Ein britisches Gericht hat die 21-jährige Trans-Frau Ciara Watkin wegen sexueller Nötigung verurteilt, weil sie ihrem Partner nicht mitteilte, dass sie transgender ist. Das Urteil wirft wichtige Fragen über Einvernehmlichkeit, Offenlegungspflichten und den Schutz von Trans-Personen auf – auch in Deutschland.
Der Fall Ciara Watkin
Das Teesside Crown Court befand Watkin schuldig, nachdem die Staatsanwaltschaft argumentierte, der Mann könne keine "informierte Einwilligung" geben, da er nicht wusste, dass sie transgender ist. Watkin hatte dem Mann gesagt, sie habe ihre Periode, um zu verhindern, dass er entdeckt, dass sie noch keine geschlechtsangleichende Operation hatte.
Nach nur einer Stunde Beratung sprach die Jury das Urteil. Watkin, die seit ihrem 13. Lebensjahr als Frau lebt, muss sich nun ins Sexualstraftäterregister eintragen lassen und erwartet ihr Strafmaß am 10. Oktober.
Rechtliche Grundlagen und Kontroversen
Das Urteil basiert auf der überarbeiteten Richtlinie des Crown Prosecution Service zu "Täuschung bezüglich des Geschlechts" (zuvor "Täuschung bezüglich der Geschlechtsidentität"). Diese entstand nach dem Fall McNally v R. von 2013, als das Gericht entschied, dass "Täuschung bezüglich des Geschlechts je nach Umständen die Einwilligung ungültig machen kann".
Die Richtlinie wurde nach einer zwölfwöchigen öffentlichen Konsultation 2022 überarbeitet, bei der 409 Stellungnahmen eingingen – darunter von "geschlechtskritischen Interessengruppen, Frauenrechtsorganisationen und lesbischen und schwulen Personen".
Deutschlands progressiver Ansatz
Während Großbritannien mit solchen Urteilen für Kontroversen sorgt, hat Deutschland einen anderen Weg eingeschlagen. Am 1. November 2024 trat das Selbstbestimmungsgesetz in Kraft, das Trans-Personen ab 14 Jahren ermöglicht, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern.
Das deutsche Gesetz ersetzt das diskriminierende Transsexuellengesetz von 1980, das aufwendige Gutachten und Gerichtsverfahren erforderte. Human Rights Watch bezeichnete die Verabschiedung als "wegweisend" fĂĽr Trans-Rechte in Europa.
Die Debatte um Offenlegungspflichten
Der Fall Watkin befeuert eine kontroverse Diskussion: Müssen Trans-Personen ihre Geschlechtsgeschichte vor intimen Begegnungen offenlegen? Aktivist*innen warnen, dass solche rechtlichen Interpretationen Trans-Personen diskriminieren und in Gefahr bringen könnten.
Kritiker*innen argumentieren, dass die Nichtoffenlegung der Trans-Identität nicht automatisch als Täuschung gewertet werden sollte. Es bestehe schließlich auch keine Verpflichtung, andere persönliche Informationen wie Herkunft, Behinderung oder religiöse Überzeugung preiszugeben.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Das Urteil gegen Watkin verdeutlicht die Spannung zwischen dem Recht auf informierte Einwilligung und dem Schutz von Trans-Personen vor Diskriminierung. Während einige das Urteil als notwendigen Schutz der sexuellen Autonomie sehen, befürchten andere, dass es Trans-Personen stigmatisiert und ihre Privatsphäre verletzt.
In Deutschland zeigt das neue Selbstbestimmungsgesetz einen anderen Ansatz – einen, der Trans-Personen mehr Selbstbestimmung und Würde gewährt. Die unterschiedlichen rechtlichen Entwicklungen in Europa spiegeln die anhaltende gesellschaftliche Debatte über Trans-Rechte und sexuelle Einvernehmlichkeit wider.
Der Fall Watkin wird zweifellos weitere Diskussionen über die Balance zwischen individuellen Rechten und dem Schutz aller Beteiligten in intimen Beziehungen anstoßen – eine Debatte, die weit über die britischen Grenzen hinausreicht.