"Ich bin keine Ausnahme": Homophober Angriff auf Hanauer Juso-Chef zeigt anhaltende Diskriminierung queerer Menschen in Deutschland

Ein homophober Übergriff auf den Hanauer Juso-Vorsitzenden Max Tischberger macht erneut auf die erschreckende RealitĂ€t queerfeindlicher Gewalt in Deutschland aufmerksam. Wie queer.de berichtet, ereignete sich der Vorfall am vergangenen Samstag im Hanauer Stadtteil Großauheim, als Tischberger auf dem Heimweg vom Mainuferfest war.

Der Vorfall: Beleidigung und Nötigung

Laut Angaben der SPD-Jugendorganisation nĂ€herte sich ein alkoholisierter Jugendlicher aus einer Gruppe von vier bis fĂŒnf Personen dem Juso-Chef, packte ihn an den Handgelenken und hinderte ihn am Weitergehen. In aggressivem Ton fragte der Teenager: "Ich habe gehört, dass du eine Schwuchtel bist – stimmt das?" und fĂŒgte hinzu: "Eine Schwuchtel kann ich in Auheim nicht tolerieren."

Tischberger reagierte besonnen und konnte sich verbal aus der Situation befreien. Nachdem er außer Reichweite des Angreifers war, verstĂ€ndigte er den Notruf und erstattete Anzeige wegen Nötigung und Beleidigung.

"Queerfeindlichkeit ist bittere RealitÀt"

"Ich habe mich entschieden, diesen Angriff öffentlich zu machen – weil ich keine Ausnahme bin, sondern Queerfeindlichkeit fĂŒr viele Menschen bittere RealitĂ€t ist", erklĂ€rte Tischberger nach dem Vorfall. "Als queerer Mensch erfahre ich immer wieder subtile wie offene Anfeindungen." Der seit 2023 als Juso-Vorsitzender aktive Politiker betonte, er wolle sich nicht einschĂŒchtern lassen: "Wir mĂŒssen öffentlich ĂŒber VorfĂ€lle sprechen, damit sich die TĂ€ter nicht durch Schweigen bestĂ€tigt fĂŒhlen."

Ein Teil eines grĂ¶ĂŸeren Problems

Der Vorfall in Hanau steht beispielhaft fĂŒr ein alarmierendes gesellschaftliches Problem in Deutschland. Laut einer kĂŒrzlich veröffentlichten Studie der EU-Agentur fĂŒr Grundrechte (FRA) vom Mai 2024 erfahren LGBTQ+-Personen trotz gestiegener gesellschaftlicher Akzeptanz weiterhin Gewalt, BelĂ€stigung und Diskriminierung.

Die Zahlen sind alarmierend: 16 Prozent der LGBTQ+-Personen in Deutschland berichten von Gewalterfahrungen, bei intergeschlechtlichen Menschen sind es sogar ĂŒber ein Drittel. Mehr als die HĂ€lfte der Befragten (57 Prozent) war bereits BelĂ€stigungen ausgesetzt.

Dramatischer Anstieg queerfeindlicher Straftaten

Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung der letzten Jahre: Der Lagebericht zur kriminalitĂ€tsbezogenen Sicherheit von LSBTIQ* verzeichnete fĂŒr 2023 insgesamt 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ*-Personen – ein deutlicher Anstieg gegenĂŒber den 1.188 FĂ€llen im Jahr 2022. Die Zahl der Straftaten im Bereich "Sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsbezogene DiversitĂ€t" hat sich seit 2010 nahezu verzehnfacht.

Besonders junge LGBTQ+-Personen sind von Diskriminierung betroffen. Laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) haben ĂŒber 80 Prozent der befragten queeren Jugendlichen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Zugehörigkeit bereits Diskriminierung erfahren – am hĂ€ufigsten in der Öffentlichkeit.

Aufruf zum Handeln

Sophie Seidel, Vizevorsitzende der Jusos in Hanau, unterstĂŒtzt Tischbergers Entscheidung, den Vorfall öffentlich zu machen: "Es darf keine NormalitĂ€t sein, als queere Person diskriminiert, angefeindet oder sogar angegriffen zu werden."

Der Fall zeigt, dass trotz gesetzlicher Fortschritte wie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Diskriminierung aufgrund der sexuellen IdentitÀt verbietet, noch viel zu tun bleibt. Experten fordern eine konsequentere Erfassung und Verfolgung queerfeindlicher Straftaten sowie mehr PrÀventions- und AufklÀrungsarbeit.

Tischbergers mutige Haltung verdeutlicht, wie wichtig es ist, queerfeindliche VorfĂ€lle sichtbar zu machen und nicht zu schweigen. "Ich bin ĂŒberzeugt, dass Hanau bunt ist. Nur Einzelne erwecken mit ihrer Haltung den Anschein, als seien sie die Mitte der Gesellschaft", betont er. Eine Botschaft, die angesichts der besorgniserregenden Entwicklung queerfeindlicher Gewalt in Deutschland wichtiger ist denn je.

Terug naar blog