlich mit der Kirchenfahne zu beflaggen seien, diese Verordnung gilt bis heute. Sie sollte verhindern, dass Kirchen jemals wieder für politische Propaganda missbraucht werden – eine Lehre aus der Nazi-Zeit, als viele evangelische Kirchengemeinden mit Hakenkreuzfahnen beflaggt wurden.

Heute, fast 80 Jahre später, zeigt sich: Die Kirche hat aus ihrer Geschichte gelernt. Statt sich politisch vereinnahmen zu lassen, setzt sie ein Zeichen für Menschenwürde und Vielfalt. Die Synode tagt bis Mittwoch in Dresden und stimmt erst dann abschließend über die Beflaggungsregeln ab. Die Entscheidung könnte wegweisend sein – nicht nur für die evangelische Kirche, sondern als Signal, dass religiöse Institutionen an der Seite marginalisierter Gemeinschaften stehen.

Für queere Menschen in Deutschland, die oft noch um Akzeptanz kämpfen müssen, ist diese Entwicklung von enormer Bedeutung. Wenn Regenbogenfahnen offiziell an Kirchtürmen wehen dürfen, sendet das eine kraftvolle Botschaft: Ihr seid gesehen, ihr seid gewollt, ihr gehört dazu – auch in den Räumen des Glaubens.


Mehrheit der Amerikaner*innen unterstützt gleichgeschlechtliche Ehe – doch Supreme Court erwägt Rückschritt

Eine aktuelle Studie zeigt, dass 65,8 Prozent der Amerikaner*innen die gleichgeschlechtliche Ehe unterstützen, während der Oberste Gerichtshof der USA über einen Fall berät, der die Ehe-Gleichstellung grundlegend bedrohen könnte. Der Supreme Court wird am 7. November über den Fall der ehemaligen Kentucky-Standesbeamtin Kim Davis entscheiden, die sich geweigert hatte, einem schwulen Paar eine Heiratslizenz auszustellen, und dafür für sechs Tage inhaftiert wurde. Die besorgniserregende Entwicklung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem neun US-Bundesstaaten 2025 bereits Gesetze eingebracht haben, die neue Ehelizenzen für LGBTQ+-Paare blockieren oder den Supreme Court auffordern, die Obergefell-Entscheidung zurückzunehmen – ein Szenario, das auch in Deutschland zum Nachdenken anregt.

Parallelen zur deutschen „Ehe für alle"

Die Situation in den USA wirft ein Schlaglicht auf die Fragilität hart erkämpfter Rechte. Auch Deutschland kennt diese Diskussion: Seit dem 1. Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland heiraten. Der Weg dorthin war lang – bereits 1990 forderte der damalige Schwulenverband in Deutschland (SVD) die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare. Wie in den USA gibt es auch hierzulande politische Kräfte, die diese Errungenschaft wieder rückgängig machen wollen: Die AfD ist die einzige Partei im Bundestag, die die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wieder abschaffen möchte und hat 2018 einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht.

Der deutsche Queerbeauftragte Sven Lehmann von den Grünen warnte kürzlich eindringlich: "Die Ehe für alle sei ein Meilenstein in der Geschichte der Menschenrechte. Seit 2017 seien Tausende gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen worden. Mit diesem Vorstoß sollen diese Paare wieder entrechtet werden". Doch die Mehrheit der demokratischen Parteien steht zur Ehe für alle: Die Eheöffnung wurde 2017 mit einer sehr großen Mehrheit und Stimmen aus allen damals im Parlament vertretenen Parteien verabschiedet. Inzwischen hat auch die Union ihren Frieden mit der Entscheidung gemacht.

Der Fall Kim Davis und die Bedrohung von Obergefell

Im bahnbrechenden Urteil Obergefell v. Hodges von 2015 entschied der Oberste Gerichtshof, dass das Grundrecht auf Ehe gleichgeschlechtlichen Paaren durch die Due Process Clause und die Equal Protection Clause des 14. Verfassungszusatzes garantiert wird und alle 50 Bundesstaaten verpflichtet sind, gleichgeschlechtliche Ehen unter denselben Bedingungen wie verschiedengeschlechtliche Ehen anzuerkennen. Doch die derzeitige konservative Mehrheit am Supreme Court gibt Anlass zur Sorge.

In ihrem Antrag berufen sich Davis' Anwälte wiederholt auf die Worte von Richter Clarence Thomas, der als einziger der neun Richter offen dafür plädiert hat, das Urteil zur gleichgeschlechtlichen Ehe aufzuheben. Mehrere konservative Richter, darunter Amy Coney Barrett und Brett Kavanaugh, haben allerdings öffentlich signalisiert, dass die Rechte auf gleichgeschlechtliche Ehe nicht zurückgenommen werden sollten. Dennoch bleibt die Unsicherheit: Mathew Staver, Gründer und Vorsitzender von Liberty Counsel, der Gruppe, die Davis vertritt, erklärte: "Wenn nicht dieser Fall, dann ein anderer Fall. Meiner Ansicht nach ist es nicht eine Frage des Ob, sondern des Wann, dass Obergefell aufgehoben wird".

Breite Unterstützung in der Bevölkerung – hier und dort

Die von der Human Rights Campaign (HRC) in Auftrag gegebene Studie offenbart interessante Erkenntnisse über die amerikanische Gesellschaft: 36,2 Prozent sagen, sie unterstützen die Aufrechterhaltung der Schutzmaßnahmen nachdrücklich, während nur 34,3 Prozent sich gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aussprechen. Besonders aufschlussreich: Nicht-LGBTQ+-Erwachsene unterstützen die Ehe-Gleichstellung doppelt so häufig, wenn sie eine LGBTQ+-Person kennen. Persönlicher Kontakt baut Vorurteile ab – eine universelle Wahrheit.

Auch in Deutschland zeigt sich eine ähnliche, wenn auch leicht rückläufige Tendenz: 62 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland legal heiraten dürfen sollten – sechs Prozentpunkte weniger als bei der letzten LGBT+-Studie vor zwei Jahren. Dieser Rückgang ist besorgniserregend und spiegelt einen internationalen Trend wider, bei dem auch in Italien, Großbritannien, Kanada und den USA die Akzeptanz sinkt.

Religiöse Ausnahmen: Ein Streitpunkt beiderseits des Atlantiks

Der Kern des Davis-Falls dreht sich um die Frage, ob religiöse Überzeugungen staatliche Beamte von der Pflicht entbinden können, gleichgeschlechtliche Ehen zu vollziehen. Im Oktober 2025 führte Texas neue Regelungen ein, die es Richtern im gesamten Bundesstaat erlauben, Hochzeitszeremonien für gleichgeschlechtliche Paare abzulehnen, wenn dies eine aufrichtig vertretene religiöse Überzeugung verletzen würde. Diese Entwicklung wirft die Frage auf: Wo endet die Religionsfreiheit und wo beginnt die Diskriminierung?

In Deutschland ist die Rechtslage klarer: Wer als gleichgeschlechtliches Paar neben der standesamtlichen Trauung auch die religiöse Trauung wünscht, sollte sich bei der lokalen Glaubensgemeinde informieren. Je nach Religion und Ausübung in der Glaubensgemeinde wird eine Trauung gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht oder verwehrt. Doch staatliche Standesbeamte haben keine Wahl – sie müssen alle Ehen gleichbehandeln. Die Trennung von Kirche und Staat schützt beide: die religiöse Freiheit und die Gleichberechtigung.

Was auf dem Spiel steht

Nach Angaben des Williams Institute gibt es in den USA schätzungsweise 823.000 verheiratete gleichgeschlechtliche Paare, davon 591.000, die nach der Supreme Court-Entscheidung im Juni 2015 geheiratet haben. Sollte Obergefell aufgehoben werden, würde das nicht automatisch bestehende Ehen ungültig machen: Der Respect for Marriage Act von 2022 verpflichtet die Bundesregierung und alle Staaten, legal geschlossene gleichgeschlechtliche und interrassische Ehen anzuerkennen – selbst wenn es zu einer zukünftigen Gesetzesänderung kommt. Dennoch könnten Staaten wieder die Macht erhalten, gleichgeschlechtliche Ehen zu verbieten.

Die Parallele zur Abtreibungsdebatte liegt auf der Hand: Wie nach der Aufhebung von Roe v. Wade würde eine Rücknahme von Obergefell zu einem Flickenteppich von Gesetzen führen, bei dem Rechte davon abhängen, in welchem Bundesstaat man lebt. Für Deutschland ist dies eine Mahnung: Bis Ende 2019 hatten bereits etwa 48.000 gleichgeschlechtliche Paare ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt oder geheiratet. Diese Familien, diese Leben, diese Liebe verdienen dauerhaften Schutz.

Ein Weckruf für die Zivilgesellschaft

Die Entscheidung des Supreme Court wird voraussichtlich am Montag, dem 10. November, bekannt gegeben. Unabhängig vom Ausgang ist eines klar: Rechte sind nie endgültig gesichert, sie müssen kontinuierlich verteidigt werden. Die amerikanische Bürgerrechtlerin Mary Bonauto, die den Obergefell-Fall vor dem Supreme Court vertrat, sagte: "Ich nehme dieses Thema nicht aus den Augen, und meine Organisation auch nicht. Man kann sich niemals wirklich auf seinen Lorbeeren ausruhen, weil andere Kräfte einfach nicht aufgeben".

Für die deutsche LGBTQ+-Community ist diese Entwicklung ein Weckruf: Die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte – von der Abschaffung des §175 im Jahr 1994 über das Lebenspartnerschaftsgesetz 2001 bis zur Ehe für alle 2017 – sind keine Selbstverständlichkeit. Sie müssen gegen populistische und fundamentalistische Strömungen verteidigt werden. Die transatlantische Solidarität zwischen LGBTQ+-Communities ist wichtiger denn je. Was heute in Kentucky passiert, könnte morgen Auswirkungen auf München, Berlin oder Köln haben.

Die Botschaft ist klar: Wachsamkeit, Aktivismus und das unermüdliche Eintreten für Gleichberechtigung bleiben unerlässlich – auf beiden Seiten des Atlantiks.


Gericht stoppt Julian Reichelt: Queerbeauftragter Pantisano erwirkt Verfügung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung

In einem wegweisenden Urteil hat das Landgericht Frankfurt am Main dem rechtspopulistischen Portal "Nius" unter Julian Reichelt mehrfach Niederlagen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen beschert. Nun trifft es den ehemaligen "Bild"-Chefredakteur erneut: Das Landgericht Frankfurt sprach von einer "schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung", nachdem Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano eine einstweilige Verfügung gegen einen diffamierenden X-Beitrag erwirkt hatte. Die Entscheidung (Beschluss vom 2. April 2025, Az. 2-03 O 404/25) zeigt deutlich: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum – auch nicht für reichweitenstarke Journalisten.

Ein manipulatives Posting und seine Folgen

Wie queer.de berichtete, veröffentlichte Reichelt am vergangenen Samstag einen X-Beitrag mit einem Foto von Alfonso Pantisano und einem Text, der suggerierte, der Queerbeauftragte sei wegen Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie verurteilt worden. Erst wer auf "mehr anzeigen" drückte, erfuhr, dass sich die Vorwürfe tatsächlich gegen die Dragqueen Jurassica Parka richteten, die mit Pantisanos Arbeit in Verbindung stand.

Das Gericht sah hierin eine klare Manipulation: "Für einen durchschnittlichen Nutzer sah es so aus, als sei der auf dem Foto abgebildete Pantisano der Mann, der strafrechtlich verurteilt wurde", argumentierte Pantisanos Anwalt Jasper Prigge erfolgreich. Bei Zuwiderhandlungen droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft.

Alfonso Pantisano: Ein starkes Gesicht für queere Rechte

Alfonso Pantisano wurde im Juli 2023 vom Berliner Senat zur Ansprechperson Queeres Berlin für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ernannt. Pantisano ist seit vielen Jahren einer der sichtbarsten und kreativsten Kämpfer Berlins für die Interessen der queeren Communitys. Es gelingt ihm, Brücken zu schlagen und auch bundesweit Aufmerksamkeit und Verständnis für die Belange von queeren Menschen außerhalb der Community zu erreichen.

2013 gründete er die Initiative "Enough is Enough!" mit, die im Laufe der Jahre zur größten deutschsprachigen queeren Graswurzelbewegung wurde. Pantisano erklärte, er wolle die Regenbogenhauptstadt Berlin "als Heimat und Hoffnungsort für zigtausende queere Menschen stärken". Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sei es, queere Menschen vor Gewalt und Ablehnung zu schützen, die sie auch im Jahr 2023 in Berlin täglich im öffentlichen wie auch im privaten Raum erleben.

Die "Methode Reichelt" – ein Muster mit System

Pantisano bezeichnete Reichelts Vorgehen als die "Methode Reichelt": "Die Fakten verdrehen und dann so tun, als sei nichts gewesen. Wer so agiert, betreibt keinen Journalismus, sondern einen Feldzug gegen unsere Demokratie und dagegen wehre ich mich." Auf Instagram schrieb der Queerbeauftragte: "Er wusste, was er tat. Er wusste, welchen Eindruck er damit erweckt, wenn er bewusst Bilder und Worte falsch kombiniert."

Anwalt Prigge stellte klar: "Mit Straftaten in Verbindung gebracht zu werden, mit denen man nichts zu tun hat, muss sich niemand gefallen lassen. Das gilt vor allem, wenn es um Sexualstraftaten geht. Der erweckte Eindruck verletzt das Persönlichkeitsrecht von Herrn Pantisano schwerwiegend."

Eine Serie gerichtlicher Niederlagen für Nius

Die Verfügung gegen Reichelt reiht sich ein in eine bemerkenswerte Serie von Gerichtsentscheidungen gegen das Portal "Nius". Im August 2024 musste Nius an eine trans Frau Schadensersatz in Höhe von 6.000 Euro zahlen, nachdem das Portal sie als "Mann" und "Herr in Damenbekleidung" bezeichnet sowie ihren Namen und Fotos veröffentlicht hatte. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte fest: "Denn mit dieser Bezeichnung wird ihr ihre seit Jahrzehnten nach außen gelebte geschlechtliche Identität abgesprochen, was von ihr nicht hinzunehmen ist".

Im Oktober 2024 verbot das Landgericht München I dem Portal Nius die Verbreitung mehrerer Falschbehauptungen über die Kampagnenorganisation Campact. Im Wesentlichen folgte das Landgericht München I der Argumentation von Campact. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (Mabb) untersucht außerdem, ob und in welchem Umfang Nius gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstößt. Mit dem seit 2020 geltenden Medienstaatsvertrag wurde festgelegt, dass Landesmedienanstalten die journalistischen Inhalte kommerzieller Angebote darauf prüfen dürfen, ob journalistische Mindeststandards eingehalten werden.

Persönlichkeitsrechte im digitalen Zeitalter

Der Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig der Schutz von Persönlichkeitsrechten in sozialen Medien ist. Das Persönlichkeitsrecht schützt vor Belästigung durch Paparazzi, falscher Berichterstattung und tiefgreifenden Eingriffen in die Privatsphäre. Unterschiedliche Sphären wie Intim-, Privat- und Sozialsphäre helfen, die Grenzen zu bestimmen, ab wann ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegt.

Grundsätzlich herrscht auch im Internet Meinungsfreiheit. Diese findet aber ihre Grenze an der Stelle, wo das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen Menschen verletzt wird. In Deutschland haben Betroffene verschiedene rechtliche Mittel zur Verfügung, um sich gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu wehren – von der Abmahnung über die einstweilige Verfügung bis hin zu Schadensersatzforderungen.

Ein Signal für die Community

Für die queere Community in Deutschland ist die gerichtliche Entscheidung ein wichtiges Signal. René_ Rain Hornstein von der TIN-Rechtshilfe sprach von einem "guten Tag für Trans-Rechte in Deutschland": "Trans Frauen haben ein Recht darauf, in ihrer Identität respektiert zu werden und dieses Recht muss auch in der öffentlichen Berichterstattung geachtet werden. Das Gerichtsurteil zeigt deutlich, dass keine trans Person in Deutschland derartig persönlichkeitsverletzende Berichterstattung aushalten muss".

Auch für queere Aktivist*innen und Beauftragte wie Alfonso Pantisano, die sich täglich für die Rechte von LSBTIQ+ Menschen einsetzen, ist die Entscheidung ein Rückhalt. Sie macht deutlich: Wer sich öffentlich für Menschenrechte einsetzt, muss nicht hinnehmen, mit schweren Straftaten in Verbindung gebracht zu werden – auch nicht von reichweitenstarken Portalen wie "Nius".

Inzwischen hat Reichelt eine veränderte Fassung des Postings veröffentlicht, in der zwar weiterhin das Bild Pantisanos zu sehen ist, aber im Text gleich zu Anfang von Mario O. gesprochen wird. Die Entscheidung des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Doch sie sendet eine klare Botschaft: Journalismus hat Grenzen – und diese werden von deutschen Gerichten konsequent verteidigt.


Supreme Court ermöglicht Trumps queerfeindliche Reisepass-Politik: Ein Schlag gegen trans und nichtbinäre Menschen

Der Supreme Court der USA hat am Donnerstag entschieden, dass die Trump-Regierung eine Politik durchsetzen darf, die Geschlechtsangaben auf Reisepässen auf "männlich" und "weiblich" basierend auf dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht beschränkt. Die Entscheidung bedeutet einen weiteren herben Rückschlag für die Rechte von transgender, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen in den Vereinigten Staaten – mit den drei liberalen Richter*innen in der Minderheit. Wie queer.de berichtete, hatte bereits ein Bundesgericht in Boston die Politik als verfassungswidrig eingestuft, doch der Supreme Court kippte diese Entscheidung nun.

Von Biden zu Trump: Der Kampf um den "X"-Marker

US-Reisepässe trugen erstmals 1976 Geschlechtsangaben, doch das Außenministerium erlaubte bereits 1992 Bürger*innen, einen vom Geburtsgeschlecht abweichenden Marker zu wählen, wenn sie bestimmte medizinische Dokumentation vorlegten. 2021 führte die Biden-Administration die Möglichkeit ein, "X" als Geschlechtsangabe in Pässen zu wählen – eine besonders wichtige Option für intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen. Präsident Donald Trump kündigte am ersten Tag seiner Amtszeit, dem 20. Januar, die Rücknahme der Biden-Regelung an und erklärte, dass Pässe das Geschlecht bei der Geburt widerspiegeln müssen. Die neue Politik verlangt, dass Reisepässe das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht zeigen und entfernte die Option, einen "X"-Geschlechtsmarker zu wählen.

"Historische Tatsache" statt Menschenrechte

In seiner nicht unterzeichneten Entscheidung argumentierte das Gericht mit konservativer Mehrheit: "Die Anzeige des Geschlechts bei der Geburt auf Pässen verstößt nicht mehr gegen Gleichschutzprinzipien als die Anzeige des Geburtslandes – in beiden Fällen bezeugt die Regierung lediglich eine historische Tatsache, ohne jemanden einer unterschiedlichen Behandlung auszusetzen".

Richterin Ketanji Brown Jackson schrieb in ihrer scharfen abweichenden Meinung, dass transgender Amerikaner*innen "gezwungen sind, eine schwierige Wahl zu treffen, die kein anderer Amerikaner treffen muss: geschlechtsinkongruente Pässe zu verwenden und Belästigung und körperliche Übergriffe zu riskieren, oder auf alle Aktivitäten (Reisen, Bankkonto eröffnen, Auto mieten, einen neuen Job beginnen) zu verzichten, die einen Pass erfordern könnten. Der Schaden für diese Personen durch diese Wahl – bevor ihre rechtlichen Anfechtungen überhaupt entschieden wurden – ist spürbar".

Konkrete Folgen: Wenn der Pass zur Gefahr wird

Ashton Orr, ein transgender Mann, der als Hauptkläger auftrat, wurde von Flughafensicherheitspersonal fälschlicherweise beschuldigt, einen gefälschten Pass zu benutzen, als er mit einem Pass reiste, der einen weiblichen Geschlechtsmarker aufwies. Jon Davidson, leitender Anwalt des ACLU LGBTQ & HIV Project, warnte: "Trans Menschen zu zwingen, Pässe zu tragen, die sie gegen ihren Willen outen, erhöht das Risiko, dass sie Belästigung und Gewalt ausgesetzt sind".

Die Entscheidung stellt einen weiteren Sieg für Präsident Trump auf dem Notfall-Docket des Gerichts dar und einen weiteren Rückschlag für LGBTQ-Rechte zu einer Zeit, in der die Richter mehrere Fälle bezüglich staatlicher Gesetze gegen trans Amerikaner*innen prüfen.

Deutschland: Ein Blick über den Atlantik

In Deutschland sieht die Situation deutlich anders aus. Liegt im deutschen Personenstandsregister der Geschlechtseintrag "divers" oder kein Geschlechtseintrag vor, wird im Pass das Geschlecht mit "X" bezeichnet. Am 1. November 2024 trat das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Trans, inter und nicht-binäre Personen können jetzt ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern lassen.

Doch auch in Deutschland gibt es Herausforderungen: Fischer, eine nicht-binäre Person, hat im Reisepass statt einem "M" oder "F" ein "X" für divers stehen. Bei der Einreise in bestimmte Staaten kann das zu Problemen führen – etwa, wenn dort transfeindliche Gesetze gelten oder trans Personen Diskriminierung droht. Daher hat Fischer nun einen zweiten Reisepass samt "F"-Marker erhalten. Doch wem dieser Weg offensteht, liegt im Ermessen der zuständigen Behörden.

Weltweiter Backlash gegen LGBTQIA+-Rechte

Weltweit hat sich die Lage für LGBTQIA+ Personen in den letzten Jahren signifikant verschlechtert. Die USA gehören zu den Ländern, in denen die Ablehnung besonders stark zugenommen hat. Weltweit unterstützen weniger als die Hälfte der Befragten (47 Prozent) offen zu ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität stehende LGBTQ-Personen – das sind 8 Prozentpunkte weniger als 2021. In den USA ist dieser Wert im gleichen Zeitraum um 13 Prozentpunkte zurückgegangen und liegt aktuell bei 43 Prozent.

In Deutschland herrscht nach wie vor breiter Konsens darüber, dass sexuelle Minderheiten gleiche Rechte haben sollten und vor Benachteiligungen geschützt werden müssen. Im Gegensatz zu den meisten anderen befragten Ländern hat sich in Deutschland die Unterstützung für die Rechte von LGBTQIA+ in den letzten Jahren nicht signifikant verschlechtert. Eine "dritte Option" in offiziellen Dokumenten wie Reisepässen für Personen, die sich weder als weiblich noch als männlich identifizieren, wird von der Hälfte (52 Prozent) der Deutschen befürwortet.

Ein Kampf, der weitergeht

Die Entscheidung ist nicht das letzte Wort in den rechtlichen Fällen, sondern nur eine kurzfristige Bestimmung darüber, was passieren wird, während diese Fälle weiter verhandelt werden. Jon Davidson von der ACLU erklärte: "Dies ist ein herzzerreißender Rückschlag für die Freiheit aller Menschen, sie selbst zu sein, und Öl ins Feuer, das die Trump-Regierung gegen transgender Menschen und ihre verfassungsmäßigen Rechte schürt. Trans Menschen zu zwingen, Pässe zu tragen, die sie gegen ihren Willen outen, erhöht das Risiko von Belästigung und Gewalt und erhöht die bereits erheblichen Barrieren, denen sie bei der Suche nach Freiheit, Sicherheit und Akzeptanz gegenüberstehen. Wir werden diese Politik weiter bekämpfen".

Während die USA unter Trump einen dramatischen Rückschritt erleben, zeigt Deutschland, dass progressive Gesetzgebung möglich ist – auch wenn die Umsetzung im internationalen Kontext Herausforderungen mit sich bringt. Die Frage bleibt: Wie lange kann Deutschland seine Position in einer Welt aufrechterhalten, in der queere Rechte zunehmend unter Beschuss geraten?


Die schockierende Wahrheit: Fast 200 christliche Leiter mit LGBTQ+-feindlicher Haltung im Jahr 2025 wegen Kindesmissbrauch beschuldigt

Eine erschütternde neue Dokumentation zeigt die Heuchelei derjenigen auf, die LGBTQ+-Menschen als Bedrohung für Kinder darstellen, während sie selbst Kinder missbrauchen. Laut einem neuen Bericht wurden seit Jahresbeginn 2025 fast 200 christliche Leiter mit LGBTQ+-feindlicher Haltung wegen Kindesmissbrauch beschuldigt. Die Enthüllung wirft ein grelles Licht auf die Doppelmoral konservativer Kreise.

Eine Liste des Grauens: 188 Fälle dokumentiert

Der Journalist Evan Hurst, Chefredakteur der politischen Website Wonkette, führt eine fortlaufende Liste von christlichen und republikanischen Leitern, die wegen Missbrauchs oder Ausbeutung von Kindern gefasst, beschuldigt, verklagt oder verurteilt wurden. Die Zahlen sind erschreckend: Hurst hat bis Ende Oktober 2025 188 christliche und republikanische Leiter identifiziert.

