Die neue Bundesregierung unter Führung von Friedrich Merz hält offenbar am Amt des Queerbeauftragten fest, wie queer.de berichtet. In einer umfassenden Streichliste, über die unter anderem der "Focus" berichtet, sollen 25 Beauftragte, Sonderbeauftragte und Koordinator*innen in der neuen Regierung wegfallen - jedoch nicht die Position des Beauftragten für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.
Queerbeauftragter bleibt - trotz Rotstift bei Regierungsposten
Das 2022 von der Ampel-Regierung geschaffene Amt bleibt demnach erhalten, während insgesamt 13 Posten ersatzlos gestrichen werden sollen. Zu den wegfallenden Positionen gehören unter anderem die Botschafterin für feministische Außenpolitik, der Beauftragte zur Planung der sogenannten Zeitenwende oder der Radverkehrsbeauftragte. Weitere zwölf Posten sollen abgeschafft, aber von den Ministerien weitergeführt werden - darunter ironischerweise der Koordinator für Bürokratieabbau.
Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD die "Halbierung der Beauftragten des Bundes" beschlossen. Von den derzeit mehr als 60 Beauftragtenposten sollen demnach 25 gestrichen werden. Dass der Queerbeauftragte nicht auf der Streichliste steht, kann als positive Überraschung gewertet werden, da die CDU/CSU in der Vergangenheit queerpolitischen Themen oft kritisch gegenüberstand.
Sven Lehmann und sein Engagement für LGBTIQ*-Rechte
Anfang 2022 wurde der Grünenpolitiker Sven Lehmann zum ersten Queerbeauftragten der Bundesregierung ernannt. In seiner Rolle setzte er sich engagiert für die Rechte und den Schutz von LGBTIQ*-Personen ein. Er war maßgeblich an der Umsetzung des Bundesaktionsplans "Queer leben" beteiligt, der darauf abzielt, Queerfeindlichkeit zu bekämpfen und die Lebensrealität von queeren Menschen zu verbessern.
In den letzten Monaten äußerte sich Lehmann wiederholt kritisch zur queerpolitischen Ausrichtung der designierten Bundesregierung unter Friedrich Merz. Er warnte vor möglichen Rückschritten und bezeichnete Äußerungen einiger CDU-Politiker zu LGBTIQ*-Themen als "billigen Populismus" auf dem Rücken von transgeschlechtlichen Menschen.
Unsichere Zukunft für das Selbstbestimmungsgesetz?
Obwohl das Amt des Queerbeauftragten erhalten bleibt, herrscht Unsicherheit über die Zukunft wichtiger queerpolitischer Errungenschaften. Besonders das am 1. November 2024 in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz ist umstritten. Friedrich Merz hat sich in der Vergangenheit kritisch zu diesem Gesetz geäußert und angedeutet, dass er es in seiner jetzigen Form nicht für haltbar hält.
Das Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht es trans-, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt zu ändern - ohne das zuvor notwendige langwierige gerichtliche Verfahren mit Sachverständigengutachten.
Karin Prien als künftige Familienministerin
Der Posten des Queerbeauftragten ist im Bundesfamilienministerium angesiedelt, dass künftig von der schleswig-holsteinischen CDU-Politikerin Karin Prien geleitet werden soll. Prien gilt innerhalb der CDU als vergleichsweise moderat, hat sich jedoch bislang nicht ausführlich zu queerpolitischen Themen positioniert.
In Fachkreisen wird mit Spannung erwartet, wer künftig das Amt des Queerbeauftragten übernehmen wird. Bislang ist völlig unklar, welche Person die neue Regierung für diese Position nominieren wird und wie engagiert der Einsatz für LGBTIQ*-Rechte ausfallen wird.
Zunehmende Queerfeindlichkeit als Herausforderung
Die Beibehaltung des Amtes des Queerbeauftragten ist vor dem Hintergrund zunehmender Queerfeindlichkeit in Deutschland besonders bedeutsam. Statistiken zeigen, dass die Zahl queerfeindlicher Übergriffe in den letzten Jahren gestiegen ist. Rechtsextreme Gruppen agitieren immer offener gegen LGBTIQ*-Personen, und täglich werden mehrere queerfeindliche Angriffe registriert.
Vor diesem Hintergrund ist ein starkes politisches Engagement für die Rechte und den Schutz von queeren Menschen essenziell. Der Queerbeauftragte kann hier eine wichtige Rolle spielen, um die Sichtbarkeit der Themen zu erhöhen und politische Maßnahmen zum Schutz der Community zu koordinieren.
Ausblick: Was bedeutet dies für die deutsche LGBTIQ*-Community?
Für die LGBTIQ*-Community in Deutschland sendet die Beibehaltung des Amtes des Queerbeauftragten ein positives Signal. Es zeigt, dass die neue Regierung - trotz der konservativeren Ausrichtung - die Bedeutung von LGBTIQ*-Themen anerkennt und ihnen einen festen Platz in der Regierungsarbeit einräumt.
Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich die Queerpolitik der neuen Bundesregierung konkret gestalten wird. Schlüsselfragen sind, ob der Bundesaktionsplan "Queer leben" mit ausreichenden Mitteln fortgeführt wird, wie die neue Regierung zum Selbstbestimmungsgesetz steht und welche weiteren Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung und Gewalt umgesetzt werden.
Die LGBTIQ*-Community und Verbände wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) werden die Entwicklungen genau beobachten und sich weiterhin für die Gleichstellung und den Schutz von queeren Menschen einsetzen.