Kurz vor Beginn der CSD-Wochen in Budapest hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ein weiteres Zeichen seiner queerfeindlichen Politik gesetzt. Mit einem Dekret verbot er am Freitag die Anbringung von LGBTQ+-Symbolen an sämtlichen Regierungsgebäuden, wie queer.de berichtet. Das Dekret untersagt explizit "Symbole, die auf unterschiedliche sexuelle und geschlechtliche Orientierungen oder die sie vertretenden politischen Bewegungen verweisen oder diese fördern" an Gebäuden, die mit der Regierung oder der Zentralbank in Verbindung stehen.
Symbolische Politik mit ernsten Folgen
Orbáns Büro bezeichnet die Entscheidung als "symbolisch", da das Anbringen solcher Symbole an Regierungsgebäuden ohnehin "nicht üblich" sei. Kommunale Gebäude sind von dem Dekret nicht betroffen, wodurch am Budapester Rathaus weiterhin die Regenbogenflagge wehen darf, die seit der Wahl des linksliberalen Bürgermeisters Gergely Karácsony im Jahr 2019 jährlich gehisst wird.
Für die ungarische LGBTQ+-Community ist diese Maßnahme jedoch mehr als nur Symbolpolitik. Sie reiht sich ein in eine lange Liste von Einschränkungen und Diskriminierungen, die unter Orbáns Regierung seit 2010 systematisch ausgebaut wurden. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass diese Entwicklungen in einem EU-Mitgliedsstaat stattfinden, dessen Verfassung eigentlich den Schutz vor Diskriminierung garantieren sollte.
Systematische Einschränkung von LGBTQ+-Rechten in Ungarn
Bereits im März 2025 verabschiedete die ungarische Regierung eine Gesetzesänderung, die auf ein Verbot der jährlichen Pride-Parade abzielt. Die für den 28. Juni geplante Demonstration soll dennoch stattfinden – trotz drohender hoher Geldstrafen. Dutzende Europaabgeordnete haben ihre Teilnahme angekündigt, während das ungarische Außenministerium bereits mit finanziellen Konsequenzen droht. Berichten zufolge könnten bei den Demonstrationen sogar Gesichtserkennungstechnologien zum Einsatz kommen, um Teilnehmende zu identifizieren.
Besonders problematisch ist das 2021 in Kraft getretene "Kinderschutzgesetz", das unter dem Vorwand des Jugendschutzes den Zugang Minderjähriger zu Inhalten einschränkt, die Homosexualität oder Transgeschlechtlichkeit darstellen oder "fördern". Dieses Gesetz wurde von der Europäischen Kommission scharf kritisiert und als Verstoß gegen EU-Recht eingestuft. Ein aktuelles Gutachten der EuGH-Generalanwältin Tamara Ćapeta bestätigt diese Einschätzung.
Vergleich mit Deutschland: LGBTQ+-Rechte im Spannungsfeld
Die Entwicklungen in Ungarn stehen in starkem Kontrast zur Situation in Deutschland, wo LGBTQ+-Rechte in den letzten Jahrzehnten deutlich gestärkt wurden. Seit der Einführung der "Ehe für alle" im Jahr 2017 können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland heiraten, und der gesetzliche Diskriminierungsschutz wurde kontinuierlich ausgebaut.
Dennoch gibt es auch in Deutschland nach wie vor Herausforderungen. Die Akzeptanz von LGBTQ+-Personen variiert stark je nach Region, politischer Einstellung und religiöser Zugehörigkeit. Gerade im Kontext zunehmender rechtspopulistischer Strömungen in Europa ist die Solidarität mit bedrohten LGBTQ+-Communities in Ländern wie Ungarn besonders wichtig.
EU-Reaktion und internationale Kritik
Die Europäische Union hat bereits vor vier Jahren ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen des "Homo-Propaganda"-Gesetzes eingeleitet. Mehrere EU-Mitgliedsstaaten fordern ein härteres Vorgehen gegen die Orbán-Regierung, einschließlich finanzieller Sanktionen und der Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus.
Internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben die ungarische Regierung wiederholt für ihre LGBTQ+-feindliche Politik kritisiert. Sie betonen, dass diese Maßnahmen nicht nur gegen europäische Grundwerte verstoßen, sondern auch reale Auswirkungen auf das Leben von LGBTQ+-Personen in Ungarn haben – von zunehmender gesellschaftlicher Diskriminierung bis hin zu psychischen Gesundheitsproblemen aufgrund des feindlichen Umfelds.
Widerstand und Solidarität
Trotz der zunehmenden Repressionen bleibt die ungarische LGBTQ+-Community widerstandsfähig. Die Budapest Pride plant weiterhin ihre Veranstaltungen, und zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten unermüdlich daran, Betroffene zu unterstützen und internationale Aufmerksamkeit auf die Situation zu lenken.
Die für den 28. Juni geplante Pride-Parade in Budapest wird daher nicht nur eine Feier der Vielfalt sein, sondern auch ein wichtiges Symbol des Widerstands gegen die autoritäre Politik der Orbán-Regierung. Die angekündigte Teilnahme zahlreicher Europaabgeordneter zeigt, dass die europäische Solidarität mit der ungarischen LGBTQ+-Community ungebrochen ist.
Für die deutsche LGBTQ+-Community und ihre Verbündeten ist es wichtig, diese Solidarität zu unterstützen und den Kampf für Gleichberechtigung und Akzeptanz als gemeinsame europäische Aufgabe zu verstehen. Denn die Entwicklungen in Ungarn verdeutlichen, dass erkämpfte Rechte nicht selbstverständlich sind und jederzeit wieder in Frage gestellt werden können.