Besonders brisant: Im Vergleich dazu sind ähnliche Vorwürfe gegen Drag Queens oder trans Personen – die von Republikanern typischerweise mit dem "Groomer"-Schimpfwort belegt werden – praktisch nicht existent. Hurst merkt in seinem jüngsten Update an: "Konservative christliche Leiter sind so produktive Groomer und Missbraucher von Kindern, die Nachrichten sind so voll von diesen Geschichten."

Der Fall Joshua Kemper: Heuchelei in Reinform

Ein besonders verstörender Fall illustriert das Ausmaß dieser Heuchelei: Ein christlicher Jugendpastor, der Beiträge teilte, die behaupteten, Kinder seien in der Nähe von LGBTQ+-Menschen nicht sicher, wurde wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verhaftet. Der kalifornische Pastor Joshua David Kemper wurde Anfang der Woche wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit einem 15-jährigen Mädchen verhaftet.

Ermittler behaupten, dass Kemper zwischen März und Juli dieses Jahres eine sexuelle Beziehung mit der Teenagerin hatte. Die Vorfälle sollen in ihrem Zuhause, in seinem Fahrzeug und in der örtlichen Kirche stattgefunden haben. Während dieser Zeit teilte Kemper auf seinem Facebook-Account einen Beitrag, der suggerierte, dass LGBTQ+-Menschen eine Gefahr für Jugendliche darstellen.

Die "Groomer"-Lüge: Eine gefährliche Verschwörungstheorie

Die LGBTQ-Grooming-Verschwörungstheorie ist eine rechtsextreme Verschwörungstheorie und ein LGBTQ-feindliches Klischee, das behauptet, LGBTQ-Menschen und Unterstützer von LGBTQ-Rechten würden Child Grooming betreiben und sexuellen Kindesmissbrauch ermöglichen. Es gibt keine verlässlichen Beweise dafür, dass sexuelle Minderheiten eher Kinder missbrauchen.

Die Verbreitung dieser Rhetorik hat dramatisch zugenommen: Ein Bericht zeigt, dass die durchschnittliche Anzahl von Tweets pro Tag, die Schimpfwörter wie "Groomer" und "Pädophile" in Bezug auf LGBTQ+-Menschen verwenden, im Monat nach der Verabschiedung des Florida-Gesetzes um 406% anstieg. Vor der Übernahme durch Elon Musk gab es durchschnittlich 3.011 Tweets pro Tag, die die Groomer-Erzählung erwähnen. Diese Zahlen stiegen in den vier Monaten nach Musks Übernahme um 119 Prozent auf 6.596.

Deutschland: Parallelen im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche

Die Problematik ist nicht auf die USA beschränkt. Auch in Deutschland kämpft die katholische Kirche seit Jahren mit Missbrauchsskandalen. Die MHG-Studie stellte 2018 fest, dass 3.677 Kinder und Jugendliche seit dem Zweiten Weltkrieg Missbrauchsopfer katholischer Geistlicher geworden sind. 1.670 Priester und Diakone wurden zwischen 1946 und 2014 des sexuellen Missbrauchs beschuldigt.

Eine Studie des Ulmer Kinderpsychiaters Jörg Fegert geht von einer großen Zahl bislang nicht bekannter Missbrauchsfälle im kirchlichen Raum aus. Das Dunkelfeld liegt sowohl für die katholische als auch für die evangelische Kirche in Deutschland bei geschätzten 114.000 Missbrauchsopfern. Diese Zahlen verdeutlichen das erschreckende Ausmaß eines Problems, das lange Zeit systematisch vertuscht wurde.

Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland wurde zu Beginn des Jahres 2010 ein Thema von breitem öffentlichem Interesse. Ein Zeitungsbericht zu Missbrauchsfällen am Canisius-Kolleg in Berlin löste eine Welle der Berichterstattung aus.

Die wahre Bedrohung für Kinder

Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Während rechtskonservative Akteure LGBTQ+-Menschen systematisch als Bedrohung für Kinder brandmarken, zeigen die Daten, dass die wahre Gefahr von ganz anderer Seite kommt. Diese rechten Akteure diskutieren niemals die große Anzahl sexueller Übergriffe auf Kinder, die von christlichen Leitern und Kirchen begangen werden, noch arbeiten sie jemals mit Organisationen zusammen, die sich tatsächlich der Beendigung von Kinderhandel und Missbrauch widmen.

Business Insider bemerkte, dass "der starke Rückgang der Unterstützung unter einigen Amerikanern auf ein besonders aggressives Jahr LGBTQ-feindlicher Rhetorik und Politik folgt", einschließlich falscher Vorwürfe des "Groomings". Diese Rhetorik hat reale, gefährliche Konsequenzen für LGBTQ+-Menschen weltweit.

Die Enthüllungen über fast 200 beschuldigte christliche Leiter im Jahr 2025 allein sollten zu einem Umdenken führen. Es ist höchste Zeit, dass die Gesellschaft die wahren Täter zur Rechenschaft zieht – und aufhört, LGBTQ+-Menschen für Verbrechen zu verteufeln, die sie nicht begehen.


Besorgniserregender Anstieg: Transphobie in Deutschland erreicht Höchststand

Die neueste Ausgabe der „Mitte-Studie" der Friedrich-Ebert-Stiftung, veröffentlicht am 6. November 2025, zeichnet ein alarmierendes Bild der deutschen Gesellschaft: Während 2022/23 noch 8 Prozent der Befragten ein rechtsextremes Weltbild teilten, ist dieser Anteil in der aktuellen Studie auf 3,3 Prozent zurückgegangen. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich eine beunruhigende Entwicklung – besonders für trans Menschen in Deutschland. Wie queer.de berichtet, hat die Transphobie einen neuen Höchststand erreicht, während die Homophobie leicht zurückgeht.

Erschreckende Zahlen: 19 Prozent finden trans Menschen "albern"

Die Studie, die 2.000 Menschen repräsentativ befragte, konfrontierte die Teilnehmenden mit zwei spezifischen Aussagen zur Queerfeindlichkeit. Während die These "Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen" von zwölf Prozent bejaht wurde – ein Rückgang von 16 Prozent im Jahr 2023 – zeigt sich bei trans Menschen ein gegenteiliger Trend. Insgesamt 19 Prozent der Befragten halten es für „albern", wenn trans Menschen offen mit ihrer geschlechtlichen Identität umgehen. Vor zwei Jahren waren es noch 17 Prozent, vor vier Jahren lediglich elf Prozent.

Diese Entwicklung ist mehr als ein statistischer Wert – sie spiegelt eine wachsende Feindseligkeit wider, die trans Menschen im Alltag spüren. In Deutschland berichteten 65 Prozent der trans Frauen von Diskriminierung in den letzten 12 Monaten, wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes dokumentiert.

Transphobie als "Brückenideologie" zum Rechtsextremismus

Besonders besorgniserregend: Die Studienautoren warnen, dass Queerfeindlichkeit als „Brückenideologie vermutlich Rechtsextremismus leicht aktivieren" könne. Rechtsextreme nutzen den Hass auf queere Menschen gezielt, um neue Anhänger zu gewinnen. Diese Instrumentalisierung zeigt sich in der politischen Landschaft Deutschlands deutlich. Anti-LGBTI-Rhetorik schießt vor wichtigen Abstimmungen oder Gesetzesreformen in die Höhe, wobei transphobische und LGBTI-feindliche Äußerungen unter Politikern in Europa zunehmen, wie ein Bericht von Euronews zeigt.

Genderverbote: Symbolpolitik mit realen Folgen

Die Mitte-Studie äußert sich auch kritisch zu den sogenannten "Genderverboten", die in mehreren Bundesländern eingeführt wurden. Die Autoren sehen darin eine problematische Normalisierung rechtsextremer Themen in der gesellschaftlichen Mitte. Sie weisen auf den Widerspruch hin, dass Rechtsaußen nach Meinungsfreiheit rufe, aber gleichzeitig "nach Gender- und damit Sprachverboten" verlange.

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gelten Genderzeichen in der Schule als Rechtschreibfehler. In Bayern und Hessen gehen die Verbote noch weiter und betreffen auch Hochschulen – im Gegensatz zu den beiden anderen Bundesländern, die keine so klaren Vorschriften für Hochschulen haben. Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder hat das Gendern in Schulen, Hochschulen und Behörden verboten, wie die NZZ berichtet.

Dramatischer Anstieg queerfeindlicher Gewalt

Die ideologische Ablehnung schlägt sich auch in Gewalttaten nieder. Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten: Im Jahr 2023 wurden insgesamt 17.007 Fälle von Hasskriminalität im Kriminalpolizeilichen Meldedienst erfasst. Das Bundeskriminalamt dokumentiert diese alarmierende Entwicklung in seinem Lagebericht zur Sicherheit von LSBTIQ*.

Besonders dramatisch ist der Anstieg bei Straftaten gegen trans und intergeschlechtliche Menschen. Im Bereich „geschlechtsbezogene Diversität" bedeutet dies einen Anstieg von Vorfällen gegen trans, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen um etwa 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wobei diese Bereiche auch Überschneidungen aufweisen können.

Dunkelziffer weit höher als offizielle Statistik

Experten gehen von einer erheblichen Dunkelziffer aus. Laut der Dunkelfeld-Studie „A long way to go for LGBTI equality" der Europäischen Agentur für Grundrechte aus dem Jahr 2020 zeigten 96 Prozent der LSBTIQ* Hate Speech und 87 Prozent körperliche oder sexuelle Übergriffe nicht an. Die Gründe: Sie hielten das Vergehen für „zu gering/nicht ernst genug" (33 Prozent) oder hatten Angst vor homo- oder transphoben Reaktionen der Polizei (23 Prozent).

Was jetzt getan werden muss

Die Studienautoren fordern ein Umdenken: Statt über Gendersternchen zu streiten, sei es notwendig, sich "über den mangelnden Schutz vor verbaler und körperlicher Gewalt gegen Homosexuelle, Trans*-Menschen und Frauen oder über den Gender Pay Gap aufzuregen". Der schwule SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh betont, dass die Demokratie in einer Vertrauenskrise stecke und man diese "aus der Mitte der Gesellschaft heraus überwinden" müsse.

Die Mitte-Studie macht deutlich: Während sich die Mehrheit der Deutschen weiterhin demokratisch positioniert – fast vier von fünf Befragten bezeichnen sich grundsätzlich als überzeugte Demokraten – gibt es gleichzeitig besorgniserregende Tendenzen. Der Anstieg der Transphobie auf einen Höchstwert ist ein Warnsignal, das die Gesellschaft ernst nehmen muss. Trans Menschen brauchen Schutz, Akzeptanz und Sichtbarkeit – nicht Ablehnung und Gewalt.

Die vollständige Studie steht als PDF auf der Website der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Verfügung.


Zwischen Liebe zur Musik und Komplizenschaft mit Unterdrückung: Der Fall Justus Frantz

Es ist ein Bild, das verstört: Ein 81-jähriger queerer Musiker steht im Moskauer Kreml und nimmt aus den Händen von Wladimir Putin einen Freundschaftsorden entgegen – in einem Land, in dem seit Januar 2024 die "internationale LGBT-Bewegung" als extremistische Organisation eingestuft ist und Beschuldigten bis zu zwölf Jahren Gefängnis drohen. Wie queer.de berichtet, wurde der bekannte deutsche Pianist und Dirigent Justus Frantz am russischen Tag der nationalen Einheit im Kreml ausgezeichnet – eine Entscheidung, die für viele queere Menschen wie ein Schlag ins Gesicht wirkt.

Ein spätes Coming-out – und eine fragwürdige Entscheidung

Justus Frantz bezeichnete sich in der Vergangenheit selbst als "Putin-Versteher" und verteidigte sogar die russische Annexion der Krim als "Wiedergutmachung historischen Unrechts". Erst im vergangenen Jahr, kurz vor seinem 80. Geburtstag, hatte sich Frantz öffentlich geoutet – zunächst in seiner Biografie, später mit der Bekanntgabe seiner Beziehung zu seinem 53 Jahre jüngeren Manager Sebastian Kunzler. Ein mutiger Schritt, sollte man meinen. Doch seine Entscheidung, trotz westlicher Sanktionen nach Russland zu reisen und dort eine Auszeichnung entgegenzunehmen, wirft die Frage auf: Wo endet die Liebe zur Musik, und wo beginnt die Komplizenschaft mit einem unterdrückenden Regime?

"Das ist für mich eine große Ehre, dass ich heute hier sein kann und ich so einen wichtigen Orden habe", sagte Frantz auf Russisch zu Putin und betonte seine lebenslange Liebe zur russischen Musik, insbesondere zu den Werken von Tschaikowsky und Rachmaninow. Diese Worte fallen in einem Land, in dem der Oberste Gerichtshof die internationale LGBTQ+-Community als "extremistische Organisation" einstufte und damit Tür und Tor für die willkürliche Verfolgung und Inhaftierung von LGBTQ+-Personen öffnete.

Die brutale Realität für queere Menschen in Russland

Während Frantz im Kreml gefeiert wurde, leben queere Menschen in Russland in ständiger Angst. Das 2013 verabschiedete "Schwulen-Propaganda-Gesetz" führte Beschränkungen für Rollenmodelle von LGBTQ-Personen unter Minderjährigen ein und bestrafte die Verbreitung von Materialien, die "nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen" darstellen. Das Gesetz wurde 2022 zusätzlich verschärft und gilt nun auch gegenüber Erwachsenen.

Das neue Gesetz verbietet Werbung, Medien- und Online-Inhalte, Bücher, Filme und Theateraufführungen, die "LGBTQ-Propaganda" enthalten – in der Praxis reicht dafür oft die Darstellung eines Regenbogens als LGBTQ-Symbol. Bereits unmittelbar nach Verkündung des Gesetzes kam es zu ersten Razzien an Community-Orten, und es häufen sich Berichte über Erpressungen, Kündigungen, Drohungen und Angriffe, die die Betroffenen nicht anzeigen können.

Menschen könnten aufgrund unbegründeter Extremismusvorwürfe ins Gefängnis kommen, wenn die Behörden sie als Teil der sogenannten "internationalen LGBTI-Bewegung" ansehen. Selbst Symbole wie die Regenbogenflagge könnten als extremistisch verboten werden.

Parallelen in Deutschland: Wenn Exil die einzige Option ist

Die Situation in Russland ist auch für Deutschland relevant. Eine zunehmende Zahl an LGBT-Personen migriert aufgrund der beschriebenen Entwicklungen ins Ausland und auch nach Deutschland, wo sich der Verein Quarteera, ein Zusammenschluss russischsprachiger queerer Menschen, unter anderem für sie einsetzt. Wie queer.de bereits 2022 berichtete, kennt ein Berliner Kunsthistoriker Hunderte Russinnen und Russen, die wie er selbst wegen politischen Drucks oder eines vergifteten Klimas unter Präsident Wladimir Putin nach Deutschland zogen, vor allem nach Berlin.

Ein Fünftel der Russinnen und Russen möchte laut Umfragen im Ausland leben, darunter auch viele Homosexuelle, die es im intoleranten Heimatland nicht mehr aushalten. Diese Menschen fliehen vor genau jenem System, das Justus Frantz nun mit seiner Anwesenheit und seinen lobenden Worten legitimiert.

Ein Signal mit verheerender Wirkung

In Deutschland sorgt Frantz' Auszeichnung für Kopfschütteln. Seine Entscheidung sendet ein verheerendes Signal an queere Menschen in Russland, die täglich um ihre Sicherheit und Freiheit kämpfen. Als stellvertretendes Symbol für den "Westen" und seine Werte wird die LSBTIQ-Community zur Zielscheibe von Politik und Justiz Russlands gemacht. In diesem Kontext wirkt Frantz' Auftritt im Kreml wie ein Verrat an der eigenen Community.

Es stellt sich die Frage: Kann kultureller Austausch jemals unpolitisch sein, wenn er in einem autoritären Regime stattfindet, das systematisch Minderheiten verfolgt? Queere Identitäten in autoritären Systemen sind nie sicher – selbst dann nicht, wenn sie scheinbar akzeptiert werden. Diese historische Lektion scheint Frantz ignoriert zu haben.

Die Verantwortung prominenter queerer Personen

Justus Frantz mag ein großartiger Musiker sein, dessen Liebe zur russischen Kultur tief und authentisch ist. Doch in Zeiten, in denen alle, die sich für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzen und bislang eingesetzt hatten, potenzielle "Extremisten" sind, denen jahrelange Haftstrafen drohen, wiegt die Symbolkraft seiner Entscheidung schwer. Seine Anwesenheit im Kreml und seine dankbaren Worte an Putin verleihen einem Regime Legitimität, das queere Menschen systematisch unterdrückt, verfolgt und zum Schweigen bringt.

Verfolgte und besonders schutzbedürftige LSBTIQ-Personen aus Russland benötigen dringend Aufnahme in Deutschland – gemäß dem Aktionsplan "Queer leben" der Bundesregierung und den Leitlinien für eine feministische Außenpolitik. Während deutsche queere Aktivistinnen und Aktivisten für genau diese Solidarität kämpfen, steht ein prominenter queerer Musiker im Kreml und lässt sich feiern.

Der Fall Justus Frantz zeigt schmerzlich, dass Sichtbarkeit und ein spätes Coming-out allein noch keine politische Verantwortung bedeuten. Wahre Solidarität mit der queeren Community erfordert mehr als nur das eigene Outing – sie erfordert den Mut, nicht mit jenen zu paktieren, die andere queere Menschen verfolgen, einsperren und ihrer grundlegendsten Rechte berauben.


Nach 22 Jahren: Mord aus Schwulenhass vor Gericht in Paderborn

Es ist ein Fall, der die Wunden queerfeindlicher Gewalt in Deutschland schmerzhaft aufzeigt: Seit Mittwoch verhandelt das Landgericht Paderborn über den mutmaßlichen Mord an Tino Werner, einem 29-jährigen schwulen Kellner aus Bad Driburg. Die Tat liegt 22 Jahre zurück – doch durch moderne DNA-Analysen konnte der Fall wieder aufgerollt werden. Der ursprüngliche Bericht stammt von queer.de.

DNA-Reihenanalyse führt zum Durchbruch

Im Herbst 2003 wurde Tino Werner in seiner Kellerwohnung in Bad Driburg ermordet. Der Täter soll aus Hass auf Homosexuelle und akuter Geldnot gehandelt haben. Die Ermittlungsgruppe „Cold Case Ostwestfalen" nahm den Fall nach Jahren wieder auf und bewertete ihn mit modernen kriminaltechnischen Methoden neu. Grundlage für den Durchbruch war eine aktuelle DNA-Reihenuntersuchung, an der über 120 Personen aus dem damaligen Umfeld des Opfers teilnahmen. Unter den ersten zehn Proben wurde das gesuchte DNA-Profil gefunden.

Erst durch eine erneute Analyse des Spurenmaterials mit aktuellen forensischen Methoden sei ein klareres DNA-Profil erstellt worden. Die Auswertung übernahm ein privates Institut für forensische Molekulargenetik aus Emsdetten. Im Mai 2025 wurde der heute 57-jährige Tatverdächtige an seinem Arbeitsplatz im Bergischen Land festgenommen.

Gewalt aus Hass: Ein gesellschaftliches Problem

Der Fall ist kein Einzelfall. Im Jahr 2023 richteten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ* Personen. Die Zahl der Straftaten im Bereich „Sexuelle Orientierung" und „Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht. Die aktuellsten Zahlen für 2024 zeigen eine weitere dramatische Entwicklung: 1.765 Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung (+17,75 %) sowie 1.152 aufgrund geschlechtsbezogener Diversität (+34,89 %) wurden registriert.

Besonders besorgniserregend: Zudem müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, viele Betroffene zeigen Straftaten nicht an. Trotz des Anstiegs der gemeldeten Fälle legen Erhebungen nahe, dass die Dunkelziffer weiterhin hoch ist. Laut der Umfrage der EU-Grundrechteagentur FRA von 2024 meldeten nur zehn Prozent der Polizei einen queerfeindlichen Vorfall.

Cold Cases: Wenn moderne Technik alte Fälle löst

Der Fall Tino Werner zeigt, wie wichtig spezialisierte Cold-Case-Einheiten sind. Als Cold-Case-Ermittlungen werden neue polizeiliche Ermittlungen in einem bisher ungeklärten Kriminalfall bezeichnet. Da Mord oder andere schwere Straftaten in zahlreichen Ländern nicht oder erst nach mehreren Jahrzehnten verjähren und sich die Kriminaltechnik ständig weiterentwickelt, beispielsweise die DNA-Analyse, können ungeklärte Mordfälle mitunter auch nach Jahrzehnten noch aufgeklärt und die Täter verurteilt werden.

In Deutschland gibt es seit 2015/2016 verstärkt Cold-Case-Einheiten in verschiedenen Bundesländern. Die vier Ermittler der Hamburger Cold Case Unit rollen ungelöste Fälle mit neuen Methoden noch einmal auf: So nutzen sie unter anderem neueste Kriminaltechnik wie die DNA-Analyse oder die 3D-Tatortrekonstruktion. Schätzungsweise 3.000 dieser Altfälle existieren deutschlandweit – etwa 1.000 davon allein in Nordrhein-Westfalen.

Die Angehörigen leiden bis heute

Für die Familie von Tino Werner ist der Schmerz auch nach mehr als zwei Jahrzehnten präsent. Sein Neffe Marcel Rehermann erklärte gegenüber Radio Hochstift: "Die Verstorbenen unserer Familie liegen hier alle in Dringenberg auf dem Friedhof. Und so macht man natürlich regelmäßig seine Rundgänge. Und natürlich kommt dann immer die Tat wieder hoch, wenn man an dem Grab steht, ganz klar."

Der Tatverdächtige soll damals in die Kellerwohnung seines Opfers eingedrungen sein, dieses niedergeschlagen und anschließend ein Verreisen des Getöteten vorgetäuscht haben, um die Entdeckung der Tat zu verzögern. Dabei soll er dem Kellner auch dessen Portemonnaie mit etwa 100 bis 150 Euro Bargeld gestohlen haben.

Eine Gesellschaft muss hinschauen

Der Prozess in Paderborn, für den Verhandlungstage bis Mitte Januar angesetzt sind, ist mehr als die Aufarbeitung eines einzelnen Verbrechens. Er zeigt, wie wichtig es ist, queerfeindliche Gewalt konsequent zu verfolgen – auch Jahrzehnte später. Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre. Die Zunahme an queerfeindlichen Straftaten in den vergangenen Jahren ist erschreckend, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Dezember 2024.

Für queere Menschen in Deutschland bleibt die Botschaft zwiespältig: Einerseits zeigt der Fall, dass Mord nicht verjährt und Gerechtigkeit auch nach Jahrzehnten noch möglich ist. Andererseits macht er deutlich, dass queere Menschen in Deutschland jedes Mal darüber nachdenken müssen, ob sie beispielsweise in der Öffentlichkeit Händchen halten oder anders als queer sichtbar sind. Das ist ein deutlicher Einschnitt in die persönliche Freiheit und das Sicherheitsempfinden von Millionen Menschen in diesem Land.

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Tino Werner ist ein wichtiger Schritt – aber er darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass queerfeindliche Gewalt ein aktuelles und wachsendes Problem bleibt, das entschlossenes Handeln erfordert.


„Sie zerstören Kinderleben": Eltern von trans Jugendlichen prangern Pubertätsblocker-Verbot in Großbritannien an

Während in Deutschland das Selbstbestimmungsgesetz seit November 2024 trans Menschen mehr Rechte bei der Änderung ihres Geschlechtseintrags gewährt, kämpfen Familien in Großbritannien gegen ein rigides Verbot, das die Leben ihrer Kinder bedroht. Eltern von Kindern, die geschlechtsangleichende Versorgung bei Hausarztpraxen in East Sussex erhalten, haben das Leben als „grauenhaft" und „unmenschlich" bezeichnet, nachdem Gesundheitsminister Wes Streeting im Dezember 2024 ein unbefristetes Verbot neuer NHS-Verschreibungen von Pubertätsblockern für alle unter 18 Jahren verhängt hatte, wie Pink News berichtet.

Der Fall WellBN: Wenn medizinische Versorgung zur politischen Schachfigur wird

Die WellBN-Hausarztpraxis in Brighton und Hove, wo etwa 26.000 Patient*innen an drei Standorten behandelt werden, wurde vom NHS Sussex Integrated Care Board (ICB) untersucht, weil sie weiterhin Medikamente an trans Jugendliche verschrieb. Die Tragik: Dies geschah, obwohl die Regierungswebsite klarstellt, dass „NHS-Patient*innen, die diese Medikamente bereits wegen Geschlechtsinkongruenz und/oder Geschlechtsdysphorie erhalten, weiterhin Zugang zu ihnen haben können".

Eine Mutter, die nur als „Laura" bekannt ist, beschrieb die Situation ihrer Tochter: Ihre Tochter begann im Alter von 12 Jahren mit Pubertätsblockern und durchlief in den letzten vier Jahren die weibliche Pubertät vollständig, einschließlich Brustwachstum. Sie bezeichnete das Verbot als „erzwungene Detransition" und „unmenschlich". Mit verzweifelten Worten fügte sie hinzu: „Man kann Kinder nicht einfach nach Jahren der Transition von diesen Medikamenten abreißen. Meine Tochter hat nie die männliche Pubertät durchlaufen. Sie wissen, dass dies wahrscheinlich zu Suiziden führen wird. Es ist ihnen egal. Wir haben jahrelang alle Hürden genommen und das getan, was die Regierung von uns verlangte".

