Berlin verzeichnet einen besorgniserregenden Anstieg der Mpox-Fälle. Laut dem aktuellen Wochenbericht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) wurden seit Jahresbeginn bereits 69 Mpox-Fälle in der Hauptstadt registriert – mehr als im gesamten Vorjahr, als insgesamt 67 Fälle gemeldet wurden. Diese Entwicklung wirft Fragen nach dem Impfschutz und präventiven Maßnahmen in der Community auf.
Die aktuelle Lage: Ein lokaler Ausbruch mit Potenzial
In der 16. Meldewoche kamen drei neue Fälle hinzu, nach sechs in der Vorwoche. Der letzte bekannte Erkrankungsbeginn wurde mit dem 11. April datiert. Auch andere Bundesländer verzeichnen steigende Fallzahlen: In Nordrhein-Westfalen wurden bis zur 16. Kalenderwoche 41 Fälle registriert – davon allein 17 in Köln. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es lediglich sieben Fälle.
Bei den in Berlin betroffenen Personen handelt es sich ausschließlich um Männer mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren. Besorgniserregend: 60 der Erkrankten hatten keine Impfung erhalten, nur ein Mann hatte eine einzelne Impfdosis bekommen. Zu den übrigen lagen keine Daten vor. Besonders auffällig ist, dass nur bei etwa 9 Prozent der Fälle ein Auslandsaufenthalt im potenziellen Ansteckungszeitraum angegeben wurde, was auf lokale Übertragungsketten hindeutet.
Das LAGeSo spricht von einer "Zirkulation von Mpox der Klade II in bestimmten Risikogruppen in Berlin", in denen noch erhebliche Impflücken bestehen könnten. Zum Vergleich: Während des großen globalen Ausbruchs zwischen Mai 2022 und Januar 2023 wurden in Berlin insgesamt 1.676 Mpox-Fälle gemeldet. Obwohl die aktuellen Zahlen deutlich niedriger sind, zeigt der Trend nach oben.
Impfschutz: Verfügbar, aber zu wenig genutzt
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen Mpox als Indikationsimpfung für Personen mit einem erhöhten Infektionsrisiko. Dazu gehören insbesondere MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) mit häufig wechselnden Partnern, aber auch Laborpersonal mit Kontakt zu infektiösen Proben und Personen mit engem Kontakt zu Infizierten.
Für eine vollständige Grundimmunisierung sind zwei Dosen des Impfstoffs Imvanex im Abstand von 28 Tagen erforderlich. Eine Studie der Charité Berlin hat gezeigt, dass bereits eine Dosis eine Schutzwirkung von 84 Prozent verleiht. Bei Menschen mit HIV ist jedoch nach einer Impfdosis der Schutz noch unzureichend, weshalb die empfohlene zweite Impfdosis besonders wichtig ist.
"Die Zahlen zeigen eindeutig, dass wir in Berlin ein Impfproblem haben", erklärt Dr. Markus Wicke von der Deutschen Aidshilfe gegenüber Pride.Direct. "Der Impfstoff ist verfügbar, aber er wird nicht ausreichend nachgefragt. Die meisten der Erkrankten waren ungeimpft – das ist vermeidbar."
Wo kann man sich in Berlin impfen lassen?
In Berlin ist die Mpox-Impfung in den meisten HIV-Schwerpunktpraxen verfügbar. Auch für Menschen ohne Krankenversicherung gibt es Möglichkeiten, eine kostenlose Impfung zu erhalten. Das Checkpoint BLN der Berliner Aids-Hilfe bietet Beratungen und Impfungen an, ebenso wie das Projekt sidekicks.berlin, das auch ausführlich über die Krankheit, Symptome und Übertragungswege informiert.
Verschiedene Community-Organisationen haben auf die steigenden Fallzahlen reagiert. Das Projekt sidekicks.berlin hat seine Informationskampagne verstärkt und bietet niedrigschwellige Aufklärung und Beratung an. Auch die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit hat angekündigt, eine neue Informationskampagne zu starten, um auf die Wichtigkeit der Impfung hinzuweisen.
Mpox – was ist das eigentlich?
Mpox (früher als "Affenpocken" bezeichnet) wird durch das Mpox-Virus verursacht und hauptsächlich durch engen Körperkontakt übertragen. Die Symptome ähneln denen der Pocken, verlaufen aber in der Regel milder. Typische Anzeichen sind Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, geschwollene Lymphknoten und Hautausschlag mit charakteristischer Bläschenbildung.
Übertragen wird das Virus bei engem Hautkontakt, wie zum Beispiel beim Sex, Küssen oder Kuscheln, aber auch durch Kontakt zu gemeinsam genutzten Gegenständen wie Sextoys, Bettwäsche oder Handtüchern. Wichtig zu verstehen: Obwohl der aktuelle Ausbruch vor allem MSM betrifft, ist Mpox keine "schwule Krankheit" – das Virus kann prinzipiell jeden infizieren, unabhängig von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität.
Internationale Situation: WHO in Alarmbereitschaft
Während in Berlin und Deutschland hauptsächlich die Klade-IIb-Variante zirkuliert, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im August 2024 aufgrund des Anstiegs von Mpox-Fällen, insbesondere der gefährlicheren Klade I in Afrika, eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite (PHEIC) ausgerufen. Die WHO betont die Wichtigkeit von Überwachungs- und Präventionsmaßnahmen sowie intensiver Forschung.
In Deutschland wurden laut Robert Koch-Institut (RKI) bis Anfang April mehr als 150 Mpox-Fälle gemeldet, wobei Berlin weiterhin am stärksten betroffen ist. Es gibt auch vereinzelte importierte Fälle der Klade Ib, die auf Reisen nach Afrika zurückzuführen sind.
Fazit: Prävention ist der Schlüssel
Die steigenden Fallzahlen in Berlin zeigen, dass das Mpox-Virus weiterhin zirkuliert und besonders in bestimmten Communities präsent ist. Experten sind sich einig: Die beste Prävention ist die Impfung. Zusätzlich empfehlen sie Safer-Sex-Praktiken und erhöhte Aufmerksamkeit bei Symptomen.
Bei Verdacht auf eine Mpox-Infektion sollte umgehend ärztlicher Rat eingeholt und enger Kontakt zu anderen Menschen vermieden werden. Die gute Nachricht: Der Impfstoff ist in ausreichender Menge verfügbar – er muss nur genutzt werden.
Community-Organisationen und Gesundheitsbehörden stehen vor der Herausforderung, das Bewusstsein für die Impfung zu stärken und Zugangsbarrieren abzubauen. Nur so kann verhindert werden, dass sich die Fallzahlen weiter erhöhen und Berlin erneut zu einem Hotspot für Mpox wird.