Der vom IOC anerkannte Box-Verband World Boxing hat die algerische Olympiasiegerin Imane Khelif vom Eindhoven Box Cup (5. bis 10. Juni) ausgeschlossen. Die Boxerin, die bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris im Zentrum einer queerfeindlichen Geschlechterdebatte stand, darf laut einem offiziellen Statement erst wieder an Wettkämpfen teilnehmen, nachdem sie sich einem "genetischen Geschlechtstest" unterzogen hat.
Neue Testverfahren zur Geschlechtsbestimmung
World Boxing, der im Februar 2024 vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) als offizieller Partner anerkannt wurde, hat verpflichtende PCR-Gentests für alle Athletinnen und Athleten über 18 Jahren eingeführt. Diese Tests sollen laut Verband das "Geburtsgeschlecht" bestimmen und die Wettkampfberechtigung feststellen. Die Probenentnahme kann durch Nasen- oder Mundabstriche sowie über Speichel- oder Bluttests erfolgen.
"Diese neuen Teilnahmeregeln wurden mit dem ausdrücklichen Ziel entwickelt, Athleten im Kampfsport zu schützen, insbesondere angesichts der körperlichen Risiken, die mit olympischem Boxen verbunden sind", erklärte der Verband in seiner Mitteilung. Die Einführung der Tests sei Teil einer neuen Richtlinie zu Geschlecht, Alter und Gewicht, um die Sicherheit aller Teilnehmer zu gewährleisten.
Kontroverse um Khelif bei Olympia 2024
Imane Khelif und die taiwanesische Boxerin Lin Yu-ting standen während der Olympischen Spiele in Paris im Mittelpunkt einer hitzigen Debatte. Beide waren zuvor vom Verband IBA, der vom IOC nicht mehr anerkannt wird, nach nicht näher erläuterten "Geschlechtertests" von der Weltmeisterschaft 2023 ausgeschlossen worden. Der IBA behauptete, beide hätten "im Vergleich zu anderen weiblichen Teilnehmern Wettbewerbsvorteile" gehabt.
Das IOC bezeichnete diese Entscheidung als "willkürlich" und erlaubte beiden Athletinnen die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Als Begründung hieß es, das im Pass angegebene Geschlecht sei für viele Sportarten maßgeblich für die Zulassung zu den Wettbewerben. Beide Boxerinnen gewannen in Paris Gold.
Laut der LGBTQ+-Organisation GLAAD ist Imane Khelif eine Cisgender-Frau, die sich nicht als transgender oder intersexuell identifiziert. Die Behauptungen über ihre Geschlechtsmerkmale, die nach der Disqualifikation durch die IBA kursierten, wurden nie offiziell bestätigt.
Situation in Deutschland
Auch in Deutschland wird die Debatte um Geschlechtsidentität im Sport intensiv geführt. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat sich für die Gleichberechtigung aller Geschlechter und sexuellen Identitäten im Sport ausgesprochen und unterstützt verschiedene Initiativen, die Diskriminierung abbauen sollen.
Einige deutsche Sportverbände haben inzwischen eigene Richtlinien entwickelt. So hat etwa der Deutsche Hockey-Bund (DHB) spezifische Regelungen zur Spielberechtigung von Trans*- und Inter*-Menschen eingeführt, die eine inklusive und faire Teilnahme ermöglichen sollen.
Auch auf lokaler Ebene gibt es in Deutschland spezielle Sportvereine für Frauen, Lesben, Trans*, Inter* und Mädchen, die sichere Räume für Sport und Bewegung schaffen wollen. Der Berliner Verein Seitenwechsel ist ein Beispiel dafür, wie Community-basierte Sportangebote LGBTQ+-Personen einen diskriminierungsfreien Zugang zu sportlicher Betätigung ermöglichen können.
Kritik an biologischen Testverfahren
Menschenrechtsorganisationen und LGBTQ+-Verbände kritisieren die zunehmenden "Geschlechtertests" im Sport als invasiv und diskriminierend. Sie argumentieren, dass die Reduzierung einer Person auf biologische Merkmale der Komplexität von Geschlechtsidentität nicht gerecht wird und zu weiterer Stigmatisierung führen kann.
Der Fall Khelif zeigt exemplarisch, wie Sportlerinnen und Sportler in der Öffentlichkeit angegriffen werden können, wenn ihre Geschlechtsidentität in Frage gestellt wird. Die algerische Boxerin wurde während der Olympischen Spiele zur Zielscheibe transfeindlicher Hasskommentare in sozialen Medien, obwohl sie sich selbst nie als transgender identifiziert hat.
Das IOC hat 2021 einen neuen Rahmen für Fairness, Inklusion und Nichtdiskriminierung veröffentlicht, der die früheren strengen Testosteron-Grenzwerte aufhebt. Darin wird betont, dass kein Athlet von Wettkämpfen ausgeschlossen werden sollte, ohne dass robuste, evidenzbasierte Forschung die Existenz eines unfairen Wettbewerbsvorteils belegt.
Die Entscheidung von World Boxing, genetische Tests einzuführen, steht im Kontrast zu diesem inklusiveren Ansatz des IOC und könnte die Debatte um die Teilnahme von trans- und intergeschlechtlichen Personen im Sport weiter anheizen.