Mormonisches Paar „stärker als je zuvor" nachdem eine der Ehepartnerinnen als transgender geoutet hat

Ein verheiratetes mormonisches Paar aus den USA berichtet, dass ihre Beziehung stärker denn je ist, nachdem eine der Ehepartnerinnen sich als transgender geoutet hat. Die Geschichte von Shaye und Amanda Scott, die ursprünglich auf PinkNews erschien, zeigt eindrucksvoll, wie Glaube und geschlechtliche Identität miteinander vereinbar sein können – ein Thema, das auch in Deutschland viele religiöse LGBTQ+-Personen betrifft.

Eine Liebesgeschichte jenseits konventioneller Grenzen

Shaye und Amanda Scott sind durch ihre Videos auf TikTok bekannt geworden, in denen sie ihr Eheleben nach Shayes Coming-out im Jahr 2023 teilen. Das Paar, das 2012 heiratete, erneuerte im vergangenen Jahr sein Ehegelübde, um zu zeigen, dass ihre Beziehung durch die Transition nicht geschwächt, sondern gestärkt wurde.

"Als Shaye sich mir gegenüber outete, dachte ich nicht, dass ich mich zu Frauen hingezogen fühle, aber mit der Zeit habe ich erkannt, dass ich es tatsächlich bin", berichtet Amanda über ihre persönliche Entwicklung. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder, die Shayes Transition ebenfalls positiv aufgenommen haben.

In einem Gespräch mit ihrem 10-jährigen Sohn Hudson fragte Shaye, ob sich durch ihr Coming-out etwas verändert habe. Seine Antwort war bemerkenswert: "Unsere Beziehung wurde besser. Es hat sich nicht wirklich viel verändert."

Herausforderungen im religiösen Kontext

Die Scotts sind praktizierende Mormonen, was ihre Geschichte besonders macht. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage vertritt traditionell konservative Ansichten zu Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung. Als Shaye sich outete, sagte sie Amanda, dass sie nicht transitieren würde, wenn das den Verlust ihrer Ehe bedeuten würde. Doch Amanda unterstützte sie bedingungslos und begleitete sie sogar zu geschlechtsangleichenden Operationen in verschiedenen Ländern.

2024 erneuerten sie ihr Ehegelübde, wobei ihr schwuler Onkel die mormonische Zeremonie segnete – ein weiteres Zeichen für einen möglichen Wandel innerhalb der religiösen Gemeinschaft.

Die Situation in Deutschland

Auch in Deutschland stehen LGBTQ+-Personen in religiösen Gemeinschaften vor Herausforderungen. Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage vertritt auch hierzulande eine konservative Haltung zu Transgender-Themen. Offiziell fordert die Kirche zwar, Transgender-Personen mit "Einfühlungsvermögen, Freundlichkeit, Mitgefühl und christlicher Liebe" zu behandeln, rät aber gleichzeitig von medizinischen und sozialen Transitionen ab, wie offizielle Stellungnahmen der Kirche zeigen.

Diese Haltung führt dazu, dass viele gläubige LGBTQ+-Personen in Deutschland in einem inneren Konflikt leben. Anders als die Scotts, entscheiden sich viele dafür, entweder ihre Religionsgemeinschaft zu verlassen oder ihre Identität zu verbergen.

Wie Martin K. aus Berlin, ehemaliges Mitglied einer konservativen christlichen Gemeinde, berichtet: "Nach meinem Coming-out als trans Mann hatte ich das Gefühl, wählen zu müssen – entweder meine Kirche oder mein authentisches Leben. Es gab keinen Mittelweg." Heute engagiert er sich in der Organisation Zwischenraum, die LGBTQ+-Personen aus evangelikalen Kreisen unterstützt.

Unterstützung für religiöse LGBTQ+-Personen

In Deutschland gibt es mittlerweile mehrere Selbsthilfegruppen und Initiativen, die LGBTQ+-Personen aus religiösen Gemeinschaften unterstützen. Neben "Zwischenraum" bietet auch das Netzwerk LSBTTIQ Hilfe an und vermittelt Kontakte zu Selbsthilfegruppen in verschiedenen Regionen.

Diese Organisationen helfen dabei, den oftmals schmerzhaften Konflikt zwischen Glaube und Identität zu bewältigen. Ein Phänomen, das Psycholog:innen als "Religious Trauma Syndrome" bezeichnen – psychische Belastungen, die durch das Aufwachsen in streng religiösen Umfeldern entstehen können.

Ein Hoffnungsschimmer

Die Geschichte von Shaye und Amanda Scott zeigt, dass es möglich ist, Glaube und geschlechtliche Identität zu vereinen, selbst in konservativen religiösen Gemeinschaften. Trotz der Anfeindungen, die sie auch aus ihrer eigenen Gemeinschaft erfahren, leben sie weiterhin offen und selbstbewusst ihren Glauben und ihre Identität.

"Wenn du aus einem System kommst, in dem nicht jeder in den Himmel kommt, dann bekräftigst du deine eigene Heiligkeit, indem du auf andere zeigst und sagst, sie seien schlecht", erklärte Shaye zu den negativen Reaktionen, denen sie begegnen.

Diese Erkenntnis spiegelt auch die Erfahrungen vieler deutscher LGBTQ+-Personen wider, die in religiösen Kontexten leben. Der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr Akzeptanz setzt sich jedoch langsam durch – selbst in konservativeren Religionsgemeinschaften.

Die Liebesgeschichte der Scotts ist damit nicht nur eine persönliche Erfolgsgeschichte, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für all jene, die sich zwischen ihrer Identität und ihrem Glauben zerrissen fühlen – in den USA ebenso wie in Deutschland.

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