Die Stadt Pforzheim erwägt laut einem Bericht der "Badischen Neuen Nachrichten", eine rechtsextreme Gegendemo zum bevorstehenden Christopher Street Day (CSD) am 14. Juni zu verbieten. Diese Entwicklung reiht sich in einen besorgniserregenden bundesweiten Trend ein, bei dem rechtsextreme Gruppierungen verstärkt gegen queere Veranstaltungen mobilisieren und die Zahl queerfeindlicher Übergriffe dramatisch zunimmt.
Rechtsextreme Provokation in Pforzheim
Der selbsternannte "Störtrupp Süd" hatte in den sozialen Medien angekündigt, parallel zum CSD "für traditionelle Werte und gegen die Frühsexualisierung unserer Kinder" demonstrieren zu wollen. Die Gruppierung verbreitet dabei typisch rechtsextreme Narrative wie den angeblichen "Erhalt unseres Volkes und unserer Nation Deutschland" – Rhetorik, die klare völkisch-nationalistische Bezüge aufweist.
Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) positionierte sich deutlich gegen die geplante Gegendemo: "Als Oberbürgermeister trete ich seit Jahren entschieden für Toleranz, Respekt und gesellschaftlichen Zusammenhalt ein – und werde dies auch weiterhin tun. Klar und unmissverständlich wende ich mich gegen jede Form von rechter Hetze." Interessanterweise betonte Boch, dass er selbst in jüngeren Jahren "öfter" beim CSD Stuttgart zugegen gewesen sei.
Pforzheim als Hotspot rechtsextremer Aktivitäten
Die Stadt am nördlichen Rand des Schwarzwalds gilt als Hochburg rechtsextremer Gesinnung in Baden-Württemberg. Bei den letzten beiden Landtagswahlen erhielt die als rechtsextrem eingestufte AfD im Wahlkreis Pforzheim die meisten Zweitstimmen. Zudem sorgte die lokale Baptistenkirche "Zuverlässiges Wort" wiederholt für Schlagzeilen, nachdem dort die Vernichtung queerer Menschen gefordert wurde. Ein Prediger dieser christlich-fundamentalistischen Gemeinschaft wurde im Dezember 2023 wegen volksverhetzender Äußerungen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Bundesweiter Anstieg queerfeindlicher Gewalt
Der Fall Pforzheim steht exemplarisch für eine beunruhigende Entwicklung in ganz Deutschland. Laut Bundeskriminalamt wurden im Jahr 2023 bundesweit 1.785 queerfeindliche Straftaten registriert – ein alarmierender Anstieg gegenüber 1.188 Fällen im Vorjahr. Das Bundesinnenministerium erfasste allein 1.499 Straftaten im Bereich "sexuelle Orientierung" und weitere 854 im Bereich "geschlechtsbezogene Diversität".
Zu den häufigsten Delikten zählen Beleidigungen, Körperverletzungen, Volksverhetzung, Nötigungen und Bedrohungen. Laut einer aktuellen Analyse des Autor*innenkollektivs Feministische Intervention (AK Fe.In) können mittlerweile nur noch etwa 60 Prozent der CSDs in Deutschland störungsfrei stattfinden.
CSDs unter Druck: Rechtsextreme Mobilisierung 2024
Von den über 200 CSDs, die 2024 bundesweit stattfanden, wurden 32 durch angemeldete extrem rechte Demonstrationen und Kundgebungen bedroht. Bei 68 CSDs kam es zu Störungen und Angriffen auf Teilnehmende sowie auf die Infrastruktur. Besonders dramatische Situationen entwickelten sich in ostdeutschen Städten: In Bautzen beteiligten sich mehr als 700 Personen an rechtsextremen Protesten gegen den CSD, in Zwickau etwa 480 und in Leipzig mehr als 300 – vorwiegend Angehörige der gewaltorientierten rechtsextremen Szene.
Das Bundesinnenministerium zählte zwischen Juni und September 2024 bundesweit rund 20 Kundgebungen, die sich gezielt gegen CSD-Veranstaltungen richteten und entweder von Rechtsextremisten organisiert oder dominiert wurden. Mehrere CSDs konnten nur unter massivem Polizeischutz stattfinden.
Solidarität der Kirchen in Pforzheim
Bemerkenswert in Pforzheim ist die klare Positionierung kirchlicher Gruppen. Die ökumenische Arbeitsgemeinschaft Christlicher Gemeinden Pforzheim hat sich explizit für ein Verbot der rechtsextremen Gegendemo ausgesprochen: "Wir sind besorgt über die Gefahr, die von den Rechtsextremisten für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des CSDs ausgeht", teilte der Dachverband mit.
In ihrer Stellungnahme betonten die Kirchenvertreter: "'Die Würde des Menschen ist unantastbar' – dafür stehen wir ein und bitten alle Christen und Christinnen, sich mit dem CSD solidarisch zu zeigen. Wir werden da sein und mit unserer Anwesenheit ein deutliches Zeichen gegen Hass und Menschenfeindlichkeit setzen." Die evangelischen und katholischen Kirchen haben angekündigt, wie in den Vorjahren mit einem Stand auf dem Marktplatz vertreten zu sein "und die Menschen, die es wünschen, zu segnen".
Hohe Hürden für Demonstrationsverbote
Trotz der klaren Bedrohungslage stehen die Behörden vor rechtlichen Herausforderungen. Das Demonstrationsrecht ist in Deutschland ein hohes Gut und durch Artikel 8 des Grundgesetzes geschützt. Verbote sind nur unter engen Voraussetzungen möglich, etwa bei konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit.
Die Stadt Pforzheim prüft derzeit intensiv, ob diese Bedingungen erfüllt sind oder ob strenge Auflagen für die Gegendemo ausreichen könnten. Eine Entscheidung wird in den kommenden Tagen erwartet. Die Situation in Pforzheim verdeutlicht exemplarisch, wie die zunehmende rechtsextreme Mobilisierung gegen queere Veranstaltungen demokratische Institutionen vor schwierige Abwägungen zwischen Versammlungsfreiheit und Schutz bedrohter Minderheiten stellt.
Fazit: Wachsamkeit und Solidarität gefordert
Die Entwicklungen in Pforzheim und bundesweit zeigen, dass die Errungenschaften der LGBTQ+-Community aktiv verteidigt werden müssen. Der Anstieg queerfeindlicher Straftaten und die systematische Mobilisierung gegen CSDs erfordern entschlossenes Handeln von Behörden, Zivilgesellschaft und demokratischen Kräften. Die breite Solidarität in Pforzheim – von der Stadtspitze bis zu den Kirchen – ist dabei ein ermutigendes Zeichen, dass dem Hass gegen queere Menschen entschieden entgegengetreten wird.