Homophobe Gewalt in Augsburg: Polizei fahndet nach verurteiltem Gewalttäter - Bayern ohne Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit

In Augsburg kam es zu einer schweren Gewalttat gegen zwei junge Männer mit offenbar homophobem Hintergrund. Die Augsburger Polizei teilte vergangene Woche mit, dass drei Männer im Alter zwischen 22 und 24 Jahren nach einer homosexuellenfeindlichen Attacke festgenommen wurden, wie queer.de berichtete. Die Verdächtigen befinden sich in Untersuchungshaft, nachdem sie zwei Männer im Alter von 26 und 28 Jahren homophob beleidigt und so schwer zusammengeschlagen hatten, dass die Opfer stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Bekannter Gewalttäter Halid S. unter Verdacht

Wie nun bekannt wurde, richtet sich der Verdacht in diesem Fall auch gegen den polizeibekannten Straftäter Halid S., der sich derzeit auf der Flucht befinden soll. Dies bestätigte dessen Anwalt gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Halid S., der die deutsche, türkische und libanesische Staatsbürgerschaft besitzt, ist in Augsburg kein Unbekannter: Im Dezember 2019 hatte er als damals 17-Jähriger im Streit einen 49-jährigen Feuerwehrmann auf dem Königsplatz mit einem Faustschlag getötet. Für diese Tat wurde er wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Haftstrafe von mehr als vier Jahren verurteilt.

Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus ermittelt

Der Fall wird aufgrund des mutmaßlich queerfeindlichen Hintergrunds von der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) der Generalstaatsanwaltschaft München zusammen mit der Kriminalpolizei Augsburg untersucht. "Straftaten aus dem Bereich der Hasskriminalität werden von Generalstaatsanwaltschaft und Polizei konsequent verfolgt", betonten die Behörden in ihrer Mitteilung. Die Tatsache, dass die ZET die Ermittlungen übernommen hat, unterstreicht die Schwere des Falls und die zunehmende Aufmerksamkeit, die queerfeindliche Gewalt erhält.

Anstieg queerfeindlicher Straftaten in Deutschland

Der Vorfall in Augsburg steht stellvertretend für ein deutschlandweites Problem: Laut Bundeskriminalamt (BKA) ist die Zahl queerfeindlicher Straftaten in Deutschland stark angestiegen. Im Jahr 2023 wurden bundesweit 1.785 Fälle erfasst, was einem Anstieg von etwa 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht, wie tagesschau.de berichtete. Zu den häufigsten Vergehen zählen Beleidigungen, Gewalttaten, Volksverhetzungen, Nötigungen und Bedrohungen. Beunruhigend ist auch, dass die Dunkelziffer vermutlich deutlich höher liegt, da viele Betroffene aus Angst oder mangelndem Vertrauen in die Behörden keine Anzeige erstatten.

In Bayern wurden im vergangenen Jahr 177 queerfeindliche Straftaten zur Anzeige gebracht. Experten gehen jedoch auch hier von einer hohen Dunkelziffer aus. Der Anstieg dieser Delikte wird von Fachleuten mit zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung und einer stärkeren Verbreitung queerfeindlicher Narrative in sozialen Medien in Verbindung gebracht.

Bayern als einziges Bundesland ohne Aktionsplan

Besonders brisant: Bayern ist aktuell das einzige Bundesland in Deutschland, das noch keinen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit implementiert hat. Während Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Wahlkampf 2023 einen solchen Plan angekündigt hatte, fand das Thema im später verabschiedeten Koalitionsvertrag der bayerischen Regierung keine Erwähnung, wie queer.de berichtete.

Allerdings gibt es mittlerweile Bewegung in dieser Frage: Die bayerische Staatsregierung arbeitet an einem "Bayerischen Aktionsplan QUEER", der Teil einer "Agenda für Vielfalt und gegen Ausgrenzung" sein soll. Im Jahr 2024 wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen und über eine Online-Beteiligungsplattform Inhalte für diesen Aktionsplan gesammelt. Die tatsächliche Umsetzung ist jedoch erst für die Zeit ab 2026 geplant, wie die Bayerische Staatsregierung mitteilt.

Der LSVD Bayern (Lesben- und Schwulenverband) hat bereits einen umfangreichen zivilgesellschaftlichen Maßnahmenkatalog mit über 120 konkreten queerpolitischen Vorschlägen vorgelegt, der als Grundlage für den weiteren Erarbeitungsprozess dienen soll. Kritiker bemängeln jedoch das langsame Tempo und fordern angesichts der zunehmenden Gewalt schnellere und entschiedenere Maßnahmen.

Community fordert mehr Schutz und Aufklärung

Der brutale Übergriff in Augsburg hat in der lokalen LGBTQ+-Community Betroffenheit und Angst ausgelöst. Gleichzeitig wächst die Entschlossenheit, sichtbar zu bleiben und für ein friedliches Miteinander einzutreten. Vertreter von LGBTQ+-Organisationen fordern verstärkte Präventionsmaßnahmen, bessere Sensibilisierung der Polizei und Justiz sowie mehr Aufklärungsarbeit in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.

Der Fall zeigt einmal mehr, wie wichtig koordinierte Maßnahmen gegen Queerfeindlichkeit sind – sowohl auf institutioneller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Nur durch ein klares Bekenntnis zu Vielfalt und entschiedenes Handeln gegen Diskriminierung und Gewalt kann langfristig ein sicheres Umfeld für alle Menschen geschaffen werden, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität.

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