Initiative gegen Gendersprache scheitert: Wieso geschlechtergerechte Sprache für die LGBTQ+ Community wichtig bleibt

Die in Niedersachsen gestartete Volksinitiative "Stoppt Gendern in Niedersachsen" ist deutlich gescheitert. Wie die Landeswahlleitung mitteilte, konnten die Initiator*innen nur 21.665 gültige Unterschriften sammeln - weit weniger als die erforderlichen 70.000, die nötig gewesen wären, um das Thema in den Landtag zu bringen. Die ursprüngliche Meldung stammt von queer.de und zeigt einen wichtigen Trend in der gesellschaftlichen Debatte um geschlechtergerechte Sprache.

Was wollte die Initiative erreichen?

Die Volksinitiative zielte darauf ab, Gender-Sonderzeichen in der Kommunikation von Behörden, Bildungseinrichtungen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Niedersachsen zu verbieten. Die Initiator*innen argumentierten, dass die Verwendung von Gendersternchen, Doppelpunkten oder ähnlichen Sonderzeichen gegen die offiziellen Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung verstoße und die Sprache unnötig kompliziere. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in anderen Bundesländern, teilweise mit mehr Erfolg - beispielsweise durch sogenannte "Genderverbote" in Bayern und Sachsen.

Position der niedersächsischen Regierung

Das für Gleichstellung zuständige Sozialministerium in Niedersachsen hatte bereits zu Beginn der Initiative klargestellt: "Es gibt keine einzige Vorschrift, die eine bestimmte Schreib- oder Sprechweise vorschreibt. Insofern läuft die Aktion inhaltlich ins Leere", wie ein Sprecher erklärte. Auch das Kultusministerium betonte, dass geschlechtergerechte Sprache an Schulen weder verordnet sei noch in Abschlussprüfungen als Fehler gewertet werde. Dies zeigt, dass die Initiative ein Problem zu lösen versuchte, das in der Form gar nicht existierte.

Warum geschlechtergerechte Sprache für die LGBTQ+ Community wichtig ist

Für viele Menschen aus der LGBTQ+ Community ist geschlechtergerechte Sprache mehr als nur eine Frage der Grammatik - sie ist ein wichtiges Instrument der Sichtbarkeit und Anerkennung. Studien zur Wirkung von Sprache zeigen, dass geschlechtergerechte Formulierungen dazu beitragen, dass sich alle Menschen angesprochen und repräsentiert fühlen.

Besonders für nicht-binäre, inter- und transgeschlechtliche Menschen kann die ausschließliche Verwendung des generischen Maskulinums ausgrenzend wirken. Die Verwendung von geschlechtsneutralen Formulierungen oder Gender-Sonderzeichen bietet hingegen die Möglichkeit, alle Geschlechteridentitäten anzusprechen und sichtbar zu machen.

Unterschiedliche Positionen und gesellschaftliche Debatte

Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache wird in Deutschland kontrovers geführt. Während Befürworter*innen darin ein wichtiges Instrument für mehr Gleichstellung und Sichtbarkeit sehen, argumentieren Gegner*innen, dass die Verwendung von Gender-Sonderzeichen die Sprache unnötig kompliziere und schwerer verständlich mache.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat Genderzeichen bislang nicht in das amtliche Regelwerk aufgenommen, empfiehlt aber gleichzeitig, "dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen". Dieser Balanceakt spiegelt die gesellschaftliche Ambivalenz wider.

Alternativen zum Gendern mit Sonderzeichen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden, ohne auf Gender-Sonderzeichen zurückzugreifen. Dazu gehören:

  • Geschlechtsneutrale Formulierungen (z.B. "Lehrkräfte" statt "Lehrer und Lehrerinnen")
  • Paarformen (z.B. "Bürgerinnen und Bürger")
  • Partizipformen (z.B. "Studierende" statt "Studenten")
  • Umformulierungen (z.B. "Wer einen Antrag stellt" statt "Der Antragsteller")

Diese Alternativen werden auch von vielen LGBTQ+ Organisationen als praktikable Lösungen angesehen, die sowohl inklusiv als auch sprachlich etabliert sind.

Ein Signal für die LGBTQ+ Community

Das Scheitern der niedersächsischen Volksinitiative kann als positives Signal für die LGBTQ+ Community gewertet werden. Es zeigt, dass Bestrebungen, geschlechtergerechte Sprache zu verbieten, zumindest in Niedersachsen nicht auf breite Zustimmung stoßen. Dies könnte darauf hindeuten, dass in der Bevölkerung ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung inklusiver Sprache besteht.

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) betont regelmäßig, wie wichtig es ist, dass Sprache alle Menschen einschließt und nicht diskriminiert. Sprache formt unser Denken und prägt gesellschaftliche Normen - daher ist die Debatte um geschlechtergerechte Sprache letztlich auch eine Debatte über gesellschaftliche Teilhabe und Sichtbarkeit von marginalisierten Gruppen.

Fazit: Freiwilligkeit statt Verbote

Die geschlechtergerechte Sprache wird sich vermutlich weiterentwickeln - wie jede lebendige Sprache. Das Scheitern der Volksinitiative in Niedersachsen zeigt, dass der Fokus auf dem Prinzip der Freiwilligkeit liegen sollte: Jede*r sollte selbst entscheiden können, ob und wie gegendert wird, anstatt dies durch Verbote zu regulieren.

Für die LGBTQ+ Community in Deutschland bleibt die geschlechtergerechte Sprache ein wichtiges Instrument der Sichtbarmachung und Inklusion - unabhängig davon, ob dies durch Gender-Sonderzeichen oder andere sprachliche Mittel erreicht wird. Der respektvolle Umgang mit Sprache ist und bleibt ein zentraler Baustein einer offenen und diversen Gesellschaft.

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