Wissenschaftliche Beweise für den Schaden

Eine Studie der University of London, durchgeführt von der trans Wissenschaftlerin Dr. Natacha Kennedy, zeigte, dass die Entscheidung der Regierung, die physisch reversible geschlechtsangleichende Behandlung zu verbieten, „erheblich, umfassend und unerbittlich trans Kinder und Jugendliche schädigt". Die im Journal of Gender Studies veröffentlichte Forschung ergab sehr ernsthafte negative Auswirkungen, einschließlich stark rückläufiger mentaler Gesundheit, zunehmender Depression, sozialer Isolation, Angst, Stress, Selbstverletzung, Schulverweigerung und Suizidgedanken.

Ein wiederkehrendes Thema war die „überwältigende Verzweiflung" von transgender Jugendlichen, denen die Behandlung verweigert wurde, was in „starkem Kontrast" zu der Beschreibung ihrer Eltern oder Betreuer vor Inkrafttreten des Verbots stand. Es gab auch einen bemerkenswerten Unterschied zwischen der mentalen Gesundheit von trans Teenagern, denen Pubertätsblocker verweigert wurden, und jenen, die bereits in Behandlung waren.

Deutschland: Ein anderer Weg ist möglich

Während Großbritannien trans Jugendliche und ihre Familien im Stich lässt, geht Deutschland einen progressiveren Weg. Das neue Selbstbestimmungsgesetz erleichtert es trans- und intergeschlechtlichen Menschen, das eingetragene Geschlecht und den Vornamen zu ändern. Die Regelungen, die für medizinische Maßnahmen wie Operationen gelten, ändern sich mit dem Selbstbestimmungsgesetz nicht. Wichtig zu verstehen: Das SBGG trifft keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen. Das Gesetz regelt ausschließlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Personenstandsregister möglich ist. Für geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen gelten weiterhin die einschlägigen medizinischen Regelungen und Leitlinien.

Dennoch gibt es auch in Deutschland kontroverse Diskussionen. Der Deutsche Ärztetag forderte die Bundesregierung auf, dass Pubertätsblocker, geschlechtsumwandelnde Hormontherapien oder entsprechende Operationen bei unter 18-jährigen mit Geschlechtsinkongruenz nur im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien zugelassen werden sollten. Diese Position steht jedoch im Widerspruch zu medizinischen Fachgesellschaften, die die Versorgung trans Jugendlicher befürworten.

Ärzt*innen unter Druck: Das Beispiel Dr. Sam Hall

Dr. Sam Hall, der früher an einer der Praxen arbeitete, sagte: „NHS Sussex hat WellBN zweimal mit dem Entzug des GMS-Vertrags gedroht. WellBN kümmert sich seit über fünf Jahren um trans Jugendliche mit vollem Wissen von NHS Sussex und NHS England. Warum ist dies plötzlich ein Problem? Dies ist eine Mobbing-Taktik, die darauf abzielt, sie einzuschüchtern, lebensrettende Versorgung zurückzuziehen, trotz Warnungen von Gerichtsmedizinern über das Lebensrisiko für trans Jugendliche".

Was können wir aus Großbritannien lernen?

Die Situation in Großbritannien sollte als Warnung dienen. Pubertätsblocker für unter-18-Jährige mit Geschlechtsdysphorie wurden unbefristet im Vereinigten Königreich verboten wegen eines angeblichen „unannehmbaren Sicherheitsrisikos", obwohl die NHS beschrieben hat, dass die Effekte reversibel sind, und es keine definitiven Beweise dafür gibt, dass sie schädlich sind. Eine unabhängige Studie fand im September 2024, dass sie im Allgemeinen sicher für die Anwendung bei transgender Jugendlichen sind.

In Deutschland müssen wir wachsam bleiben. Die medizinische Versorgung von trans Jugendlichen darf nicht zum Spielball politischer Ideologien werden. Die Bundesregierung empfiehlt nicht die Einnahme von Pubertätsblockern. Die Entscheidung über die Verschreibung von Pubertätsblockern liegt ausschließlich im Ermessen der behandelnden Fachärztinnen und -ärzte – und genau so sollte es bleiben: als medizinische Entscheidung zwischen Patient*in, Eltern und Ärzt*innen.

Die menschliche Dimension nicht vergessen

Hinter jeder Statistik, jedem Gesetz und jeder politischen Debatte stehen echte Menschen – Kinder, die einfach nur sie selbst sein wollen, und Eltern, die verzweifelt versuchen, ihre Kinder zu schützen. Eine weitere Mutter aus dem Artikel beschrieb, wie sich die Situation ihres Kindes „so viel verschlimmert" habe und klagte an: „Der ICB hat gesagt, dass sie keine Pubertätsblocker mehr an unter-16-Jährige verschreiben dürfen, unabhängig davon, dass diese Kinder vor dem Verbot verschrieben wurden. Sie werden nicht mit uns oder unserem Kind sprechen, ein anonymes medizinisches Team wird ihre Akten überprüfen und einen medizinischen Plan erstellen, ohne jemals ein Gespräch mit uns zu führen".

Die britische Erfahrung zeigt uns eindringlich: Wenn wir die Selbstbestimmung und medizinische Versorgung von trans Menschen einschränken, schützen wir keine Kinder – wir gefährden sie. In Deutschland haben wir mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Jetzt gilt es, diesen Weg konsequent weiterzugehen und sicherzustellen, dass trans Jugendliche auch weiterhin Zugang zu der medizinischen Versorgung haben, die sie brauchen.


Saarbrücken bekommt "Goldenen Kitt": Stadtrat beschließt einzigartigen Gedenkort für queere Verfolgungsopfer

In der Faßstraße am St. Johanner Markt entsteht etwas Besonderes: Der Saarbrücker Stadtrat hat die Umsetzung des queeren Gedenkorts "Saarbrückens Goldener Kitt" beschlossen. Das Kunstwerk verbindet dabei queere Erinnerungskultur mit einem innovativen Konzept, das Wunden sichtbar macht und zugleich heilt – Erinnerungskultur als Instrument, um das Ende gesellschaftlicher Unterdrückung zu erreichen. Der Beschluss vom Dienstag stellt rund 200.000 Euro für das Projekt zur Verfügung, wie queer.de berichtet.

Kintsugi: Die Kunst, Brüche wertvoll zu machen

Der Entwurf der Münchner Landschaftsarchitektin und Künstlerin Jutta Treichel, der sich im Juni gegen acht andere Vorschläge durchsetzte, greift eine tiefe kulturelle Metapher auf: Kintsugi, was wörtlich "mit Gold zusammenfügen" bedeutet, ist eine Mischung aus traditionsreicher Handwerkskunst und Philosophie, bei der die Klebestellen von zerbrochenen Scherben nicht versteckt, sondern mithilfe von Gold, Silber oder Platin stolz zur Schau gestellt werden.

Diese mit dem Zen-Buddhismus verwobene Philosophie findet Schönheit in Einfachheit, Vergänglichkeit und Unvollkommenheit und lehrt die Wertschätzung des Unvollständigen sowie die Anerkennung der Zeit und Geschichte, die in den Rissen und Reparaturen eines Objekts gespeichert sind. Ein goldener Riss im Pflaster soll als Symbol für die Brüche durch jahrzehntelange Verfolgung queerer Menschen dienen – und zugleich für Heilung, Sichtbarkeit und Zusammenhalt stehen.

Ein Standort mit Geschichte

Der St. Johanner Markt mit seinen Boutiquen, exzellenten Restaurants, angesagten Kneipen und Bistros bildet das Herzstück des Saarbrücker Lebens. Die Faßstraße, unweit früherer queerer Szenelokale, soll eine Brücke zwischen der Geschichte und der Gegenwart der queeren Community in Saarbrücken schlagen. Nur wenige hundert Meter entfernt befand sich das "History", das von 1993 bis 2022 zu den ikonischen queeren Treffpunkten der Stadt gehörte.

Treichel erklärt, dass der Entwurf bewusst den bestehenden städtebaulichen Kontext integriert und auf ortsspezifische Elemente zurückgreift, wie die markante Pflastergestaltung des Künstlers Paul Schneider und die prägnanten Gingko-biloba-Bäume, die sich im Herbst golden färben. An dem Kunstwerk angebrachte QR-Codes sollen später auf weitergehende Info-Seiten zur Verfolgung des queeren Lebens verweisen.

123 Jahre strafrechtliche Verfolgung

123 Jahre war Homosexualität mit § 175 in Deutschland strafbar – das gesetzliche Verbot wurde erst 1994 endgültig abgeschafft. Etwa 53.000 Männer wurden auf Basis von Paragraph 175 von der NS-Justiz verurteilt, und es wird davon ausgegangen, dass etwa 10.000 als homosexuell verfolgte Männer in Konzentrationslagern inhaftiert waren. In der Bundesrepublik kam es zwischen 1949 und 1969 zu etwa 50.000 Verurteilungen.

Nach 1935, nach der Rückgliederung des Saargebietes an Hitler-Deutschland, steht die Geschichte der Homosexuellen in dieser Region im Kontext von systematischer Diskriminierung, Verfolgung, Verhaftung und Ermordung. Die Geschichte der Homosexuellen in der Saar-Region ist bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet.

Teil einer wachsenden Erinnerungskultur

Der Gedenkort in Saarbrücken reiht sich ein in eine wachsende queere Erinnerungskultur in Deutschland. In Berlin wurde das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen am 27. Mai 2008 der Öffentlichkeit übergeben, nachdem sich die Initiative und der LSVD sechzehn Jahre für solch einen Gedenkort eingesetzt hatten. In Mainz wurde am Ernst-Ludwig-Platz eine Gedenkstele für alle errichtet, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung in der Nazi-Zeit und auch danach verfolgt wurden – die erste Stele in Deutschland, mit der allen Opfern mit LSBTIQ-Hintergrund gleichzeitig gedacht wird.

Am 27. Januar 2023, dem "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus", gedachte der Deutsche Bundestag erstmals der queeren Opfer des Nationalsozialismus und verschwieg dabei nicht, dass auch die Bundesrepublik in ihrer Geschichte queere Menschen diskriminiert und verfolgt hat – eine Premiere in der Erinnerungskultur.

"Starkes Zeichen gegen Diskriminierung"

Der Gedenkort geht auf einen Antrag der Grünen-Fraktion im Stadtrat aus dem Jahr 2019 zurück. Thomas Brass, kulturpolitischer Sprecher der grünen Stadtratsfraktion und Mitglied der Jury zur Findung des Siegerentwurfs, betont: "Damit setzen wir ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung und für gesellschaftliche Vielfalt in Saarbrücken."

"Die Verfolgung queerer Menschen über mehr als ein Jahrhundert hinweg ist ein tiefes Unrecht, das uns verpflichtet, aktiv daran zu erinnern", so Brass weiter. "Über 123 Jahre lang wurden schwule Männer aufgrund des Paragrafen 175 StGB strafrechtlich verfolgt. Mit diesem Gedenkort schaffen wir nicht nur einen Platz der Würdigung, sondern auch ein Zeichen der Solidarität, das Mut macht, für Akzeptanz und Vielfalt einzustehen."

Mit dem "Goldenen Kitt" setzt Saarbrücken damit ein innovatives Zeichen in der deutschen Erinnerungslandschaft – ein Kunstwerk, das die Narben der Verfolgung nicht verbirgt, sondern in goldenem Licht erstrahlen lässt.


Brutaler Reizgas-Angriff in Kreuzberg: Wenn Homophobie zur nächtlichen Bedrohung wird

Ein Sonntagmorgen, der eigentlich friedlich hätte enden sollen: Ein 20-jähriger Mann verlässt gegen 6 Uhr eine Bar in der Kreuzberger Ritterstraße – und wird zum Opfer eines homophoben Angriffs. Vier Unbekannte sprühten ihm Reizgas ins Gesicht, woraufhin er zu Boden ging und die Angreifer auf ihn eintraten, wie die Berliner Polizei berichtet. Seine Begleiterin musste miterleben, wie die Täter nach homophoben Beleidigungen auf ihren Freund losgingen, bevor sie in unbekannte Richtung flüchteten.

Berlin als Brennpunkt queerfeindlicher Gewalt

Der Vorfall reiht sich ein in eine erschreckende Entwicklung: Die Zahl queerfeindlicher Straftaten in Berlin erreichte mit 588 Vorfällen im Jahr 2023 einen neuen Höchststand. Noch alarmierender: Die Zahl der Gewaltdelikte lag 2022 mit 148 Gewalttaten höher als je zuvor, 2023 mit 127 Fällen weiterhin auf einem deutlich erhöhten Niveau. Der dritte Monitoringbericht zu queerfeindlicher Gewalt, der im Dezember 2024 erschien, zeichnet ein düsteres Bild der Sicherheitslage für LGBTQ+-Menschen in der selbsternannten "Regenbogenhauptstadt".

Die geografische Verteilung der Übergriffe zeigt ein klares Muster: Ein besonders großer Teil der Fälle wird in Mitte (24,8 %), Tempelhof-Schöneberg (17,6 %) und Friedrichshain-Kreuzberg (17,4 %) angezeigt. Ausgerechnet dort, wo queeres Leben am sichtbarsten ist, lauert auch die größte Gefahr.

Deutschland: Dramatischer Anstieg bundesweit

Was in Berlin geschieht, spiegelt einen besorgniserregenden bundesweiten Trend wider. 1.765 Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung (+17,75 %) sowie 1.152 aufgrund geschlechtsbezogener Diversität (+34,89 %) wurden 2023 deutschlandweit registriert. Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene Diversität" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht, wie das Bundeskriminalamt mitteilt.

Jeden Tag gibt es mindestens drei Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen – so die offiziellen Zahlen. Doch Expert*innen warnen: Laut Albrecht Lüter ist davon auszugehen, dass „neun von zehn Fällen in polizeilichen Statistiken gar nicht auftauchen". Die Dunkelziffer ist erschreckend hoch.

Die Täter: Männlich, gewaltbereit, oft vorbestraft

Das Profil der Täter ist eindeutig: Die polizeilich ermittelten Tatverdächtigen sind fast ausnahmslos männlich, insbesondere bei Gewaltdelikten. Das Alter der Tatverdächtigen verteilt sich auf die gesamte Altersspanne von Minderjährigen unter 18 Jahren (12,7 %) bis zu über 60-Jährigen (12,1 %), die Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren wird am stärksten auffällig (21,7 %).

Besonders beunruhigend: Zur großen Mehrheit (78,0 %) verfügt die Polizei vielmehr über Vorerkenntnisse zu den ermittelten Personen. Es handelt sich also nicht um Einzeltäter, die einmal die Kontrolle verlieren, sondern oft um Menschen mit krimineller Vergangenheit.

Staatsschutz ermittelt – Berlins Vorreiterrolle

Im aktuellen Fall von Kreuzberg hat wie üblich der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts die Ermittlungen übernommen. Berlin gilt bundesweit als Vorreiter im Umgang mit queerfeindlicher Hasskriminalität. Seit 2012 verfügt die Staatsanwaltschaft Berlin als europaweit einzige Strafverfolgungsbehörde über eine Sonderzuständigkeit für die spezialisierte, konzentrierte und opferorientierte Verfolgung homophober und transphober Hasskriminalität.

Diese konsequente Haltung führt dazu, dass spezielle Ansprechpersonen bei Polizei und Staatsanwaltschaft existieren und queerfeindliche Übergriffe gezielt publik gemacht werden. Das erklärt auch, warum aus Berlin überproportional viele Fälle gemeldet werden – nicht weil es hier gefährlicher ist, sondern weil die Sensibilität höher ist.

Wenn die Nacht zur Gefahrenzone wird

Der Angriff ereignete sich in den frühen Morgenstunden – keine Seltenheit. Mehr als die Hälfte aller Vorfälle fand zudem in den Abend- und Nachtstunden statt. Die Hälfte der erfassten queerfeindlichen Straftaten spielten sich 2023 im öffentlichen Raum (44,6 %) und ÖPNV (11,2 %) ab.

Für viele queere Menschen bedeutet das: Deswegen würden viele Transpersonen es meiden, nachts vor die Tür zu gehen. Die Angst vor Gewalt schränkt die Bewegungsfreiheit ein – ein Grundrecht, das für viele zur Verhandlungssache geworden ist.

Politische Forderungen und gesellschaftliche Verantwortung

Als LSVD+ kritisieren wir, dass das Bundesinnenministerium kein Wort zur verschärften Bedrohungslage für LSBTIQ+ verloren hat, trotz der massiv gestiegenen dokumentierten Straftaten gegen queere Menschen. Diese Ignoranz ist brandgefährlich, insbesondere im Vorfeld der kommenden CSD-Saison, mahnt der Lesben- und Schwulenverband Deutschland.

Doch es geht nicht nur um Polizeiarbeit. „Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung und/oder sexuelle Identität ist gesellschaftlich breiter verankert und geht nur zu einem kleineren Teil auf ein politisch organisiertes Spektrum zurück", stellen die Autor*innen des Monitoringberichts fest. Homophobie ist kein Randphänomen extremistischer Gruppen – sie ist in der Mitte der Gesellschaft verankert.

Der 20-Jährige aus Kreuzberg wurde ambulant behandelt. Seine körperlichen Verletzungen werden heilen. Doch die Narben solcher Übergriffe bleiben oft unsichtbar – und erinnern daran, dass Gleichberechtigung auf dem Papier noch lange nicht Sicherheit im Alltag bedeutet.


Vandalismus bei EHRC: Trans-Aktivist*innen attackieren Menschenrechts-Watchdog

In den frühen Morgenstunden des 31. Oktober 2025 attackierte die trans-geführte Aktionsgruppe BASH BACK die Zentrale der britischen Equality and Human Rights Commission (EHRC) in London mit Sachbeschädigung: Fensterscheiben wurden zertrümmert und rosafarbene Farbe versprüht. Die Gruppe beschreibt sich selbst als "trans-led direct action project focused on total transgender liberation" und reagiert damit auf die umstrittene Interim-Richtlinie der EHRC zu geschlechtergetrennten Räumen, die im April 2025 nach einem wegweisenden Urteil des britischen Supreme Courts veröffentlicht wurde. Der Vorfall wurde von PinkNews dokumentiert.

Ein Gerichtsurteil mit weitreichenden Folgen

Im April 2025 entschied der UK Supreme Court einstimmig im Fall For Women Scotland vs Scottish Ministers, dass die Begriffe "Mann", "Frau" und "Geschlecht" im Equality Act 2010 ausschließlich das biologische Geschlecht meinen und nicht das durch ein Gender Recognition Certificate (GRC) bescheinigte Geschlecht. Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf trans Personen in Großbritannien.

Die darauffolgende Interim-Richtlinie der EHRC empfahl Organisationen und Dienstleistern, trans Frauen und trans Männern den Zugang zu geschlechtergetrennten Einrichtungen wie Umkleideräumen und Toiletten zu verwehren, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Noch drastischer: In manchen Fällen könnten trans Personen auch von Räumen ausgeschlossen werden, die ihrem "biologischen Geschlecht" entsprechen, etwa wenn ein trans Mann durch seine geschlechtsangleichende Transition ein "maskulines Erscheinungsbild" entwickelt hat.

Scharfe Kritik aus der Zivilgesellschaft

Die Richtlinien wurden seit ihrer Veröffentlichung von trans, LGBTQ+ und Menschenrechtsorganisationen sowie Abgeordneten heftig kritisiert. Michael O'Flaherty, Kommissar für Menschenrechte des Europarates, warnte in einem Schreiben, dass der "Null-Summen-Ansatz" des Vereinigten Königreichs bei trans Rechten zu einem "weitreichenden Ausschluss von trans Personen aus vielen öffentlichen Räumen" führen würde.

Sechs Organisationen, darunter TransActual, Amnesty International und die Trans+ Solidarity Alliance, haben formelle Verfahren eingeleitet, um der EHRC ihren A-Status als nationale Menschenrechtsinstitution zu entziehen, und bezeichneten die Behörde als "nicht zweckdienlich".

BASH BACK: Eine Geschichte des Widerstands

BASH BACK ist keine neue Erscheinung. Dies ist nicht der erste Vandalismus-Akt der Gruppe: Im September attackierte sie das Brighton Centre vor der FiLiA-Konferenz, im August vandalisierte sie das Büro des Gesundheitsministers Wes Streeting in Ost-London. Streeting hatte die Entscheidung getroffen, Pubertätsblocker für trans Minderjährige zu verbieten.

Ein Sprecher von BASH BACK erklärte: "Trotz intensivem rechtlichem und politischem Druck beabsichtigen sie immer noch, ihre Richtlinie - die trans Personen aus allen geschlechtergetrennten Räumen ausschließt - der Regierung vorzulegen, in einem zynischen Versuch, uns aus dem öffentlichen Leben zu löschen".

Parallelen zur deutschen Debatte

Die Entwicklungen in Großbritannien werfen auch ein Schlaglicht auf die Situation in Deutschland. Während das Vereinigte Königreich mit den restriktiven EHRC-Richtlinien kämpft, hat Deutschland im April 2024 einen anderen Weg eingeschlagen: Der Bundestag verabschiedete das Selbstbestimmungsgesetz, das Transgender und nicht-binären Menschen erlaubt, ihre rechtlichen Dokumente durch ein auf der Selbstbestimmung basierendes Verwaltungsverfahren anzupassen.

Dennoch bleibt auch in Deutschland die Debatte um geschlechtergetrennte Räume kontrovers. Nach dem Selbstbestimmungsgesetz muss trans Personen nach der Änderung des Geschlechtseintrags der Zugang zu geschlechtsspezifischen Einrichtungen wie Umkleideräumen oder Sanitäreinrichtungen gewährt werden. Für Ausnahmen genügt jedoch nicht allein das subjektive Angstempfinden anderer Personen, denn Vorurteile zeigen sich häufig gerade in subjektiven Ängsten. Hinsichtlich trans Personen lassen sich diese in aller Regel nicht statistisch belegen.

Ein eskalierender Kulturkampf

Die Aktion von BASH BACK ist symptomatisch für einen sich verschärfenden Kulturkampf um trans Rechte in Europa. Während trans, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen noch immer mit weit verbreiteten Vorurteilen zu kämpfen haben, die zu Diskriminierungen und Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen führen, stehen sie zugleich im Kreuzfeuer einer polarisierten öffentlichen Debatte.

Die aktuelle Debatte stigmatisiert transgeschlechtliche Menschen erneut als vermutliche sexuelle Gewalttäter, dabei erleben gerade sie vielfach und alltäglich Diskriminierung und Gewalt. Die Vandalismusakte werfen wichtige Fragen auf: Wann wird ziviler Ungehorsam zu Vandalismus? Und wie können marginalisierte Communities ihre Rechte effektiv verteidigen, wenn institutionelle Wege versperrt scheinen?

BASH BACK macht deutlich: "Wir werden nicht aufhören, bis wir frei sind". Die EHRC hat bislang keinen Kommentar zu dem Vorfall abgegeben.


NRW macht Geschichte: Erstes Flächenland führt Antidiskriminierungsgesetz für staatliche Stellen ein

Nordrhein-Westfalen setzt ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung: Das Bundesland will in der zweiten Jahreshälfte 2026 als erstes deutsches Flächenland ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft setzen, wie queer.de berichtet. Die grüne Gleichstellungsministerin Josefine Paul stellte den Gesetzentwurf vor, der queeren Menschen und anderen marginalisierten Gruppen mehr Schutz vor Diskriminierung durch Behörden bieten soll.

Schutzlücke wird geschlossen

Demnach soll es allen Landesstellen verboten sein, jemanden etwa aufgrund von antisemitischen oder rassistischen Zuschreibungen, Nationalität, Herkunft, Religion, Geschlecht, Sexualität oder Alter zu diskriminieren. Mit dem Gesetz soll eine Schutzlücke, die bisher bei Diskriminierung durch öffentliche Stellen besteht, geschlossen werden, erklärte Paul. Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umfasse nur den privatrechtlichen Bereich, unter anderem Fragen des Wohnungsmarktes oder des Arbeitsplatzes in der Privatwirtschaft.

Für die LGBTQ+-Community in Deutschland ist dies ein bedeutender Schritt. Trotz Fortschritten in Bezug auf die rechtliche Gleichstellung in den vergangenen Jahrzehnten erleben Lesben, Schwule und Bisexuelle nach wie vor Diskriminierung – ob in der Schule, im Beruf oder in anderen Lebensbereichen. Das neue Gesetz könnte künftig auch queeren Menschen helfen, die etwa bei Schulen, Hochschulen oder Finanzämtern diskriminiert werden.

