Die nicht-binäre ESC-Gewinner*in Nemo zeigt sich "traurig" und "verwirrt" über die Entscheidung der Europäischen Rundfunkunion (EBU), Pride-Flaggen bei offiziellen Eurovision-Veranstaltungen zu verbieten. Wie PinkNews berichtet, kritisiert Nemo die EBU scharf und wirft ihr vor, ihre "Verantwortung" gegenüber der LGBTQ+-Community nicht ernst zu nehmen.
Neues Flaggen-Verbot löst Empörung aus
Im vergangenen Monat bestätigte die EBU, dass es Teilnehmer*innen des Eurovision Song Contest 2025 in Basel untersagt sein wird, andere Flaggen als die ihres teilnehmenden Landes zu offiziellen Eurovision-Veranstaltungen mitzubringen. Dies bedeutet, dass Pride-Flaggen auf der Hauptbühne der St. Jakobshalle, im Green Room, im Eurovision Village, bei der Flaggenparade oder auf dem Türkisfarbenen Teppich nicht mehr gezeigt werden dürfen.
Diese verschärfte Regelung kommt, nachdem Nemo – die geschichtsträchtige nicht-binäre Teilnehmer*in der Schweiz und spätere Gewinner*in des Wettbewerbs – im vergangenen Jahr eine nicht-binäre Flagge bei der Flaggenparade "einschmuggeln" musste.
Nemos persönliche Erfahrung
"An diesem Punkt bin ich sehr verwirrt", erklärte die 25-jährige Künstler*in gegenüber PinkNews. "Letztes Jahr bereitete ich meine nicht-binäre Flagge vor und dachte: 'OK, ich gehe mit der Schweizer Flagge und der nicht-binären Flagge' und dann sagte jemand: 'Oh, tut mir leid, du kannst das nicht mitnehmen, es ist auf der Bühne verboten'. Also habe ich einfach stillgehalten und sie irgendwo versteckt, wo niemand sie sehen konnte."
Nemo kritisierte auch die Doppelmoral der EBU, die nach dem Sieg Fotos von Nemo mit der nicht-binären Flagge in den sozialen Medien veröffentlichte, obwohl es zunächst verboten war. "Das ist so dumm. Und dann haben sie eine Erklärung abgegeben, dass es 'immer erlaubt' war. Ich dachte, gut, dann können wir jetzt weitermachen und das wird kein Problem mehr sein. Jetzt sagen sie aber aktiv, dass es nicht mehr erlaubt ist, obwohl die Schweiz kein Problem damit hätte."
Reaktionen in Deutschland
Auch in Deutschland hat das Flaggenverbot für Empörung gesorgt. SCHWULISSIMO berichtet, dass viele deutsche LGBTQ+-Vertreter*innen das Verbot als klaren Widerspruch zur traditionellen Rolle des ESC als Plattform für Vielfalt und Toleranz sehen. Der Bundesverband Lesben und Schwule in der Union (LSU) hat in einer Stellungnahme das Verbot als "rückschrittlich und enttäuschend" bezeichnet.
Isabell Barth, Vorsitzende des deutschen Eurovision-Fanclubs, erklärt: "Der ESC hat eine jahrzehntelange Tradition als sicherer Raum für die LGBTQ+-Community. Die Regenbogenfahne ist dabei kein politisches Symbol, sondern steht für Vielfalt und Akzeptanz – genau die Werte, für die der ESC eigentlich einsteht."
WidersprĂĽchliche Regelungen
Die neue Flaggenpolitik der EBU sieht vor, dass Teilnehmer*innen nur ihre Landesflagge tragen dürfen, während Fans und Zuschauer*innen jede Art von Flagge mitbringen können, solange diese mit schweizerischem Recht konform ist und nicht diskriminierend ist oder zu Hass aufruft.
"Ich verstehe es einfach nicht. Ich bin verwirrt ĂĽber den Entscheidungsprozess und die Absicht dahinter", sagte Nemo. "Es muss Sinn ergeben. Man kann nicht als queerstes Event Europas bekannt sein und dann sagen: 'Wir erlauben keine Pride-Flaggen.' Das ergibt einfach keinen Sinn fĂĽr mich, besonders in dieser Zeit."
Kritik an der EBU
Nemo fordert die EBU auf, jetzt Stellung zu beziehen und Verantwortung zu ĂĽbernehmen, da so viele queere Menschen am Eurovision teilnehmen, ihn anschauen und bei ihm auftreten. "Es macht mich einfach traurig, dass diese Verantwortung nicht wahrgenommen zu werden scheint."
Auch in deutschen Medien wird die Frage aufgeworfen, ob die EBU mit diesem Schritt ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Der SWR berichtet, dass viele deutsche Fans des Wettbewerbs enttäuscht sind und das Verbot als Widerspruch zum Selbstverständnis des ESC als Ort der Vielfalt und Akzeptanz sehen.
EBU rechtfertigt Entscheidung
In einer Stellungnahme an PinkNews erklärte ein EBU-Sprecher, dass die offiziellen Flaggenrichtlinien des Eurovision Song Contest 2025 vom Schweizer Gastgebersender SRG SSR mit Beiträgen der EBU entwickelt wurden, insbesondere für offizielle ESC-Räume, um Klarheit für Publikum und Delegationen zu schaffen.
"In Übereinstimmung mit anderen internationalen Wettbewerben können teilnehmende Sender in offiziellen Räumen – dazu gehören die Bühne, der Green Room, die Eurovision Village Bühne und der Türkisfarbene Teppich – nur eine Nationalflagge verwenden", heißt es in der Erklärung.
Ausblick auf den Wettbewerb
Das Halbfinale des Eurovision Song Contest findet am 15. Mai statt, das Finale am Samstag, den 17. Mai. Für Deutschland tritt Reagan James an, der sich bereits solidarisch mit Nemo gezeigt und Unverständnis über das Flaggenverbot geäußert hat.
Ob sich alle Teilnehmer*innen an die neuen Regeln halten werden, bleibt abzuwarten. Nemo selbst ist gespannt: "Mal sehen, ob sich dieses Jahr alle an die Regeln halten oder nicht. Ich bin gespannt auf weitere Entwicklungen."