Australien schafft diskriminierende Blutspende-Regeln für schwule Männer ab – ein Vorbild für Deutschland?

Australiens nationale Blutspende-Organisation Lifeblood hat angekündigt, ab dem 14. Juli 2025 die diskriminierenden Regeln für schwule und bisexuelle Männer sowie Transfrauen bei der Blutspende zu ändern. Diese Entscheidung markiert einen wichtigen Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung und zeigt, wie sich die Blutspende-Politik weltweit weiterentwickelt – auch in Deutschland.

Ende der Wartezeiten fĂĽr Plasmaspenden

Die neuen Regelungen in Australien bedeuten konkret, dass schwule und bisexuelle Männer sowie Transfrauen, die Sex mit Männern haben, künftig Plasma spenden können, ohne drei Monate enthaltsam gewesen zu sein. Diese Änderung betrifft auch Personen, die PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe) gegen HIV nehmen. Extensive Forschung und Modellierung zeigen laut Lifeblood, dass diese Änderung die Sicherheit der Plasmaversorgung nicht beeinträchtigt.

Dr. Jo Pink, Chefärztin von Lifeblood, betont die Tragweite dieser Entscheidung: "Mehr als 600.000 Menschen waren von den vorherigen Wartezeiten betroffen. Da Plasma die von australischen Patienten am meisten benötigte Spende ist, ist diese Änderung von entscheidender Bedeutung." Die Organisation erwartet dadurch zusätzlich 24.000 neue Spender und 95.000 zusätzliche Plasmaspenden pro Jahr.

Geschlechtsneutrale Bewertung fĂĽr Blutspenden geplant

Für Blutspenden plant Australien eine noch weitreichendere Reform: Die Therapeutic Goods Administration hat bereits einen Antrag von Lifeblood genehmigt, geschlechtsbasierte Regeln für sexuelle Aktivitäten zu entfernen. Stattdessen sollen alle Spender dieselben Fragen zu ihrer sexuellen Aktivität beantworten, unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung.

Die neuen Regeln werden besonders progressiv sein: Die meisten Menschen in einer sechsmonatigen oder längeren Beziehung mit einem Partner werden zur Blutspende zugelassen. Auch Personen mit neuen oder mehreren Partnern können spenden, sofern sie in den letzten drei Monaten keinen Analverkehr hatten. Das bedeutet das Ende der Frage "Haben Sie als Mann Sex mit einem anderen Mann gehabt?"

Deutschland im Vergleich: Fortschritte und anhaltende Kritik

Auch Deutschland hat Schritte unternommen, um die Diskriminierung bei der Blutspende zu beenden. Der Bundestag beschloss eine Änderung des Transfusionsgesetzes, die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als Ausschlusskriterien abschafft. Doch die Umsetzung durch die Bundesärztekammer bleibt umstritten.

Die Deutsche Aidshilfe kritisiert die aktuellen Richtlinien scharf: "Die neuen Regeln schließen die meisten schwulen Männer weiterhin aus, ohne dies klar zu benennen." Personen, die in den letzten vier Monaten Analverkehr mit neuen Partnern hatten, sind nach wie vor von der Spende ausgeschlossen. Diese Regelung wird als versteckte Diskriminierung wahrgenommen, da sie faktisch viele schwule Männer betrifft.

Vom Stigma zur Wissenschaft

Die historischen Blutspende-Verbote entstanden in den 1980er Jahren als Reaktion auf die HIV/AIDS-Krise. Was damals als Vorsichtsmaßnahme galt, entwickelte sich jedoch zu einem pauschalen Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen. Dr. Pink erklärt die Bedeutung des Wandels: "Wir wissen, dass die aktuellen Spendenregeln für viele Menschen in der LGBTQIA+-Community sehr schwierig waren. Obwohl sie in der Vergangenheit zur Gewährleistung einer sicheren Blutversorgung eingeführt wurden, wissen wir, dass sie zum Stigma beigetragen haben, dem die Community ausgesetzt ist."

Moderne Testverfahren können HIV-Infektionen bereits wenige Tage nach der Ansteckung erkennen. Dies ermöglicht eine individualisiertere Risikobewertung, die nicht mehr auf der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen basiert, sondern auf tatsächlichen Risikoverhaltensweisen.

Ein Wendepunkt fĂĽr die LGBTQIA+-Community

Die Änderungen in Australien werden als "bedeutender Meilenstein" gefeiert, der sicher die Wartezeiten reduziert und es mehr Menschen aus der LGBTQIA+-Community ermöglicht zu spenden. Diese Entwicklung zeigt, wie sich die Blutspende-Politik von pauschalen Verboten hin zu evidenzbasierten, individuellen Risikobewertungen wandelt.

Für Deutschland könnte Australiens Ansatz als Vorbild dienen. Während das deutsche Transfusionsgesetz bereits die rechtlichen Grundlagen für eine gleichberechtigte Behandlung geschaffen hat, hängt die tatsächliche Umsetzung von den Richtlinien der Bundesärztekammer ab. Die Diskussion um eine wirklich diskriminierungsfreie Blutspende ist auch hierzulande noch nicht abgeschlossen.

Die Botschaft aus Australien ist klar: Eine sichere Blutversorgung und eine gleichberechtigte Behandlung aller Menschen schließen sich nicht aus. Es geht um individuelle Risikobewertung statt um pauschale Ausschlüsse ganzer Gruppen – ein Prinzip, das auch in Deutschland noch konsequenter umgesetzt werden könnte.

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