Gericht missachtet LGBTQ-Realität: Georgien trotz queerfeindlicher Gesetze als "sicher" eingestuft

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in einem wegweisenden Urteil entschieden, dass Georgien trotz zunehmender LGBTQ-Verfolgung weiterhin als "sicherer Herkunftsstaat" gilt. Wie queer.de berichtete, lehnte das Gericht den Asylantrag eines schwulen georgischen Staatsbürgers ab und bestätigte damit die umstrittene Einstufung Georgiens, die Deutschland Ende 2023 vorgenommen hatte.

Ein Urteil gegen alle Fakten

Die Entscheidung steht in drastischem Widerspruch zur Realität queerer Menschen in Georgien. Das Gericht behauptet, Georgien verfüge "noch über eine gute und umfassende Gesetzgebung zum Schutz Homosexueller" – eine Einschätzung, die angesichts der tatsächlichen Entwicklungen in dem Land kaum nachvollziehbar erscheint. Denn erst Ende letzten Jahres trat in Georgien ein Gesetz zum "Schutz von Familienwerten und Minderjährigen" in Kraft, das der russischen "Homo-Propaganda"-Gesetzgebung nachempfunden ist.

Dieses Gesetz verbietet nicht nur die "Propaganda von gleichgeschlechtlichen Beziehungen", sondern untersagt auch Eheschließungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, Geschlechtsanpassungen, Pride-Paraden und sogar das Zeigen der Regenbogenflagge. Filme und Bücher mit queeren Inhalten können zensiert werden. Laut Human Rights Watch sind LGBTQ-Personen in Georgien zudem mit erheblicher Diskriminierung, sozialer Ausgrenzung und Gewalt konfrontiert.

Kritik von deutschen LGBTQ-Organisationen

Der LSVD+ hatte bereits im vergangenen Jahr scharf kritisiert, dass die georgische Regierung mit diesem Gesetz praktisch die gesamte queere Community im Land kriminalisiere. "Alle, die sich von nun an öffentlich als Teil unserer Community zeigen oder sich mit uns solidarisieren, können wegen 'LSBT-Propaganda' angeklagt und verurteilt werden", warnte LSVD+-Vorstandsmitglied Patrick Dörr. "Spätestens seit Einführung dieses Gesetzes hat sich Georgien in die Gruppe der LSBTIQ*-Verfolgerstaaten eingereiht."

Auch Pro Asyl und andere Menschenrechtsorganisationen fordern eine differenziertere Betrachtung und eine individuelle Prüfung jedes Asylantrags, insbesondere wenn es um besonders schutzbedürftige Gruppen wie LGBTQ-Personen geht.

Parallelen zu Deutschland

In Deutschland gibt es ebenfalls immer wieder Diskussionen über die Berücksichtigung der spezifischen Situation von LGBTQ-Geflüchteten im Asylverfahren. Die Einstufung von Ländern als "sichere Herkunftsstaaten" steht dabei besonders in der Kritik, da sie oft die Lebensrealität von Minderheiten nicht ausreichend berücksichtigt. Erst kürzlich hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass bei der Prüfung von Asylanträgen die individuelle Gefährdungssituation von LGBTQ-Personen stärker in den Blick genommen werden muss.

Ein Schlag ins Gesicht für Betroffene

Für queere Menschen aus Georgien ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ein Schlag ins Gesicht. Es ignoriert die Realität eines Landes, in dem die Organisation Tbilisi Pride regelmäßig über Angriffe und Diskriminierungen gegen LGBTQ-Aktivist*innen und Community-Mitglieder berichtet. Besonders problematisch: Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar und soll als Orientierung für ähnliche Verfahren dienen.

Die deutsche Asylpolitik steht damit vor der grundsätzlichen Frage, wie sie mit dem Widerspruch zwischen der formalen Einstufung eines Landes als "sicher" und der tatsächlichen Gefährdung vulnerabler Gruppen umgehen will. Für queere Geflüchtete aus Georgien könnte die Entscheidung des Düsseldorfer Gerichts bedeuten, dass ihnen der dringend benötigte Schutz in Deutschland verwehrt bleibt – und das trotz einer Gesetzeslage in ihrer Heimat, die ihre Existenz faktisch kriminalisiert.

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