Die britische Menschenrechtsorganisation Liberty hat rechtliche Schritte gegen die britische Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission (EHRC) eingeleitet. Grund ist ein Streit über die "rechtswidrige" Handhabung einer Konsultation zu Leitlinien über Transgender-Personen, wie PinkNews berichtet. Der Fall wirft wichtige Fragen zum Umgang mit Trans-Rechten auf – und zeigt deutliche Unterschiede zu Deutschland, wo kürzlich das Selbstbestimmungsgesetz eingeführt wurde.
Umstrittene Leitlinien und übereilte Konsultation
Die EHRC hatte ursprünglich nur zwei Wochen Zeit für eine öffentliche Konsultation zu Änderungen ihres Verhaltenskodex zu geschlechtsspezifischen Räumen angesetzt, was Liberty als Versuch kritisierte, die Änderungen "durchzupeitschen". Nach Protest verlängerte die Behörde die Frist auf sechs Wochen. Liberty fordert jedoch mindestens 12 Wochen für eine angemessene Beteiligung und argumentiert, dass die kurze Frist gegen die gesetzliche Pflicht zur fairen und rechtmäßigen Konsultation verstößt.
Die vorläufigen Leitlinien der EHRC, die im April nach einem Urteil des britischen Supreme Court veröffentlicht wurden, empfehlen den Ausschluss von Transgender-Personen aus geschlechtsspezifischen Räumen. Das Gericht hatte zuvor entschieden, dass die Definition von "Frauen" im Gleichstellungsgesetz von 2010 sich auf "biologische Frauen" bezieht.
Unterschiede zwischen Großbritannien und Deutschland
Der Fall zeigt einen deutlichen Kontrast zur Entwicklung in Deutschland. Während in Großbritannien restriktivere Regeln für Transgender-Personen drohen, hat Deutschland mit dem am 1. November 2024 in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) einen progressiveren Weg eingeschlagen.
Das deutsche Gesetz erlaubt es Bürgerinnen und Bürgern ab 14 Jahren, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen in offiziellen Dokumenten durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern. Es ersetzt das frühere Transsexuellengesetz (TSG), das als diskriminierend kritisiert wurde und psychologische Gutachten sowie ein Gerichtsverfahren vorschrieb.
"Das deutsche Selbstbestimmungsgesetz stellt einen wichtigen Fortschritt für die Rechte von Trans-Personen dar, auch wenn es in einigen Bereichen wie bei der Elternschaft noch Lücken gibt", erklärt die Rechtswissenschaftlerin Dr. Laura Adamietz, die sich auf LGBTQ+-Rechte spezialisiert hat, gegenüber Fachmedien.
Kritik von beiden Seiten
Allerdings gibt es auch in Deutschland Kritik am Selbstbestimmungsgesetz. Die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Reem Alsalem, äußerte Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Gesetzes auf die Menschenrechte von Frauen. Sie argumentierte, dass dem Gesetz notwendige Schutzmaßnahmen fehlen würden, um Missbrauch durch sexuelle Straftäter zu verhindern, insbesondere in geschlechtsspezifischen Räumen.
Trans-Aktivisten und Unterstützerorganisationen in Deutschland, wie der Bundesverband Trans* e.V., halten diese Bedenken jedoch für unbegründet und verweisen auf Erfahrungen aus anderen Ländern mit ähnlichen Gesetzen, in denen es keine Zunahme von Missbrauchsfällen gegeben habe.
Rechtliche Perspektiven und Ausblick
Liberty hat für seinen Rechtsstreit gegen die EHRC eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und bereits über 11.600 Pfund (etwa 13.800 Euro) von einem Ziel von 15.000 Pfund (etwa 17.800 Euro) gesammelt. Ein Richter des High Court wird nun entscheiden, ob eine Anhörung zu der Klage stattfinden wird.
In Deutschland bleibt abzuwarten, wie sich die praktische Anwendung des Selbstbestimmungsgesetzes entwickelt. Trotz der Fortschritte gibt es weiterhin Herausforderungen, beispielsweise bei der elterlichen Identifizierung auf Geburtsurkunden. Laut dem Völkerrechtsblog werden Transgender-Elternteile auf den Geburtsurkunden ihrer Kinder weiterhin zwangsweise mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht bezeichnet.
Der Fall in Großbritannien wird von deutschen LGBTQ+-Organisationen aufmerksam verfolgt. "Die Entwicklungen in Großbritannien zeigen, wie wichtig es ist, dass wir in Deutschland erreichte Fortschritte bei Trans-Rechten verteidigen und weiter ausbauen", betont Julia Monro vom Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) gegenüber deutschen Medien.
Die unterschiedlichen Ansätze beider Länder verdeutlichen die Spannungen und Debatten, die europaweit zum Thema Transgender-Rechte geführt werden. Während Deutschland mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen Schritt in Richtung größerer Selbstbestimmung gegangen ist, deuten die Entwicklungen in Großbritannien auf eine mögliche Einschränkung von Trans-Rechten hin.