Berliner Vorbild zeigt: Klagewelle blieb aus

NRW ist das erste Flächenland, das eine solche Novelle einführt. Das am 21.06.2020 in Kraft getretene Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Berlin ist bislang einmalig in der Bundesrepublik Deutschland. Die Erfahrungen aus der Hauptstadt sind ermutigend: Die ersten Erfahrungen aus Berlin zeigen: die Klageflut bleibt aus. Bei der Ombudsstelle waren nach knapp einem Jahr rund 300 Beschwerden eingegangen.

Als das Berliner Gesetz 2020 eingeführt wurde, warnten konservative Kritiker vor einer Klagewelle. Die CDU äußerte damals sogar die Befürchtung, dass sich "kriminelle Menschen erkennbar afrikanischen Ursprungs" auf das Gesetz berufen könnten, wie queer.de berichtete. Diese rassistisch gefärbten Vorbehalte haben sich als unbegründet erwiesen. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) loben Berliner Verbände und Beratungsstellen das Gesetz als „wichtige Errungenschaft".

Erleichterte Beweisführung und Unterstützung für Betroffene

Das NRW-Gesetz wird nach Aussage von Ministerin Paul eine erleichterte Beweisführung vorsehen, allerdings keine Beweislastumkehr. Betroffene, die Diskriminierung geltend machen wollen, benötigen Indizien, die nahelegen, dass es sich tatsächlich um eine Benachteiligung handelt. Eine Ombudsstelle des Landes kann Betroffene beraten, in Streitfällen vermitteln und Gutachten einholen. Zudem können die 42 Beratungsstellen der Freien Wohlfahrt für Antidiskriminierung in NRW unterstützen.

Wichtig für Behördenmitarbeiter: Der Gesetzentwurf normiere deutlich, dass Abhilfe vor eventuellen Schadensersatzansprüchen stehe, so Paul. Schadenersatzansprüche richten sich stets gegen das Land, nicht gegen einzelne Behördenmitarbeiter. Diese sollen durch Fortbildungen sensibilisiert werden.

Queere Ministerin als Vorreiterin

Josefine Paul ist seit dem 29. Juni 2022 Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Die grüne Politikerin sorgte im Sommer für Schlagzeilen, als sie die ehemalige sächsische Justizministerin und heutige Landtagsabgeordnete Katja Meier heiratete, die ebenfalls den Grünen angehört, wie queer.de berichtete. Als offen lesbische Ministerin ist Paul selbst ein sichtbares Zeichen für Vielfalt in der Landespolitik.

Bedeutung für die LGBTQ+-Community

Für queere Menschen in NRW könnte das neue Gesetz einen echten Unterschied machen. „Über 20 Prozent der Diskriminierungsfälle, die Beratungsstellen erreichen, sind auf das Handeln staatlicher Behörden zurückzuführen, darunter Bezirks-, Bürger-, Standes- und Jugendämter, BVG, Polizei und öffentliche (Hoch-)Schulen", zeigen Berliner Erfahrungen. Ob es um die Anerkennung der Geschlechtsidentität auf Behörden geht, um diskriminierende Behandlung in Schulen oder um Polizeikontakte – das LADG schafft erstmals klare Rechtsansprüche.

Der Entwurf wird nun zunächst von Verbänden beraten. Das im schwarz-grünen Koalitionsvertrag verankerte Gesetzesvorhaben zeigt, dass auch eine CDU-geführte Landesregierung – Ministerpräsident ist Hendrik Wüst (CDU) – bereit ist, beim Diskriminierungsschutz voranzugehen. Ein ermutigendes Signal in Zeiten, in denen LGBTQ+-Rechte zunehmend unter Druck geraten.

Es liege auf der Hand, dass es angesichts zunehmender Diskriminierungserfahrungen bundes- wie landesweit weiteren Handlungsbedarf gebe, betonte Ministerin Paul. Mit dem LADG geht NRW diesen wichtigen Schritt – und könnte damit Vorbild für andere Bundesländer werden.


Evaluation des SBGG: Wenn Vorurteile die Bewertung prägen

Pünktlich zum ersten Geburtstag des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) flatterte sie ins Haus: die Ausschreibung für dessen Evaluierung. Veröffentlicht aus dem Hause von Familienministerin Karin Prien (CDU), kam die Ausschreibung rechtzeitig zum einjährigen Geburtstag des SBGG, dessen Endbericht im Sommer 2029 vorgelegt werden soll – berichtet queer.de. Doch bereits jetzt zeigt sich: Die Bewertung des historischen Gesetzes ist von Beginn an von konservativen Vorurteilen überschattet.

Von der Abschaffung zur Evaluierung: Ein politisches Täuschungsmanöver

Eines der wichtigsten Punkte im letzten Wahlprogramm der CDU war die vollmundige und rechtspopulistische Forderung nach Abschaffung des SBGG. In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD wurde daraus eine vorgezogene Evaluierung. Viel Lärm um nichts, könnte man meinen – eine umfassende Bewertung des SBGG hätte es ohnehin gegeben, denn die hatte bereits die Ampelregierung für spätestens 2029 im Gesetz festgeschrieben.

Dennoch bleibt eine beunruhigende Schieflage. Der politische Diskurs hat sich als gefährliche Realitätsverweigerung der Union in Sachen trans, inter und nichtbinär erwiesen – als gefährliche Verdrehung der Wirklichkeit, gespeist aus Vorurteilen, Misstrauen und Unterstellungen.

Ein Gesetz, das funktioniert – trotz gegenteiliger Behauptungen

Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Im ersten Jahr haben über 22.000 trans, inter und nichtbinäre Menschen das Selbstbestimmungsgesetz genutzt. Deutschlandweit wurden im Jahr 2024 insgesamt 10.589 Änderungen des Geschlechtseintrags im Geburtenregister übermittelt. Von Januar bis Oktober 2024 galt noch das Transsexuellengesetz und es wurden nur 596 Fälle gemeldet. Mit Inkrafttreten des SBGG stieg die Zahl im November 2024 auf 7.057 Fälle an.

Das Gesetz funktioniert – die Erfahrungsberichte von Personen zeigen, dass die Umsetzung in weiten Teilen unbürokratisch, respektvoll und verlässlich verläuft, wie der Deutsche Frauenrat betont.

Die konstruierte Gefahr: Trans Menschen als vermeintliches Risiko

In der Debatte wird ständig vom Schutz der Kinder und Frauen gesprochen, als ob diese vom SBGG bedroht würden. Doch diese Argumentation kehrt die reale Bedrohungslage um: In Deutschland berichteten 65 Prozent der trans Frauen von Diskriminierung in den letzten zwölf Monaten, dokumentiert die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Trans, inter und nichtbinäre Menschen sind Hass und Gewalt ausgeliefert – mit steigender Tendenz.

Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre, bestätigt das Bundesinnenministerium. Nicht trans Menschen sind eine Gefahr für die Gesellschaft – sondern die Gesellschaft stellt eine reale Bedrohung für trans Menschen dar.

Frauenverbände: Klare Unterstützung statt konstruierter Konflikte

Frauenverbände haben kein Problem mit dem SBGG – ihnen muss man nicht erklären, wo die wahren Probleme in Sachen Frauen- und Kinderschutz liegen. Der Deutsche Frauenrat hat das Selbstbestimmungsgesetz immer unterstützt und öffentlich dafür geworben – es ist ein historischer Schritt hin zu mehr Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt, erklärt Deutschlands größter Frauenverband.

Frauenverbände wie der Deutsche Frauenrat, die evangelischen Frauen und die Frauenhauskoordinierung haben deutlich gemacht, dass auch trans Frauen Anspruch auf Schutz vor Gewalt haben, betont das Institut für Menschenrechte.

Eine Evaluation mit eingebautem Diskriminierungspotenzial

Die Ausschreibung offenbart problematische Schwerpunkte: Bis zum 31. Juli 2026 soll evaluiert werden, mit Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche sowie den wirksamen Schutz von Frauen. Diese Schwerpunktsetzung orientiert sich stark an der gesellschaftlich polarisierten Debatte, in der das Selbstbestimmungsgesetz fälschlicherweise als Risiko für Frauen oder Kinder dargestellt wurde, kritisiert der Bundesverband Trans*.

Eine Evaluation muss sich jedoch an den Menschenrechten und Grundfreiheiten orientieren, die dem Gesetz zugrunde liegen, wie auch im Gesetz selbst als Ziel festgelegt. Stattdessen wird die Validität der Geschlechtsidentität von trans Menschen weiterhin als verhandelbar angesehen – der geänderte Personenstand ist offenbar nur zweitklassig und kann beispielsweise durch Vertrags- und Hausrecht oder im Verteidigungsfall einfach ignoriert werden.

Geheimes Rechtsgutachten und intransparenter Prozess

Besorgniserregend ist auch, was nebenbei bekannt wurde: Das Familienministerium hat ein „spezifisches Rechtsgutachten" zum SBGG in Auftrag gegeben, und zwar zu den Aspekten Minderjährigenschutz und Frauenschutzräume. Wer damit beauftragt wurde und welche Ergebnisse vorliegen, bleibt im Dunkeln. Die Community fragt zu Recht: Geht es darum, politische Vorurteile bestätigt zu bekommen?

Auch die Beteiligung der Community am Evaluationsprozess bleibt vage. Ersichtlich ist lediglich, dass im dritten Quartal 2026 das Forschungsdesign vorgestellt werden soll – geforscht wird bis dahin hinter verschlossenen Türen.

Internationale Erfahrungen werden ignoriert

In keinem der 16 Länder weltweit, die seit 2012 Selbstbestimmungsgesetze umgesetzt haben, ist es zu entsprechenden systematischen Problemen gekommen, stellt der Deutsche Frauenrat fest. Die Erfahrungen anderer Länder wie Dänemark, Portugal und der Schweiz zeigen: Kein Fall einer Änderung des Geschlechtseintrags aus betrügerischen oder kriminellen Absichten ist bekannt geworden.

Diese empirischen Belege werden im deutschen Diskurs systematisch ausgeblendet – zugunsten konstruierter Bedrohungsszenarien, die jeder faktischen Grundlage entbehren.

Was jetzt nötig wäre

LSVD+ und der Bundesverband Trans* haben es in ihrem gemeinsamen Offenen Brief klar benannt: Das SBGG ist ein wichtiger Fortschritt, aber nicht das Ende der Arbeit für echte Selbstbestimmung. Das Gesetz ist verbesserungsbedürftig – man muss nur den Anteil an Vorurteilen und Misstrauen gegen trans, inter und nichtbinäre Menschen herausstreichen.

Eine seriöse Evaluation müsste untersuchen, wo das Gesetz echte Selbstbestimmung noch einschränkt: Die Ausschlüsse für Menschen ohne deutschen Pass, die Hürden für Minderjährige, die Sonderregelungen im Verteidigungsfall. Sie müsste erforschen, wie der Diskriminierungsschutz für trans Menschen verbessert werden kann. Und sie müsste anerkennen, was die Realität ist: Das Selbstbestimmungsgesetz hat einen diskriminierenden Zustand beendet und erstmals gesetzlich verankert, dass jeder Mensch über den eigenen Geschlechtseintrag nur selbst bestimmen kann. Es stärkt damit nicht nur trans, inter und nichtbinäre Menschen – es stärkt uns alle.

Statt dessen droht eine Evaluation, die von Anfang an mit falschen Fragen operiert und die wahren Probleme – Diskriminierung, Gewalt und mangelnde Akzeptanz gegenüber trans Menschen – ausblendet. Die Community bleibt wachsam. Die Bewerbungsfrist für die Evaluation endet am 24. November 2025. Bis dahin und darüber hinaus gilt es, für eine menschenrechtsbasierte Bewertung dieses historischen Gesetzes zu kämpfen.


"Als ob trans sein eine Beleidigung wäre": Hailey Bieber kontert Trolle mit starker Botschaft

Model und Unternehmerin Hailey Bieber hat mit einer bemerkenswerten Reaktion auf transfeindliche Online-Trolle für Begeisterung in der LGBTQ+-Community gesorgt. Die 28-jährige Frau von Popstar Justin Bieber erklärte in einem Podcast, dass Menschen versuchen würden, "gemein zu sein" und sagen: "Sie sieht trans aus." Darauf antwortete sie: "Warum denkt ihr, dass das eine Beleidigung ist? Als ob trans sein eine Beleidigung wäre?" Der Originallink zur Meldung findet sich bei PinkNews.

Klare Haltung im Podcast mit Owen Thiele

Das Model und die Geschäftsfrau trat Ende letzter Woche im Podcast "In Your Dreams" mit Owen Thiele auf, als ein kleines Kleidungsmissgeschick die beiden Freunde dazu brachte, über die Kritik zu sprechen, der Bieber manchmal wegen ihres Aussehens ausgesetzt ist. Bieber erklärte: "Wenn Leute versuchen, gemein zu sein, sagen sie: 'Sie sieht trans aus', und ich denke mir: 'Warum denkst du, dass das eine Beleidigung ist? Einige der schönsten Frauen und Männer der Welt sind trans, also nehme ich das überhaupt nicht als Beleidigung auf.'"

Ihre Äußerungen wurden online weithin gefeiert, wobei Fans sie dafür lobten, mit Anmut und Empathie auf Hass zu reagieren. Ein YouTube-Kommentator nannte es "Königinnen-Verhalten", während ein anderer sie dafür lobte, "Leute zu durchschauen, die 'trans' als Beleidigung benutzen."

Das gefährliche Phänomen des "Transvestigating"

"Transvestigating" bedeutet zu "untersuchen", ob eine cisgender Berühmtheit heimlich transgender ist, indem man ihre körperlichen Merkmale, Körpersprache und Pseudowissenschaften wie Phrenologie und Physiognomie betrachtet. Es ist in den letzten Jahren zunehmend populär geworden, da trans-ausschließender radikaler Feminismus und Anti-Trans-Hexenjagden zunehmen. Dieses Phänomen betrifft nicht nur Hailey Bieber – auch der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron reichten im Sommer eine Verleumdungsklage gegen die rechtsgerichtete Kommentatorin Candace Owens ein, nachdem diese angeblich Gerüchte verbreitet hatte, die First Lady sei transgender.

Transfeindlichkeit in Deutschland: Ein alarmierendes Problem

Biebers klare Haltung ist besonders relevant für die Situation in Deutschland, wo Transfeindlichkeit ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem darstellt. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 sind 37 % der Befragten in Deutschland transfeindlich – eine alarmierend hohe Zahl. In den vergangenen Jahren lässt sich eine deutliche Zunahme von Trans- und Queerfeindlichkeit in Mitteldeutschland und weltweit beobachten. Ob in den Parlamenten, auf der Straße oder im gesellschaftlichen Diskurs – der Wind gegen trans Personen und Queers ist rauer geworden.

2021 registrierte das Bundeskriminalamt in seiner Statistik zu Politisch motivierter Kriminalität 1.210 Fälle von Hassverbrechen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung. 2020 waren es noch 782 - ein Anstieg um knapp 54 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig öffentliche Statements wie das von Hailey Bieber sind.

Engagement für LGBTQ+-Rechte

Biebers Statement kommt nicht aus dem Nichts. Im Jahr 2023 schloss sie sich anderen Berühmtheiten und LGBTQ+-Verbündeten an, um einen offenen Brief an Meta-CEO Mark Zuckerberg zu unterzeichnen, in dem sie zu stärkeren Maßnahmen gegen Anti-Trans-Rhetorik auf Social-Media-Plattformen aufrief. Ihr aktuelles Statement könnte in der Tradition anderer mutiger Promi-Reaktionen stehen: Bereits 2009 wurde Lady Gaga mit Gerüchten konfrontiert, sie habe einen Penis. Als sie vom Journalisten Anderson Cooper gefragt wurde, ob das wahr sei, antwortete sie: "Vielleicht habe ich einen. Wäre das so schrecklich? Warum zum Teufel sollte ich meine Zeit damit verschwenden, eine Pressemitteilung darüber abzugeben, ob ich einen Penis habe oder nicht?"

Vorbilder in Deutschland und weltweit

Es gibt zahlreiche erfolgreiche trans Personen im deutschsprachigen Raum, die als Vorbilder dienen. Dazu gehören etwa Felicia Ewert, Model, Speakerin und Aktivistin, sowie Kim Petras, die als Sängerin international erfolgreich ist, und Balian Buschbaum, der ehemalige Stabhochspringer.

Trans Personen gehen üblicherweise aus den LSBT-Zielgruppen gewidmeten Studien als die vulnerabelste und am meisten diskriminierte Gruppe hervor. Umso wichtiger sind Statements wie das von Hailey Bieber, die zeigen, dass trans zu sein nichts ist, wofür man sich schämen muss – sondern etwas, das gefeiert werden sollte.

Ein Zeichen der Solidarität

Bieber hat bewiesen, wie einfach es ist, ein Verbündeter zu sein. Ihre Worte senden eine kraftvolle Botschaft an trans Menschen weltweit: Ihr seid schön, ihr seid wertvoll, und eure Identität ist keine Beleidigung. In einer Zeit, in der die feindliche Stimmung von rechten bis rechtsextremen, bürgerlich-konservativen, religiösen und teils sogar von "feministischen" Milieus getragen und befeuert wird, sind solche Statements von Personen des öffentlichen Lebens wichtiger denn je.

Die Reaktionen auf Social Media zeigen, dass Biebers Botschaft angekommen ist. Viele User*innen feiern ihre Antwort als "ikonisch" und fordern mehr dieser Energie in der öffentlichen Diskussion. Denn am Ende geht es darum, eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität – respektvoll und gleichberechtigt behandelt werden.


Wie HIV-positive Menschen von Sport profitieren können – Bewegung als Schlüssel zu mehr Lebensqualität

Sport ist mehr als nur Muskelaufbau und Fitness – er ist ein kraftvolles Werkzeug für Gesundheit und Wohlbefinden. Dies gilt besonders für Menschen mit HIV. Ein aktueller Beitrag auf queer.de zeigt eindrücklich, wie regelmäßige Bewegung nicht nur das Immunsystem stärkt, sondern auch die Langzeit-Lebensqualität von HIV-positiven Menschen erheblich verbessern kann.

Warum Sport für Menschen mit HIV besonders wichtig ist

Menschen mit HIV können durch regelmäßige Bewegung das Immunsystem stärken und ihre Lebensqualität verbessern. Das ist keine bloße Behauptung, sondern wissenschaftlich belegt. Studien zeigen, dass Sport das Immunsystem HIV-positiver Menschen stärken kann und körperliches Training bei HIV-positiven Menschen eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem haben kann.

Doch warum ist das so entscheidend? Eine antiretrovirale Therapie kann etwa in einigen Fällen zu einer Gewichtszunahme führen und auch Veränderungen des Stoffwechsels, wie beispielsweise erhöhte Blutfettwerte, können als Langzeitfolgen einer HIV-Therapie auftreten. Auch Langzeitnebenwirkungen wie Stoffwechselstörungen wie ein Diabetes mellitus oder hohe Blutfettwerte können nach Monaten oder Jahren auftreten, und auch die Nierenleistung und der Knochenaufbau können beeinträchtigt werden.

Sport als natürlicher Schutz vor Begleiterkrankungen

Hier kommt Bewegung ins Spiel: Mit einer gesunden und aktiven Lebensweise lässt sich präventiv das Risiko für Begleiterkrankungen senken und gleichzeitig auch möglichen körperlichen Veränderungen, die durch die HIV-Therapie auftreten können, entgegenwirken. Besonders Ausdauersportarten wie Joggen, Schwimmen und Radfahren sind ideal, um den Körper fit zu halten und das Herz-Kreislauf-System zu stärken.

Auch in Deutschland kennt man dieses Phänomen: Sport kann HIV nicht heilen, aber er verbessert vieles, denn Sport hat eine allgemein positive Wirkung auf das Immunsystem, und die Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten wie Grippe lässt sich durch die Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte steigern. Eine Studie der Universitätsklinik Bonn unter Leitung von Dr. Jan-Christian Wasmuth zeigt, dass sich Sport und HIV nicht ausschließen, sondern im Gegenteil auch Infizierte vom Sport profitieren, wobei die Wissenschaftler eine Gruppe von 21 HIV-positiven Frauen und Männern untersuchten, die sich auf einen Marathon vorbereiteten.

Wie Sport das Immunsystem auf zellulärer Ebene stärkt

Die Mechanismen sind faszinierend: Sportliche Aktivität bei mittlerer Intensität kann das Immunsystem stärken – und das in jedem Alter, wie Forscher*innen herausfanden, denn regelmäßiges Training senkt Entzündungen im Körper, unterstützt den Abbau von Wassereinlagerungen, reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen und verbessert den Schlaf, und außerdem führt regelmäßige Bewegung zu einer besseren Zusammensetzung von „älteren" und „jüngeren" Immunzellen und zu einer besseren Immunantwort des Körpers.

Der kontrahierende Muskel produziert hormonartige Botenstoffe, die immunregulatorisch wirken und ein aktiviertes Immunsystem antientzündlich beeinflussen, wodurch die Immunfunktion gegen Bakterien und Viren gestärkt wird. Das ist besonders für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie HIV von großer Bedeutung.

Das richtige Maß finden – Übertraining vermeiden

Doch Vorsicht: Zu viel des Guten kann kontraproduktiv sein. Das Immunsystem kann bei einer Überanstrengung des eigenen Körpers durch zu intensives oder übertriebenes Training auch geschwächt werden, und es ist ratsam, zunächst den/die Schwerpunktärzt*in zu konsultieren, bevor es voll an die eigenen körperlichen Grenzen geht.

Moderat-intensive körperliche Aktivität führt zu einer Stärkung des Immunsystems mit konsekutiv verminderter Infektanfälligkeit sowie eher anti-inflammatorischen Effekten, wohingegen langandauernde und höher intensive Belastungen zu einer Schwächung der Abwehrfunktion sowie einem pro-inflammatorischen Effekt führen.

Krafttraining für gesunde Knochen und Muskeln

Neben Ausdauersport ist auch Krafttraining wichtig. Manche HIV-Medikamente können den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen, und mit Anfang 30 beginnt der natürliche Muskelabbau im Körper. Kraftsport mit Hanteln, Widerstandsbändern oder dem eigenen Körpergewicht hilft, diesem Prozess entgegenzuwirken und schützt vor altersbedingtem Knochenabbau.

Wichtig dabei: Für Muskelaufbau und -erhalt ist eine ausreichende Proteinzufuhr entscheidend – etwa 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht täglich. Wer zu Proteinpulvern greift, sollte jedoch vorsichtig sein: Viele dieser Präparate enthalten hoch dosierte Mineralstoffe wie Eisen, Kalzium und Magnesium, die unter Umständen die Wirkung von HIV-Medikamenten beeinflussen können, und deswegen nimmt man sie am besten nur in Absprache mit der/dem Schwerpunktärzt*in ein.

Sport als Teil der Therapiestrategie

Wenn ausreichend Bewegung und eine HIV-Therapie, die möglichst wenig Einfluss auf den Körper hat, Hand in Hand gehen, kann das nicht nur Begleiterkrankungen vorbeugen und die eigene Gesundheit langfristig erhalten, sondern auch eine hohe Langzeit-Lebensqualität sicherstellen. Es lohnt sich daher, gemeinsam mit dem/der HIV-Schwerpunktärzt*in auch einen Blick auf die aktuelle HIV-Therapie zu werfen, um eine Behandlung zu wählen, die möglichst wenig Einfluss auf Stoffwechsel und Organfunktionen hat.

In Deutschland gibt es mittlerweile zahlreiche Sportgruppen speziell für Menschen mit HIV. In der Laufgruppe der Berliner Aids-Hilfe wird für den Marathon trainiert, und in gut vier Stunden schaffte ein HIV-positiver Läufer kürzlich souverän die Strecke von gut 42 Kilometern. Solche Initiativen zeigen eindrücklich: Bewegung tut auch diesen Menschen gut und verbessert eindeutig die Lebensqualität der Infizierten, denn dank moderner antiretroviraler Therapien führen HIV-Patienten ein nahezu normales Leben.

Praktische Empfehlungen für den Einstieg

Wer als HIV-positiver Mensch mit Sport beginnen möchte, sollte folgende Punkte beachten:

  • Beginnen Sie mit moderatem Training – etwa 150 Minuten pro Woche bei mittlerer Intensität
  • Kombinieren Sie Ausdauer- und Krafttraining für optimale Ergebnisse
  • Sprechen Sie vorab mit Ihrem/r HIV-Schwerpunktärzt*in über Ihr Trainingsvorhaben
  • Achten Sie auf ausreichende Regenerationsphasen zwischen den Trainingseinheiten
  • Seien Sie vorsichtig bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und besprechen Sie diese mit Ihrem Arzt
  • Hören Sie auf Ihren Körper und überfordern Sie sich nicht

Generell gilt: Alles, was dein Immunsystem stärker macht, unterstützt dich auch in deinem Leben mit HIV und der Therapie, und die Möglichkeiten, sich fit zu halten, basieren vor allem auf drei grundlegenden Bausteinen: ausreichend Schlaf, regelmäßige Bewegung – zum Beispiel in Form von Spaziergängen oder Sport – und einer ausgewogenen, gesunden Ernährung.

Sport ist damit weit mehr als ein Hobby – er ist ein wichtiger Baustein für ein gesundes, erfülltes Leben mit HIV. Wer sich regelmäßig bewegt, investiert in seine Gesundheit und kann so aktiv zu einer hohen Lebensqualität über viele Jahre hinweg beitragen.


