Zwischen Trauer und Solidarität: CSD Jerusalem unter strengen Sicherheitsvorkehrungen

In einer Stadt, die religiöse Spannungen wie kaum eine andere kennt, setzten tausende Menschen ein starkes Zeichen für Gleichberechtigung und Toleranz: Die jährliche CSD-Parade in Jerusalem fand unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt und erinnerte an den tragischen Tod der 16-jährigen Schira Banki vor zehn Jahren.

Gedenken an Schira Banki: Ein schmerzvolles Jubiläum

Der diesjährige Jerusalem Pride stand ganz im Zeichen des Gedenkens. Vor genau zehn Jahren erstach ein ultraorthodoxer Jude die 16-jährige Schira Banki während der Parade. An der Stelle des Angriffs legten die Teilnehmenden eine Schweigeminute ein. Uri Banki, der Vater von Schira, hielt eine bewegende Rede bei der Abschlusskundgebung. Der Mord an der jungen Frau hatte 2015 landesweit für Erschütterung gesorgt und steht bis heute symbolisch für die Gefahren, denen LGBTQ+-Personen ausgesetzt sind – nicht nur in Israel.

Bemerkenswert war die Anwesenheit des israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog – laut Medienberichten der erste Staatspräsident, der jemals an der Pride-Parade in Jerusalem teilnahm. Herzog betonte: "Wir fordern Liebe, Respekt und Gleichheit – auch für die LGBTQ-Community, die ein untrennbarer Teil der israelischen Gesellschaft ist."

Jerusalem vs. Tel Aviv: Ein Spannungsfeld für queere Rechte

Die Situation der LGBTQ+-Community in Israel ist von starken Kontrasten geprägt. Während Tel Aviv als "Gay Capital des Nahen Ostens" gilt und der dortige CSD als größter Pride Asiens mit über einer Viertelmillion Teilnehmenden gefeiert wird, steht Jerusalem für die konservativere Seite des Landes. In der heiligen Stadt leben viele strengreligiöse jüdische, muslimische und christliche Gläubige, die Homosexualität ablehnen.

Diese Spannung spiegelt sich auch in der israelischen Politik wider. Die aktuelle Regierung unter Benjamin Netanjahu gilt als die am weitesten rechts stehende in der Geschichte des Landes. Oppositionsführer Lapid nutzte den Anlass des CSD, um Regierungsmitglieder wie Smotrich und Ben-Gvir für ihre Anti-LGBTQ+-Politik zu kritisieren.

Parallelen zu Deutschland: Steigende Bedrohung für Pride-Veranstaltungen

Die Notwendigkeit verstärkter Sicherheitsmaßnahmen bei Pride-Veranstaltungen ist leider auch in Deutschland zunehmend Realität. Die Amadeu Antonio Stiftung berichtet von einem Anstieg rechtsextremer Störaktionen bei deutschen CSDs im Jahr 2024. Ein besonders drastisches Beispiel war der CSD in Bautzen, wo rund 1.000 Teilnehmende fast 700 Rechtsextremen gegenüberstanden.

Wie in Jerusalem müssen auch in Deutschland immer mehr Pride-Veranstaltungen unter Polizeischutz stattfinden. Die Tagesschau berichtete über die zunehmende Hasskriminalität gegen LGBTQ+-Personen und die Notwendigkeit verstärkter Sicherheitsmaßnahmen bei CSDs.

"Ein Lichtblick in der Stadt"

Trotz aller Spannungen und Sicherheitsbedenken betonte Hadas Bloemendal Kerem, Vorsitzende des Veranstalters Jerusalem Open House, die positive Bedeutung der Veranstaltung: "Die Pride-Parade in Jerusalem ist ein Lichtblick, der die Stadt seit über zwei Jahrzehnten erleuchtet und uns daran erinnert, dass wir hier zusammenleben können – mit Gleichberechtigung, Toleranz und Respekt."

Diese Botschaft der Hoffnung steht im Kontrast zu den Zusammenstößen, die sich am Rande der Veranstaltung ereigneten. Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete, dass die Polizei das Zeigen von Schildern mit Forderungen nach einem Ende des Gaza-Kriegs und Kritik an der Regierung Netanjahu unterbinden wollte.

Der Jerusalem Pride bleibt damit ein symbolträchtiges Ereignis, das die Komplexität Israels widerspiegelt – ein Land, das einerseits als Vorreiter für LGBTQ+-Rechte im Nahen Osten gilt, andererseits aber mit tiefen gesellschaftlichen und religiösen Spannungen kämpft. In einer Woche wird der wesentlich größere CSD in Tel Aviv stattfinden, wo eine liberalere Atmosphäre herrscht und deutlich mehr Teilnehmende erwartet werden.

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