Während Viktor Orbán die Budapest Pride als "Schande" bezeichnete, demonstrierten am Samstag 200.000 Menschen in der ungarischen Hauptstadt für LGBTQ+-Rechte – die größte queere Demonstration in der Geschichte des Landes. Die Szenen aus Budapest erinnern schmerzlich daran, wie fragil die Rechte queerer Menschen in Europa sind – und zeigen gleichzeitig die Macht des Widerstands.
Wenn Demokratie zur "Schande" wird
Orbáns Reaktion auf die friedliche Demonstration offenbart das wahre Gesicht seines Regimes: "Ich gehöre zu denjenigen, die das, was stattgefunden hat, nicht als Anlass für Stolz sehen. Ich sage, es ist eine Schande", erklärte der rechtspopulistische Ministerpräsident. Diese Worte zeigen, wie weit sich Ungarn von europäischen Grundwerten entfernt hat.
Besonders perfide ist Orbáns Verweis auf ein Referendum von 2022, das eigentlich gescheitert war, weil es das erforderliche Quorum nicht erreichte. Mit der Behauptung, 3,7 Millionen Ungarn hätten "Gender-Propaganda" abgelehnt, verschweigt er diese entscheidende Tatsache und verbreitet stattdessen Verschwörungstheorien über angebliche EU-Befehle.
Ein Spiegel fĂĽr Deutschland
Die Ereignisse in Budapest sollten auch in Deutschland aufhorchen lassen. Während dort Pride-Demonstrationen verboten werden, waren 2024 rund 40 Prozent der über 200 deutschen CSD-Veranstaltungen von rechtsextremen Angriffen betroffen. Die größte queerfeindliche Mobilisierung fand in Bautzen mit 720 Neonazis statt – ein alarmierendes Zeichen für die Entwicklung in Deutschland.
Der Unterschied ist jedoch grundlegend: Während in Deutschland queere Menschen staatlichen Schutz genießen und das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet wurde, setzt die ungarische Regierung auf systematische Diskriminierung. Selbst das ungarische Verfassungsgericht musste die Regierung korrigieren und entschied, dass im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen als Partnerschaften anerkannt werden müssen.
Technologie als Waffe der UnterdrĂĽckung
Besonders beunruhigend ist der Einsatz von Gesichtserkennung und biometrischen Kameras zur Identifizierung von Pride-Teilnehmern. Diese Überwachungstechnologie macht deutlich, wie autoritäre Regime moderne Mittel nutzen, um Grundrechte zu beschneiden. Die angedrohten Geldstrafen von bis zu 500 Euro sollen Menschen davon abhalten, für ihre Rechte einzustehen.
Europäische Solidarität gegen Autoritarismus
Die Teilnahme dutzender EU-Parlamentarier an der verbotenen Demonstration sendete ein kraftvolles Signal: Europa lässt seine queeren Bürger nicht im Stich. 17 EU-Länder fordern bereits härtere Maßnahmen gegen Budapest, und der Europäische Gerichtshof wird voraussichtlich gegen Ungarns "Homo-Propaganda"-Gesetze entscheiden.
Diese internationale Solidarität ist entscheidend, denn sie zeigt: Menschenrechte sind nicht verhandelbar, auch nicht unter dem Deckmantel des "Kinderschutzes". Die ungarische Zivilgesellschaft kämpft tapfer weiter – trotz aller Repressionen.
Lehren fĂĽr die deutsche LGBTQ+-Bewegung
Die Ereignisse in Budapest lehren uns, dass erkämpfte Rechte nicht selbstverständlich sind. Während 73 Prozent der Deutschen den Schutz vor Diskriminierung für LGBTQ+-Personen befürworten, zeigen die Angriffe auf deutsche Pride-Veranstaltungen, dass auch hier Wachsamkeit geboten ist.
Die 200.000 Menschen in Budapest haben der Welt gezeigt: Liebe ist stärker als Hass, Solidarität mächtiger als Unterdrückung. Ihr Mut erinnert uns daran, dass Menschenrechte jeden Tag aufs Neue verteidigt werden müssen – in Budapest genauso wie in Berlin, Köln oder München.
Orbáns "Schande" ist in Wahrheit eine Auszeichnung: eine Auszeichnung für all jene, die sich nicht mundtot machen lassen und für eine Welt kämpfen, in der Liebe über Hass siegt.