Das Ende einer Ära: SchwuZ schließt nach 48 Jahren – Ein Verlust für die queere Geschichte Berlins

Die Lichter gehen aus in einem der bedeutendsten queeren Clubs Europas. Unter dem Motto „The Last Cheers, Queers!" fand am Freitagabend im Berliner Kultclub SchwuZ die letzte Party statt – nach 48 Jahren voller Aktivismus, Utopie und unzähliger Nächte verabschiedet sich die Institution in Rosa, nicht in Schwarz. Wie queer.de berichtet, ist damit ein Kapitel queerer Geschichte zu Ende gegangen, das weit über die Grenzen Berlins hinaus Bedeutung hatte.

Von der Schwulenbewegung zur queeren Institution

Das SchwuZ wurde 1977 aus der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW) heraus gegründet und wurde zum ersten alternativen Schwulenclub West-Berlins. Im Unterschied zur umfangreichen, teils elitären Schwulenszene Berlins vor 1977 versteckte sich das neugegründete Zentrum nicht und war allen Interessierten frei zugänglich. Motto der Anfangszeit war „Raus aus den Klappen, rein in die Straße" aus Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt", der den Anstoß für die Gründung des SchwuZ gab.

Das Schwuz, eine Abkürzung für Schwulenzentrum, wurde 1977 gegründet. Zunächst befand es sich in einer Fabriketage in der Kulmer Straße in Schöneberg, später zog der Club an die Hasenheide in Kreuzberg, dann weiter an den Mehringdamm. Seit 2013 befindet sich das Schwuz in der ehemaligen Kindl-Brauerei im Rollbergkiez in Neukölln. Das Schwuz gilt als einer der ältesten und größten queeren Clubs Europas.

Mehr als nur ein Club: Ein kulturelles Erbe

Viele queere Projekte, wie die Schwulenberatung, der erste Berliner CSD oder das Stadtmagazin Siegessäule fanden im SchwuZ ihren Anfang. Der Club war damit nicht nur ein Ort zum Feiern, sondern ein Kristallisationspunkt queerer Emanzipation und politischen Aktivismus. Das SchwuZ ist damit nicht einfach nur ein Club, sondern ein wesentlicher Bestandteil queerer Geschichte.

In persönlichen Kommentaren auf Instagram wird deutlich, was der Club für Generationen bedeutete: „Es war für mich ein sehr wichtiger Ort, um das erste Mal auf der Tanzfläche ungeniert mit Frauen zu knutschen", „Das SchwuZ war der erste Ort, an dem mein Gewicht keine Rolle gespielt hat", oder „Ich habe meinen Mann bei euch vor 11 Jahren kennengelernt" – solche Geschichten verdeutlichen die immense Bedeutung des Clubs als Schutzraum.

Das „Clubsterben" als gesamtstädtisches Phänomen

Katja Jaeger, SchwuZ's director, attributed the financial woes to a sharp decline in attendance and spending. Rising living costs and shifting nightlife habits have left Berliners partying less and spending more cautiously. Die finanziellen Schwierigkeiten wurden erst im Mai vollständig deutlich, nachdem bekannt wurde, dass der Club monatlich zwischen 30.000 und 60.000 Euro Verlust machte. Dies führte dazu, dass 33 Mitarbeiter entlassen werden mussten, von denen einige jahrelang im SchwuZ gearbeitet hatten.

Das SchwuZ ist Teil eines breiteren Trends. Ikonische Locations wie Griessmuehle, Remise und Watergate haben in den letzten Jahren ebenfalls geschlossen. Ende 2024 warnte die Berliner Clubcommission, dass fast die Hälfte ihrer Mitgliedsclubs eine Schließung innerhalb eines Jahres in Erwägung ziehen. The Berliner berichtet, dass dieses „Clubsterben" die gesamte Berliner Nachtlebensszene erfasst hat.

Politische Kontroverse: Grüne kritisieren den Senat

Die Schließung des SchwuZ hat auch eine politische Debatte entfacht. „Mit dem SchwuZ verliert Berlin mehr als nur einen Club, wir verlieren ein Stück queere Geschichte, einen sicheren Ort, ein Zuhause für Generationen", so der Grünen-Fraktionschef Werner Graf. Der Senat von Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) habe „auf ganzer Linie versagt" und nur zugesehen, statt zu unterstützen.

Graf kritisierte scharf: „Mit dem Senat von Kai Wegner wird Berlin jeden Tag ein Stück grauer. Diese Politik, die queere Projekte in Schulen kürzt und queere Clubs sterben lässt, ist Gift für unsere Stadt. Lieber Kai Wegner, einmal im Jahr vom CSD-Wagen zu winken ist keine queere Politik, sondern Show." Graf forderte eine dauerhafte Strukturförderung für queere Orte und Clubkultur in Berlin und betonte: „Berlin ist die Stadt der Freiheit und der Vielfalt, es liegt am Senat dafür zu sorgen, dass dies auch so bleibt."

Die Bedeutung von queeren Schutzräumen heute

Mit dem SchwuZ verliert die LGBTQIA+-Community einen wichtigen Safer Space, den sie im aktuellen politischen Klima eigentlich gut gebrauchen könnte. In aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl liegt die queerfeindliche AfD bei 25 Prozent auf dem zweiten Platz. Wenn wir queeren Menschen also eines nicht brauchen, dann sind es weniger Safer Spaces.

Die Frage nach der Zukunft solcher Orte stellt sich auch für andere Städte in Deutschland. Große Homo-Szenen mit einer Menge Lokalitäten befinden sich fast nur noch in Köln und Berlin. Das Sterben queerer Clubs ist dabei nicht nur ein Berliner, sondern ein gesamtdeutsches Phänomen, das die Frage aufwirft: Wie sichern wir diese wichtigen Schutzräume für künftige Generationen?

Ein Hoffnungsschimmer?

Ganz aufgeben will der Verein noch nicht. „Unabhängig vom Scheitern der Verhandlungen wollen wir ausloten, ob sich der Grundstein legen lässt, damit „unser Schwuz" eine weitere Zukunft in der Berliner Club- und Kulturlandschaft haben kann", heißt es in einer Mail an die Vereinsmitglieder. Eine Spendenkampagne brachte über 50.000 Euro zusammen. Der Verein kündigte an, „mit dem Geld einen Neuanfang zu versuchen" oder falls dies nicht gelingen sollte, „mit den Spenden verschiedene queere Projekte in Berlin zu unterstützen."

Die letzte Party im SchwuZ war mehr als nur ein Abschied – sie war ein Zeichen dafür, dass die queere Community nicht aufgibt. Das SchwuZ hat die Aidskrise, den Mauerfall, die Corona-Pandemie und vieles mehr überlebt. Nun ist Schluss. Doch die Geschichte, die hier geschrieben wurde, die Kämpfe, die hier ausgefochten wurden, und die Liebe, die hier gefeiert wurde, bleiben unvergessen – als mahnendes Beispiel dafür, wie fragil queere Räume sind und wie wichtig es ist, für ihren Erhalt zu kämpfen.


"Teetasse statt Toleranz": Florida-Mann demoliert Pride-Flagge in Starbucks – Was uns das über den Zustand der LGBTQ+-Rechte verrät

Es ist eine Szene, die symptomatisch für unsere Zeit ist: Ein 31-jähriger Mann betritt am 22. Oktober ein Starbucks in St. Petersburg, Florida, verlangt mit dem Manager zu sprechen und fordert, die dort ausgehängte Pride-Flagge durch eine amerikanische Flagge zu ersetzen. Als Tucker Alden Kemp aus Clearwater am Morgen das Café betrat, nahm er Anstoß an der Pride-Flagge und bestand darauf, dass diese beleidigend sei und durch eine amerikanische Flagge ersetzt werden müsse. Als der Manager Kemp mitteilte, dass es zur Geschäftspolitik gehöre, die Pride-Flagge zu zeigen, überschoss Kemp angeblich Tee über die Flagge, riss sie von der Wand und warf sie in einen Mülleimer. Der Vorfall, über den ursprünglich Pink News berichtete, verursachte Schäden in Höhe von rund 210 US-Dollar.

Wenn Symbole zum Schlachtfeld werden

Die Gewalttat gegen eine Regenbogenflagge mag auf den ersten Blick banal erscheinen – ein beschädigtes Stück Stoff, ein paar hundert Dollar Sachschaden. Doch die symbolische Dimension ist immens. Laut Festnahmeprotokoll beharrte Kemp auf seinem Standpunkt und betonte, dass die Pride-Flagge „beleidigend" sei, und sagte dem Filialleiter, sie solle durch eine amerikanische Flagge ersetzt werden. Hier zeigt sich ein fundamentaler Konflikt: die Vorstellung, dass LGBTQ+-Identitäten und amerikanische Werte einander ausschließen würden – eine Idee, die von rechten Politikern systematisch geschürt wird.

Kemp wurde wegen Sachbeschädigung, eines Vergehens, angeklagt und verursachte etwa 210 Dollar Schaden an der Wand und der Flagge. Er wurde ins Pinellas County Jail gebracht, wo er laut Akten etwa sechs Stunden verbrachte, bevor er gegen eine Kaution von 500 Dollar freigelassen wurde. Laut Nachrichtenquellen ist Kemp registrierter Republikaner, verheiratet, hat eine Tochter und arbeitet als Vertriebsleiter bei Dignity Memorial, einer Bestattungshauskette in Tampa Bay.

Florida: Epizentrum des anti-LGBTQ+-Kulturkampfs

Der Vorfall ereignete sich nicht zufällig in Florida. Unter Gouverneur Ron DeSantis hat sich der Sunshine State zu einem Brennpunkt anti-LGBTQ+-Politik entwickelt. Florida erlässt in diesem Jahr rekordverdächtige sechs ausdrücklich anti-LGBTQ+-Gesetze – mehr als in den letzten sieben Jahren zusammen. Die Gesetzgebung umfasst drastische Einschränkungen: Heute unterzeichnete Gouverneur DeSantis HB 1069, das Lehrkräfte zum Schweigen bringt, indem es jeglichen Unterricht über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von der Vorschule bis zur 8. Klasse verbietet, SB 254, ein extremes Verbot geschlechtsangleichender Versorgung, und HB 1521, ein Anti-Trans-Toilettengesetz.

Diese Politik hat reale Konsequenzen für die Sicherheit von LGBTQ+-Menschen. Das Florida Department of Transportation entfernte in den vergangenen Monaten mehrere Regenbogen-Zebrastreifen in Miami Beach, Fort Lauderdale, Boynton Beach und Key West unter dem Vorwand, sie würden "soziale, politische oder ideologische Botschaften" darstellen. Besonders perfide: Selbst ein Zebrastreifen, der den Opfern des Pulse-Massakers 2016 gewidmet war, wurde von staatlichen Behörden entfernt. Mit „Don't Say Gay" inspirierte DeSantis und die Legislative Floridas ähnliche Gesetze im ganzen Land – mehr als ein Dutzend Bundesstaaten führten ihre eigenen Nachahmerversionen ein, noch bevor das Florida-Gesetz überhaupt in Kraft getreten war.

Erschreckende Statistiken: Die Gewalt nimmt zu

Der Fall in St. Petersburg ist kein Einzelfall, sondern Teil eines besorgniserregenden Trends. Zwischen dem 1. Mai 2024 und dem 1. Mai 2025 verzeichnete das ALERT Desk von GLAAD 932 anti-LGBTQ-Vorfälle in 49 US-Bundesstaaten und dem District of Columbia – das entspricht 2,5 Vorfällen pro Tag. Gewalttätige Angriffe, die in die diesjährige Zählung einflossen, führten zu 84 Verletzungen und 10 Todesfällen.

Forschungsergebnisse zeigen, dass LGBTQ-Menschen 106,4 Viktimisierungen pro 1.000 Personen erlebten, verglichen mit 21,1 Viktimisierungen pro 1.000 Personen bei Nicht-LGBTQ-Menschen. Darüber hinaus waren LGBTQ-Menschen neunmal häufiger von gewalttätigen Hassverbrechen betroffen als Nicht-LGBTQ-Menschen. Im Jahr 2024 verfolgte das FBI 2.413 anti-LGBTQ-Hassverbrechen mit Einzelmotiv in den USA, darunter 1.950 Vorfälle, die auf die sexuelle Orientierung der Opfer abzielten, und 463, die auf ihre Geschlechtsidentität abzielten.

Deutschland: Parallelen und eigene Herausforderungen

Die Entwicklungen in Florida mögen weit entfernt erscheinen, doch auch in Deutschland nehmen queerfeindliche Angriffe dramatisch zu. Während Deutschlands LGBTQ+-Bevölkerung in fünf Jahren um etwa 50 Prozent wuchs, stiegen die Hassverbrechen allein in einem Jahr um 50 Prozent. Seit 2013, als nur 50 Angriffe registriert wurden, beträgt der Anstieg fast das 30-fache. Laut aktuellem Bericht des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamts ist die Zahl der Straftaten gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen im Jahr 2023 in Deutschland um etwa 30 Prozent gestiegen.

Auch hierzulande werden Regenbogenflaggen zum Ziel von Hass. Das Symbol vieler queerer Menschen – die Regenbogenflagge – wird zudem immer wieder gestohlen, mancherorts verbrannt oder gar als „Wischmopp" missbraucht. In Neubrandenburg führte der Streit um die Fahne zum Rücktritt des Oberbürgermeisters, nachdem sie fünfmal gestohlen wurde. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss im Oktober 2024 trotzdem, die Regenbogenflagge gänzlich abzuhängen – zu oft sei sie gestohlen worden.

Besonders beunruhigend: CSDs und Feste für Vielfalt werden immer öfter Ziel von Drohungen und Gewalt. In Bad Freienwalde in Brandenburg hatte eine Gruppe Vermummter ein Fest für Vielfalt gestürmt und zwei Männer verletzt, einem wurde die Augenhöhle gebrochen. Selbst im Bundestag tobt ein Streit um Regenbogenflaggen in Abgeordnetenbüros.

Was bedeutet das für uns?

Der Mann, der in einem Starbucks in Florida eine Pride-Flagge heruntergerissen hat, ist mehr als ein wütender Einzeltäter. Er ist das Produkt eines politischen Klimas, das LGBTQ+-Menschen systematisch entmenschlicht und ihre bloße Existenz als "Ideologie" brandmarkt. „Die Einschränkung des Bürgerrechtsschutzes für LGBTQ-Menschen in den Vereinigten Staaten durch die Trump-Administration und die eskalierenden anti-LGBTQ- und insbesondere anti-trans-Aktionen und Rhetorik setzen LGBTQ-Menschen einem erhöhten Risiko für Viktimisierung und Hassverbrechen aus", sagte Hauptautor Ilan Meyer.

Die Parallelen zwischen den USA und Deutschland sind unübersehbar. In beiden Ländern werden rechtliche Fortschritte von einer Welle der Gewalt begleitet. Deutschland klettert auf der Rainbow Map 2025 auf Platz 8 von 49 Ländern. Deutschland 2025 ist rechtlich weiter als je zuvor, mit neuen Gesetzen, politischen Maßnahmen und wachsender Sichtbarkeit. Gleichzeitig steigen die gemeldeten queerfeindlichen Straftaten, und viele Betroffene berichten von Unsicherheit im Alltag.

Die zentrale Frage bleibt: Wie schaffen wir es, aus rechtlicher Gleichstellung auch reale Sicherheit zu machen? Ein Starbucks-Vorfall in Florida mag klein erscheinen – aber er zeigt, wohin die Normalisierung von Hass führt. Wenn eine Pride-Flagge als "beleidigend" empfunden wird, wenn ihre bloße Existenz als Provokation gilt, dann haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Die Geschichte lehrt uns: Rechte, die nicht verteidigt werden, sind Rechte, die verloren gehen können.

Der Kampf um die Regenbogenflagge ist deshalb mehr als Symbolpolitik. Er ist ein Kampf um Sichtbarkeit, um Anerkennung, um das Recht, einfach zu existieren – 365 Tage im Jahr, nicht nur im Pride Month.


Bisexueller Schiedsrichter wirft DFB Pinkwashing vor: „Es ist komplettes Pinkwashing, was dort betrieben wird"

Der offen bisexuelle Fußballschiedsrichter Pascal Kaiser hat dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) scharfe Kritik an dessen Diversitätspolitik vorgeworfen. Im Interview mit dem „Tagesspiegel" bezeichnete Kaiser das Engagement des Verbands als „komplettes Pinkwashing": „Der DFB marschiert beim CSD in Frankfurt mit, stimmt aber für eine WM in Saudi-Arabien", so der 27-Jährige. In dem vorderasiatischen Land steht auf Homosexualität die Todesstrafe.

Kritik an WM-Vergabe nach Saudi-Arabien

Die FIFA vergab im Dezember 2024 die Weltmeisterschaft 2034 an Saudi-Arabien – mit der Zustimmung des DFB. Kaiser kritisierte, dass der DFB seine Entscheidung damit rechtfertige, dass eine Stimme dagegen ohnehin nicht gezählt hätte, weil die WM auch dann nach Saudi-Arabien vergeben worden wäre. „Das mag sein, aber was sendet man damit für ein Zeichen?", fragte der Kölner Referee.

Die Vergabe an Saudi-Arabien ist besonders brisant: In Saudi-Arabien sind homosexuelle Handlungen strafbar und im Höchstmaß mit der Todesstrafe bedroht. Die Gerichte verhängen auch Peitschenhiebe und Gefängnisstrafen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International warnten, dass die FIFA mit dieser Entscheidung menschenrechtliche Bedenken ignoriert und damit Einwohner*innen, Wanderarbeiter*innen und Fans in Gefahr bringt.

„Der DFB unterstützt Coming-outs nicht"

Kaiser warf dem DFB vor, Coming-outs von Schiedsrichtern nicht zu unterstützen, „auch wenn er das gerne nach außen hin behauptet". Die Entwicklung im Bereich Vielfalt stagniere derzeit: „Ich habe einen Schiri-Kollegen, der in der Ersten und Zweiten Bundesliga pfeift, mit einem Mann verheiratet ist, sich aber nicht öffentlich outet. Er sagt, dass der DFB darüber Bescheid wisse und alles gut sei, das Thema laut des Verbandes aber nichts auf dem Platz zu suchen habe".

Allerdings herrsche hier eine Doppelmoral: „Wenn ein Spieler seine Freundin am Spielfeldrand küsst, ist das in Ordnung. Wenn ich meinen Freund küsse, ist es noch immer ein Aufreger", so Kaiser.

Coming-out hat Karriere geschadet

Pascal Kaiser outete sich 2022 als bisexuell. Der heute 27-jährige Schiedsrichter pfeift Spiele auf Regional- und Verbandsliga-Ebene. Sein öffentliches Bekenntnis zur Bisexualität habe ihm jedoch in seiner Karriere geschadet, berichtete er im Interview: „Ich kriege Spiele in der Regionalliga, die mir zugesagt werden, doch nicht – obwohl ich ein sehr guter Schiedsrichter bin. Mir werden auch mal Beobachtungen zugesprochen, um in die nächsthöhere Liga aufzusteigen, aber es bleiben alles leere Versprechen".

Dabei sei er etwa einem Sprinttest zufolge der schnellste Schiedsrichter im Landesverband: „Es ist daher offensichtlich, dass ich aufgrund meines Auftretens in der Öffentlichkeit benachteiligt werde."

Reaktionen auf Kritik an Ex-Nationaltorwart

Im Juli 2024 machte Kaiser darauf aufmerksam, dass der ehemalige deutsche Nationaltorwart Bernd Leno ein queerfeindliches Video gelikt habe. Kaiser forderte eine öffentliche Entschuldigung Lenos und ein klares Signal gegen Hass im Fußball. Dies habe Konsequenzen gehabt, berichtete er jetzt: „Die Folge war sehr viel Hass mir gegenüber von seinen Anhängern."

Pinkwashing – Ein weit verbreitetes Problem

Der Begriff Pinkwashing ist in Deutschland zunehmend in der Diskussion. Er bezeichnet Werbe- und Imagekampagnen, die queere Symbolik oder Unterstützung der Community verwenden, ohne ein echtes Engagement für die Rechte queerer Menschen zu zeigen – oder gar Verhalten im Widerspruch dazu. Viele Kritiker*innen bemängeln, dass Organisationen und Unternehmen im Pride-Monat Regenbogensymbole nutzen, während sie gleichzeitig in Ländern mit queerfeindlicher Gesetzgebung geschäftlich aktiv sind oder diese unterstützen.

Der Vorwurf des Pinkwashing geht oft einher mit der Tatsache, dass zwischen 50 und 100 Milliarden Euro Umsatz pro Pride-Saison durch buntes Marketing generiert werden. Der Vorwurf rein monetärer Antriebe ist mit einer erheblichen Gefahr für die Reputation verbunden. Hierunter leiden unter anderem auch Unternehmen, die es mit ihrer Unterstützung tatsächlich ernst meinen.

Die Situation im deutschen Fußball

In Deutschland hat sich bislang noch kein aktiver Fußballprofi als homosexuell geoutet. Wenn sich homosexuelle Sportler outen, kommt es von den Seiten der Fans und anderen Mitspielern immer wieder zu Pöbeleien, Beschimpfungen und übler Nachrede. Das Mobbing ist dann an der Tagesordnung, und der Karriere des entsprechenden Sportlers werden große Steine in den Weg gelegt.

Expert*innen berichten, dass Jugendspieler ihre Liebe aus Angst verstecken, Benachteiligung zu erfahren und es beispielsweise nicht in den Leistungskader zu schaffen. Im schlimmsten Fall hören sie mit dem Sport auf. Die Angst vor Diskriminierung und die fehlende Unterstützung durch Verbände bleiben zentrale Hindernisse für queere Menschen im Profisport.

Was kann sich ändern?

Pascal Kaiser und andere Aktivist*innen fordern klare Positionierungen der Verbände und konkrete Maßnahmen statt symbolischer Gesten. „Es reicht nicht, nur während des Pride-Months das Logo in Regenbogenfarben zu schmücken und einen Instagram-Post zu machen. Solche symbolischen Gesten sind bedeutungslos, wenn sie nicht von echten Taten begleitet werden", sagte Kaiser in einem früheren Interview.

Der Fall zeigt exemplarisch, wie groß die Kluft zwischen öffentlichen Diversitätsbekenntnissen und tatsächlichem Handeln im deutschen Fußball weiterhin ist. Für queere Sportler*innen wie Pascal Kaiser bedeutet dies: Der Kampf um Akzeptanz und echte Gleichberechtigung geht weiter – auf und neben dem Platz.


Kulturkampf um die Regenbogenfahne: Dobrindts Ministerium will queeres Symbol von Bundesgebäuden verbannen

Ein besorgniserregender Bericht des Tagesspiegels offenbart: Beamte im Haus von Alexander Dobrindt (CSU) wollen das Hissen des LGBTIQ-Symbols an Bundesgebäuden beenden. Der CSU-Innenminister hatte eine "Unterrichtung" angefordert, in der sich die Beamten über "fortwährend unterschiedliche Erscheinungsbilder" und "bewusste und öffentlich wahrnehmbare Zuwiderhandlungen" beschweren – gemeint sind SPD-Minister wie Lars Klingbeil, die Dobrindts Einschränkungen beim Hissen der Regenbogenfahne schlicht ignorierten.

Von Faesers Öffnung zu Dobrindts Rollback

Die Geschichte der Regenbogenfahne an deutschen Bundesgebäuden ist eine Geschichte von Fortschritt und Rückschritt. Im April 2022 unterzeichnete die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen historischen Erlass: "Wir sind ein modernes und vielfältiges Land. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir das auch als staatliche Institutionen deutlicher zeigen." Damit erlaubte sie erstmals offiziell das Hissen der Regenbogenfahne zu besonderen Anlässen wie dem Christopher Street Day oder dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT).

Doch nach dem Regierungswechsel änderte sich der Ton radikal. Bereits im April 2025 verschickte das Innenministerium unter Alexander Dobrindt ein Schreiben, das klarstellte: Die Regenbogenfahne darf nur noch einmal im Jahr gehisst werden. Diese Einschränkung erfolgte noch unter der Amtszeit von Nancy Faeser, doch interessanterweise hatte man es offenbar nicht für nötig befunden, die damals noch amtierende Innenministerin überhaupt zu unterrichten – ein möglicher Fall von "vorauseilendem Gehorsam" gegenüber der kommenden neuen Führung, wie der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, kritisierte.

Was die Beamten wirklich fordern

Das nun bekannt gewordene interne Dokument geht noch deutlich weiter. Die Ministerialbeamten fordern darin eine "grundsätzliche Überarbeitung" der geltenden Vorschriften. "Logo-Flaggen" wie die Regenbogenfahne sollen künftig prinzipiell nicht mehr zugelassen werden, mit Ausnahmen nur bei "besonderem bundes-/gesamtstaatlichen Bezug" wie der EU-Ratspräsidentschaft oder der Weltausstellung Expo.

