Verfassungsschutz für die Ehe: Belgiens Vorstoß und die Lehren für Deutschland

Der belgische Gleichstellungsminister Rob Beenders (Vooruit) will die Ehe für alle in der belgischen Verfassung verankern, wie queer.de berichtet. In einer Zeit, in der LGBTQ+-Rechte weltweit unter Druck geraten, soll dieser Schritt ein starkes Signal setzen und die gleichgeschlechtliche Ehe dauerhaft absichern - eine Entwicklung, die auch für Deutschland relevante Fragen aufwirft.

Ein konstitutioneller Schutz für die Vielfalt

Bislang ist die Ehe für alle in Belgien – ähnlich wie in Deutschland – nur durch ein einfaches Gesetz geregelt. Dies bedeutet, dass eine parlamentarische Mehrheit theoretisch ausreichen würde, um diese Rechte wieder einzuschränken. "Wir sehen in den USA täglich, wie Präsident Donald Trump Gesetze von einem Tag auf den anderen kippt. So etwas kann auch hier passieren", erklärte Beenders seine Initiative. "Wenn man das in die Verfassung schreibt, wird es schwieriger, es zu ändern."

Belgien war 2003 das zweite Land weltweit nach den Niederlanden, das die gleichgeschlechtliche Ehe einführte. Mit dem aktuellen Vorstoß könnte das Königreich erneut eine Vorreiterrolle einnehmen. "Wenn wir das machen würden, wären wir eines der ersten Länder überhaupt", betonte der Minister. "Belgien war immer ein Vorreiter bei der Gleichstellung der Rechte – das sollten wir unbedingt umsetzen."

Langwieriger Prozess mit hohen Hürden

Der Weg zu einer Verfassungsänderung ist in Belgien allerdings langwierig. Laut belgischem Recht sind dafür zwei Legislaturperioden erforderlich. Zunächst müssen Regierung und beide Kammern des Parlaments je eine Liste mit Änderungswünschen einreichen. Nur Artikel, die auf allen drei Listen stehen, können in der folgenden Legislaturperiode tatsächlich geändert werden – und dann nur mit einer Zweidrittelmehrheit.

Premierminister Bart De Wever (N-VA) hat bereits alle Regierungsparteien gebeten, ihre Änderungswünsche einzureichen. Die konkreten Gespräche darüber stehen jedoch noch aus.

Die deutsche Perspektive: Verfassungsrechtlicher Schutz fehlt

In Deutschland wurde die "Ehe für alle" am 30. Juni 2017 vom Bundestag beschlossen und trat am 1. Oktober 2017 in Kraft. Wie in Belgien ist sie jedoch nur durch ein einfaches Gesetz geregelt und nicht verfassungsrechtlich abgesichert. Dies könnte in Zeiten zunehmender anti-LGBTQ+-Rhetorik problematisch werden.

Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet bereits, dass LGBTQ+-Feindlichkeit ein zunehmendes Agitationsfeld in der rechtsextremistischen Szene darstellt. Rechtsextreme Gruppen und Parteien lehnen Diversität in Bezug auf sexuelle Orientierung und alternative Partnerschaftsmodelle grundsätzlich ab und propagieren ausschließlich heterosexuelle Beziehungen und die traditionelle Kernfamilie als "natürlich".

Politische Bedrohungsszenarien

Die AfD hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen die "Ehe für alle" positioniert und sogar deren Abschaffung gefordert. Laut Analysen der Amadeu Antonio Stiftung ähneln ihre familienpolitischen Vorstellungen denen anderer rechtsextremer Parteien, auch wenn sie aus strategischen Gründen bestimmte Begriffe vermeidet.

Der belgische Vorstoß zeigt, dass ein verfassungsrechtlicher Schutz der Ehe für alle ein wichtiger Baustein sein kann, um LGBTQ+-Rechte langfristig abzusichern. Für Deutschland könnte dies ein interessantes Modell darstellen, besonders angesichts der zunehmenden Polarisierung in gesellschaftspolitischen Fragen.

Gesellschaftliche Bedeutung über die Rechtsform hinaus

Der Wert einer verfassungsrechtlichen Verankerung geht weit über den juristischen Aspekt hinaus. Sie würde ein klares gesellschaftliches Signal setzen, dass die Gleichstellung von LGBTQ+-Personen ein fundamentaler Wert ist, der nicht zur Disposition steht.

"Eine Verfassung spiegelt die grundlegenden Werte einer Gesellschaft wider", erklärt die deutsche LGBTQ+-Aktivistin Petra Zimmermann vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland. "Die Aufnahme der Ehe für alle in die Verfassung würde bedeuten, dass die Gleichwertigkeit aller Liebes- und Lebensformen nicht nur toleriert, sondern als grundlegender Bestandteil unserer demokratischen Ordnung anerkannt wird."

Ob Belgiens Vorstoß erfolgreich sein wird und welche Signalwirkung dies für andere europäische Länder haben könnte, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass der Schutz von LGBTQ+-Rechten angesichts weltweit zunehmender autoritärer Tendenzen wichtiger denn je ist.

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