Erneut erschüttert ein queerfeindlicher Vorfall die queere Community in Berlin. Der Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin ermittelt nach einem Angriff am späten Dienstagabend in Prenzlauer Berg. Laut dem Originalbericht von queer.de wurden zwei 21-jährige Personen gegen 22:30 Uhr aus einer 15 bis 20 Personen großen Gruppe heraus queerfeindlich beleidigt und mit Gegenständen beworfen.
Eine Serie von Angriffen in kurzer Zeit
Der jüngste Vorfall reiht sich in eine besorgniserregende Serie von Übergriffen ein. Erst am Wochenende zuvor hatten Unbekannte eine Regenbogenflagge an der queeren Tipsy Bear Bar in Prenzlauer Berg angezündet. Augenzeugen berichteten, wie eine vierköpfige Gruppe die Flagge heruntergerissen, an der Kreuzung Eberswalder Straße Ecke Schönhauser Allee in Brand gesetzt und anschließend darauf herumgetrampelt hatte – begleitet von beleidigenden Ausrufen, wie das Mannschaft Magazin berichtete.
Die Tipsy Bear Bar, ein bekannter LGBTQIA+-Treffpunkt im Kiez, war bereits im Juni 2022 Ziel eines homophoben Angriffs geworden, bei dem Gäste mit Reizgas verletzt wurden. Das zeigt, dass die queere Einrichtung wiederholt ins Visier queerfeindlicher Täter gerät.
Solidarität als Antwort auf Hass
Als Reaktion auf den Angriff auf die Regenbogenflagge fand am Dienstag eine Solidaritätskundgebung vor der Tipsy Bear Bar statt. Auch der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano (SPD) nahm an der Kundgebung teil, um ein deutliches Zeichen gegen Queerfeindlichkeit zu setzen. In sozialen Medien wurde die Veranstaltung unter den Hashtags #gegenhass, #queer, #trans, #inter und #tipsybear geteilt.
"Diese wiederholten Angriffe zeigen, dass wir nicht nachlassen dürfen in unserem Kampf gegen Queerfeindlichkeit", erklärte ein Teilnehmer der Kundgebung gegenüber anwesenden Pressevertreter*innen. "Die Community steht zusammen, und wir lassen uns nicht einschüchtern."
Alarmierende Zahlen zu queerfeindlichen Übergriffen
Die Häufung der Übergriffe spiegelt sich auch in den Statistiken wider. Erst am Montag meldete das schwule Überfalltelefon Maneo, dass es im vergangenen Jahr 738 Fälle und Hinweise auf Anfeindungen gegen queere Menschen in Berlin registriert habe – mehr als je zuvor. Laut einem Bericht von rbb24 ereigneten sich 165 dieser Vorfälle im öffentlichen Raum.
Dass Berlin häufig über LGBTI-feindliche Übergriffe berichtet, liegt auch daran, dass die Landespolizei mögliche Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gezielt publik macht und systematisch erfasst. Dies führt zu einer höheren Sichtbarkeit dieser Vorfälle in der Öffentlichkeit, was sowohl Bewusstsein schafft als auch die tatsächliche Dimension des Problems verdeutlicht.
Spezielle Unterstützung für Betroffene
Die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft haben eigene Ansprechpartner*innen für queere Menschen eingerichtet, um die Hemmschwelle für Anzeigen zu senken und eine sensible Bearbeitung der Fälle zu gewährleisten. Betroffene können sich direkt an diese spezialisierten Stellen wenden oder auch online über die Internetwache der Polizei Berlin Anzeige erstatten.
Neben staatlichen Stellen bietet auch das Projekt Maneo Unterstützung für Betroffene queerfeindlicher Gewalt an. Das älteste Anti-Gewalt-Projekt für schwule und bisexuelle Männer in Deutschland berät, dokumentiert Vorfälle und leistet wichtige Sensibilisierungsarbeit.
Prenzlauer Berg als Brennpunkt?
Auffällig ist, dass sich mehrere Vorfälle in kurzer Zeit im Ortsteil Prenzlauer Berg ereigneten. Der Bezirk, der lange als liberal und weltoffen galt, zeigt sich offenbar nicht immun gegen die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft. Expert*innen warnen vor einem gesellschaftlichen Klima, in dem queerfeindliche Einstellungen wieder salonfähiger werden und die Hemmschwelle für Übergriffe sinkt.
"Die Zunahme queerfeindlicher Vorfälle ist alarmierend und spiegelt leider einen gesamtgesellschaftlichen Trend wider", betont der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD). "Hier müssen Politik und Sicherheitsbehörden entschlossen gegensteuern und klare Grenzen setzen."
Die Ermittlungen zu den jüngsten Vorfällen dauern an. Die Polizei bittet Zeugen, die Hinweise zu den Tätern geben können, sich zu melden. Gleichzeitig zeigt die schnelle Reaktion der Community, dass queerfeindliche Angriffe nicht unbeantwortet bleiben und Solidarität ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Diskriminierung ist.