Die offizielle Umbenennung der USNS Harvey Milk durch die Trump-Administration markiert einen symbolischen Wendepunkt in der Behandlung von LGBTQ+-Geschichte im US-Militär. Das nach dem ermordeten schwulen Aktivisten und Politiker Harvey Milk benannte Versorgungsschiff trägt nun den Namen USNS Oscar V. Peterson – ein Schritt, der weit über die reine Umbenennung hinausgeht und tiefere gesellschaftliche Spannungen offenlegt.
Harvey Milk: Ein Vorkämpfer zwischen Militärdienst und Diskriminierung
Harvey Milks Geschichte spiegelt die paradoxe Beziehung zwischen LGBTQ+-Menschen und dem Militär wider. Trotz des strikten Homosexualitätsverbots in den US-Streitkräften trat er 1951 während des Koreakrieges als 21-Jähriger in die Navy ein – stammend aus einer Navy-Familie, die Militärdienst als selbstverständlich betrachtete. Vier Jahre später, 1955, wurde er wegen seiner sexuellen Orientierung unehrenhaft entlassen, obwohl er den Rang eines Leutnants erreicht hatte.
Diese unehrliche Entlassung war kein Einzelfall, sondern Teil einer systematischen Diskriminierung, die auch in Deutschland lange Zeit praktiziert wurde. Bis zum Jahr 2000 wurden auch in der Bundeswehr schwule und bisexuelle Soldaten benachteiligt – ein dunkles Kapitel, das erst 2021 durch ein Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetz offiziell aufgearbeitet wurde.
Von der Ehrung zur Tilgung: Politische Symbolik im Wandel
Die ursprüngliche Entscheidung, 2016 unter Präsident Obama ein Marineschiff nach Harvey Milk zu benennen, war ein historischer Akt der Wiedergutmachung. Als 2021 die USNS Harvey Milk getauft wurde, erklärte der damalige Marineminister Carlos Del Toro, dass "Führungspersönlichkeiten wie Harvey Milk uns gelehrt haben", dass Diversität "zur Stärke und Entschlossenheit unserer Nation beiträgt".
Doch was als Fortschritt gefeiert wurde, ist nun rückgängig gemacht worden. Verteidigungsminister Pete Hegseth begründete die Umbenennung damit, "die Politik aus der Namensgebung von Schiffen herauszunehmen" und "die Kriegerkultur des Militärs wiederherzustellen". Diese Rhetorik offenbart eine problematische Sichtweise: Die Anerkennung von LGBTQ+-Beiträgen wird als "Politik" abgetan, während die Ehrung heterosexueller, cisgender Männer als unpolitisch dargestellt wird.
Deutsche Parallelen: Vom Ausschluss zur Integration
Deutschland kann als Beispiel dafür dienen, wie sich militärische Kulturen wandeln können. Die Bundeswehr hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Während homosexuelle Soldaten bis zur Jahrtausendwende systematisch diskriminiert wurden, gibt es heute Organisationen wie QueerBw, die sich für die Rechte queerer Angehöriger der Bundeswehr einsetzen.
Dieser Wandel zeigt: Militärische "Kriegerkultur" und LGBTQ+-Inklusion schließen sich nicht aus. Im Gegenteil – diverse Streitkräfte sind oft effektiver und widerstandsfähiger, da sie ein breiteres Spektrum an Talenten und Perspektiven nutzen können.
Mehr als nur ein Name: Symbol fĂĽr gesellschaftliche RĂĽckschritte
Die Umbenennung der USNS Harvey Milk erfolgt in einem breiteren Kontext von Anti-LGBTQ+-Maßnahmen der Trump-Administration. Parallel dazu wurden Diversitätsprogramme in den Streitkräften eingestellt und transgender Menschen aus der Armee verbannt. Diese Politik steht im krassen Gegensatz zu internationalen Trends, wo immer mehr NATO-Partner – einschließlich Deutschland – auf Inklusion setzen.
Nancy Pelosi bezeichnete die Umbenennung als "boshaft", "beschämend" und "rachsüchtig" – Worte, die die emotionale Dimension dieser Entscheidung verdeutlichen. Für viele LGBTQ+-Menschen in den USA und weltweit ist dies mehr als eine administrative Maßnahme: Es ist ein Signal, dass ihre Beiträge und Opfer nicht geschätzt werden.
Ein Vermächtnis, das nicht getilgt werden kann
Obwohl der Name Harvey Milk von einem Kriegsschiff verschwunden ist, bleibt sein Vermächtnis bestehen. Seine Geschichte – vom diskriminierten Soldaten zum mutigen Politiker, der 1978 von einem Attentäter ermordet wurde – zeigt die Kraft des zivilen Widerstands gegen Ungerechtigkeit. Der Oscar-prämierte Film "Milk" mit Sean Penn hat diese Geschichte einem weltweiten Publikum nahegebracht und wird auch weiterhin Menschen inspirieren.
Die deutsche Erfahrung mit der Aufarbeitung militärischer Diskriminierung zeigt einen Weg vorwärts: Echte Rehabilitierung erfordert nicht nur symbolische Gesten, sondern strukturelle Veränderungen und die Bereitschaft, aus der Vergangenheit zu lernen. Während die USA einen Rückschritt machen, können andere Länder vorangehen und beweisen, dass Vielfalt die Stärke einer Nation ausmacht – auch und gerade in ihren Streitkräften.