In Russland wurden mehrere Mitarbeitende des größten russischen Verlags Eksmo, darunter der Leiter des Vertriebs Anatoli Norowjatkin, wegen angeblicher Verbreitung von "LGBT-Propaganda" festgenommen. Das berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass am Mittwoch, wie queer.de meldet. Die Festnahmen stehen im Zusammenhang mit Büchern des Verlags Popcorn Books, der sich auf Literatur für junge Erwachsene zu Themen wie Geschlechtsidentität, psychische Gesundheit und Rassismus spezialisiert hat.
Putins verschärfte Repressionen gegen die LGBTQ+-Community
Die jüngsten Festnahmen reihen sich ein in eine systematische Verfolgung von LGBTQ+-Personen und ihrer Unterstützer:innen in Russland. Das Gesetz gegen "Propaganda von Homosexualität unter Minderjährigen" wurde erstmals 2013 auf föderaler Ebene eingeführt und hat sich seitdem stetig verschärft. Im November 2022 weitete die russische Regierung das Gesetz drastisch aus – es gilt nun unabhängig vom Alter der Zielgruppe, was faktisch ein vollständiges Verbot jeglicher positiver Darstellung von LGBTQ+-Lebensweisen bedeutet, wie die Bundeszentrale für politische Bildung dokumentiert.
Im Jahr 2023 setzte der Kreml die "LGBT-Bewegung" auf eine Liste verbotener extremistischer Gruppen – ein weiterer Schritt, der die rechtliche Verfolgung erleichtert. Die Strafen für Verstöße gegen das "Propaganda"-Gesetz sind drastisch: Sie reichen von hohen Geldstrafen für Einzelpersonen bis zu existenzbedrohenden Bußgeldern für Organisationen und der Ausweisung ausländischer Staatsbürger.
Der Fall Popcorn Books – Literatur im Visier
Der nun betroffene Verlag Popcorn Books geriet bereits 2022 ins Visier der russischen Behörden, nachdem er den Bestseller "Sommer in einer Pionierkrawatte" (auf Deutsch erschienen als "Du und ich und der Sommer") veröffentlicht hatte. Der Roman, eine schwule Liebesgeschichte, die in einem sowjetischen Sommerlager spielt, wurde zum Bestseller – und zum Ziel staatlicher Repression, wie Fluter berichtet.
Als Reaktion wurde gegen den Verlag ein Verfahren wegen "LGBT-Propaganda" eingeleitet, und er wurde im Oktober 2022 als "ausländischer Agent" eingestuft – ein Label, das die Geschäftstätigkeit erheblich erschwert und stigmatisiert. Die jetzigen Festnahmen von Mitarbeitenden des Vertriebspartners Eksmo zeigen, dass die Verfolgung immer weitere Kreise zieht.
Situation in Deutschland – ein starker Kontrast
Der Umgang Russlands mit LGBTQ+-Themen steht in krassem Gegensatz zur Situation in Deutschland. Während Deutschland im ILGA-Ranking der LGBTQ+-freundlichsten Länder den 15. Platz belegt, gehört Russland zu den am schlechtesten bewerteten Ländern, wie Statista aufzeigt. In Deutschland ist die Ehe für alle seit 2017 legal, und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität.
Dennoch gibt es auch in Deutschland weiterhin Herausforderungen: Die Ergänzung des Gleichheitsartikels im Grundgesetz um das Merkmal "sexuelle Identität" steht noch aus, und laut dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) kommt es weiterhin zu Diskriminierung und Hassreden gegen LGBTQ+-Personen.
Internationaler Trend zur Repression?
Expert:innen sehen in Russlands Vorgehen nicht nur eine innenpolitische Maßnahme, sondern auch ein geopolitisches Signal. "Die Repression gegen LGBTQ+-Personen dient dem Putin-Regime als ideologisches Instrument, um sich vom 'dekadenten Westen' abzugrenzen und traditionelle Werte zu betonen", erklärt die Menschenrechtsorganisation Quarteera, die sich für russischsprachige LGBTQ+-Personen in Deutschland einsetzt.
Die Festnahmen der Verlagsmitarbeitenden zeigen, dass die Repressionen in Russland weiter zunehmen. Für die LGBTQ+-Community in Russland bedeutet dies eine weitere Verschlechterung ihrer ohnehin schon prekären Lage. Viele suchen Zuflucht im Ausland, auch in Deutschland, wo ihnen jedoch oft bürokratische Hürden im Asylverfahren begegnen.
Der Fall unterstreicht die Bedeutung internationaler Solidarität und die Notwendigkeit, in Deutschland erreichte LGBTQ+-Rechte zu verteidigen und weiter auszubauen – gerade in Zeiten, in denen in vielen Ländern weltweit diese Rechte unter Druck geraten.