Angriff auf queere Vielfalt: Berlin streicht LGBTI-Themen aus Bildungsprogramm und kürzt queere Bildungsprojekte

Die Berliner Bildungslandschaft erlebt derzeit einen massiven Rückschritt in Sachen queerer Bildung. Wie queer.de berichtet, zeigt sich der LSVD+-Landesverband Berlin-Brandenburg besorgt darüber, dass queere Perspektiven im Zuge der laufenden Überarbeitung des Berliner Bildungsprogramms (BBP) für Kitas und Kindertagespflege künftig deutlich weniger oder gar nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Doch dies ist nur die Spitze des Eisbergs in einer beunruhigenden Entwicklung unter der Leitung von Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU).

Rückschritt im Bildungsprogramm

Nach Informationen des LSVD+ wurden zentrale Fachstellen aus dem Bereich Antidiskriminierung und queere Bildung bislang nicht systematisch in das aktuelle Praxisbeteiligungsverfahren einbezogen. Im bisherigen Entwurfsstand finden sich offenbar keine konkreten Aussagen zur Vielfalt geschlechtlicher Identitäten oder zur Lebensrealität von Regenbogenfamilien.

"Wir erleben aktuell einen beunruhigenden Rückschritt. Wenn queere Lebensrealitäten aus dem Bildungsplan verschwinden, gefährdet das nicht nur die Qualität frühkindlicher Bildung, sondern auch das Recht aller Kinder, sich anerkannt und sicher zu fühlen", erklärte LSVD+-Landesgeschäftsführer Florian Winkler-Schwarz. Dies steht in krassem Gegensatz zum bisherigen Berliner Bildungsplan von 2014, der die Unterstützung von Kindern in ihrer geschlechtlichen und sexuellen Identitätsentwicklung ausdrücklich benennt und pädagogisches Handeln gegen Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität fordert.

Millionenschwere Kürzungen bei queeren Bildungsprojekten

Parallel zur Überarbeitung des Bildungsprogramms plant die Senatsverwaltung für Bildung unter Günther-Wünsch massive Einschnitte bei der Finanzierung queerer Bildungsarbeit. Wie Siegessäule.de berichtet, sollen ab dem 1. April mehrere queere Bildungs- und Beratungsprojekte gestrichen werden, um 39 Millionen Euro einzusparen. Zu den betroffenen Initiativen gehören unter anderem Queerformat, Inter*Trans*Beratung, das Konsultationsangebot des LSVD Berlin-Brandenburg und die Kompetenzstelle intersektionale Pädagogik (i-PÄD).

Besonders kritisch: Die Entscheidung wurde offenbar ohne vorherige Kommunikation mit den betroffenen Organisationen getroffen und stieß sogar beim Koalitionspartner SPD auf Kritik. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin fordert die sofortige Rücknahme der Kürzungen und weist auf die schwerwiegenden Folgen für die Berliner Bildungslandschaft hin.

Politisches Muster erkennbar

Die aktuellen Entwicklungen reihen sich ein in ein beunruhigendes Muster. Zuletzt geriet Bildungssenatorin Günther-Wünsch bereits in die Kritik, weil sie sich nicht zu einem Fall von Mobbing gegen einen schwulen Lehrer äußern wollte. Die Kombination aus Kürzungen bei queeren Bildungsprojekten und der Entfernung queerer Themen aus dem Bildungsprogramm deutet auf einen systematischen Ansatz hin, LGBTI-Themen aus dem Bildungsbereich zurückzudrängen.

Diese Entwicklung steht im Widerspruch zum Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz, das explizit den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen und geschlechtlichen Identität vorsieht. Der LSVD+ appelliert daher an die Verantwortlichen, die Charta der Vielfalt ernst zu nehmen und den Anspruch auf chancengerechte Bildung für alle Kinder umzusetzen.

Widerstand formiert sich

Die queere Community und zivilgesellschaftliche Organisationen reagieren mit Widerstand auf die geplanten Einschnitte. Es gibt bereits mehrere Petitionen und offene Briefe, die die Bildungsverwaltung auffordern, die Entscheidung zu revidieren und die queere Bildungslandschaft zu unterstützen. Auch Elternverbände und pädagogische Fachkräfte äußern Bedenken, da die Streichung von Vielfaltsperspektiven aus dem Bildungsprogramm letztlich allen Kindern schadet.

Die aktuelle Entwicklung in Berlin könnte auch überregionale Auswirkungen haben, da das Berliner Bildungsprogramm bislang als progressives Vorbild für andere Bundesländer galt. Pädagogische Qualität und Bildungsfairness lassen sich nur verwirklichen, wenn alle Kinder sich und ihre Familien im Bildungssystem wiederfinden können – ein Grundsatz, der in Berlin nun gefährdet scheint.

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