Baden-Württemberg verstärkt Kampf gegen Queerfeindlichkeit: Aktionsplan mit 126 Maßnahmen

Die baden-württembergische Landesregierung hat ihren Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit erweitert und verlängert. Das aus Grünen und CDU bestehende Kabinett stimmte diese Woche dem weiterentwickelten Aktionsplan "Für Akzeptanz und gleiche Rechte" zu, wie auf queer.de berichtet wird. Der neue Plan umfasst 71 Ziele und 126 konkrete Maßnahmen in acht verschiedenen Handlungsfeldern - von Gesundheitsversorgung über Arbeitswelt bis hin zum Gewaltschutz.

Ein Jahrzehnt des Fortschritts - mit Hindernissen

"Auch wenn sich in den letzten zehn Jahren viel für die Gleichstellung von LSBTIQ*-Personen in Baden-Württemberg und ganz Deutschland getan hat, müssen wir als Gesellschaft noch mehr erreichen", erklärte Sozialminister Manne Lucha (Grüne) bei der Vorstellung des Plans in Stuttgart. Der ursprüngliche Aktionsplan wurde 2015 von der damaligen grün-roten Koalition eingeführt, stieß jedoch auf erheblichen Widerstand aus der CDU. Nach dem Regierungswechsel 2016 gab es sogar Forderungen aus christdemokratischen Reihen, den Plan gänzlich abzuschaffen. Letztendlich konnten sich jedoch die Grünen in diesem Punkt durchsetzen.

Die Weiterentwicklung des Aktionsplans erfolgte in einem breiten Beteiligungsprozess, an dem Ministerien, Kommunen und vor allem die LSBTIQ-Community selbst beteiligt waren. Als Grundlage diente unter anderem eine Online-Befragung zur Lebenssituation von LSBTIQ-Menschen in Baden-Württemberg, die zeigte, dass viele queere Menschen nach wie vor von Diskriminierung und Gewalt betroffen sind.

Konkrete Handlungsfelder und Maßnahmen

Der Plan umfasst verschiedene Handlungsfelder wie geschlechtliche Vielfalt, Ehrenamt, Sport und Integration. Er beinhaltet die Sensibilisierung und Qualifizierung von Fachkräften sowie die Förderung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Trans*, Inter* und nicht-binäre Menschen. Zudem werden Projekte zur Sensibilisierung in Sportvereinen und Maßnahmen für queere Geflüchtete gefördert.

Ein wichtiger Baustein ist die Einrichtung von vier LSBTIQ-Netzwerkstellen im Land, die als Anlaufpunkte dienen und die Vernetzung und Koordination von Angeboten verbessern sollen. Diese Netzwerkstellen sind Teil einer strukturellen Verankerung des Themas in der Landesverwaltung.

Besorgniserregende Zunahme von Hasskriminalität

Der Aktionsplan kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Hasskriminalität in Baden-Württemberg auf einem besorgniserregenden Niveau ist. Wie der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg berichtet, ist die Hasskriminalität im Jahr 2023 auf ein Zehnjahreshoch gestiegen, darunter auch Straftaten aufgrund sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Diversität. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, da viele Betroffene aus Angst vor weiteren Konsequenzen keine Anzeige erstatten.

Der Verband fordert deshalb, dass LSBTIQ*-feindliche Taten von der Polizei besser geahndet werden und Betroffene ermutigt werden, diese zur Anzeige zu bringen. Diese Forderungen spiegeln sich auch in den Sicherheitsmaßnahmen des Aktionsplans wider.

Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich

Baden-Württemberg reiht sich mit seinem Aktionsplan in eine bundesweite Bewegung ein. Mittlerweile haben fast alle Bundesländer – mit Ausnahme von Bayern – Aktionspläne gegen Queerfeindlichkeit verabschiedet. Auch auf Bundesebene gibt es seit 2023 den nationalen Aktionsplan "Queer leben", der sechs zentrale Handlungsfelder umfasst: rechtliche Anerkennung, gesellschaftliche Teilhabe, Sicherheit, Gesundheit, Stärkung von Beratungs- und Communitystrukturen sowie internationale Zusammenarbeit.

Der nationale Aktionsplan sieht unter anderem die Modernisierung des Familien- und Abstammungsrechts, den Ersatz des Transsexuellengesetzes durch das Selbstbestimmungsgesetz und ein Diskriminierungsverbot wegen "sexueller Identität" im Grundgesetz vor.

Kontinuierliche Aufgabe

Trotz aller Fortschritte bleibt der Kampf gegen Queerfeindlichkeit eine kontinuierliche Aufgabe. Studien und Umfragen zeigen, dass Queer- und insbesondere Transfeindlichkeit in Deutschland weiterhin verbreitet sind. Es bedarf daher verstärkter Aufklärungs- und Akzeptanzarbeit, um Diskriminierungen entgegenzuwirken und eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen.

Mit dem weiterentwickelten Aktionsplan setzt Baden-Württemberg ein wichtiges Zeichen für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Sozialminister Lucha betonte: "Darauf wollen wir aufbauen und nehmen neue Ziele und Maßnahmen in den Blick." Die Umsetzung des Plans wird in den kommenden Jahren zeigen, inwieweit die ambitionierten Ziele erreicht werden können.

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