Britisches „Sex-Täuschungsgesetz": Trans Menschen im Dating-Dilemma – Parallelen und Unterschiede zu Deutschland

Ein aktueller Fall aus Großbritannien wirft beunruhigende Fragen über die rechtliche Behandlung von trans Menschen beim Dating auf. Die Verurteilung von Ciara Watkin wegen sexueller Nötigung, nachdem sie ihre Trans-Identität nicht offengelegt hatte, zeigt die komplexe rechtliche Grauzone, in der sich trans Menschen bewegen müssen – eine Situation, die auch in Deutschland zunehmend relevant wird.

Der Fall Ciara Watkin: Ein Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen

Im August wurde die 21-jährige Ciara Watkin, die seit ihrem 13. Lebensjahr als Frau lebt, wegen zweifacher sexueller Nötigung und einem Fall von Körperverletzung durch Penetration verurteilt. Das Gericht argumentierte, dass ihr Partner keine „informierte Zustimmung" geben konnte, da sie ihm ihre Trans-Identität verschwiegen hatte. Die Jury brauchte nach nur zweitägiger Verhandlung lediglich eine Stunde für ihr Urteil.

Die britische Staatsanwaltschaft (CPS) hat ihre Richtlinien zur „Täuschung über das Geschlecht" Ende letzten Jahres aktualisiert. Laut den neuen Vorgaben gibt es keinen Unterschied zwischen einer absichtlichen Täuschung über das Geburtsgeschlecht und dem Verschweigen des Geburtsgeschlechts. Diese Änderung hat in der trans Community große Besorgnis ausgelöst.

„Ein unmögliches Dilemma": Die Stimmen betroffener Journalistinnen

Die trans Journalistinnen India Willoughby und jane fae kritisieren die aktuelle Rechtslage scharf. Willoughby bezeichnet die Verurteilung als „barbarisch und unmenschlich" und fragt: „Was für eine dystopische Welt ist das, in der das normal ist?" Sie sieht darin eine systematische Diskriminierung: „Wir haben keine Situation, in der Bisexuelle, cis Menschen, Konservative oder evangelikale Christen erklären müssen, wer sie sind, bevor sie Sex haben. Warum gilt das nur für trans Menschen?"

jane fae, Direktorin von TransActual, beschreibt das Dilemma prägnant: „Entweder offenbart man sich früh und riskiert Gewalt und Ablehnung, oder man schweigt bis zur Intimität und hofft, dass es in Ordnung ist. Keine der beiden Positionen ist ideal. Es bringt trans Frauen in eine unmögliche Situation."

Die Situation in Deutschland: Fortschrittliche Gesetze, aber anhaltende Herausforderungen

Im Vergleich zu Großbritannien zeigt sich Deutschland in der Gesetzgebung fortschrittlicher. Das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), das am 1. November 2024 in Kraft trat, erleichtert es trans, inter und nicht-binären Personen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen beim Standesamt ohne bürokratische Hürden zu ändern. Besonders bedeutsam ist dabei der Offenbarungsschutz: Nach § 13 des SBGG dürfen der frühere Geschlechtseintrag und Name nicht offengelegt oder erforscht werden.

Diese rechtliche Anerkennung steht im starken Kontrast zum britischen Ansatz. Während in Großbritannien trans Menschen unter Druck gesetzt werden, sich zu outen – mit der Gefahr strafrechtlicher Konsequenzen –, schützt das deutsche Recht aktiv die Privatsphäre von trans Personen.

Dating-Realitäten: Zwischen Akzeptanz und Gefahr

Studien zeigen, dass trans Menschen in Deutschland, Portugal und Großbritannien einem höheren Risiko ausgesetzt sind, Diskriminierung, Belästigung und Gewalt zu erfahren als cisgender schwule, lesbische und bisexuelle Personen. Diese Effekte sind besonders in Deutschland und Großbritannien ausgeprägt. In Berlin stiegen die von der Polizei erfassten anti-LGBTIQ*-Straftaten von 377 im Jahr 2020 auf 456 im Jahr 2021, wobei Beleidigungen die häufigste gemeldete Straftat darstellen.

