Transfeindlicher Angriff in Berlin: Die besorgniserregende Zunahme queerfeindlicher Gewalt

Am vergangenen Sonntagnachmittag wurde eine 29-jährige Frau in Berlin-Kreuzberg Opfer eines transfeindlichen Angriffs. Wie queer.de berichtet, wurde die Frau auf dem U-Bahnhof Kottbusser Tor zunächst von zwei Unbekannten beleidigt und anschließend mit Pfefferspray attackiert. Der Vorfall reiht sich in eine beunruhigende Serie queerfeindlicher Übergriffe ein, die in ganz Deutschland und besonders in Berlin zunehmen.

Der Vorfall im Detail

Laut Polizeibericht war die 29-Jährige am Sonntag gegen 16 Uhr auf dem U-Bahnhof Kottbusser Tor unterwegs, als sie auf der Rolltreppe von der U-Bahnlinie U12 in Richtung U8 von zwei unbekannten Männern transfeindlich beleidigt wurde. Als sie die Rolltreppe verlassen hatte, liefen die Täter auf sie zu und sprühten ihr unvermittelt Pfefferspray ins Gesicht. Die Angreifer flüchteten anschließend in Richtung U8.

Die Frau erlitt Augen- sowie Atemwegsreizungen und musste von alarmierten Rettungskräften behandelt werden. Auch zwei weitere Zeuginnen erlitten durch den Angriff Atemwegsreizungen, lehnten jedoch eine ärztliche Behandlung ab. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin hat die Ermittlungen übernommen, wie es bei vermuteten Hassverbrechen üblich ist.

Dramatischer Anstieg queerfeindlicher Gewalt

Dieser Vorfall ist leider kein Einzelfall. Nach Angaben des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD) hat sich die Zahl der gemeldeten queerfeindlichen Straftaten in Deutschland seit 2010 nahezu verzehnfacht. Besonders besorgniserregend ist der jüngste Anstieg: Im Jahr 2023 wurden bundesweit 1.785 Straftaten gegen LGBTQ-Personen erfasst, ein deutlicher Anstieg gegenüber 1.188 Fällen im Jahr 2022.

Speziell die Gewalt gegen trans* Personen nimmt überproportional zu. Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnete 2023 insgesamt 854 Fälle im Bereich "geschlechtsbezogene Diversität" – ein erschreckender Anstieg von 105 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die vorläufigen Zahlen für 2024 deuten auf eine weitere Verschärfung der Situation hin.

Berlin als Hotspot queerfeindlicher Angriffe

In der Hauptstadt ist die Situation besonders angespannt. Laut dem Berliner Monitoring "Trans- und homophobe Gewalt" wurden 2023 in Berlin 588 queerfeindliche Straftaten erfasst – ein neuer Höchststand. Diese Zahlen sind zwar auch auf eine verbesserte Erfassung und Sensibilisierung der Berliner Polizei zurückzuführen, spiegeln aber dennoch eine reale Zunahme der Gewalt wider.

"Berlin hat zwar eine lange Tradition als vielfältige und tolerante Stadt, aber auch hier erleben wir eine erschreckende Zunahme von Hasskriminalität gegen LGBTQ-Personen", erklärt Bastian Finke, Leiter von MANEO, dem schwulen Anti-Gewalt-Projekt in Berlin. "Besonders besorgniserregend ist die Zunahme der Gewalt gegen trans* Personen, die oft im öffentlichen Raum stattfindet."

Das Dunkelfeld bleibt groß

Trotz der alarmierenden offiziellen Zahlen gehen Expert*innen von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele Betroffene melden Übergriffe nicht, sei es aus Angst vor weiterer Diskriminierung, aufgrund von Misstrauen gegenüber Behörden oder weil sie befürchten, nicht ernst genommen zu werden.

"Die Dunkelziffer bei queerfeindlichen Übergriffen ist nach wie vor sehr hoch", bestätigt Alfonso Pantisano, Queerbeauftragter des Berliner Senats, gegenüber dem Tagesspiegel. "Viele Betroffene haben das Gefühl, dass eine Anzeige nichts bringt oder fürchten weitere Diskriminierungserfahrungen im Kontakt mit den Behörden."

Maßnahmen zur Bekämpfung queerfeindlicher Gewalt

Um der steigenden queerfeindlichen Gewalt entgegenzuwirken, haben Bund und Länder verschiedene Maßnahmen ergriffen. Das Bundesinnenministerium hat einen Arbeitskreis zur Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt eingerichtet und gemeinsam mit dem BKA einen umfassenden Lagebericht zur Sicherheit von LGBTQ-Personen veröffentlicht.

In Berlin gibt es seit Jahren spezielle Ansprechpersonen für LGBTQ-Personen bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Zudem arbeiten zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen wie MANEO, Lesbenberatung Berlin und TransInterQueer e.V. daran, Betroffene zu unterstützen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.

Besonders wichtig ist laut Expert*innen die konsequente strafrechtliche Verfolgung queerfeindlicher Hassverbrechen. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin, der auch im aktuellen Fall die Ermittlungen führt, ist auf solche Fälle spezialisiert.

Was tun bei queerfeindlichen Übergriffen?

Betroffene und Zeug*innen queerfeindlicher Übergriffe sollten diese nach Möglichkeit anzeigen. In Berlin können sie sich an die LSBTIQ*-Ansprechpersonen der Berliner Polizei wenden. Auch Beratungsstellen wie L-Support für lesbische, bisexuelle Frauen und trans Personen oder MANEO für schwule und bisexuelle Männer bieten Unterstützung.

Wichtig ist auch die gesellschaftliche Solidarität. "Wir alle sind gefordert, hinzuschauen und uns einzumischen, wenn wir Zeug*innen von Diskriminierung und Gewalt werden", betont Lena Herrmann von der Lesbenberatung Berlin. "Nur gemeinsam können wir ein Klima schaffen, in dem alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität sicher leben können."

Angesichts des aktuellen Vorfalls und der besorgniserregenden Zunahme queerfeindlicher Gewalt bleibt die Forderung nach mehr Schutz und Unterstützung für die LGBTQ-Community dringlicher denn je. Die Bekämpfung von Hassverbrechen ist nicht nur eine Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

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