Neue Richtlinien des britischen Gleichstellungs- und Menschenrechtsausschusses (EHRC) zu geschlechtsspezifischen Räumen haben in Großbritannien für große Besorgnis in der LGBTQ+-Community gesorgt. Die nicht-gesetzlichen Richtlinien, die auf PinkNews ausführlich diskutiert wurden, sorgen für erhebliche Kontroversen und werfen die Frage auf, welche Auswirkungen sie auf die Rechte von transgender Personen haben könnten.
Was besagt die EHRC-Richtlinie tatsächlich?
Die neuen Richtlinien wurden am 25. April veröffentlicht und folgten einem Urteil des britischen Supreme Court vom 16. April, das festlegte, dass die rechtliche Definition einer "Frau" im britischen Gleichstellungsgesetz von 2010 (Equality Act) sich ausschließlich auf "biologische" Frauen bezieht und damit trans Frauen ausschließt.
Die wohl beunruhigendste Empfehlung der EHRC-Richtlinien besagt, dass trans Frauen keine Fraueneinrichtungen und trans Männer keine Männereinrichtungen nutzen sollten. Noch problematischer ist jedoch, dass die Richtlinien auch empfehlen, dass trans Frauen unter "bestimmten Umständen" auch von Männereinrichtungen ausgeschlossen werden sollten – und trans Männer von Fraueneinrichtungen. Dies führt im Extremfall dazu, dass trans Personen nur noch Unisex-Toiletten nutzen könnten.
Gleichzeitig argumentiert die EHRC, dass es nicht unbedingt notwendig sei, geschlechtsneutrale Einrichtungen überhaupt bereitzustellen. Dies könnte dazu führen, dass trans Menschen in manchen Situationen überhaupt keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten – eine Form der Diskriminierung, die viele als inakzeptabel ansehen.
Deutschland geht einen völlig anderen Weg
Im direkten Gegensatz zu dieser Entwicklung in Großbritannien hat Deutschland erst kürzlich einen bedeutenden Schritt in die entgegengesetzte Richtung unternommen. Im April 2024 verabschiedete der Bundestag das Selbstbestimmungsgesetz, das im August 2024 in Kraft treten wird.
Dieses Gesetz ersetzt das veraltete Transsexuellengesetz von 1980 und ermöglicht es trans und nicht-binären Menschen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen – ohne "Expertengutachten" oder medizinische Atteste vorlegen zu müssen, wie es bisher der Fall war.
"Deutschland hat damit einen wichtigen Schritt gemacht, um trans Personen mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen und ihre Menschenwürde zu respektieren", erklärt Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*. "Die Entwicklung in Großbritannien zeigt leider, dass Rechte von trans Personen auch wieder eingeschränkt werden können."
Unterschiedliche Entwicklungen in Europa
Die gegensätzlichen Entwicklungen in Deutschland und Großbritannien sind symptomatisch für eine zunehmende Polarisierung in Europa, was die Rechte von trans Personen betrifft. Laut der Trans Rights Map 2024 der Organisation Transgender Europe (TGEU) gibt es in Europa immer größere Unterschiede bei der rechtlichen Anerkennung und dem Schutz von trans Personen.
Während Länder wie Deutschland, Spanien und die skandinavischen Staaten ihre Gesetze liberalisieren und den Zugang zu rechtlicher Anerkennung vereinfachen, gibt es in anderen Ländern wie Großbritannien, Ungarn und Teilen Osteuropas Rückschritte oder Stillstand.
Welche Auswirkungen haben die britischen Richtlinien?
Es ist wichtig zu betonen, dass die EHRC-Richtlinien nicht rechtlich bindend sind. Das britische Gleichstellungsgesetz von 2010 bietet nach wie vor Schutz vor Diskriminierung – auch für trans Personen. Die Organisation TransActual hat einen ausführlichen Leitfaden veröffentlicht, der die weiterhin geltenden Schutzrechte erklärt.
Dennoch könnten die Richtlinien als Grundlage für künftige gesetzliche Änderungen dienen. Der britische Premierminister Keir Starmer und Gesundheitsminister Wes Streeting haben bereits ihre Unterstützung für mögliche Gesetzesänderungen signalisiert.
Für trans Personen in Deutschland ist diese Entwicklung trotz der positiven Gesetzeslage hierzulande beunruhigend. "Was in anderen Ländern passiert, hat auch Auswirkungen auf den Diskurs in Deutschland", erklärt Tessa Ganserer, trans Bundestagsabgeordnete der Grünen. "Wir müssen wachsam bleiben und dürfen Errungenschaften nicht als selbstverständlich ansehen."
Die gesellschaftliche Debatte
Die britischen EHRC-Richtlinien sind Teil einer breiteren gesellschaftlichen Debatte über die Rechte von trans Personen, die auch in Deutschland geführt wird – wenn auch mit deutlich anderen Vorzeichen. Während das Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland von einer breiten parlamentarischen Mehrheit getragen wurde, gibt es auch hier Stimmen, die eine restriktivere Politik fordern.
Die deutschen medizinischen Fachverbände haben inzwischen klargestellt, dass sie geschlechtsangleichende Maßnahmen weiterhin anbieten werden, unabhängig vom rechtlichen Geschlechtseintrag – ein wichtiger Unterschied zur britischen Situation, wo auch der medizinische Zugang zu Behandlungen zunehmend erschwert wird.
Für trans Personen in Deutschland bleibt die Situation also deutlich besser als in Großbritannien. Dennoch sind die Ereignisse im Vereinigten Königreich eine Mahnung, dass Fortschritte bei LGBTQ+-Rechten nie als selbstverständlich angesehen werden sollten.