Die Begründung offenbart eine bemerkenswerte Haltung: Die Bundesflagge habe Verfassungsrang und stehe "für Einheitlichkeit und Kontinuität staatlichen Handelns". Die "Wirkmächtigkeit der staatlichen Symbolik" durch Bundes- und EU-Flagge solle "uneingeschränkt erhalten werden", heißt es weiter. Besonders deutlich wird die Stoßrichtung in dieser Passage: "Insoweit wird die Regenbogenflagge privilegiert behandelt." Die Beamten warnen zudem vor "Forderungen anderer gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen".

Breiter Widerstand innerhalb der Regierung

Sollte Dobrindt versuchen, die Regenbogenfahne vollständig zu verbannen, dürfte er auf erheblichen Widerstand treffen. Ein solcher Schritt würde einen Kabinettsbeschluss erfordern – und SPD-Finanzminister Lars Klingbeil hatte sich bereits über Dobrindts Anordnung hinweggesetzt und die Regenbogenfahne zum zweiten Mal in diesem Jahr gehisst. Sein Ministerium teilte damals kämpferisch mit: "Wir wollen eine Gesellschaft des Respekts für jeden und jede sein, ganz gleich, wie man lebt und wen man liebt."

Auch Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas kündigte nach anfänglichem Zögern und Protesten aus der Community an, die Regenbogenfahne zum CSD Berlin zu hissen: "Wir werden auch ganz normal beflaggen." Die Beamten wiesen in ihrem Bericht selbst auf einen "Dissens innerhalb der Bundesregierung" hin.

Auch der Bundestag unter Beschuss

Der Kulturkampf um die Regenbogenfahne tobt nicht nur in den Ministerien. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) verbot das Hissen der Regenbogenfahne zum CSD und erlaubt es nur noch zum IDAHOBIT am 17. Mai. Zudem untersagte sie es den Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung, künftig als solche am CSD teilzunehmen.

Noch drastischer: Die Bundestagspolizei erhielt den Auftrag, alle sichtbar angebrachten Regenbogenfahnen auf dem Gelände des Bundestags zu entfernen – also Regenbogenfahnen, die an Türen und Fenstern der Abgeordnetenbüros gezeigt werden. Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano sprach von einem "beispiellosen Angriff auf Sichtbarkeit, Vielfalt und die Freiheit".

Ein gefährliches Signal in Zeiten steigender Gewalt

Die Debatte um die Regenbogenfahne ist mehr als nur ein Symbolstreit. Der LSVD+ warnte, dass dieser symbolische Akt in Zeiten steigender LGBTI-feindlicher Übergriffe ein "fatales politisches Signal" an queere Menschen sei. Während Alexander Dobrindt als erbitterter Gegner von LGBTI-Rechten gilt und Schwule und Lesben in der Vergangenheit als "schrille Minderheit" diffamierte, verschärft sich die Lage für queere Menschen in Deutschland.

Kanzler Friedrich Merz unterstützte das Vorgehen seiner Parteikollegin Klöckner mit der umstrittenen Bemerkung, der Bundestag sei "nicht ein Zirkuszelt" – eine Aussage, die in der queeren Community für Empörung sorgte. Die Botschaft ist klar: Was als Neutralitätsgebot verkauft wird, empfinden viele als gezielten Ausschluss.

Parallelen in Europa – und ein Hoffnungsschimmer

Deutschland steht mit dieser Debatte nicht allein. Während Spaniens Oberster Gerichtshof 2024 entschied, dass die Regenbogenfahne an Regierungsgebäuden nicht gegen Neutralitätsgebote verstößt und ein Symbol der Inklusivität sei, gibt es auch in anderen europäischen Ländern ähnliche Kontroversen. Doch die deutsche Entwicklung besorgt besonders: Nach Jahren des Fortschritts droht nun ein massiver Rückschritt.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Als Reaktion auf Klöckners Verbot dekorierte Berlins Verkehrsbetrieb die Bundestags-U-Bahn-Station in Regenbogenfarben und schrieb auf Instagram: "So, unser Bundestag ist bereit für Pride." Zivilgesellschaftlicher Widerstand formiert sich, und es bleibt abzuwarten, ob Dobrindt und die Union ihren Kulturkampf gegen die Sichtbarkeit queeren Lebens durchsetzen können.

Die Auseinandersetzung um ein Stück bunten Stoff offenbart am Ende eine grundsätzliche Frage: Welches Deutschland wollen wir sein? Eines, das Vielfalt als Teil seiner Identität sichtbar macht – oder eines, das queeres Leben wieder aus der Öffentlichkeit verdrängen will?


Frankreich führt "Nur Ja heißt Ja" ins Gesetz ein – Ein Meilenstein für sexuelle Selbstbestimmung

In einem historischen Schritt hat Frankreich am Mittwoch ein neues Zustimmungsgesetz verabschiedet, das explizite Einwilligung zu sexuellen Handlungen im Strafrecht verankert. Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem auch Deutschland seine eigenen Wege zur Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung beschreitet – wenn auch in anderen Bereichen.

Das französische Parlament hat damit auf einen der schockierendsten Kriminalfälle der jüngeren Geschichte reagiert: Den Fall von Gisèle Pelicot, die über neun Jahre hinweg von ihrem Ehemann betäubt und etwa 200 Mal von ihm und mehr als 80 weiteren Männern vergewaltigt wurde. Der Prozess um die Massenvergewaltigungen hatte die Debatte um das Sexualstrafrecht in Frankreich neu entfacht, und 51 Männer wurden zu Strafen zwischen 3 und 20 Jahren Haft verurteilt. Die vollständige Meldung findet sich auf queer.de.

Was ändert sich konkret in Frankreich?

Nach dem neuen Gesetz wird jede sexuelle Handlung ohne ausdrückliche Zustimmung als Vergewaltigung definiert, wobei Schweigen oder das Fehlen einer Reaktion nicht als Zustimmung gelten und es ein ausdrückliches Ja braucht. Die Zustimmung muss frei, konkret und widerrufbar sein.

Das Prinzip "Nur Ja heißt Ja" (französisch: "Seul oui signifie oui") ist damit strenger als das in Deutschland seit 2016 geltende "Nein heißt Nein"-Prinzip. In Deutschland sind sexuelle Handlungen als Vergewaltigung strafbar, wenn sie gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person vollzogen werden. Der Unterschied ist fein, aber bedeutsam: Während in Deutschland ein erkennbarer Widerstand vorausgesetzt wird, verlangt Frankreich nun eine aktive Zustimmung.

Eine mutige Frau verändert ein Land

Gisèle Pelicot bestand darauf, dass ihr Prozess öffentlich stattfindet, mit den Worten "damit das Schamgefühl die Seite wechselt" – eine Wendung, die zur Parole der MeToo-Bewegung wurde. In nur wenigen Wochen wurde Pelicot zum Vorbild und zur feministischen Ikone, die sagte, sie wolle, dass andere missbrauchte Frauen durch sie Mut bekämen.

Zahlreiche Angeklagte hatten ausgesagt, sie hätten nicht den Eindruck gehabt, das Opfer zu vergewaltigen, weil die Frau sich ihrer Ansicht nach schlafend gestellt habe. Diese Verteidigungsstrategie – die trotz eindeutiger Videobeweise von der Betäubung vorgebracht wurde – zeigt die erschreckende Realität einer Vergewaltigungskultur, in der fehlender Widerstand als Zustimmung interpretiert wird.

Bedeutung für die LGBTQ+ Community

Auch wenn das Gesetz alle Menschen schützt, hat es besondere Bedeutung für vulnerable Gruppen – darunter auch LGBTQ+ Personen. Queere Menschen erfahren überproportional häufig sexualisierte Gewalt, und die Hemmschwelle, Übergriffe anzuzeigen, ist oft noch höher als in der Gesamtbevölkerung. Ein klares rechtliches Rahmenwerk, das explizite Zustimmung verlangt, kann helfen, diese Schutzlücke zu schließen.

Das Gesetz sendet zudem ein wichtiges Signal: Konsens ist nicht verhandelbar – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Identität der beteiligten Personen. In einer Zeit, in der in einigen europäischen Ländern LGBTQ+ Rechte wieder unter Druck geraten, setzt Frankreich ein Zeichen für die körperliche Selbstbestimmung aller Menschen.

Deutschland auf einem anderen, aber wichtigen Weg

Während Frankreich sein Sexualstrafrecht reformiert, hat Deutschland in jüngster Zeit andere Fortschritte gemacht. Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen haben seit dem 1. November 2024 die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das jahrzehntelang kritisierte Transsexuellengesetz und stärkt die Autonomie trans*, inter* und nichtbinärer Personen erheblich.

Beide Entwicklungen – in Frankreich wie in Deutschland – zeigen, dass der Kampf für körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung auf unterschiedlichen Ebenen geführt werden muss. Während Frankreich mit dem neuen Zustimmungsgesetz den Schutz vor sexualisierter Gewalt stärkt, erweitert Deutschland die Rechte von trans* und inter* Personen auf geschlechtliche Selbstbestimmung.

Europäischer Kontext und Ausblick

Frankreich reiht sich mit der Reform in eine Gruppe europäischer Länder ein, die das Prinzip der aktiven Zustimmung bereits verankert haben. Frankreich hatte bereits 2011 die Istanbul-Konvention unterzeichnet, die genau das vorsieht, jedoch erfolgte im Gegensatz zu Ländern wie Spanien bisher keine Änderung des Strafrechts.

Für Deutschland stellt sich die Frage, ob das seit 2016 geltende "Nein heißt Nein" ausreichend ist oder ob auch hier eine Weiterentwicklung zum "Nur Ja heißt Ja"-Prinzip notwendig wäre. Feministische Organisationen und Opferschutzverbände fordern dies schon seit Jahren. Eine Debatte, die auch die LGBTQ+ Community betrifft, denn sexuelle Selbstbestimmung ist universell – sie schützt alle Menschen, unabhängig von ihrer Identität.

Der Fall Pelicot und die daraus resultierende Gesetzesänderung zeigen: Wenn mutige Menschen ihre Geschichten öffentlich machen, können sie gesellschaftliche Debatten anstoßen und Rechtssysteme verändern. "Die Scham muss die Seite wechseln" – dieser Satz gilt für alle Formen sexualisierter Gewalt und für alle Betroffenen, auch und gerade in der LGBTQ+ Community.


Nigeria: 25 Festnahmen bei vermeintlicher "Schwulenhochzeit" – Wenn Liebe zum Verbrechen wird

Am Samstag, dem 25. Oktober 2025, stürmte die religiöse Polizei Hisbah ein Veranstaltungszentrum in der nordnigerianischen Stadt Kano und verhaftete 25 Menschen, die einer vermeintlichen gleichgeschlechtlichen Hochzeit beiwohnten. Die Hisbah durchsuchte das Fatima Event Centre, nachdem sie einen Hinweis von einem „besorgten Bürger" erhalten hatte, der die Behörden über die geplante Zeremonie informiert hatte. Wie GCN berichtet, wurden 18 Männer und sieben Frauen festgenommen – darunter auch das Paar, das sich angeblich das Ja-Wort geben wollte.

Ein Muster staatlicher Verfolgung

Diese Razzia ist kein Einzelfall. Die Hisbah hat im Laufe der Jahre Dutzende Menschen bei angeblichen gleichgeschlechtlichen Hochzeiten verhaftet, darunter in den Jahren 2022, 2018, 2015 und 2007 – doch bisher wurde niemand verurteilt. Trotzdem wiederholt sich das brutale Schauspiel immer wieder: Im Jahr 2023 fanden zwei Massenverhaftungen bei privaten Veranstaltungen statt, am 27. August wurden in der südlichen Stadt Ekpan 67 Menschen festgenommen, nur wenige Wochen später wurden weitere 76 Menschen bei einer Geburtstagsfeier verhaftet.

Die aktuellen Berichte von Menschenrechtsorganisationen zeichnen ein erschreckendes Bild: Während der Haft wurde den Festgenommenen der Zugang zu Medikamenten und rechtlicher Vertretung verweigert, willkürliche Verhaftungen, Belästigung, Erpressung und Misshandlungen in Gewahrsam wurden dokumentiert.

Die Hisbah: Religiöse Polizei mit umstrittener Macht

Die Kano State Hisbah Corps ist eine religiöse Polizeitruppe, die für die Durchsetzung der Scharia für Muslime im Bundesstaat Kano und anderen Teilen Nordnigerias zuständig ist. Die Organisation wurde im Jahr 2000 von der Landesregierung gegründet und 2003 durch die Institutionalisierung zuvor lokaler und privat organisierter Hisbah-Einheiten erweitert. Offiziell hat die Hisbah keine Befugnis, Verhaftungen durchzuführen, und ihre Beamten sind nur mit nicht-tödlichen Waffen zur Selbstverteidigung bewaffnet – sie sollen Verstöße gegen die Scharia der nigerianischen Polizei melden.

Doch die Realität sieht oft anders aus. Berichte aus dem Jahr 2022 zeigen potenzielle Menschenrechtsverletzungen durch die Behörde, darunter erzwungene HIV- und Schwangerschaftstests, brutale Schläge von Insassen und verlängerte Haftzeiten für Minderjährige. Laut BBC soll die Hisbah nur für Muslime gelten, „aber in der Realität stehen auch Nicht-Muslime unter Druck, sich den Entscheidungen der Hisbah zu unterwerfen".

Drakonische Gesetze und gesellschaftliche Ablehnung

Die Förderung gleichgeschlechtlicher Verbindungen wurde 2014 in Nigeria zu einer Straftat erklärt, Personen, die gegen das Gesetz verstoßen, drohen bis zu 14 Jahre Gefängnis. In zwölf der 36 nigerianischen Bundesstaaten gilt seit 1999 die Scharia parallel zum staatlichen Rechtssystem – unter dieser Gesetzgebung kann Homosexualität theoretisch mit der Todesstrafe geahndet werden, auch wenn diese Strafe nie vollstreckt wurde. Im Rest Nigerias können Personen, die wegen homosexueller Handlungen verurteilt werden, mit lebenslanger Haft bestraft werden.

Die gesellschaftliche Stimmung ist ebenso bedrückend: Eine Studie des Pew Research Centre aus dem Jahr 2023 zeigt, dass 97% der Nigerianer gegen die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen sind. Diese Zahlen spiegeln nicht nur religiöse Überzeugungen wider, sondern auch die Wirkung jahrzehntelanger staatlicher Propaganda und kolonialer Gesetzgebung, die Homosexualität als "unafrikanisch" stigmatisiert.

Deutschland als Zufluchtsort – mit Hürden

Für queere Menschen aus Nigeria, die vor Verfolgung fliehen, ist Deutschland theoretisch ein sicheres Ziel. LGBTIQ+-Personen, die verfolgt werden, haben Anspruch auf Asyl in Deutschland – Verfolgung bedeutet, dass ihnen im Herkunftsland extreme Gewalt, Tod, Gefängnis oder andere Formen unmenschlicher Behandlung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität drohen.

Doch der Weg ist steinig. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als auch die Verwaltungsgerichte glauben manchmal nicht, dass Antragsteller tatsächlich LGBTIQ+ sind, wenn sie keinen „lückenlosen Bericht über ihre Erfahrungen" liefern können, was zur Ablehnung von Asylanträgen führt. Eine lesbische Asylsuchende aus Uganda berichtete, dass sie in Sammelunterkünften mit Menschen untergebracht wurde, die homophobe Ansichten vertreten könnten, was sie zwang, sich selbst zu isolieren.

Besonders problematisch: Der LSVD nennt konkrete Fälle aus Kamerun, Tansania, Nigeria und Pakistan, in denen deutsche Behörden die sexuelle Identität von schwulen oder bisexuellen Männern versehentlich an ihre Herkunftsländer weitergegeben haben. Trotz dieser Herausforderungen bleibt Deutschland für viele verfolgte LGBTIQ+-Menschen aus Nigeria eine der wenigen Hoffnungen auf ein Leben in Sicherheit und Würde.

Ein globales Problem – auch in Deutschland spürbar

In zwölf afrikanischen Ländern werden Gesetze verstärkt als Unterdrückungsinstrumente gegen LGBTI+ eingesetzt – insgesamt kriminalisieren 31 afrikanische Länder einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen, wie eine Analyse von Amnesty International zeigt. Diese Entwicklung betrifft auch Deutschland direkt: Immer mehr Menschen fliehen vor dieser Verfolgung und suchen hier Schutz.

Die Ereignisse in Kano erinnern uns daran, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind – weder in Nigeria noch anderswo. Während wir in Deutschland über die weitere Verbesserung von LGBTIQ+-Rechten diskutieren, kämpfen Menschen in Nigeria täglich ums Überleben, nur weil sie lieben, wen sie lieben. Ihre Geschichten verdienen unsere Aufmerksamkeit, unsere Solidarität und unser Handeln.


Texas erlaubt Richtern Verweigerung gleichgeschlechtlicher Trauungen – Ein Rückschlag für LGBTQ+-Rechte

In einem erschütternden Urteil hat der Oberste Gerichtshof von Texas am Freitag, den 25. Oktober 2024, entschieden, dass Richter:innen im Bundesstaat gleichgeschlechtliche Eheschließungen aus "aufrichtig vertretenen religiösen Überzeugungen" ablehnen dürfen. Diese Entscheidung markiert einen dramatischen Rückschritt für die Gleichstellung queerer Menschen und steht im krassen Gegensatz zu den Rechtsstandards in Deutschland. Die vollständige Berichterstattung über diesen Fall findet sich auf Pink News.

Die Entscheidung und ihre Tragweite

Der Oberste Gerichtshof von Texas änderte am Freitag den richterlichen Verhaltenskodex, um klarzustellen, dass "es keine Verletzung dieser Regeln darstellt, wenn ein Richter öffentlich davon absieht, eine Trauungszeremonie aufgrund einer aufrichtig vertretenen religiösen Überzeugung durchzuführen". Die Änderung wurde von allen neun Richtern des vollständig republikanisch besetzten Gerichts unterzeichnet und trat sofort in Kraft.

Diese Entscheidung folgt einem jahrelangen Rechtsstreit um Dianne Hensley, eine Richterin aus McLennan County, die den Bundesstaat verklagte, nachdem sie öffentlich sanktioniert wurde, weil sie sich weigerte, gleichgeschlechtliche Hochzeiten aus dem durchzuführen, was sie als "bibeltreues" Gewissen beschrieb. Die Kommission erklärte in ihrer Warnung, Hensleys ungleiche Art der Amtsführung verstoße gegen den texanischen Verhaltenskodex für Richter, indem sie "Zweifel an ihrer Fähigkeit wecke, unparteiisch gegenüber Personen zu handeln, die wegen ihrer sexuellen Orientierung vor ihr als Richterin erscheinen".

Der Fall Kim Davis und seine Parallelen

Der texanische Fall erinnert stark an die bundesweite rechtliche Auseinandersetzung mit Kim Davis, die von 2015 bis 2019 als Bezirksangestellte von Rowan County in Kentucky tätig war und sich weigerte, kurz nach dem Obergefell-Urteil des Supreme Court im Jahr 2015 Heiratsurkunden an gleichgeschlechtliche Paare auszustellen. Das Gericht wird am 7. November in einer nichtöffentlichen Konferenz darüber beraten, ob es Kim Davis' Anfechtung der gleichgeschlechtlichen Ehe anhören wird, und eine Entscheidung könnte bereits am Montag, dem 10. November, bekannt gegeben werden.

Das Ergebnis könnte erhebliche Auswirkungen auf den landesweiten Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe durch Obergefell haben, der ein verfassungsmäßiges Recht auf Eheschließung umfasst. Jedoch betonen Rechtsanalytiker, dass das Gericht den Fall möglicherweise auf engeren Grundlagen entscheiden könnte, wie etwa qualifizierte Immunität oder dem Unterschied zwischen Davis' persönlicher und beruflicher Eigenschaft.

Ein Blick nach Deutschland: Solide Rechtslage für LGBTQ+-Rechte

Im Gegensatz zu Texas steht die Rechtslage in Deutschland auf einem völlig anderen Fundament. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist in Deutschland seit dem 1. Oktober 2017 legal. Der Bundestag beschloss, im Bürgerlichen Gesetzbuch festzuschreiben, dass eine Ehe von "zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit" geschlossen wird.

Besonders wichtig ist: In Deutschland kann eine Ehe nur vor einem Standesbeamten geschlossen werden, religiöse Zeremonien haben keine rechtliche Wirkung. Ein Szenario wie in Texas, in dem Amtsträger aus religiösen Gründen gleichgeschlechtliche Paare diskriminieren dürfen, wäre in Deutschland undenkbar. Der Standesbeamte muss seine Mitwirkung verweigern, wenn gesetzliche Hindernisse vorliegen – religiöse Überzeugungen gehören jedoch nicht dazu.

Eine Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2019 ergab, dass 84% der Deutschen glaubten, die gleichgeschlechtliche Ehe sollte in ganz Europa erlaubt sein. Eine Pew-Umfrage zwischen Februar und Mai 2023 zeigte, dass 80% der Deutschen die gleichgeschlechtliche Ehe unterstützen. Diese breite gesellschaftliche Unterstützung bildet ein starkes Fundament für die Rechtssicherheit queerer Paare in Deutschland.

Kritik an der texanischen Entscheidung

Für Bürgerrechtsanwälte stellt die Entscheidung einen besorgniserregenden Präzedenzfall dar. Sie legt nahe, dass Richter, die schwören, die Verfassung zu wahren und das Gesetz gleich anzuwenden, sich selektiv weigern können, bestimmten Bürgern aufgrund ihres persönlichen Glaubens zu dienen.

Jason Mazzone, ein Rechtsprofessor an der University of Illinois, sagte, dass die Umgehung des Verhaltenskodex durch den Obersten Gerichtshof von Texas die Möglichkeit offenlässt, dass ein schwules Paar mit Klageberechtigung die Entscheidung eines Richters, sie nicht zu trauen, auf verfassungsrechtlichen Grundlagen der Gleichbehandlung anfechten kann. "Das ist natürlich nicht, wie Gleichbehandlung funktioniert, und es ist nicht, wie wir erwarten, dass Regierungsbeamte arbeiten".

Was bedeutet das für LGBTQ+-Rechte in den USA?

Die Entscheidung trägt zu wachsenden landesweiten Spannungen über LGBTQ+-Rechte und jüngste Gesetze bei, die die Geschlechtsidentität betreffen. Während die rechtliche Lage in einzelnen US-Bundesstaaten zunehmend unsicherer wird, bietet Deutschland seinen LGBTQ+-Bürger:innen einen robusten Rechtsschutz. Die Entwicklungen in Texas zeigen, wie wichtig es ist, errungene Rechte kontinuierlich zu verteidigen und internationale Solidarität mit queeren Menschen in weniger geschützten Rechtssystemen zu zeigen.

Die kommenden Wochen werden entscheidend sein – insbesondere die Entscheidung des Supreme Court am 7. November über den Fall Kim Davis könnte weitreichende Folgen für die Gleichberechtigung in den USA haben. Für queere Menschen in Deutschland bleibt die Botschaft klar: Die "Ehe für alle" ist nicht nur ein Symbol, sondern ein durch das Grundgesetz geschütztes Recht, das Diskriminierung durch staatliche Amtsträger unmöglich macht.


Tom Daley über Bulimie und Körperdruck in der schwulen Community: "Unrealistische Körpererwartungen"

Der britische Wasserspringer und fünffache Olympiamedaillengewinner Tom Daley hat sich in einem Interview mit der Radio Times erneut über seine jahrelangen Kämpfe mit Körperdysmorphie und Bulimie geäußert. Der 31-Jährige, der kürzlich in der britischen TV-Show "The Celebrity Traitors" zu sehen war, sprach offen über die "unrealistischen Körpererwartungen" in der schwulen Community und die Herausforderungen, die Social Media und Gay-Kultur mit sich bringen. (Quelle: PinkNews)

Der Beginn einer dunklen Zeit

Die Wurzeln von Daleys Essstörung reichen zurück bis Ende 2011, als ihm sein Leistungsdirektor beim britischen Wasserspringen sagte, er sei übergewichtig und müsse schlanker und magerer aussehen wie 2008 – als Daley gerade einmal 14 Jahre alt war. "Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, nach meinem Aussehen beurteilt zu werden und nicht nach meiner Leistung im Sprungbecken", erinnert sich der Sportler.

"Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich damals tat, also habe ich einfach das Essen gestrichen", gestand Daley. "Männer sollten keine Essstörungen haben, Männer sollten keine Probleme mit der psychischen Gesundheit haben. Männer sollten macho sein", so die damalige gesellschaftliche Erwartung, die ihn in die Isolation trieb.

Unterstützung durch Ehemann Dustin Lance Black

Heute findet Daley Kraft in seiner Familie. Er ist seit 2017 mit dem Oscar-prämierten Drehbuchautor Dustin Lance Black verheiratet, mit dem er zwei Söhne – Robbie (6) und Phoenix (2) – hat. "Mein Ehemann war eine große Unterstützung dabei", erklärt Daley über seinen Umgang mit den Körperbildproblemen. Auch über die 19-jährige Altersdifferenz zwischen ihm und seinem Mann sagte Daley, dass sie sich "zu hundert Prozent" weniger anfühle, je länger sie zusammen seien: "Die Leute, die uns kennen, wissen, dass ich die reifere Person bin, die zu Hause die Show leitet".

