Fechterin disqualifiziert nach Protest gegen Trans-Gegnerin: Die Debatte um Inklusion im Sport erreicht Deutschland

In einem Vorfall, der international für Aufsehen sorgt und auch in Deutschland Diskussionen über Transgender-Inklusion im Sport entfacht, wurde die amerikanische Fechterin Stephanie Turner disqualifiziert, nachdem sie sich weigerte, gegen eine Transgender-Athletin anzutreten. Die ursprüngliche Berichterstattung stammt von PinkNews, doch der Fall wirft Fragen auf, die auch für den deutschen Sport relevant sind – besonders angesichts des neuen Selbstbestimmungsgesetzes, das im November 2024 in Kraft tritt.

Was ist passiert?

Beim Cherry Blossom Open Turnier an der University of Maryland weigerte sich Stephanie Turner von der Fencing Academy of Philadelphia, gegen Redmond Sullivan anzutreten, die 2024 vom männlichen zum weiblichen Team des Wagner College wechselte. Turner, die bereits vier Gegnerinnen erfolgreich bekämpft hatte, nahm stattdessen demonstrativ ihr Visier ab und kniete nieder, als sie auf Sullivan treffen sollte. Für diese Weigerung zeigte ihr der Schiedsrichter die schwarze Karte, was zur sofortigen Disqualifikation führte.

In einer später veröffentlichten Erklärung sagte Turner: "Ich wusste, was ich tun musste, weil USA Fencing nicht auf die Einwände von Frauen hört." Als sie niederkniete, zeigte sich Sullivan zunächst besorgt und fragte, ob Turner verletzt sei. Turner entgegnete jedoch: "Es tut mir leid, ich habe viel Liebe und Respekt für dich, aber ich werde nicht gegen dich fechten."

Die Richtlinien von USA Fencing

USA Fencing verfügt seit 2023 über eine spezifische Richtlinie für Transgender-Athletinnen. Diese besagt, dass Transgender-Frauen nur dann in Frauenwettbewerben antreten dürfen, wenn sie sich einer einjährigen Testosteron-Unterdrückungstherapie unterzogen haben. Der Verband betonte in einer Stellungnahme zum Vorfall, dass ihre Politik "darauf basiert, dass jeder die Möglichkeit haben sollte, am Sport teilzunehmen" und dass sie "stets auf der Seite der Inklusion stehen werden".

Die Organisation stellte klar, dass Turners Disqualifikation nicht mit ihrer persönlichen Meinung zusammenhing, sondern ausschließlich mit ihrer Weigerung, gegen eine nach den geltenden Regeln teilnahmeberechtigte Gegnerin anzutreten – ein Verstoß gegen die Regeln der International Fencing Federation (FIE).

Internationale Reaktionen und deutsche Perspektive

Der Vorfall hat international polarisierende Reaktionen ausgelöst. Die ehemalige Tennislegende Martina Navratilova, bekannt für ihre kritische Haltung zur Teilnahme von Transgender-Athletinnen im Frauensport, äußerte auf sozialen Medien ihre Empörung: "Das passiert, wenn weibliche Athleten protestieren. Ich bin außer mir... Schande über USA Fencing."

In Deutschland gibt es derzeit keine einheitlichen Regelungen für Transgender-Athletinnen im Sport. Eine Umfrage der ARD unter 45 internationalen Sportfachverbänden ergab, dass nur 21 der angefragten Weltverbände ihre Regularien auf medizinische Expertisen stützen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat mittlerweile einen neuen Regelrahmen vorgelegt, der es jedem Weltverband ermöglicht, eigene Entscheidungen über die Teilnahme von Transgender-Athleten zu treffen, ohne einheitliche Testosteron-Grenzwerte vorzugeben.

Auswirkungen des deutschen Selbstbestimmungsgesetzes

Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz, das am 1. November 2024 in Deutschland in Kraft tritt, wird die Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens für trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen vereinfacht. Für den Sport ergeben sich dadurch neue Fragestellungen: Wie werden deutsche Sportverbände mit Teilnahmeberechtigungen umgehen? Werden sie dem Beispiel internationaler Verbände folgen oder eigene Regelungen entwickeln?

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat sich bisher nicht mit konkreten Richtlinien positioniert, sondern folgt größtenteils den Regelungen der internationalen Fachverbände. Jedoch wird der Druck wachsen, klare Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl die Inklusion fördern als auch faire Wettbewerbsbedingungen gewährleisten.

Verschiedene Perspektiven in der Community

Innerhalb der LGBTQ+-Community gibt es unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema. Während viele die vollständige Inklusion von Transgender-Athletinnen im Frauensport befürworten, betonen andere die Komplexität biologischer Faktoren und deren mögliche Auswirkungen auf den Wettbewerb.

Aktivisten wie Anja Müller vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) betonen die Bedeutung von Teilhabe: "Transgender-Personen haben das Recht auf vollständige gesellschaftliche Teilhabe, und dazu gehört auch der Sport. Die Debatte sollte evidenzbasiert und ohne Vorurteile geführt werden."

Gleichzeitig gibt es auch unter Transgender-Personen selbst unterschiedliche Meinungen. Die Transgender-Athletin Joanna Harper, die selbst wissenschaftlich zu diesem Thema forscht, hat betont, dass gewisse Regularien notwendig sein könnten, um Fairness zu gewährleisten, ohne dabei den Ausschluss von Transgender-Personen zu fördern.

Ausblick und Handlungsbedarf

Der Fall Turner/Sullivan zeigt exemplarisch die Herausforderungen, mit denen Sportverbände weltweit konfrontiert sind. Auch in Deutschland wird die Debatte in den kommenden Monaten an Bedeutung gewinnen, besonders mit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes.

Sportverbände stehen vor der Aufgabe, Richtlinien zu entwickeln, die sowohl die Rechte und Würde von Transgender-Athletinnen respektieren als auch faire Wettbewerbsbedingungen sicherstellen. Dies erfordert einen evidenzbasierten Ansatz, der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt und den Dialog mit allen Beteiligten sucht.

Für die deutsche Sportwelt wird es wichtig sein, von internationalen Erfahrungen zu lernen und gleichzeitig eigene, auf den deutschen Kontext zugeschnittene Lösungen zu finden. Der respektvolle Dialog zwischen Athleten, Verbänden, Wissenschaftlern und der LGBTQ+-Community wird dabei entscheidend sein, um Richtlinien zu entwickeln, die Inklusion fördern, ohne den Grundsatz der Fairness zu vernachlässigen.

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