FĂĽnf Jahre LADG: Wegweisendes Antidiskriminierungsgesetz zeigt erste Erfolge

Das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) feiert sein fünfjähriges Bestehen – und die Bilanz ist beeindruckend. Seit dem Inkrafttreten am 21. Juni 2020 gingen täglich durchschnittlich eine Beschwerde bei der zuständigen Ombudsstelle ein, insgesamt 1.785 Fälle. Ein Zeichen dafür, dass das Gesetz nicht nur existiert, sondern auch tatsächlich von Betroffenen genutzt wird.

LGBTQ+ Diskriminierung: Jede dritte Beschwerde im Geschlechterbereich

Besonders für LGBTQ+ Menschen ist diese Entwicklung bedeutsam: 56 Beschwerden im Jahr 2024 bezogen sich auf Diskriminierung wegen des Geschlechts, geschlechtlicher Identität und der sexuellen Identität. Das macht diese Kategorie zur dritthäufigsten Beschwerdeart nach rassistischer Diskriminierung (162 Fälle) und Diskriminierung wegen Behinderung oder chronischer Erkrankung (114 Fälle).

Die Zahlen verdeutlichen ein gesamtdeutsches Problem: Studien zeigen, dass LGBTQ+ Personen weiterhin Ablehnung, Ausgrenzung und Gewalt erleben, obwohl rechtliche Gleichstellung erreicht wurde. In Berlin wurden 2022 allein 542 Hasskriminalitäts-Delikte im Bereich geschlechtsbezogener Diversität und sexueller Orientierung polizeilich erfasst – die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen.

Behörden als Hauptproblem: Verwaltung muss lernen

Die meisten Beschwerden richteten sich gegen Bezirksämter (382 Fälle), gefolgt von Schulen und Kitas (210) sowie Universitäten und Hochschulen (85). Auch gegen die Polizei gingen 191 Beschwerden ein. Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) bringt das Problem auf den Punkt: "Im Unterschied zur freien Wirtschaft gibt es in der Berliner Verwaltung einen stärkeren Widerwillen, Fehler einzugestehen und daraus positiv zu lernen."

Die Leiterin der Ombudsstelle, Doris Liebscher, betont die Vielfältigkeit der Diskriminierungserfahrungen: "Wir erleben Diskriminierung in allen Bereichen und Facetten" – von Polizei- oder Fahrkartenkontrollen bis hin zu fehlenden barrierefreien Bildungsangeboten.

Pionierarbeit mit Symbolkraft: Der "Oben ohne"-Fall

Für bundesweite Aufmerksamkeit sorgte ein Fall, der exemplarisch für die Wirksamkeit des LADG steht: Eine Frau hatte sich 2021 auf einem Wasserspielplatz oben ohne gesonnt und wurde von Wachleuten dazu aufgefordert, ihre Brüste zu bedecken oder den Platz zu verlassen. Das Kammergericht sprach ihr schließlich eine Entschädigung von 750 Euro zu – ein wichtiges Signal gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung.

Inzwischen gilt in Berliner Schwimmbädern laut Badeordnung, dass nur die primären Geschlechtsorgane bedeckt werden müssen – die Brüste also nicht. Ein konkretes Beispiel dafür, wie das LADG strukturelle Veränderungen bewirken kann.

Einzigartiges Instrument mit bundesweiter Ausstrahlung

Das LADG ist deutschlandweit einzigartig: Es schließt die Lücke zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das vor allem Diskriminierung in der Privatwirtschaft regelt, und dem öffentlich-rechtlichen Bereich. Während das AGG bereits 2006 Schutz vor Diskriminierung aufgrund sexueller Identität im Arbeitsleben garantierte, deckt das LADG nun auch Behörden und Verwaltung ab.

Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus feiern das Gesetz als "Erfolgsgeschichte": "Alle von rechter und konservativer Seite geäußerten Befürchtungen sind ausgeblieben", erklären die Sprecher*innen für Diversitätspolitik Sebastian Walter und Tuba Bozkurt. "Weder kam es zu einer Klageflut noch zu einer Erschwerung behördlicher Arbeit."

Mehr als Beschwerden: Beratung und struktureller Wandel

Neben den 1.785 Beschwerden kamen über 2.000 Beratungsanfragen dazu – ein Zeichen dafür, dass die Ombudsstelle als niedrigschwellige Anlaufstelle funktioniert. Die Erfolge reichen "vom Blumenstrauß oder Entschädigungszahlungen bis zu Änderungen von Formularen und Schlichtungen im Einzelfall", so Liebscher.

Besonders wichtig: Das LADG fordert nicht nur den Schutz vor Diskriminierung, sondern auch die Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt. Zum fünfjährigen Jubiläum wurde eine Kommentierung des Gesetzes veröffentlicht, um Fragen aus Praxis und Wissenschaft zu beantworten.

Ausblick: Stärkung und Ausbau nötig

Die stetig wachsende Zahl der Beschwerden unterstreicht nicht nur die Relevanz des Gesetzes, sondern auch die Notwendigkeit, die Umsetzung weiter voranzutreiben. Die Grünen fordern, die Ombudsstelle "endlich auszubauen und rechtlich weiter zu stärken".

Das LADG zeigt: Rechtliche Instrumente gegen Diskriminierung können wirken – wenn sie mit konkreten Durchsetzungsmechanismen und niedrigschwelligen Beratungsangeboten verbunden werden. Für LGBTQ+ Menschen bedeutet das Gesetz nicht nur Schutz, sondern auch die Möglichkeit, strukturelle Veränderungen in Behörden und Institutionen anzustoßen. Ein Modell, das bundesweit Schule machen könnte.

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