Durchbruch für LGBTQ+ in Litauen: Verfassungsgericht erzwingt Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare

Ein wegweisendes Urteil aus Litauen stärkt die Rechte von LGBTQ+ Personen im baltischen Staat: Das litauische Verfassungsgericht hat entschieden, dass das Land gleichgeschlechtliche Paare anerkennen muss. Wie queer.de berichtet, erklärte das Gericht, dass das bisherige Verbot für gleichgeschlechtliche Paare, eine Lebenspartnerschaft einzugehen, verfassungswidrig ist und dass all diese Partnerschaften eine Familie darstellen.

Was bedeutet das Urteil konkret?

Das Verfassungsgericht befasste sich mit zwei Vorschriften des litauischen Zivilgesetzbuches. Bereits 2001 hatte das Parlament eine Art Lebenspartnerschaft beschlossen, deren Inkrafttreten jedoch von einem separaten Gesetz abhängig gemacht wurde – das bis heute nicht verabschiedet wurde. Gleichzeitig legte eine weitere Passage fest, dass dieses Partnerschaftsinstitut nur heterosexuellen Paaren offenstehen sollte.

Diese Regelungen erklärte das Gericht nun für verfassungswidrig: "Ein Rechtsrahmen, der auf Vorurteilen unter anderem gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren beruht, wäre mit der Verfassung unvereinbar." Durch das Urteil sind alle bereits im Zivilgesetzbuch enthaltenen Regelungen zu Partnerschaften ab sofort gültig.

Der Vergleich zu Deutschland und den baltischen Nachbarn

Während in Deutschland bereits seit 2017 die "Ehe für alle" gilt und gleichgeschlechtliche Paare vollständig gleichgestellt sind, hinkt Litauen in dieser Frage hinterher. Wladimir Simonko von der Lithuanian Gay League (LGL) betont: "Seit mehr als zwei Jahrzehnten leben LGBTIQ-Personen in Litauen in Rechtsunsicherheit und ohne das Recht auf Schutz ihrer Familien."

Im Vergleich zu seinen baltischen Nachbarn war Litauen bisher das Schlusslicht in Sachen LGBTQ+ Rechte. Estland hat Anfang 2024 die Ehe für alle Paare geöffnet, nachdem es bereits seit 2016 eine eingetragene Partnerschaft gab. Lettland führte im Sommer 2023 ein neues Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft für alle Paare ein.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Trotz des positiven Urteils bleibt die politische Umsetzung herausfordernd. Die LGL spricht zwar von einem "wichtigen Urteil" und einem "Durchbruch", bleibt aber angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre zurückhaltend. Die derzeit regierenden Sozialdemokraten hatten in der Vergangenheit wechselnde Positionen eingenommen, und der neue Regierungschef Gintautas Paluckas hatte noch im August 2024 geäußert, es gebe keinen Grund, die Gesellschaft mit einem Lebenspartnerschaftsgesetz "zu verärgern".

Die LGL kritisiert: "Wenn politische Führer von einer 'Verärgerung der Gesellschaft' sprechen, statt für die in der Verfassung verankerten Rechte einzutreten, entziehen sie sich ihrer Verantwortung, alle Bürger gleichermaßen zu schützen."

Was bedeutet das Urteil für die deutsche LGBTQ+ Community?

Für die deutsche LGBTQ+ Community zeigt der Fall Litauens, wie wichtig verfassungsrechtliche Absicherungen sind. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach die Rechte von LGBTQ+ Personen gestärkt, bevor der Gesetzgeber nachzog. Die Akzeptanz von Homosexualität ist in Deutschland heute deutlich höher als in Litauen, wo konservative und religiöse Werte noch stärker präsent sind.

Dieses Urteil erinnert auch an die Bedeutung des europäischen Rechtsraums: Die schrittweise Verbesserung der LGBTQ+ Rechte in allen EU-Ländern trägt dazu bei, dass gleichgeschlechtliche Paare überall in Europa auf Anerkennung ihrer Beziehungen hoffen können – ein wichtiger Aspekt für mobile EU-Bürger*innen.

Ausblick

Das Verfassungsgericht betonte in seiner Entscheidung, dass der Gesetzgeber nun ein umfassendes Gesetz schaffen muss, das verschiedene Aspekte des Lebens der Partner*innen abdeckt, darunter Erbrechte, gegenseitige Unterhaltspflichten, Entscheidungen über die Gesundheitsversorgung und die Verantwortung gegenüber Kindern.

Ob die litauische Politik diesem Auftrag nachkommen wird, bleibt abzuwarten. Die LGL erinnert die politischen Entscheidungsträger daran, "dass Menschenrechte nicht Gegenstand von Popularitätswettbewerben sind. Der Schutz von Minderheitenrechten ist genau das, was eine konstitutionelle Demokratie von einer uneingeschränkten Mehrheitsherrschaft unterscheidet."

Für die LGBTQ+ Community in Litauen und in ganz Europa ist dieses Urteil ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur vollständigen rechtlichen Gleichstellung – aber der Weg zur gesellschaftlichen Akzeptanz und zur konkreten Umsetzung der Rechte bleibt noch zu gehen.

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