India Willoughby beschreibt die Offenlegungspflicht als „extrem demütigend und stigmatisierend" und argumentiert, dass Großbritannien „das transphobste Land in Europa" geworden sei. Diese Einschätzung spiegelt sich in der steigenden Zahl von Hassverbrechen wider und unterstreicht die Dringlichkeit rechtlichen Schutzes.

Aktuelle Kontroversen: Der Fall Liebich und die Debatte um Missbrauch

Ein aktueller Fall in Deutschland zeigt, wie verletzlich die Rechte von trans Menschen bleiben. Ende 2024 nutzte der verurteilte Neonazi Sven Liebich das neue Selbstbestimmungsgesetz, um sich als Frau registrieren zu lassen und sollte seine Strafe in einem Frauengefängnis verbüßen – ein Schritt, der weithin als Versuch gesehen wurde, das deutsche Selbstbestimmungsgesetz zu verspotten.

LGBTQ-Aktivist*innen argumentieren, dass eine Aufhebung des Gesetzes zu mehr Diskriminierung führen würde. Die Kampagnengruppe Queer Nations warnte: „Für trans Menschen besteht das Risiko, dass einiges von dem, was der Trans-Aktivismus in den letzten 15 Jahren erreicht hat, rückgängig gemacht wird." Der Fall verdeutlicht die Spannung zwischen dem Schutz von trans Rechten und der Verhinderung von Missbrauch.

Ein europäischer Vergleich: Deutschland als Vorreiter?

Laut einer Umfrage von 2021 identifizieren sich etwa drei Prozent aller Einwohner*innen Deutschlands als transgender, genderfluid oder nicht-binär – einer der höchsten Werte weltweit. Die Zahl der Geschlechtseintragsänderungen ist seit Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes deutlich gestiegen: Allein im November und Dezember 2024 wurden fast 10.000 Änderungen registriert.

Diese Zahlen zeigen, dass Deutschland trotz aktueller Kontroversen einen progressiveren Weg eingeschlagen hat als Großbritannien. Länder wie Argentinien, Belgien, Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und Uruguay bieten ebenfalls einfache administrative Verfahren zur rechtlichen Geschlechtsanerkennung auf Basis der Selbsterklärung.

Der Weg nach vorn: Zwischen Schutz und Selbstbestimmung

Der Fall Ciara Watkin und die britischen „Sex-Täuschungsgesetze" werfen fundamentale Fragen über Autonomie, Privatsphäre und Sicherheit auf. jane fae bringt es auf den Punkt: „Das ist die Zwickmühle, in die ein patriarchalisches System Frauen immer bringt. Die Tatsache, dass es trans Frauen auf diese spezielle Weise betrifft, ändert nichts an der Realität, dass Dating als Institution wie immer darauf ausgelegt ist, den heterosexuellen Mann zu schützen."

Deutschland zeigt mit seinem Selbstbestimmungsgesetz, dass ein anderer Weg möglich ist – einer, der die Würde und Privatsphäre von trans Menschen respektiert. Während die britische Gesetzgebung trans Menschen kriminalisiert, die ihre Identität nicht offenlegen, schützt das deutsche Recht aktiv ihre Privatsphäre.

Die Debatte um trans Rechte beim Dating ist letztendlich eine Debatte über Menschenwürde und Gleichberechtigung. In einer Zeit, in der Hassverbrechen gegen LGBTQI+ Personen zunehmen – mit einem Anstieg von 16% in Deutschland im Jahr 2022 –, ist es umso wichtiger, dass Gesetze trans Menschen schützen statt sie zu kriminalisieren.

Die Worte von India Willoughby hallen nach: Was für eine Gesellschaft wollen wir sein – eine, die Minderheiten zwingt, sich ständig zu outen und damit Gewalt zu riskieren, oder eine, die allen Menschen ermöglicht, in Würde und Sicherheit zu leben und zu lieben?

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