Der deutsche Software-Riese SAP streicht Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtervielfalt und reagiert damit auf den politischen Druck der Trump-Administration in den USA. Wie das Handelsblatt berichtete, verzichtet der Konzern künftig auf das Ziel, einen Frauenanteil von 40 Prozent in der Belegschaft zu erreichen. Die Entscheidung reiht sich ein in eine besorgniserregende Entwicklung, bei der internationale Unternehmen ihre Diversity-Programme zurückfahren.
Konkrete Maßnahmen und strukturelle Veränderungen
SAP begründet diesen Schritt in einer internen Mail an die Belegschaft mit der Notwendigkeit, auf "externe Veränderungen, etwa auf aktuelle gesetzliche Entwicklungen" zu reagieren. Als "global agierendes Unternehmen mit einer starken Präsenz in den USA" sehe man sich gezwungen, Anpassungen im Bereich "Diversity & Inclusion" vorzunehmen. Laut Spiegel-Informationen beteuert der DAX-Konzern dennoch, dass eine "vielfältige Belegschaft und integrative Führung" weiterhin für eine leistungsfähige Organisation entscheidend seien.
Die Veränderungen bei SAP sind weitreichend: Neben dem Verzicht auf die angestrebte Frauenquote wird Geschlechtervielfalt künftig auch nicht mehr als Bewertungsmaßstab bei der Vergütung des Vorstands berücksichtigt. Bei der Quote für Frauen in Führungspositionen werden die USA komplett ausgeklammert. Besonders symbolträchtig ist die Zusammenlegung des bislang eigenständigen "Diversity & Inclusion Office" mit dem Bereich "Corporate Social Responsibility" – ein deutliches Zeichen für die Herabstufung der Thematik.
Trumps Kreuzzug gegen die "Woke-Kultur"
Der Rückzug von SAP ist kein Einzelfall, sondern spiegelt eine breitere Entwicklung wider, die durch die Politik von Donald Trump in den USA vorangetrieben wird. Gleich am Tag seines Amtsantritts im Januar unterzeichnete Trump ein Dekret, das US-Bundesbehörden den Einsatz von Programmen für Diversität, Gleichstellung und Inklusion (im Englischen als DEI abgekürzt) untersagt. Die Trump-Administration argumentiert, dass Einstellungen ausschließlich auf Verdienst basieren sollten und nicht auf vermeintlich "diskriminierenden Quoten".
Diese Politik übt immensen Druck auf Unternehmen mit US-Geschäft aus. Große Konzerne wie Google und Meta haben ihre Diversitätsprogramme bereits zurückgefahren. Laut Deutschlandfunk beenden immer mehr Unternehmen ihre DEI-Maßnahmen aus Angst vor rechtlichen und politischen Konsequenzen in den USA. Die Deutsche Telekom-Tochter T-Mobile USA verpflichtete sich ebenfalls, entsprechende Programme einzustellen.
Auswirkungen auf die deutsche LGBTQ+-Community
Für die LGBTQ+-Community in Deutschland bedeutet diese Entwicklung einen beunruhigenden Präzedenzfall. Wenn ein Schwergewicht wie SAP, das sich in der Vergangenheit als progressiver Arbeitgeber positioniert hatte, vor politischem Druck einknickt, könnte dies Signalwirkung für andere deutsche Unternehmen haben. Besonders bedenklich ist, dass der Abbau von Diversity-Programmen nicht auf sachlichen Argumenten basiert – es gibt keine Belege dafür, dass solche Initiativen zu Qualitätseinbußen führen, wie von Trump und seinen Unterstützern behauptet.
In Deutschland haben Unternehmen in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte im Bereich Diversity Management erzielt. Eine Studie von Total E-Quality zeigt, dass viele deutsche Firmen die Wichtigkeit kultureller Vielfalt erkannt haben und die Verantwortung dafür zunehmend auch beim Senior Management ansiedeln. Auch wirtschaftlich macht Vielfalt Sinn: Nach einer McKinsey-Untersuchung könnten durch mehr kulturelle Vielfalt bis zu 100 Milliarden Euro Wertschöpfung in Deutschland generiert werden.
Ein gefährlicher Domino-Effekt
Die Entscheidung von SAP könnte Teil eines größeren Domino-Effekts sein, der bereits andere Unternehmen erfasst hat. So haben Medienberichten zufolge auch Aldi Süd und Ford ihre Diversitätsprogramme eingeschränkt oder CSD-Sponsorings gekürzt. Dies ist besonders alarmierend, da Deutschland und Europa bislang als Gegengewicht zu den kulturellen Rückschritten in den USA galten.
Für die LGBTQ+-Community steht viel auf dem Spiel. Diversitätsprogramme wurden eingeführt, um historisch bedingte Benachteiligungen auszugleichen und gleiche Chancen für alle Menschen unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Herkunft zu schaffen. Wenn Unternehmen diese Programme als verzichtbaren Luxus betrachten, den man bei politischem Gegenwind schnell über Bord wirft, droht ein Rollback bei hart erkämpften Errungenschaften.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob weitere deutsche Unternehmen dem Beispiel von SAP folgen oder ob sie den Mut aufbringen, an ihren Werten festzuhalten – auch wenn dies bedeutet, sich dem politischen Druck aus den USA zu widersetzen. Für die LGBTQ+-Community bleibt es wichtig, wachsam zu bleiben und Unternehmen an ihre gesellschaftliche Verantwortung zu erinnern.