Hitlergruß beim ersten CSD Merseburg: Ein Schatten über den Stolz

Unter dem Motto "Queer Laut Solidarisch" feierte Merseburg am Samstag seinen ersten Christopher Street Day - doch ein rechtsextremer Zwischenfall überschattete die historische Veranstaltung. Während 300 Menschen für Vielfalt und Toleranz demonstrierten, zeigte ein 62-jähriger Mann den Hitlergruß und beleidigte Teilnehmer*innen, wie die Polizeiinspektion Halle mitteilte. Der erste CSD im Saalekreis machte damit leider auch auf ein Problem aufmerksam, das CSDs in ganz Deutschland zunehmend betrifft.

Ein historischer Moment für Merseburg

Nach wochenlanger Vorbereitung und einer Pride Week vom 9. bis 13. Juni fand am Samstag erstmals ein CSD in der sachsen-anhaltischen Stadt statt. Die Demonstration, die aus Sicherheitsgründen eine geheime Route nahm, verlief unter dem Schutz eines großen Polizeiaufgebots weitgehend friedlich. Etwa 300 Menschen gingen für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Inter-Personen sowie anderen queeren Menschen auf die Straße.

Besonders bewegend war der Redebeitrag eines 16-jährigen Teilnehmers, der über queerfeindliche Gewalt sprach und die allgemeine Bedrohungslage für CSDs thematisierte. Seine Worte erinnerten an einen beunruhigenden Vorfall in Wernigerode, wo bei einem Mann Waffen gefunden wurden, nachdem er einen Angriff auf die dortige CSD-Veranstaltung angedeutet hatte.

Organisatorische Spannungen im Vorfeld

Der erste CSD in Merseburg war nicht nur von äußeren Bedrohungen überschattet, sondern auch von internen Konflikten. Es kam zum Bruch zwischen den lokalen Organisator*innen - einem Zusammenschluss verschiedener Vereine und Initiativen - und dem Christopher Street Day Sachsen-Anhalt e.V., der eigentlich als Kooperationspartner vorgesehen war.

Die lokalen Aktivist*innen warfen dem Dachverband vor, sich "unsolidarisch" und "übergriffig" verhalten zu haben. In einem Instagram-Statement kritisierten sie: "Für uns ist es nicht nachvollziehbar, wenn eine großstädtisch geprägte Organisation in Räume abseits der Großstadt kommt, dort ein CSD-Format installiert, das wenig mit der Realität vor Ort zu tun hat, und sich nach der Versammlung wieder zurückzieht."

Wachsende Bedrohung für CSDs in Deutschland

Der Hitlergruß in Merseburg reiht sich ein in eine besorgniserregende Serie rechtsextremer Vorfälle bei deutschen CSDs. Die Amadeu Antonio Stiftung warnt vor einer zunehmenden Bedrohung für queere Veranstaltungen und betont, dass CSDs wichtige politische Demonstrationen gegen Diskriminierung und Gewalt sind.

Sachsen-Anhalt ist besonders betroffen: In Weißenfels wurde der CSD im August mutmaßlich von Rechtsextremen gestört, in Halle ermittelte der Staatsschutz nach einem Angriff auf CSD-Teilnehmer*innen im September. Diese Vorfälle zeigen, dass die ursprünglich in den Stonewall-Aufständen von 1969 begründete Tradition des Protests für queere Rechte heute wieder existenziell wichtig ist.

Mehr als nur ein Fest - CSDs als politische Notwendigkeit

Die Ereignisse in Merseburg verdeutlichen, warum CSDs weit mehr sind als bunte Paraden. In einer Zeit, in der LGBTQ+-Personen weiterhin Diskriminierung, Hassverbrechen und Gewalt ausgesetzt sind, bleiben diese Veranstaltungen wichtige Orte der Vernetzung und des Protests. Besonders in ländlichen Gebieten wie dem Saalekreis können sie für junge queere Menschen überlebenswichtige Zeichen der Solidarität setzen.

Trotz der Spannungen und des rechtsextremen Zwischenfalls wurde der erste CSD Merseburg als Erfolg gewertet. Die Polizei erhielt Lob für ihr Einsatzkonzept, und die 300 Teilnehmer*innen sendeten ein starkes Signal für Vielfalt und gegen Hass. Der 62-jährige Störer muss sich nun wegen Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten - ein wichtiges Zeichen, dass solche Taten Konsequenzen haben.

Merseburg hat bewiesen, dass auch kleinere Städte Orte des queeren Stolzes sein können - trotz aller Widerstände. Der Mut der Organisator*innen und Teilnehmer*innen macht Hoffnung für kommende Jahre und zeigt: Queere Menschen lassen sich nicht zum Schweigen bringen.

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