Gescheiterte Anschlagsdrohung gegen CSD Harz offenbart wachsende Bedrohungslage

Die Staatsanwaltschaft Halberstadt zweifelt laut MDR an der "Ernsthaftigkeit" einer Anschlagsdrohung gegen den CSD Harz, nachdem ein 20-Jähriger wegen entsprechender Äußerungen festgenommen wurde. Der ursprüngliche Bericht auf queer.de zeigt jedoch ein alarmierendes Muster auf, das weit über diesen einzelnen Fall hinausgeht.

Ein missglückter Einschüchterungsversuch

Der Fall in Wernigerode mag auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinen: Bei der Hausdurchsuchung fanden Ermittler lediglich zwei Schreckschuss- und eine Softairwaffe sowie korrodierte Munition, die offenbar im Freien gefunden worden war. Der Verdächtige wurde mangels ausreichender Beweise wieder auf freien Fuß gesetzt. Doch die Geschichte endet hier nicht.

Falko Jentsch vom CSD Wernigerode berichtet gegenüber der taz, dass der 20-Jährige seine Freiheit nutzt, um "durch die Stadt zu laufen und zu behaupten, er gehe gegen die CSD-Akteure vor, weil sie seinen Ruf zerstören würden". Diese Nachspielaktionen zeigen, dass es weniger um eine ernst gemeinte Bedrohung ging, sondern vielmehr um gezielte Einschüchterung der LGBTQ+-Community.

Symptom einer wachsenden Bedrohung

Der Vorfall in Wernigerode ist kein Einzelfall, sondern reiht sich in eine besorgniserregende Entwicklung ein. Laut tagesschau haben Bedrohungen und Angriffe auf CSD-Veranstaltungen sowohl quantitativ als auch qualitativ deutlich zugenommen. Besonders in Regionen mit starker AfD-Präsenz mobilisieren sich rechtsextreme Gruppen organisiert gegen Pride-Events.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2023 wurden in Deutschland 1.785 Straftaten im Bereich der queerfeindlichen Hasskriminalität dokumentiert - ein Anstieg von etwa 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Entwicklung macht sich auch bei den CSD-Veranstaltungen bemerkbar, die zunehmend unter erheblichem Polizeischutz stattfinden müssen.

Auswirkungen auf die Community

Die psychologischen Folgen dieser Bedrohungslage sind erheblich. Jentsch bestätigt: "Wir merken an den Zahlen, dass Menschen die CSDs aus Angst meiden." Diese Entwicklung ist besonders tragisch, da sie genau das Gegenteil dessen bewirkt, wofür Christopher Street Days stehen: Sichtbarkeit, Stolz und gemeinschaftliche Stärke.

Auch wenn der CSD Harz am vergangenen Wochenende mit knapp 400 Teilnehmenden ohne Zwischenfälle stattfand, zeigt allein das "massive Polizeiaufgebot", das laut Jentsch nötig war, wie angespannt die Lage ist. In anderen Fällen führten konkrete Bedrohungen bereits zu kompletten Absagen von Pride-Veranstaltungen, wie etwa in Gelsenkirchen.

Politische Aufmerksamkeit wächst

Die Thematik hat mittlerweile auch die Landesparlamente erreicht. Im Magdeburger Landtag befragte die grüne Abgeordnete Susan Sziborra-Seidlitz Landesinnenministerin Tamara Zieschang (CDU) zu dem Vorfall. Die Ministerin bestätigte den "relativ hohen Polizeiaufgebot" für den CSD in Wernigerode und rechtfertigte dies mit der Präsenz "vereinzelter rechter oder rechtsextremer Jugendlicher", die das Event stören wollten.

Diese politische Aufmerksamkeit ist wichtig, denn sie macht deutlich: Die Bedrohungslage für LGBTQ+-Veranstaltungen ist real und erfordert staatliche Schutzmaßnahmen. Gleichzeitig zeigt sie aber auch, wie weit sich die Situation bereits entwickelt hat - dass Pride-Events nur noch unter Polizeischutz stattfinden können, ist ein Armutszeugnis für die Toleranz in unserer Gesellschaft.

Ein Aufruf zur Solidarität

Der Fall in Wernigerode mag glimpflich ausgegangen sein, doch er mahnt zur Wachsamkeit. Die LGBTQ+-Community braucht jetzt mehr denn je die Unterstützung der gesamten Gesellschaft. Jeder CSD-Besuch, jede Regenbogenflagge, jede Stimme gegen Diskriminierung ist ein wichtiges Zeichen - nicht nur für die Community selbst, sondern auch für diejenigen, die versuchen, durch Einschüchterung und Drohungen Angst zu verbreiten.

Die Demokratie und die Rechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten lassen sich nicht durch korrodierte Munition und großspurige Drohungen zerstören. Sie leben von der mutigen Sichtbarkeit derjenigen, die für Vielfalt und Akzeptanz einstehen - auch und gerade in schwierigen Zeiten.

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