Adoptionsstatistik enthĂĽllt anhaltende Diskriminierung queerer Familien

Die neuesten Adoptionszahlen des Statistischen Bundesamtes spiegeln ein strukturelles Problem wider, das tief in der deutschen Rechtsprechung verwurzelt ist: Während sich die Gesellschaft weiterentwickelt, hinkt das Abstammungsrecht hinterher und zwingt queere Familien in bürokratische Hürdenläufe. Diese Statistik ist mehr als nur Zahlen – sie erzählt die Geschichte von Familien, die um ihre Anerkennung kämpfen müssen.

Die aktuellen Daten zeigen einen bemerkenswerten Anstieg bei Adoptionen durch Stiefmütter in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften: Ein Plus von zehn Prozent auf 1.243 Fälle, was einem Drittel aller Adoptionen entspricht. Hinter dieser Zahl verbergen sich Hunderte von Frauen, die rechtlich um die Anerkennung ihrer Mutterschaft kämpfen müssen – ein Prozess, der für verschiedengeschlechtliche Ehepaare automatisch erfolgt.

Die Realität queerer Elternschaft in Deutschland

Das aktuelle Abstammungsrecht schafft eine Zweiklassengesellschaft bei der Elternschaft: Während in heterosexuellen Ehen der Ehemann automatisch als Vater anerkannt wird – unabhängig davon, ob er das Kind gezeugt hat –, muss die Partnerin einer leiblichen Mutter den langwierigen und kostspieligen Weg der Stiefkindadoption gehen. Diese Diskrepanz wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass das Verfahren oft mehrere Monate dauert und mit erheblichen Kosten verbunden ist.

Für betroffene Familien bedeutet dies nicht nur finanzielle Belastungen, sondern auch rechtliche Unsicherheit in kritischen Situationen. Sollte die leibliche Mutter vor Abschluss der Adoption versterben, steht das Kind ohne rechtlichen Bezug zur sozialen Mutter da – ein Szenario, das in heterosexuellen Partnerschaften undenkbar wäre.

Internationale Perspektive und deutsche Verspätung

Deutschland hinkt bei der rechtlichen Anerkennung von Regenbogenfamilien deutlich hinterher. Während Länder wie Malta, Luxemburg oder die Niederlande längst moderne Abstammungsrechte etabliert haben, die die Vielfalt von Familien anerkennen, verharrt die deutsche Gesetzgebung in überholten Denkmustern. Verfassungsrechtler warnen seit Jahren vor der Verfassungswidrigkeit der aktuellen Regelungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. hat gemeinsam mit der Initiative Nodoption eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um die Diskriminierung queerer Familien zu beenden. Diese rechtlichen Schritte sind notwendig geworden, weil die Politik zu langsam auf die gesellschaftlichen Realitäten reagiert.

Die Kosten der Diskriminierung

Die Auswirkungen reichen weit über bürokratische Hürden hinaus. Kinder in Regenbogenfamilien wachsen in einer Realität auf, in der ein Elternteil rechtlich nicht existiert – bis zur Adoption. Dies kann psychische Belastungen für die gesamte Familie bedeuten und sendet ein gesellschaftliches Signal, dass diese Familien weniger wert sind als andere.

Die hohen Kosten der Stiefkindadoption – oft mehrere tausend Euro – stellen für viele Familien eine zusätzliche finanzielle Hürde dar. Diese Kosten entstehen ausschließlich aufgrund der sexuellen Orientierung der Eltern, was einer indirekten Diskriminierung gleichkommt.

Hoffnung auf Veränderung

Trotz der aktuellen Herausforderungen gibt es Grund zur Hoffnung. Der Bundesrat hat im Mai 2024 einem EntschlieĂźungsantrag zur Reform des Abstammungsrechts zugestimmt und die Bundesregierung aufgefordert, die rechtliche Gleichstellung von Zwei-MĂĽtter-Familien voranzutreiben. Auch wenn der Gesetzentwurf der vorherigen Koalition mit dem Regierungswechsel gestoppt wurde, bleibt die Hoffnung auf eine kĂĽnftige Reform bestehen.

Die Verbände sind sich einig: Ein diskriminierungsfreies Abstammungsrecht ist überfällig. Es geht nicht nur um die Anerkennung verschiedener Familienmodelle, sondern vor allem um das Wohl der Kinder, die in diesen Familien aufwachsen. Sie verdienen von Geburt an die rechtliche Sicherheit und Anerkennung, die anderen Kindern selbstverständlich zusteht.

Die Adoptionsstatistik 2024 ist somit mehr als eine Zahl – sie ist ein Aufruf zum Handeln. Jede Adoption, die aufgrund diskriminierender Gesetze notwendig wird, ist eine zu viel. Es ist Zeit, dass Deutschland seine Gesetze an die gelebte Realität anpasst und allen Familien die gleiche Würde und Anerkennung zuteilwerden lässt.

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