Die CDU hat am Montagmorgen ihr siebenköpfiges Personal für die Kabinettsposten in der neuen Koalition unter Friedrich Merz vorgestellt. Dabei soll nach Willen der Partei mit Katherina Reiche eine Politikerin zurückkehren, die in der Vergangenheit durch homophobe Äußerungen aufgefallen ist. Die Nachricht wurde zuerst von queer.de berichtet und löst besonders in der LGBTQ+-Community Besorgnis aus.
Reiche und ihre umstrittenen Aussagen zur Homosexualität
Die 51-jährige Katherina Reiche, die von 1998 bis 2015 Mitglied des Deutschen Bundestages war, hat in der Vergangenheit mehrfach mit ihren kontroversen Ansichten über Homosexualität für Aufsehen gesorgt. Im Jahr 2011 bezeichnete sie in einer Talkshow gleichgeschlechtliche Paare als "nicht normal" und suggerierte, dass sie automatisch schlechtere Eltern seien.
Besonders heftig kritisiert wurde ihre Aussage aus einem Interview mit der "Bild"-Zeitung im Jahr 2012: "Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Neben der Euro-Krise ist die demografische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands." Diese Äußerung stellte homosexuelle Beziehungen faktisch als Gefahr für Deutschland dar, was auch innerhalb der CDU zu scharfer Kritik führte und einen Shitstorm in sozialen Medien auslöste.
Auf Kritik an ihrer Position reagierte Reiche damals mit dem Vorwurf, dass diejenigen, "die am lautesten nach Toleranz rufen, selbst offenbar am wenigsten davon besitzen". Später behauptete sie sogar, dass die gleichgeschlechtliche Ehe "unendliches Leid" verursachen würde und warf Schwulen und Lesben "Hedonismus" vor.
Vom Bundestag in die Wirtschaft und zurück ins Kabinett
Nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2015 wechselte Reiche in die Wirtschaft. Zunächst war sie Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), bevor sie 2019 einen Vorstandsposten bei einem Tochterunternehmen des Energiekonzerns E.ON übernahm. Seit 2020 ist sie Vorsitzende der Geschäftsführung von Westenergie und leitet den Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung.
Interessanterweise fiel E.ON nach ihrem Eintritt durch "Queerwashing" auf, während der Konzern im "LGBT+ Diversity Index" 2020 als schlechtester DAX-Arbeitgeber für queere Menschen eingestuft wurde.
Die LGBTQ+-Bilanz der designierten Ministerriege
Reiche ist nicht das einzige CDU-Kabinettsmitglied mit problematischen Positionen zu LGBTQ+-Themen. Der designierte Kanzleramtschef Thorsten Frei hat sich gegen den Schutz queerer Menschen im Grundgesetz und gegen das Selbstbestimmungsgesetz positioniert. Die vorgesehene Bildungsministerin Karin Prien versuchte sich mit einem Genderverbot bei Rechtsaußen zu profilieren, hat sich allerdings zuletzt gemäßigter geäußert und vor einem Kulturkampf gewarnt.
Während sich andere designierte Minister wie Karsten Wildberger (Digitalisierung), Nina Warken (Gesundheit) oder Patrick Schnieder (Verkehr) bisher kaum zu LGBTQ+-Rechten geäußert haben, ist bekannt, dass Schnieder 2017 gegen die Ehe für alle gestimmt hat. Der vorgesehene Außenminister Johann David Wadephul hingegen gehörte zu dem Viertel der Unionsfraktion, das damals für die Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren im Eherecht stimmte.
CSU-Minister durchweg gegen LGBTQ+-Gleichstellung
Auch bei den von der CSU benannten Ministern zeigt sich eine klare Tendenz gegen die Gleichbehandlung von LGBTQ+-Menschen. Alle drei designierten CSU-Minister – Dorothee Bär (Forschung), Alois Rainer (Landwirtschaft) und Alexander Dobrindt (Inneres) – stimmten 2017 gegen die Ehe für alle. Dorothee Bär fiel zudem 2023 durch ein Treffen mit dem für seine queerfeindlichen Positionen bekannten Florida-Gouverneur Ron DeSantis auf.
Ein Zeichen der Polarisierung in der deutschen Politik
Die Nominierung von Reiche und anderen Politikern mit queerfeindlichen Positionen für wichtige Regierungsämter steht im starken Kontrast zu den Fortschritten, die Deutschland in den letzten Jahren bei LGBTQ+-Rechten gemacht hat, wie die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes unter der Ampel-Koalition. Die Errungenschaften der letzten Jahre könnten nun auf dem Prüfstand stehen.
Für die LGBTQ+-Community in Deutschland bedeutet die Rückkehr dieser Politiker in Machtpositionen eine Zeit der Unsicherheit. Ob und inwieweit die designierten Minister ihre früheren Positionen geändert haben, bleibt offen. Der offen schwule CDU-Abgeordnete Jens Spahn, der als möglicher Unionsfraktionschef gehandelt wird, könnte möglicherweise ein Gegengewicht innerhalb der Partei bilden.
Am 6. Mai soll Friedrich Merz zum zehnten Kanzler der Bundesrepublik gewählt werden – vorausgesetzt, die SPD-Mitglieder stimmen dem Koalitionsvertrag zu. Die Abstimmung läuft noch bis Dienstag.