Mary Robinson: Wie Irlands erste PrÀsidentin die Rechte von Frauen und LGBTQ+ revolutionierte

Als erste weibliche PrĂ€sidentin der Republik Irland prĂ€gte Mary Robinson die Geschichte ihres Landes nachhaltig. In ihrem ursprĂŒnglichen Wahlkampf als unabhĂ€ngige Senatorin im Jahr 1969 erklĂ€rte sie der Irish Times, dass ihr Ziel sei, "Irland zu öffnen und die katholische Lehre von Aspekten des Strafrechts zu trennen, um somit das Gesetz ĂŒber VerhĂŒtungsmittel zu reformieren, HomosexualitĂ€t zu legalisieren und das Verfassungsverbot der Scheidung zu Ă€ndern." Dies waren revolutionĂ€re Ziele in einem damals stark katholisch geprĂ€gten Land.

Entkriminalisierung der HomosexualitÀt in Irland

Einer der bedeutendsten Meilensteine in der irischen LGBTQ+-Geschichte war die Unterzeichnung des Gesetzes zur Entkriminalisierung der HomosexualitÀt am 24. Juni 1993 durch Mary Robinson. Das Criminal Law (Sexual Offences) Act 1993 hob das Verbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen auf und stellte einen enormen Fortschritt dar. Diese Entwicklung kam deutlich spÀter als in Deutschland, wo die HomosexualitÀt bereits 1969 in der BRD und 1968 in der DDR entkriminalisiert wurde, wenn auch mit EinschrÀnkungen. Der vollstÀndige §175, der homosexuelle Handlungen unter MÀnnern unter Strafe stellte, wurde in Deutschland erst 1994 abgeschafft - ein Jahr nach Irland.

Die Bewegung fĂŒr die Entkriminalisierung in Irland begann bereits in den 1970er Jahren mit der "Campaign for Homosexual Law Reform", angefĂŒhrt von Aktivisten wie David Norris. Mary Robinson und ihre Nachfolgerin Mary McAleese waren als Rechtsberaterinnen an dieser Kampagne beteiligt. In der RTÉ-Dokumentation "A Different Country" betonte Robinson, wie stolz sie auf die Unterzeichnung dieses Gesetzes war.

Wegbereiterin fĂŒr VerhĂŒtungsmittel

In ihrer ersten Amtszeit als Senatorin brachte Robinson einen Gesetzentwurf zur Legalisierung von VerhĂŒtungsmitteln ein. Nachdem der Entwurf viermal im Seanad (irischer Senat) abgelehnt wurde, fand am 22. Mai 1971 der Protest "Contraceptive Train" statt. Mitglieder der Irish Women's Liberation Movement fuhren mit dem Zug nach Belfast, um VerhĂŒtungsmittel zu kaufen. Bei ihrer RĂŒckkehr am Connolly-Bahnhof verkĂŒndeten die Frauen lautstark, was sie gekauft hatten, und nahmen die Pillen demonstrativ ein. Unter dem öffentlichen Druck nach diesem Protest öffnete der Seanad den Gesetzentwurf 1971 erneut, der jedoch mit 25 zu 14 Stimmen abgelehnt wurde. VerhĂŒtungsmittel wurden in Irland schließlich erst 1979 legalisiert.

Zum Vergleich: In Deutschland wurde das Werbeverbot fĂŒr VerhĂŒtungsmittel bereits 1927 gelockert, und die Antibabypille wurde 1961 verschreibungspflichtig eingefĂŒhrt. Dies zeigt den erheblichen Einfluss der katholischen Kirche auf die irische Gesetzgebung im Vergleich zu Deutschland.

LGBTQ+-Vertretung im PrÀsidentenpalast

Im Jahr 1992 lud Robinson Mitglieder des Gay and Lesbian Equality Network (GLEN) in den Áras an UachtarĂĄin (PrĂ€sidentenpalast) ein, um nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Entkriminalisierung der HomosexualitĂ€t fotografiert zu werden. Damit war sie die erste PrĂ€sidentin, die LGBTQ+-Vertreter in die offizielle Residenz einlud – ein symbolischer Akt von enormer Bedeutung. Robinson erinnerte sich jedoch in mehreren Medienberichten an die ZurĂŒckhaltung einiger Personen, auf dem Bild zu erscheinen, da ein offenes Bekenntnis zur HomosexualitĂ€t in Irland zu dieser Zeit noch mit erheblichen sozialen Risiken verbunden war.

Diese offizielle Anerkennung durch das Staatsoberhaupt stellte einen wichtigen Schritt zur gesellschaftlichen Akzeptanz dar. In Deutschland dauerte es bis 2001, bis mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ein erster wichtiger rechtlicher Rahmen fĂŒr gleichgeschlechtliche Paare geschaffen wurde, wĂ€hrend die vollstĂ€ndige Ehe-Öffnung erst 2017 erfolgte – im Gegensatz zu Irland, das bereits 2015 durch ein Referendum die gleichgeschlechtliche Ehe legalisierte und damit das erste Land wurde, das diesen Schritt durch Volksabstimmung vollzog.

Gleicher Lohn fĂŒr gleiche Arbeit

Als Irland 1972 der EuropĂ€ischen Wirtschaftsgemeinschaft beitrat, wurden zwei weitere Ziele Robinsons verwirklicht. Ab Juni 1973 war Irland verpflichtet, Frauen im öffentlichen Dienst den gleichen Lohn wie ihren mĂ€nnlichen Kollegen zu zahlen, und im darauffolgenden Monat wurde das Heiratsverbot fĂŒr Frauen im öffentlichen Dienst aufgehoben. Diese Entwicklung war vergleichbar mit Deutschland, wo das Prinzip "Gleicher Lohn fĂŒr gleiche Arbeit" ebenfalls durch europĂ€isches Recht gefördert wurde, wenn auch die praktische Umsetzung in beiden LĂ€ndern bis heute LĂŒcken aufweist.

Ein bleibendes VermÀchtnis

Mary Robinsons Einfluss beschrĂ€nkte sich nicht nur auf die Förderung von Frauen- und LGBTQ+-Rechten in Irland. Sie war auch an der Legalisierung der Scheidung im Jahr 1996 beteiligt und setzte sich fĂŒr Prozesskostenhilfe fĂŒr KlĂ€ger ein. WĂ€hrend der Hungersnot in Somalia reiste sie ins Land, um Hilfe anzubieten, und leistete im Laufe ihrer Karriere noch viel mehr.

Ihre Arbeit zeigt Parallelen zu deutschen Politikerinnen wie Elisabeth Selbert, die fĂŒr die Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz kĂ€mpfte, oder Justizministerin Katarina Barley, die sich fĂŒr die Ehe fĂŒr alle einsetzte. Dennoch ist bemerkenswert, dass Irland unter Robinsons FĂŒhrung in manchen Bereichen einen schnelleren gesellschaftlichen Wandel vollzog als Deutschland – von einem streng katholischen Land zu einem modernen Staat, der in Fragen der LGBTQ+-Rechte heute zu den progressivsten Europas zĂ€hlt.

Mary Robinsons VermĂ€chtnis erinnert uns daran, wie einzelne Persönlichkeiten durch Mut, Beharrlichkeit und klare Visionen gesellschaftlichen Wandel vorantreiben können – eine Inspiration fĂŒr Aktivist:innen und Politiker:innen in Deutschland und weltweit.

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