Ein Problem der gesamten LGBTQ+-Community

Daleys Offenheit lenkt den Blick auf ein weitverbreitetes Problem: Schwule und bisexuelle Männer haben eine deutlich höhere Prävalenz von Essstörungen als heterosexuelle Männer. Während nur etwa 6 Prozent der männlichen Bevölkerung schwul sind, machen sie bis zu 42 Prozent der Männer mit Essstörungen aus.

Auch in Deutschland ist das Thema hochaktuell. Bei 54 Prozent von amerikanischen Schwulen, Lesben, Bisexuellen und transgeschlechtlichen Personen zwischen 13 und 24 Jahren wurden bereits Essstörungen diagnostiziert. Insgesamt glauben sogar drei Viertel aller jungen LGBT, an Essstörungen zu leiden. Eine österreichische Studie zeigte, dass jeder fünfte LGBTI*-Mensch eine Essstörung hat (19%).

Körperkult und Druck in der schwulen Szene

Die Gründe für diese erschreckenden Zahlen sind vielfältig. Schwule Männer zeigen eine größere Diskrepanz zwischen aktuellem und idealem Körperfett, höheres Schlankheitsstreben, mehr körperbezogenes Vermeidungsverhalten und insgesamt stärkere Körperbildstörungen sowie höhere Essstörungs- und körperdysmorphe Störungssymptome als heterosexuelle Männer.

Bei Schwulen komme hinzu, dass der gesellschaftliche Druck, einen perfekten Körper zu haben, höher sei als bei heterosexuellen Männern. Viele beschreiben diesen idealen Körper als sowohl muskulös als auch dünn – eine Kombination, die einzigartig für die schwule männliche Community ist. Dieser Druck wird durch Dating-Apps und soziale Medien zusätzlich verstärkt, wie deutsche Experten betonen.

Deutsche Perspektive: Forschung und Hilfsangebote

In Deutschland gibt es bislang wenige geoutete schwule Spitzensportler – im Fußball hat sich noch kein aktiver Profi als homosexuell geoutet. Umso wichtiger sind Vorbilder wie Tom Daley, die ihre Geschichten teilen. Homosexuelle Männer zeigen im Selbstbericht eine höhere Ausprägung in Körperunzufriedenheit und Schlankheitsstreben als heterosexuelle Männer, und bei ihnen liegt tendenziell eine schwerere Essstörungs-Symptomatik vor.

Es ist wichtig, der Stigmatisierung von Männern mit Essstörungen entgegenzuwirken und Hürden in Diagnostik und Behandlung abzubauen. Die gängigen Screening- und Diagnoseverfahren sollten angepasst werden, um den Besonderheiten essgestörten Verhaltens bei Männern gerecht zu werden, fordern deutsche Mediziner im Deutschen Ärzteblatt.

Hilfe ist möglich

Tom Daley betont heute: "Jetzt muss ich einfach eine gesunde Beziehung zu meinem Körper haben". Seine Botschaft an Betroffene ist klar: "Sucht euch früher Hilfe, fangt jetzt an, darüber zu sprechen, auf jede erdenkliche Weise, mit jedem, dem ihr vertraut. Ich wünschte, ich hätte das getan".

Für Menschen in Deutschland, die mit Essstörungen kämpfen, bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) umfassende Informationen und Hilfsangebote. Auch die Community selbst kann eine wichtige Rolle spielen: Soziale Kontakte in der Szene können massiv entgegenwirken, auch und gerade in Bereichen wie dem Burn-out oder bei Essstörungen. Stress lässt sich dabei innerhalb der Community auch jenseits von Bars und Clubs abbauen, beispielsweise bei schwulen Sportvereinen, Gay-Workshops oder Kulturverbänden.

Daleys Mut, über seine Kämpfe zu sprechen, ist ein wichtiger Schritt, um das Bewusstsein für diese oft verschwiegene Problematik zu schärfen – sowohl in der LGBTQ+-Community als auch darüber hinaus. In einer Zeit, in der vor allem während der Pandemie ein massiver Anstieg von Essstörungen zu verzeichnen war – bei 10- bis 14-Jährigen um 33 Prozent, bei den 15- bis 17-Jährigen um 54 Prozent, braucht es mehr Vorbilder wie ihn, die zeigen: Man ist nicht allein, und es gibt einen Weg zurück ins Licht.


"Als ob trans sein eine Beleidigung wäre": Hailey Bieber kontert Trolle mit starker Botschaft

Model und Unternehmerin Hailey Bieber hat mit einer bemerkenswerten Reaktion auf transfeindliche Online-Trolle für Begeisterung in der LGBTQ+-Community gesorgt. Die 28-jährige Frau von Popstar Justin Bieber erklärte in einem Podcast, dass Menschen versuchen würden, "gemein zu sein" und sagen: "Sie sieht trans aus." Darauf antwortete sie: "Warum denkt ihr, dass das eine Beleidigung ist? Als ob trans sein eine Beleidigung wäre?" Der Originallink zur Meldung findet sich bei PinkNews.

Klare Haltung im Podcast mit Owen Thiele

Das Model und die Geschäftsfrau trat Ende letzter Woche im Podcast "In Your Dreams" mit Owen Thiele auf, als ein kleines Kleidungsmissgeschick die beiden Freunde dazu brachte, über die Kritik zu sprechen, der Bieber manchmal wegen ihres Aussehens ausgesetzt ist. Bieber erklärte: "Wenn Leute versuchen, gemein zu sein, sagen sie: 'Sie sieht trans aus', und ich denke mir: 'Warum denkst du, dass das eine Beleidigung ist? Einige der schönsten Frauen und Männer der Welt sind trans, also nehme ich das überhaupt nicht als Beleidigung auf.'"

Ihre Äußerungen wurden online weithin gefeiert, wobei Fans sie dafür lobten, mit Anmut und Empathie auf Hass zu reagieren. Ein YouTube-Kommentator nannte es "Königinnen-Verhalten", während ein anderer sie dafür lobte, "Leute zu durchschauen, die 'trans' als Beleidigung benutzen."

Das gefährliche Phänomen des "Transvestigating"

"Transvestigating" bedeutet zu "untersuchen", ob eine cisgender Berühmtheit heimlich transgender ist, indem man ihre körperlichen Merkmale, Körpersprache und Pseudowissenschaften wie Phrenologie und Physiognomie betrachtet. Es ist in den letzten Jahren zunehmend populär geworden, da trans-ausschließender radikaler Feminismus und Anti-Trans-Hexenjagden zunehmen. Dieses Phänomen betrifft nicht nur Hailey Bieber – auch der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron reichten im Sommer eine Verleumdungsklage gegen die rechtsgerichtete Kommentatorin Candace Owens ein, nachdem diese angeblich Gerüchte verbreitet hatte, die First Lady sei transgender.

Transfeindlichkeit in Deutschland: Ein alarmierendes Problem

Biebers klare Haltung ist besonders relevant für die Situation in Deutschland, wo Transfeindlichkeit ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem darstellt. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 sind 37 % der Befragten in Deutschland transfeindlich – eine alarmierend hohe Zahl. In den vergangenen Jahren lässt sich eine deutliche Zunahme von Trans- und Queerfeindlichkeit in Mitteldeutschland und weltweit beobachten. Ob in den Parlamenten, auf der Straße oder im gesellschaftlichen Diskurs – der Wind gegen trans Personen und Queers ist rauer geworden.

2021 registrierte das Bundeskriminalamt in seiner Statistik zu Politisch motivierter Kriminalität 1.210 Fälle von Hassverbrechen aufgrund des Geschlechts, der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung. 2020 waren es noch 782 - ein Anstieg um knapp 54 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig öffentliche Statements wie das von Hailey Bieber sind.

Engagement für LGBTQ+-Rechte

Biebers Statement kommt nicht aus dem Nichts. Im Jahr 2023 schloss sie sich anderen Berühmtheiten und LGBTQ+-Verbündeten an, um einen offenen Brief an Meta-CEO Mark Zuckerberg zu unterzeichnen, in dem sie zu stärkeren Maßnahmen gegen Anti-Trans-Rhetorik auf Social-Media-Plattformen aufrief. Ihr aktuelles Statement könnte in der Tradition anderer mutiger Promi-Reaktionen stehen: Bereits 2009 wurde Lady Gaga mit Gerüchten konfrontiert, sie habe einen Penis. Als sie vom Journalisten Anderson Cooper gefragt wurde, ob das wahr sei, antwortete sie: "Vielleicht habe ich einen. Wäre das so schrecklich? Warum zum Teufel sollte ich meine Zeit damit verschwenden, eine Pressemitteilung darüber abzugeben, ob ich einen Penis habe oder nicht?"

Vorbilder in Deutschland und weltweit

Es gibt zahlreiche erfolgreiche trans Personen im deutschsprachigen Raum, die als Vorbilder dienen. Dazu gehören etwa Felicia Ewert, Model, Speakerin und Aktivistin, sowie Kim Petras, die als Sängerin international erfolgreich ist, und Balian Buschbaum, der ehemalige Stabhochspringer.

Trans Personen gehen üblicherweise aus den LSBT-Zielgruppen gewidmeten Studien als die vulnerabelste und am meisten diskriminierte Gruppe hervor. Umso wichtiger sind Statements wie das von Hailey Bieber, die zeigen, dass trans zu sein nichts ist, wofür man sich schämen muss – sondern etwas, das gefeiert werden sollte.

Ein Zeichen der Solidarität

Bieber hat bewiesen, wie einfach es ist, ein Verbündeter zu sein. Ihre Worte senden eine kraftvolle Botschaft an trans Menschen weltweit: Ihr seid schön, ihr seid wertvoll, und eure Identität ist keine Beleidigung. In einer Zeit, in der die feindliche Stimmung von rechten bis rechtsextremen, bürgerlich-konservativen, religiösen und teils sogar von "feministischen" Milieus getragen und befeuert wird, sind solche Statements von Personen des öffentlichen Lebens wichtiger denn je.

Die Reaktionen auf Social Media zeigen, dass Biebers Botschaft angekommen ist. Viele User*innen feiern ihre Antwort als "ikonisch" und fordern mehr dieser Energie in der öffentlichen Diskussion. Denn am Ende geht es darum, eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität – respektvoll und gleichberechtigt behandelt werden.


Ein Jahr Selbstbestimmungsgesetz: Über 22.000 Menschen in Deutschland haben ihren Geschlechtseintrag geändert

Es ist ein historischer Meilenstein für trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen in Deutschland: Seit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes vor knapp einem Jahr haben mehr als 22.000 Menschen in Deutschland ihren Geschlechtseintrag im Geburtenregister ändern lassen, wie eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt. Die Zahlen belegen eindrucksvoll, wie groß der Bedarf nach einem würdevollen Verfahren zur Änderung des Personenstands war – und wie problematisch das vorherige System über Jahrzehnte hinweg gewesen ist. Die ursprüngliche Meldung auf queer.de zeigt die Bedeutung dieser Entwicklung für die LGBTQ+-Community auf.

Ein überwältigender Start: 7.000 Anträge im ersten Monat

Vor allem im ersten Monat des neu geltenden Gesetzes, im November 2024, ergriffen viele Menschen die Möglichkeit: 7.057 Personen änderten in dem Monat ihren bestehenden Eintrag. Diese beeindruckende Zahl im ersten Monat zeigt deutlich, wie viele Menschen jahrelang auf diesen Moment gewartet haben. Der vorübergehende Anstieg der Änderungszahlen lässt sich auch mit einem Nachholeffekt erklären – viele Menschen haben mit der Änderung ihres Geschlechtseintrags teilweise jahrelang gewartet, um nicht das grund- und menschenrechtswidrige Transsexuellengesetz nutzen zu müssen.

In den Folgemonaten gingen die Zahlen leicht, aber kontinuierlich zurück, von 2.936 im Dezember 2024 auf 1.244 im Juli 2025. Diese Normalisierung war zu erwarten und entspricht ähnlichen Entwicklungen in anderen Ländern, die vergleichbare Reformen eingeführt haben.

Der dramatische Unterschied zum alten System

Der Kontrast zum vorherigen Verfahren könnte kaum größer sein: In den zehn Monaten vor Inkrafttreten des Gesetzes – Januar bis Oktober 2024 – nahmen bundesweit insgesamt nur 596 Menschen eine solche Änderung vor. Das bedeutet, dass allein im November 2024 mehr als elfmal so viele Menschen ihren Geschlechtseintrag änderten wie in den gesamten zehn Monaten zuvor zusammen.

Mit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes zum 1. November 2024 trat das Transsexuellengesetz außer Kraft, das für die Änderung des Geschlechtseintrags und Namens ein aufwendiges Gutachterverfahren und die gerichtliche Anerkennung der Änderungen vorschrieb. Diese Vorgaben empfanden viele Betroffene als entwürdigend. Das Verfahren war außerdem langwierig und kostspielig.

Die dunkle Geschichte des Transsexuellengesetzes

Das nun abgelöste Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1981 steht für eines der dunkelsten Kapitel deutscher Rechtsprechung im Bereich der Menschenrechte. In den Fragebögen für die Begutachtung tauchten unter anderem solche Fragen auf: Wie oft masturbieren Sie durchschnittlich innerhalb eines Monats? Diese intimen und entwürdigenden Fragen mussten trans Menschen beantworten, nur um ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen zu können.

Die Geschichte des TSG ist auch eine Geschichte der Menschenrechtsverletzungen: So mussten transgeschlechtliche Menschen noch bis 2008 die Scheidung einreichen und waren bis 2011 gezwungen, sich sterilisieren und geschlechtsangleichende Operationen vornehmen zu lassen, damit ihr falscher Geschlechtseintrag korrigiert werden konnte. Laut Bundesverband Trans* e.V. betraf das in Deutschland mehr als 10.000 Menschen.

Das neue Verfahren: Einfach und würdevoll

Seit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes können Menschen relativ einfach über eine Erklärung beim Standesamt ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen ändern lassen. Anmelden müssen sie dies drei Monate im Voraus. Erlaubt sind die Ausprägungen männlich, weiblich, divers und ohne Angabe.

Das neue Verfahren basiert auf dem Prinzip der Selbstbestimmung und verzichtet auf die psychiatrische Begutachtung, die viele Betroffene als pathologisierend und diskriminierend empfanden. Das Bundesfamilienministerium bietet umfassende Informationen zum Verfahren und beantwortet häufig gestellte Fragen.

Wer ändert in welche Richtung?

Interessant sind auch die Daten zur Änderungsrichtung: 33 Prozent der vorliegenden Erklärungen in 2024 betreffen Änderungen des Eintrags von männlich zu weiblich und 45 Prozent von weiblich zu männlich, was mehr als drei Viertel aller Änderungen umfasst. Diese Zahlen widerlegen die in der öffentlichen Debatte oft geäußerte Behauptung, das Gesetz würde primär von trans Frauen genutzt werden.

Deutschland folgt internationalem Trend

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz reiht sich Deutschland in eine wachsende Gruppe von Ländern ein, die die Menschenrechte von trans Personen respektieren. Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay, Spanien, Finnland, Schweiz, Brasilien, Kolumbien und Ecuador respektieren in entsprechenden Gesetzen die Grundrechte und Selbstbestimmung von trans* Personen bei der Änderung des Geschlechtseintrags. Auch Deutschland hat seit 1. November ein Selbstbestimmungsgesetz.

Immer mehr Länder haben die belastenden Anforderungen für eine rechtliche Geschlechtsanerkennung abgeschafft, einschließlich medizinischer oder psychologischer Gutachten. In Ländern wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay gibt es einfache Verwaltungsverfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts auf Grundlage der Selbstbestimmung.

Persönliche Geschichten: Wenn endlich die Papiere stimmen

Hinter jeder dieser Zahlen steht eine persönliche Geschichte, ein individueller Weg zur Selbstfindung und oft jahrelanger Leidensdruck. Erfahrungsberichte wie der aus Nürnberg zeigen, welche emotionale Bedeutung die Änderung des Personenstands für die Betroffenen hat. Die amtliche Dokumentierung des selbstgewählten Namens macht Menschen "zu einem richtig glücklichen Menschen", wie eine Betroffene beschreibt.

Aktuelle Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Trotz dieses historischen Fortschritts gibt es auch kritische Stimmen und neue Herausforderungen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant ein neues Gesetzesvorhaben, das die Übermittlung der personenbezogenen Daten beim Personenstandwechsel an alle maßgeblichen Behörden vorsieht, um so "Missbrauch" vorzubeugen. Queere Vereine wie der LSVD+ kritisieren das Vorgehen scharf, die Linksfraktion spricht von der Wiedereinführung „Rosa Listen".

Die Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch, betonte, dass die Evaluation des Selbstbestimmungsgesetzes „Positives bringen" könne und wünscht sich zudem mehr Sachlichkeit in der Debatte. Es bleibt zu hoffen, dass die Rechte von trans Menschen nicht wieder eingeschränkt werden und dass die gesellschaftliche Debatte sachlicher wird.

Ein Meilenstein für Menschenrechte

Die über 22.000 Änderungen des Geschlechtseintrags in den ersten neun Monaten des Selbstbestimmungsgesetzes sind mehr als nur eine Statistik. Sie repräsentieren 22.000 Menschen, die endlich in ihrer wahren Identität rechtlich anerkannt werden. Sie stehen für ein Ende von Jahrzehnten der Diskriminierung und Pathologisierung. Und sie sind ein Zeichen dafür, dass Deutschland – wenn auch spät – einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung und Menschenwürde für alle gemacht hat.

Das Selbstbestimmungsgesetz zeigt: Wenn man trans Menschen die Möglichkeit gibt, ihr Leben selbstbestimmt und würdevoll zu gestalten, werden sie dieses Recht wahrnehmen. Die hohen Zahlen zu Beginn belegen den jahrelangen Aufstau unter dem diskriminierenden alten System. Die sich normalisierende Entwicklung danach zeigt, dass ein unkompliziertes Verfahren funktioniert – ohne die von Kritikern befürchteten "Missbräuche".


"Menschen zweiter Klasse": Württembergs evangelische Kirche verweigert Schwulen und Lesben weiter die Gleichstellung

Die Enttäuschung unter queeren Gläubigen in Württemberg sitzt tief: Am 29. November 2024 sprach sich die Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mit knapper Mehrheit gegen die Öffnung des Trauungsrechts für gleichgeschlechtliche Paare aus (die ursprüngliche Meldung auf queer.de hier). Für den Beschluss des Gesetzes hätte es mindestens 60 Ja-Stimmen gebraucht, es gab aber lediglich 56 bei 31 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. Ein Moment, der zeigt: Auch im Jahr 2024 kämpfen LGBTQ+-Menschen in Deutschland noch um volle Anerkennung – selbst in Institutionen, die Nächstenliebe predigen.

LSVD+ kritisiert Kirche scharf: "Signal der Ausgrenzung"

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg schafft es wieder nicht, eine Gleichstellung für ihre lesbischen und schwulen Mitglieder zu schaffen – und deren Diskriminierung in dieser Landeskirche geht weiter, so der LSVD+ Baden-Württemberg. Die Kritik ist deutlich: In Zeiten zunehmender Hasskriminalität gegen queere Menschen fehlt ein starkes Signal der Kirche. Stattdessen sollen sich queere Gläubige "in ihren Gemeinden weiterhin hinten anstellen", wie der Landesverband betont.

Die Zahlen sprechen eine beunruhigende Sprache: Laut Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium wurden 2024 im Unterthemenfeld "sexuelle Orientierung" 1.765 Straftaten erfasst, was einer Steigerung von etwa 18% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die polizeilichen Fallzahlen zeigen einen besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten über die vergangenen Jahre, die Zunahme ist erschreckend. In diesem Klima bräuchten queere Menschen Unterstützung – auch von der Kirche.

Der Kompromiss, der keiner ist

Was bedeutet die Entscheidung konkret? Stattdessen soll es bei einem besonderen Gottesdienst zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare bleiben – ohne die rechtliche und liturgische Gleichstellung mit der klassischen Trauung. Seit März 2019 gilt: In bis zu einem Viertel der Gemeinden können Segnungsgottesdienste nach einer zivilen Eheschließung angeboten werden, wobei im Gemeinderat drei Viertel der Mitglieder und unter den Pfarrern einer Gemeinde ebenfalls drei Viertel einwilligen müssen.

Ein bürokratisches Hindernis-Labyrinth, das vielen Paaren den Zugang zur kirchlichen Segnung faktisch verwehrt. Während heterosexuelle Paare einfach beim Pfarramt ihrer Gemeinde vorbeigehen können, müssen homosexuelle Paare hoffen, dass ihre Gemeinde überhaupt zu den wenigen gehört, die Segnungsgottesdienste anbieten dürfen – und dass genügend Kirchenvertreter zustimmen.

Bayern zeigt: Es geht auch anders

Dass es besser geht, beweist das Nachbarland: Die evangelische Landeskirche in Bayern führte im April 2025 die "Trauung für alle" ein – auch homosexuelle Paare können nun den Bund der Ehe schließen, wie die Landessynode beschlossen hat. Ein historischer Schritt, der zeigt, dass theologische Bedenken überwunden werden können, wenn der Wille zur Gleichstellung vorhanden ist.

Bei der Mehrzahl der 20 evangelischen Landeskirchen sind gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Paare inzwischen komplett gleichgestellt, auch für gleichgeschlechtliche Paare werden dort Traugottesdienste angeboten. Dazu zählen: die Evangelische Kirche im Rheinland, die Lippische Landeskirche, die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, die Evangelische Kirche der Pfalz, die Evangelische Landeskirche Baden, die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, die Bremische Evangelische Kirche, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg, die Evangelisch-reformierte Kirche, die Nordkirche, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland.

Württemberg: Das Schlusslicht der EKD

Württemberg steht damit zunehmend isoliert da. In fünf Landeskirchen sind Segnungen in Gottesdiensten möglich, sie werden jedoch nicht als Trauungen bezeichnet – dazu gehören die Evangelische Landeskirche Anhalts, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe.

Der Sprecher des theologisch konservativen Gesprächskreises "Lebendige Gemeinde", Pfarrer Matthias Hanßmann, sieht sich mit dem württembergischen Pietismus, einem großen Teil der theologisch konservativen Christen und der weltweiten Christenheit verbunden. Die Synodalen des theologisch konservativen Gesprächskreises "Lebendige Gemeinde" hatten bei der Abstimmung zur ersten Lesung alle gegen das Gesetz gestimmt oder sich enthalten.

Gewissensvorbehalte: Diskriminierung mit Ansage

Doch selbst in Landeskirchen, die Trauungen erlauben, gibt es sogenannte "Gewissensvorbehalte". Das bedeutet: Fast jede Landeskirche sieht vor, dass Gemeinden und Pfarrer nicht dazu gezwungen werden können, gleichgeschlechtlichen Paaren ihren Segen zu geben. Diese Regelungen gibt es in rund zwei Drittel der Landeskirchen – eine Diskriminierung, die institutionell abgesichert ist.

Wie würde es sich anfühlen, wenn Pfarrer*innen aufgrund der Hautfarbe oder der ethnischen Herkunft eines Paares die Trauung verweigern könnten? Der Aufschrei wäre zurecht groß. Doch bei der sexuellen Orientierung wird diese Ungleichbehandlung noch immer toleriert und als "Gewissensfreiheit" verteidigt.

Ein toxisches Klima: Wenn Kirche Hass schürt

Besonders besorgniserregend: Immer noch erleben queere Menschen Kränkungen, Verletzungen und Diskriminierungen innerhalb und außerhalb der Kirche – mehr noch: Überwunden geglaubte Vorurteile nehmen wieder zu, autoritäre Machtstrukturen und extremistische Parteien mit homophoben Einstellungen sind im Aufwind.

Die Kirche trägt eine Mitverantwortung für dieses Klima. Wenn eine Institution, die moralische Autorität beansprucht, Homosexuelle offen als "Menschen zweiter Klasse" behandelt, sendet das ein Signal: Es ist okay, queere Menschen anders zu behandeln. Es ist okay, sie auszugrenzen.

Was bedeutet das für queere Gläubige in Deutschland?

Für viele queere Christ*innen ist die Entscheidung der württembergischen Landeskirche mehr als eine politische Niederlage – sie ist eine persönliche Kränkung. Die Botschaft ist klar: Eure Liebe ist weniger wert. Eure Beziehungen verdienen nicht dieselbe Anerkennung wie die heterosexueller Paare.

In Zeiten, in denen Kirchen in Deutschland mit sinkenden Mitgliederzahlen kämpfen, ist diese Haltung nicht nur moralisch fragwürdig – sie ist auch strategisch kurzsichtig. Junge Menschen verlassen die Kirche auch deshalb, weil sie eine Institution erleben, die an überholten Vorstellungen festhält und Ausgrenzung praktiziert.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Trotz der Enttäuschung gibt es Lichtblicke. Pfarrer Burkhard Frauer von der Mitte-Gruppierung "Evangelium und Kirche" erklärte, dass für ihn und die anderen Befürworter der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare nur deren Einführung genügen werde, die bisherige Regelung sei ein "fauler Kompromiss". Synodale wie Anja Faisst wiesen darauf hin, dass seit 2017 die Ehe für alle nach staatlichem Recht möglich sei, die aktuelle kirchliche Regelung nehme die Gesetzeslage nicht gut wahr.

