Trans Menschen in Großbritannien sollen künftig nicht mehr die Toiletten, Duschen und Umkleiden ihres erlebten Geschlechts nutzen dürfen, wie eine vorläufige Richtlinie der britischen Kommission für Gleichstellung und Menschenrechte (EHRC) jetzt festlegt. Diese Regelung stellt einen dramatischen Gegensatz zur aktuellen Entwicklung in Deutschland dar, wo das Selbstbestimmungsgesetz die Rechte von trans Personen stärkt.
Das Supreme Court Urteil und seine Folgen
Die britische Kommission für Gleichstellung und Menschenrechte reagiert mit ihrer Richtlinie auf ein wegweisendes Urteil des Supreme Court, das festlegte, dass "Frauen" im Sinne des britischen Gleichstellungsgesetzes ausschließlich cis Frauen sind. Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für trans Menschen in Großbritannien.
Nach der neuen Richtlinie müssen Arbeitsstätten zwingend nach Frauen und Männern getrennte Toiletten und gegebenenfalls Wasch- und Umkleideräume zur Verfügung stellen. Bei öffentlich zugänglichen Orten ist diese Trennung zwar nicht zwingend vorgeschrieben, die EHRC warnt jedoch, dass der ausschließliche Einsatz gemischtgeschlechtlicher Einrichtungen für Frauen diskriminierend sein könnte.
Die politische Führung in Großbritannien unterstützt diesen Kurs. Premierminister Keir Starmer begrüßte das Urteil des Obersten Gerichtshofs und forderte, dass "alle Richtlinien dem Urteil entsprechen" müssen. Das Kabinettsmitglied Pat McFadden versicherte in einem BBC-Interview, dass es zwar "keine Toiletten-Polizei" geben werde, jedoch die Richtlinien die "logische Schlussfolgerung aus dem Urteil des Supreme Courts" seien.
Deutschland: Ein anderer Weg mit dem Selbstbestimmungsgesetz
Im starken Kontrast zu dieser Entwicklung steht Deutschland mit seinem im April 2024 verabschiedeten Selbstbestimmungsgesetz, das am 1. November 2024 in Kraft trat. Dieses Gesetz erlaubt es trans und nicht-binären Personen, ihr Geschlecht und ihren Vornamen in offiziellen Dokumenten durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern – ohne medizinische Gutachten oder gerichtliche Genehmigungen.
Diese Reform löste das seit 1980 geltende Transsexuellengesetz ab, das von trans Personen verlangte, zwei psychologische Gutachten einzuholen und eine gerichtliche Genehmigung zu beantragen, um ihr Geschlecht rechtlich ändern zu können. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits zuvor mehrfach Teile dieses Gesetzes für verfassungswidrig erklärt, etwa die ehemals geforderten operativen Eingriffe.
Deutschland verfügt seit 2006 zudem über ein Antidiskriminierungsgesetz, das Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität in Beschäftigung und bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen verbietet. Diese gesetzliche Grundlage bietet trans Menschen einen wichtigen Schutz im Alltag – auch beim Zugang zu Toiletten und anderen geschlechtsspezifischen Einrichtungen.
Sorgen in der britischen trans Community
Die britische trans Community und Menschenrechtsorganisationen zeigen sich tief besorgt über die neuen Richtlinien. Stonewall, eine führende LGBTQ+-Organisation in Großbritannien, warnt, dass die Richtlinien zu vermehrter Diskriminierung führen könnten. Es wird befürchtet, dass trans Menschen in der Öffentlichkeit verstärkt hinterfragt und belästigt werden könnten.
Die EHRC versucht, diese Bedenken abzumildern, indem sie betont, dass es "keine Situation entstehen dürfe, in der trans Menschen keine Option mehr hätten". So empfiehlt die Kommission, neben nach Frauen und Männern getrennten Einrichtungen auch solche für den gemeinsamen Gebrauch zu schaffen. Die praktische Umsetzung bleibt jedoch unklar.
Europäischer Vergleich
Die gegensätzlichen Entwicklungen in Deutschland und Großbritannien spiegeln einen breiteren Trend in Europa wider. Während Länder wie Irland, Spanien und Portugal in den letzten Jahren Gesetze zur Selbstbestimmung eingeführt haben, zeigen sich in anderen Ländern wie Ungarn und Polen restriktivere Tendenzen gegenüber LGBTQ+-Rechten.
Im europäischen Kontext steht Deutschland mit seinem Selbstbestimmungsgesetz für einen progressiven Ansatz, während Großbritannien mit seinen neuen Richtlinien einen Weg einschlägt, der von vielen Beobachtern als Rückschritt in der Anerkennung und Akzeptanz von trans Menschen betrachtet wird.
Auswirkungen auf trans Menschen im Alltag
Für trans Menschen in Großbritannien bedeuten die neuen Richtlinien eine zusätzliche Hürde im Alltag. Die Sorge vor Diskriminierung und Konfrontationen bei der Benutzung öffentlicher Toiletten könnte dazu führen, dass viele trans Personen diese Orte meiden – mit entsprechenden Folgen für ihre gesellschaftliche Teilhabe und ihr Wohlbefinden.
In Deutschland hingegen geht die Entwicklung in Richtung einer verstärkten rechtlichen Anerkennung des selbstbestimmten Geschlechts. Während es keine spezifischen bundesweiten Regelungen zu Toilettennutzungen gibt, bietet das Antidiskriminierungsgesetz eine Grundlage für den gleichberechtigten Zugang zu geschlechtsspezifischen Einrichtungen.
Die unterschiedlichen Wege, die Deutschland und Großbritannien einschlagen, verdeutlichen, wie nationale Politik das tägliche Leben von trans Menschen direkt beeinflusst – und welche Bedeutung progressive Gesetzgebung für den Schutz der Rechte marginalisierter Gruppen hat.