Am 26. Juni 2015 legalisierte der Oberste Gerichtshof der USA die gleichgeschlechtliche Ehe im gesamten Land – ein historischer Moment, der das Leben von hunderttausenden LGBTQ+-Paaren veränderte. Doch zehn Jahre später wachsen die Sorgen, dass diese hart erkämpften Rechte wieder rückgängig gemacht werden könnten.
Eine bewegende Liebesgeschichte als Katalysator
Im Zentrum des wegweisenden Falls Obergefell vs. Hodges stand eine zutiefst persönliche Geschichte: Jim Obergefell und sein Partner John Arthur wollten nur als das anerkannt werden, was sie waren – ein verheiratetes Paar. Als Arthur 2013 eine tödliche ALS-Diagnose erhielt, reisten sie nach Maryland, um zu heiraten. Doch ihre Heimat Ohio erkannte ihre Ehe nicht an – Obergefell durfte nicht einmal als überlebender Ehegatte auf Arthurs Sterbeurkunde stehen.
Diese Ungerechtigkeit führte zu einem Rechtsstreit, der schließlich vor dem Supreme Court landete. "Sie bitten um gleiche Würde vor dem Gesetz. Die Verfassung gewährt ihnen dieses Recht", schrieb Richter Anthony Kennedy in der historischen 5-4-Entscheidung.
Deutschland als Vorreiter und Vergleich
Während die USA 2015 diesen Meilenstein erreichten, folgte Deutschland zwei Jahre später: Am 30. Juni 2017 beschloss der Bundestag die "Ehe für alle", die am 1. Oktober 2017 in Kraft trat. Anders als in den USA, wo der Supreme Court eine bundesweite Entscheidung traf, war in Deutschland ein parlamentarischer Beschluss nötig, nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits zuvor Ungleichbehandlungen bei Lebenspartnerschaften beanstandet hatte.
Heute genießen gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland dieselben Rechte wie heterosexuelle Ehepaare – ein Zustand, der in Deutschland als weitgehend gesichert gilt, während in den USA Unsicherheit herrscht.
Bedrohliche Entwicklungen unter Trump
Ein Jahrzehnt nach dem historischen Urteil leben heute über 800.000 gleichgeschlechtliche Ehepaare in den USA – mehr als doppelt so viele wie 2015. Doch das Williams Institute der UCLA warnt vor einer beunruhigenden Realität: In 31 US-Bundesstaaten existieren noch immer Gesetze, die die Ehe für alle verbieten – sie sind nur durch das Supreme Court-Urteil außer Kraft gesetzt.
Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus wachsen die Befürchtungen. Republikanische Politiker haben bereits Gesetzesentwürfe eingebracht, die darauf abzielen, das Supreme Court zu ermutigen, das Obergefell-Urteil zu kippen. Für die etwa 433.000 verheirateten und 305.000 unverheirateten gleichgeschlechtlichen Paare in diesen Staaten wäre dies katastrophal.
"Warum sollte queere Ehe anders sein?"
Jim Obergefell, dessen Name für immer mit diesem historischen Urteil verbunden bleiben wird, äußerte sich besorgt zum Jahrestag: "Zehn Jahre später hätte ich sicherlich nicht erwartet, über Bedrohungen der Ehegleichheit zu sprechen, über die Möglichkeit, dass Obergefell rückgängig gemacht wird." Seine Worte treffen ins Herz der Debatte: "Ehe ist ein Recht und sollte nicht davon abhängen, wo man lebt. Warum sollte queere Ehe anders sein als interrassische Ehe oder jede andere Ehe?"
Der tragische Aspekt seiner Geschichte bleibt: John Arthur starb, bevor das Supreme Court-Urteil verkündet wurde. Sein Kampf für Anerkennung und Würde wurde posthum gewonnen – eine Erinnerung daran, dass hinter jedem Rechtskampf echte Menschen mit echten Geschichten stehen.
Schutz durch den Respect for Marriage Act
Einen gewissen Schutz bietet der 2022 von Präsident Joe Biden unterzeichnete Respect for Marriage Act. Dieses Gesetz verpflichtet alle Bundesstaaten, gleichgeschlechtliche und interrassische Ehen als legal anzuerkennen – auch wenn sie diese nicht selbst durchführen müssen. Dies bedeutet: Selbst wenn ein Staat sich entscheiden würde, keine gleichgeschlechtlichen Trauungen mehr durchzuführen, müsste er dennoch anderswo geschlossene Ehen anerkennen.
Für deutsche LGBTQ+-Menschen, die diese Entwicklungen beobachten, ist es ein Reminder für die Fragilität hart erkämpfter Rechte – und die Notwendigkeit, diese kontinuierlich zu verteidigen. Während Deutschland heute einen stabilen rechtlichen Rahmen bietet, zeigen die amerikanischen Entwicklungen, dass Fortschritte niemals als selbstverständlich betrachtet werden sollten.