Die Abstimmung war knapp – nur vier Stimmen fehlten zur nötigen Zweidrittelmehrheit. Das zeigt: Die Mehrheit der Synodalen steht für Gleichstellung. Am 30. November 2025 wird in Württemberg eine neue Landessynode gewählt. Die nächste Chance kommt also schon bald.

Ein Aufruf zum Handeln

Queere Christ*innen und ihre Verbündeten müssen jetzt aktiv werden. Es braucht Druck von unten – durch Petitionen, öffentliche Stellungnahmen, Präsenz bei Kirchentagen. Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) setzt sich seit Jahren für Gleichstellung ein und bietet eine Plattform für Vernetzung und Aktivismus.

Auch der politische Kontext ist wichtig: Wenn sich Parteien und gesellschaftliche Gruppen klar gegen LGBTQ+-Rechte positionieren, ermutigt das auch kirchliche Hardliner. Umso wichtiger ist es, dass progressive Kräfte in Kirche und Gesellschaft zusammenstehen.

Die Entscheidung der württembergischen Synode ist ein Rückschlag – aber nicht das Ende des Kampfes. Die Geschichte zeigt: Fortschritt ist möglich, wenn Menschen nicht aufgeben. Bayern ist das beste Beispiel dafür. Württemberg wird nachziehen müssen – wenn nicht aus Überzeugung, dann aus Notwendigkeit. Denn eine Kirche, die Menschen aufgrund ihrer Liebe ausgrenzt, hat ihre Zukunft verspielt.


US-Supreme Court erwägt Überprüfung der Ehe für alle: Was auf dem Spiel steht

Am 7. November 2025 wird der US-Supreme Court in einer privaten Sitzung darüber entscheiden, ob er einen Fall annimmt, der die gleichgeschlechtliche Ehe im ganzen Land bedrohen könnte. Die Richter werden beraten, ob sie die rechtliche Herausforderung der ehemaligen County-Beamtin Kim Davis aus Kentucky anhören, die 2015 internationale Schlagzeilen machte, als sie sich weigerte, gleichgeschlechtlichen Paaren Eheurkunden auszustellen.

Für LGBTQ+-Paare in den USA – und für Beobachter weltweit – sind die kommenden Wochen von erheblicher Bedeutung. Die Entscheidung könnte weitreichende Auswirkungen auf den Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe haben, der durch Obergefell v. Hodges garantiert wird, einschließlich des verfassungsmäßigen Rechts auf Ehe. Die vollständige Meldung finden Sie hier.

Der Fall Kim Davis: Von der Verweigerung zur Supreme Court-Petition

Im Jahr 2015, kurz nachdem der Supreme Court das verfassungsmäßige Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe durch sein Urteil Obergefell v. Hodges anerkannt hatte, verweigerte Davis gleichgeschlechtlichen Paaren aus religiösen Gründen die Ausstellung von Eheurkunden. Davis, deren Aufgabe die Ausstellung von Lizenzen an Einwohner des Bezirks umfasste, missachtete einen Bundesgerichtsbeschluss, nachdem sie sich weigerte, dem schwulen Paar David Moore und David Ermold eine Lizenz auszustellen, und berief sich dabei auf ihre religiösen Überzeugungen.

Nach einem Jahrzehnt juristischer Auseinandersetzungen reichte Davis im Juli 2025 eine Petition beim Supreme Court ein. Das Berufungsgericht stellte fest, dass Davis zwar als Privatperson durch den First Amendment geschützt ist, aber nicht, wenn sie im Namen der Regierung handelt – eine Handlung, die nicht vom First Amendment geschützt wird. Davis argumentiert nun, dass sie als Einzelperson und nicht als Regierungsbeamtin mit Immunität vor dem Gericht erschienen sei.

Was bedeutet die Konferenz am 7. November?

In der Regel nimmt das Gericht einen Fall erst nach mindestens zwei aufeinanderfolgenden Konferenzen an; dies ist die erste Konferenz, bei der Davis' Herausforderung betrachtet wird. Um eine Überprüfung zu gewähren, benötigt das Gericht mindestens vier oder mehr Stimmen für die Annahme des Falls. Eine Entscheidung darüber, ob das Gericht den Fall in seinen Terminkalender aufnimmt, könnte bereits am Montag, dem 10. November, bekannt gegeben werden.

Rechtsexperten sind sich weitgehend einig: Die Frage, ob das Gericht eine Überprüfung gewährt, läuft darauf hinaus, ob es vier Stimmen gibt, um die Frage aufzugreifen. Selbst wenn es vier Richter gäbe, die dazu neigen könnten, wollen sie keine Überprüfung gewähren, es sei denn, sie sind zuversichtlich, dass es eine fünfte Stimme gibt, um Obergefell zu kippen.

Die Bedrohung für Obergefell v. Hodges

Das am 26. Juni 2015 entschiedene Urteil Obergefell hob Baker auf und verlangt von Staaten, Eheurkunden für gleichgeschlechtliche Paare auszustellen und gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen, die in anderen Rechtsgebieten rechtmäßig vollzogen wurden. Dies etablierte die gleichgeschlechtliche Ehe in den gesamten Vereinigten Staaten und ihren Territorien.

Angesichts der Tatsache, dass die Richter 2022 das wegweisende Urteil Roe v. Wade kippten, hat dies bei der LGBTQ+-Gemeinschaft und ihren Unterstützern die Sorge geweckt, dass die Richter die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe rückgängig machen könnten. Richter Clarence Thomas forderte in seiner Zustimmung zu diesem Fall ausdrücklich dazu auf, Obergefell zu überdenken, indem er schrieb, dass die Richter "alle Präzedenzfälle dieses Gerichts zum substantiellen ordentlichen Verfahren überdenken sollten, einschließlich Griswold, Lawrence und Obergefell".

Der Respect for Marriage Act: Ein Sicherheitsnetz?

Als Reaktion auf diese Bedrohung verabschiedete der US-Kongress 2022 den Respect for Marriage Act. Das Gesetz ersetzt Bestimmungen, die von Staaten nicht verlangen, gleichgeschlechtliche Ehen aus anderen Staaten anzuerkennen, durch Bestimmungen, die die Verweigerung von Anerkennung oder Ansprüchen im Zusammenhang mit auswärtigen Ehen aufgrund von Geschlecht, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit oder nationaler Herkunft verbieten. (Der Supreme Court entschied in Obergefell v. Hodges 2015, dass staatliche Verbote gleichgeschlechtlicher Ehen verfassungswidrig sind; das Gericht entschied in Loving v. Virginia 1967, dass staatliche Verbote interrassischer Ehen verfassungswidrig sind.)

Allerdings: Wenn das Gericht Obergefell kippen würde, würde die Rechtmäßigkeit gleichgeschlechtlicher Ehen auf das Landesrecht zurückfallen – und die Mehrheit der Staaten würde sie verbieten. Der Respect for Marriage Act würde das nicht ändern, aber er verpflichtet alle Staaten, gleichgeschlechtliche Ehen anzuerkennen, die in anderen Staaten geschlossen wurden, und erkennt diese Ehen auf Bundesebene an.

Die Situation in Deutschland: Ein Kontrastbild

Während die USA mit der möglichen Rücknahme der Ehe-Gleichstellung ringen, bietet Deutschland ein anderes Bild. In Deutschland haben gleichgeschlechtliche Paare das Recht auf Eheschließung; am 1. Oktober 2017 ist ein Gesetz in Kraft getreten, das ihnen die Eheschließung ermöglicht. Am 30. Juni 2017 hatte der Bundestag mit großer Mehrheit den Gesetzesentwurf des Bundesrats beschlossen. § 1353 BGB wurde infolgedessen um 7 Wörter ergänzt. Anstelle von: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen" heißt es von nun an: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen."

Seitdem wurden in Deutschland bis Ende 2021 über 65.500 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen. Anders als in den USA, wo die Gleichstellung durch ein Gerichtsurteil kam und nun wieder bedroht ist, wurde die deutsche "Ehe für alle" durch demokratischen Parlamentsbeschluss etabliert.

Ein wichtiger Unterschied: Der Gesetzgeber könnte die Rechte der schon bestehenden zahlreichen gleichgeschlechtlichen Ehen nicht beschneiden. Er könnte deshalb höchstens - mit verfassungsändernder Mehrheit! - bestimmen, dass gleichgeschlechtliche Ehepaare in Zukunft nicht mehr "Ehen", sondern nur noch "Lebenspartnerschaften" genannt werden dürfen. Die rechtlichen Hürden für eine Rücknahme sind in Deutschland deutlich höher als in den USA.

Was bedeutet das für die LGBTQ+-Gemeinschaft?

Für Millionen verheirateter gleichgeschlechtlicher Paare in den USA ist die Unsicherheit belastend. Zum Zeitpunkt der Entscheidung von Obergefell im Jahr 2015 hatten 35 Staaten gesetzliche oder verfassungsmäßige Verbote gleichgeschlechtlicher Ehen. Bisher im Jahr 2025 haben mindestens neun Staaten entweder Gesetze eingeführt, die darauf abzielen, neue Eheurkunden für LGBTQ+-Personen zu blockieren, oder Resolutionen verabschiedet, die den Supreme Court auffordern, Obergefell bei der frühesten Gelegenheit rückgängig zu machen.

Dennoch gibt es Hoffnung: Die öffentliche Meinung zur gleichgeschlechtlichen Ehe bleibt weitgehend positiv, wobei Gallup im Jahr 2025 eine Zustimmung von 70 Prozent zeigt, gegenüber 60 Prozent im Jahr 2015. Viele Rechtsexperten glauben, dass das Gericht die Petition von Davis ablehnen wird – zumindest diesmal.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die hart erkämpften Rechte von LGBTQ+-Paaren in den USA einer erneuten rechtlichen Prüfung standhalten müssen. Für Beobachter in Deutschland, wo die Ehe für alle fest im Gesetz verankert ist, dient die Situation als Mahnung: Errungenschaften im Bereich der Menschenrechte können fragil sein und erfordern ständige Wachsamkeit und Verteidigung.


Ein Jahr Selbstbestimmungsgesetz: Über 11.000 Anträge, sinkende Tendenz – und kein „Trend" bei Jugendlichen

Ein Jahr nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes in Deutschland zeigt sich: Mehr als 11.000 Personen in den größten deutschen Städten haben ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes unter den 20 größten Städten und Landeshauptstädten zeigt. Doch die oft beschworenen Horrorszenarien sind ausgeblieben – die Zahlen normalisieren sich bereits, und besonders interessant: Es gibt keinen massenhaften „Trend" unter Jugendlichen.

Das Gesetz: Ein längst überfälliger Schritt zur Würde

Das Selbstbestimmungsgesetz vereinfacht es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Das Gesetz löste am 1. November 2024 das Transsexuellengesetz von 1980 ab, das zum Teil als diskriminierend empfunden wurde. Unter dem alten System mussten Betroffene teure, oft als entwürdigend empfundene psychologische Gutachten über sich ergehen lassen. Unter dem alten Transsexuellengesetz gab es im Durchschnitt 2.000 bis 3.000 Geschlechtsänderungen pro Jahr.

Das neue Gesetz ermöglicht die Änderung des Geschlechtseintrags durch eine einfache Erklärung beim Standesamt – nach einer dreimonatigen Bedenkzeit. Das TSG ist über 40 Jahre alt. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen wesentliche Teile des TSG für verfassungswidrig erklärt. Schon deshalb war eine Ersetzung angezeigt.

Die Zahlen: Anfangshoch normalisiert sich

Die meisten Anträge wurden in Berlin beurkundet, hier ließen rund 2.400 Menschen ihren Geschlechtseintrag ändern. In Hamburg wurden insgesamt rund 900 Änderungen wirksam, in München und Köln je knapp 700. Besonders bemerkenswert: Im Verhältnis zur Einwohnerzahl wurden in Leipzig die meisten Änderungen vollzogen. Hier gab es mit gut 900 wirksamen Anträgen 151 Änderungen pro 100.000 Einwohner, gefolgt von Hannover (98) und Bonn (86).

Doch die Entwicklung zeigt: Mehrere tausend Menschen haben bundesweit vor allem in den größeren Städten ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, zuletzt ging die Nachfrage indes stark zurück. Allein in Berlin gab es den größten Andrang direkt nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im November letzten Jahres mit 1.476 Anmeldungen. Die Bundesregierung schätzt die Zahl der Anträge auf durchschnittlich 4.000 pro Jahr. Es sei von einem anfänglichen Anmeldungshoch auszugehen, weil viele Menschen auf das Inkrafttreten des Gesetzes gewartet hätten.

Die Statistischen Landesämter erfassten nach Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes am 1. November 2024 allein für den November 2024 über 7.000 Änderungen des Geschlechtseintrags im Geburtenregister. Im Dezember 2024 waren es etwas weniger als 3.000 – die Tendenz ist also bereits deutlich sinkend.

Kein „Trend" bei Jugendlichen: Die Fakten sprechen eine klare Sprache

Besonders die Kritiker*innen des Gesetzes befürchteten einen massenhaften „Trend" unter Kindern und Jugendlichen. Die Realität sieht anders aus: Die meisten Betroffenen waren volljährig, doch auch 162 Jugendliche und 31 Kinder änderten ihren Eintrag – darunter ein Kind unter fünf Jahren in Berlin. Bei insgesamt 2.407 Änderungen in der Hauptstadt entspricht das gerade einmal 8 Prozent Minderjährigen.

Diese Zahlen widerlegen eindeutig die oft wiederholte Behauptung, Kinder und Jugendliche würden vorschnell und in Massen ihr Geschlecht ändern. Im Gegenteil: Die überwiegende Mehrheit der Antragsteller*innen sind Erwachsene, die oft jahrelang auf diese Möglichkeit gewartet haben. Das Bundesfamilienministerium betont zudem: "Vielfältige geschlechtliche Identitäten gab es schon immer. In vielen Gesellschaften - auch in Deutschland - wurde geschlechtliche Vielfalt jedoch über Jahrhunderte ignoriert beziehungsweise als krankhaft angesehen und unterdrückt. Die Tatsache, dass sich transgeschlechtliche Personen vermehrt outen, bedeutet nicht, dass es eine 'Modeerscheinung' sei".

Internationale Perspektive: Deutschland im europäischen Kontext

Deutschland folgt mit dem Selbstbestimmungsgesetz einem internationalen Trend zur Anerkennung geschlechtlicher Selbstbestimmung. Bisher gibt es in 12 Ländern ein Selbstbestimmungsgesetz: Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Uruguay und die Schweiz. Die Erfahrungen aus diesen Ländern zeigen keine der befürchteten negativen Entwicklungen. Die Erfahrungen anderer Länder zeigen keine derartige Entwicklung. Auch machen nur 1% aller Betroffenen die Änderung wieder rückgängig.

Diese internationale Perspektive ist besonders für die deutsche Debatte wichtig: Sie zeigt, dass Selbstbestimmung funktioniert und nicht zu den oft beschworenen „Missbrauchsfällen" führt. Die Ängste waren unbegründet.

Politische Angriffe und die Zukunft des Gesetzes

Trotz der positiven Bilanz steht das Gesetz unter politischem Beschuss. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant ein neues Gesetzesvorhaben, das die Übermittlung der personenbezogenen Daten beim Personenstandwechsel an alle maßgeblichen Behörden vorsieht, um so "Missbrauch" vorzubeugen. Kritiker*innen warnen vor einem faktischen „Zwangsouting" durch Sonderregister.

Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) und andere queere Verbände wehren sich vehement gegen diese Pläne. Es steht zu befürchten, dass im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsgesetz auf Dokumentationspraktiken zurückgegriffen werden soll, die an „Rosa Listen" und damit an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte erinnern. Es geht um hochsensible persönliche Daten - ihre zusätzliche Speicherung in einem eigenen Datenblatt ist weder notwendig noch gerechtfertigt.

Fazit: Ein Gesetz, das Menschenrechte stärkt

Die Bundesregierung will das SBGG generell 2026 evaluieren lassen und möglicherweise weitere Änderungen vornehmen. Die bisherigen Zahlen sprechen jedoch eine deutliche Sprache: Das Selbstbestimmungsgesetz erfüllt seinen Zweck, ohne die gesellschaftliche Ordnung durcheinander zu bringen. Es ermöglicht Menschen endlich ein Leben in Würde und reduziert psychisches Leid.

Die anfangs hohen Zahlen waren erwartbar – viele trans*, inter* und nichtbinäre Menschen haben jahrelang auf diese rechtliche Anerkennung gewartet. Dass die Zahlen nun sinken, zeigt: Es handelt sich nicht um einen „Hype", sondern um Menschen, die endlich ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen können. Und die Zahlen bei Jugendlichen bleiben verschwindend gering – ein deutliches Zeichen dafür, dass verantwortungsvoll mit dieser neuen Freiheit umgegangen wird.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Schritt für die Menschenrechte in Deutschland. Es ist an der Zeit, dass Politik und Gesellschaft dies anerkennen – und das Gesetz schützen, statt es zu verwässern.


Queensland setzt Pubertätsblocker-Verbot nur Stunden nach Gerichtsaufhebung erneut in Kraft

Ein rechtliches Wechselbad der Gefühle für trans Jugendliche in Australien: Nur wenige Stunden nachdem der Oberste Gerichtshof von Queensland ein Verbot von Pubertätsblockern für unter 18-Jährige aufgehoben hatte, setzte Gesundheitsminister Tim Nicholls die restriktive Maßnahme am Dienstag (28. Oktober) per Ministerialerlass erneut in Kraft. Das Verbot für Pubertätsblocker für trans Personen unter 18 Jahren im australischen Bundesstaat Queensland wurde nur Stunden nach der Aufhebung durch einen Richter am Obersten Gerichtshof wieder eingesetzt, wie PinkNews berichtet.

Gerichtsentscheidung: Mangelnde Konsultation führte zur Aufhebung

In einer Entscheidung am Dienstag (28. Oktober) erklärte Richter Peter Callaghan, dass Regierungsbeamte von Queensland es versäumt hätten, relevante Beamte vor der Ankündigung der ursprünglichen Direktive im Januar ordnungsgemäß zu konsultieren. Das Gericht hörte, dass die einzige Konsultation, die stattgefunden hatte, ein 22 Minuten langes Meeting über die Online-Anwendung Teams war, das genau zur selben Zeit stattfand, als der Minister vor die Presse trat, um das Verbot anzukündigen. Diese Vorgehensweise wurde vom Gericht als rechtswidrig eingestuft – ein kurzzeitiger Sieg für die klagende Mutter eines trans Teenagers.

Queensland war der erste australische Bundesstaat, der Hormonbehandlungen für Kinder mit Geschlechtsdysphorie verbot, nachdem Behauptungen aufkamen, dass Pubertätsblocker Kindern ab 12 Jahren ohne autorisierte Versorgung verabreicht worden seien. Die Maßnahme wurde als Teil einer Überprüfung der Sicherheit der Hormonblocker eingeführt, wobei die Überprüfung der Hormonbehandlung für Kinder mit Geschlechtsdysphorie bis Ende November einen Abschlussbericht vorlegen sollte.

Sofortige Wiedereinführung des Verbots

Doch die Freude über den Gerichtserfolg währte nur kurz. Queenslands Gesundheitsminister Tim Nicholls bestätigte Stunden später, dass er eine Ministerialerklärung erlassen würde, die die Pause bei Pubertätsblockern in Queensland wiederherstellen würde. Der Oberste Gerichtshof befasste sich mit den Umständen der Erstellung der Direktive, nicht damit, ob eine Pause angemessen war, sagte er dem Parlament. Er sei überzeugt, dass es angemessen und im öffentlichen Interesse sei, eine schriftliche Ministerialerklärung an alle Krankenhaus- und Gesundheitsdienste mit sofortiger Wirkung zu erlassen.

Unter dem Verbot können 491 Kinder auf einer Warteliste keine Behandlung mehr erhalten, während fast 600 Kinder, die bereits einen Behandlungsplan haben, weiterhin von Ärzten betreut werden können. Die betroffenen Familien und ihre Unterstützer:innen zeigten sich verzweifelt und kündigten an, ihre rechtlichen Optionen zu prüfen.

Medizinische Kritik an politischem Eingriff

Die Entscheidung stößt auf massive Kritik aus der Medizin. Die Entscheidung wurde von der Australian Medical Association – Queensland kritisiert. Präsident Dr. Nick Yim sagte, Entscheidungen über die Patientenversorgung sollten von Ärzten getroffen werden und auf wissenschaftlicher Forschung basieren. Ärzte hätten darauf hingewiesen, dass das Verbot Stress und Schaden bei dieser bereits vulnerablen Patientengruppe, ihren Familien und behandelnden Klinikern verursacht habe, so Dr. Yim in einer Stellungnahme.

Matilda Alexander, Anwältin beim LGBTI Legal Service, die die Mutter vertrat, kritisierte, dass das Ministerium die Rechte von Unter-18-Jährigen untergrabe, Zugang zu sicherer und wirksamer medizinischer Versorgung zu erhalten, die in jedem anderen Bundesstaat und Territorium zugänglich sei.

Deutschland: Eine andere Debatte um trans Gesundheitsversorgung

Die Entwicklungen in Queensland werfen auch Fragen für Deutschland auf, wo die Debatte um trans Gesundheitsversorgung für Minderjährige einen anderen Verlauf nimmt. Die 128. Deutsche Ärztetagsversammlung, die 250 Delegierte aus 17 deutschen medizinischen Verbänden umfasst, verabschiedete zwei wichtige Resolutionen: Pubertätsblocker, Kreuzgeschlechtshormone und Operationen für geschlechtsdysphorische Jugendliche unter 18 Jahren auf kontrollierte klinische Studien zu beschränken; und Selbstbestimmungsgesetze auf über 18-Jährige zu beschränken.

In Deutschland gilt: Geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen oder die Einnahme von Pubertätsblockern bei Kindern/Jugendlichen sind weder eine Voraussetzung für den Personenstandswechsel noch werden sie dadurch erleichtert oder beschleunigt. Zur Durchführung derartiger Maßnahmen sind weiterhin ärztliche und psychologische Gutachten nötig. Das 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz regelt ausschließlich die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen – nicht aber medizinische Behandlungen.

In sieben EU-Mitgliedstaaten – Belgien, Tschechien, Estland, Finnland, Deutschland, Luxemburg und Schweden – hängt der Zugang von der Reife des Kindes ab. Anders als in Queensland gibt es in Deutschland kein pauschales Verbot, doch die Hürden sind bewusst hoch: Es ist für trans Jugendliche enorm schwer, Pubertätsblocker zu bekommen. Ärzt:innen verschreiben Pubertätsblocker erst nach einer Diagnose und ausführlicher Beratung. Oftmals vergehen Monate oder Jahre, bis es überhaupt zu einem Termin für ein Erstgespräch kommt.

Wissenschaftliche Evidenz und ethische Fragen

Die Debatte dreht sich um die Frage der Evidenz und des Kindeswohls. Es gibt keine expliziten Beweise dafür, dass die physisch reversible Medikation, die unerwünschte körperliche Veränderungen durch Unterdrückung von Sexualhormonen stoppt, schädlich ist. Einige Studien legen nahe, dass sie für transgender Jugendliche lebensrettend sind.

Gleichzeitig warnen kritische Stimmen vor vorschnellen Entscheidungen. Die kontroverse Cass-Review aus Großbritannien kam 2024 zu dem Schluss, dass die Evidenz zur Unterstützung von Geschlechtsbehandlungen für Kinder bemerkenswert schwach sei. Für die meisten jungen Menschen sei ein medizinischer Weg nicht der beste Weg nach vorne, um geschlechtsbezogene Belastung zu bewältigen.

Ein Kampf um Selbstbestimmung und Gesundheitsversorgung

Der Fall in Queensland zeigt exemplarisch, wie politisch aufgeladen die Debatte um trans Gesundheitsversorgung für Minderjährige weltweit geworden ist. Eine Sprecherin der Gruppe Magandjin People's Pride, Piper Valkyrie, sagte gegenüber dem Star Observer, dass Nicholls mit dem Leben von Kindern spiele, indem er das Verbot verhänge, das sie als einen verheerenden und diskriminierenden Akt staatlicher Übergriffigkeit beschrieb. 491 Kinder, die monatelang oder sogar jahrelang auf eine Behandlung gewartet hatten, verloren plötzlich den Zugang, und für trans Jugendliche könne das so verheerend sein, wenn die Raten von Selbstverletzung und Suizid hoch seien.

Während in Queensland Jugendliche und ihre Familien zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwanken, wird auch in Deutschland intensiv über den richtigen Weg diskutiert – zwischen Selbstbestimmung, medizinischer Sorgfaltspflicht und dem Schutz vulnerabler Jugendlicher. Die Frage, wer über die medizinische Versorgung trans Jugendlicher entscheiden soll – Politiker:innen, Ärzt:innen, Eltern oder die Jugendlichen selbst – bleibt in beiden Ländern hochaktuell und emotional aufgeladen.