Ein Schritt nach vorn, eine Lektion für Deutschland: Richterin stoppt US-Rückschritt bei geschlechtsneutralen Reisepässen

Die Bostoner Bundesrichterin Julia Kobick hat der US-Regierung eine wichtige Lektion erteilt: Die Rechte trans und nichtbinärer Menschen können nicht einfach per Dekret weggewischt werden. Mit ihrer erweiterten einstweiligen Verfügung zwang sie das Außenministerium dazu, wieder geschlechtsneutrale Reisepässe mit der Option "X" auszustellen – ein Gerichtsbeschluss, der weit über die USA hinaus Beachtung verdient.

Ein Kampf um Anerkennung jenseits binärer Normen

Was in Boston passiert, ist mehr als nur ein administrativer Streit. Es geht um die fundamentale Frage, ob staatliche Dokumente die Vielfalt menschlicher Identitäten widerspiegeln dürfen. Während Donald Trump mit seinem "Transgender-Wahn"-Wahlkampf und seinen diskriminierenden Dekreten Millionen von Menschen ihre Würde absprach, kämpften sechs mutige trans und nichtbinäre Personen vor Gericht für ihre Rechte – und gewannen nicht nur für sich selbst, sondern für alle Betroffenen.

Die Geschichte des ersten geschlechtsneutralen US-Reisepasses aus dem Oktober 2021 unter Präsident Biden zeigt, wie schnell Fortschritte wieder rückgängig gemacht werden können. Doch Richterin Kobicks Entscheidung beweist auch: Rechtsstaatlichkeit kann als Schutzschild gegen Diskriminierung fungieren.

Deutschland als Vorbild – mit Schattenseiten

Während die USA um grundlegende Anerkennungsrechte kämpfen, ist Deutschland bereits einen Schritt weiter. Seit dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), das am 1. November 2024 in Kraft trat, können trans, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen deutlich einfacher ändern. Deutsche Reisepässe bieten bereits die Optionen "M" (männlich), "F" (weiblich) und "X" (divers).

Doch auch hier gibt es Hürden: Die geschlechtsneutrale Option "X" kann im internationalen Reiseverkehr zu Diskriminierung und Problemen führen, da viele Länder diese Angabe nicht anerkennen. Deshalb können Betroffene auf Antrag einen Pass mit binärer Geschlechtsangabe erhalten – ein pragmatischer, aber auch symptomatischer Kompromiss.

Zwischen Fortschritt und praktischen Herausforderungen

Die deutsche Regelung zeigt die Ambivalenz des Fortschritts auf: Während das Selbstbestimmungsgesetz theoretisch einen großen Schritt zur Anerkennung darstellt, bleibt die weltweite Akzeptanz geschlechtsneutraler Dokumente eine Herausforderung. Trans und nichtbinäre Menschen müssen oft zwischen authentischer Selbstdarstellung und praktischer Reisefreiheit wählen.

Für viele Betroffene bedeutet das Ergänzungsausweise oder die schwierige Entscheidung, welche Identität sie auf welchem Dokument preisgeben möchten. Diese Kompromisse zeigen: Auch progressive Gesetze können Diskriminierung nicht vollständig beseitigen, solange die internationale Gemeinschaft nicht nachzieht.

Ein Aufruf zur globalen Solidarität

Richterin Kobicks Entscheidung in Boston erinnert uns daran, dass Menschenrechte nicht verhandelbar sind – auch nicht durch Regierungswechsel. Während Deutschland mit seinem vereinfachten Verfahren zur Geschlechtsangabe international als progressiv gilt, zeigen die US-amerikanischen Rückschritte, wie fragil diese Errungenschaften sind.

Die Kosten für eine Geschlechtsänderung in Deutschland – 15 Euro für die Standesamtsgebühr plus weitere Kosten für neue Dokumente – mögen gering erscheinen. Doch für viele trans und nichtbinäre Menschen geht es um weit mehr als Geld: Es geht um Anerkennung, Würde und das Recht, authentisch zu leben.

Die Kämpfe auf beiden Seiten des Atlantiks zeigen: Der Weg zu echter Gleichberechtigung ist noch lange nicht zu Ende. Während Gerichte wie jenes in Boston wichtige Siege erringen, braucht es weiterhin politischen Mut, gesellschaftlichen Wandel und internationale Zusammenarbeit, um trans und nichtbinäre Menschen nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität zu schützen.

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