Grüne fordern in Sachsen mehr Unterstützung für queere Projekte - "Diskriminierung wird wieder salonfähig"

Die Minderheitsregierung von CDU und SPD in Sachsen steht unter Druck: Die Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag fordert mehr Geld für queere Projekte. Anlässlich des am Wochenende stattfindenden Christopher Street Days (CSD) in Dresden verlangt die Oppositionspartei eine Aufstockung der Mittel für Chancengleichheit, Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sowie Antidiskriminierung um 1,2 Millionen auf insgesamt vier Millionen Euro, wie queer.de berichtet.

Politische Ausgangslage: Minderheitsregierung unter Zugzwang

Die Konstellation im sächsischen Landtag ist besonders: Der Koalition aus CDU und SPD fehlen zehn Stimmen für eine eigene Mehrheit. Damit sind die Regierungsparteien auf die Unterstützung von Linken, Grünen oder dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) angewiesen. Nach gescheiterten Sondierungsgesprächen mit dem BSW haben CDU und SPD einen speziellen Konsultationsmechanismus eingeführt, um alle Landtagsabgeordneten frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess einzubinden.

Diese parlamentarische Situation nutzen die Oppositionsparteien, um eigene Anliegen voranzutreiben - so auch die Grünen mit ihrer Forderung nach mehr Mitteln für queere Projekte.

Katja Meier: "Diskriminierung wird wieder salonfähig"

Die Grünen-Abgeordnete Katja Meier, die von 2019 bis 2024 als Staatsministerin für Justiz, Demokratie, Europa und Gleichstellung amtierte, begründet die Forderung mit einer besorgniserregenden Entwicklung: "Wir erleben derzeit, dass Diskriminierung wieder salonfähig wird und Angriffe zunehmen. Es braucht hier das klare Zeichen der Staatsregierung, dass wir an der Seite der queeren Community stehen."

Besonders im ländlichen Raum nehme der Bedarf an Unterstützung zu, so Meier. Die Grünen-Politikerin, die sich während ihrer Amtszeit stark für LGBTQ+-Belange einsetzte und unter anderem den CSD in Plauen 2024 eröffnete, kennt die Problematik aus erster Hand.

Queere Projekte in Sachsen unter Druck

Die Forderung der Grünen ist keine isolierte Initiative. Die LAG Queeres Netzwerk Sachsen kritisiert bereits seit längerem die geplanten Kürzungen im Landeshaushalt 2025, die sie als Gefahr für den demokratischen Zusammenhalt betrachtet. Laut Bündnis 90/Die Grünen plant die Minderheitsregierung unter CDU-Führung erhebliche Kürzungen bei der Bildungsarbeit sowie bei sozialen Beratungs- und Hilfsstrukturen für LSBTIQA*-Personen.

Besonders alarmierend: Es drohen Kürzungen von 20 Prozent im Jahr 2025 und sogar 40 Prozent im Jahr 2026. Dies würde die Arbeit der Vereine für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Dresden, Leipzig und Chemnitz massiv gefährden und könnte zu einem Zusammenbruch wichtiger Beratungs- und Unterstützungsstrukturen führen.

CSD in Dresden als Symbol des Widerstands

Der Christopher Street Day in Dresden, der dieses Jahr unter dem Motto "100% Mensch. Ohne Wenn und Aber!" stand, war mit rund 32.000 Teilnehmenden ein kraftvolles Signal für die Sichtbarkeit und Akzeptanz der queeren Community. Die Demonstration, die von Oberbürgermeister Dirk Hilbert mitgeführt wurde, zeigte eindrucksvoll, wie stark der Rückhalt für LGBTQ+-Anliegen in Teilen der Bevölkerung ist.

Die Schirmherrschaft für den 31. Dresdner CSD übernahmen der AWO Landesverband Sachsen e.V., der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Dresden und die Comödie Dresden - ein Zeichen dafür, dass queere Anliegen in der Stadtgesellschaft durchaus präsent sind.

Koalitionsvertrag mit unerfüllten Versprechen?

Paradoxerweise bekennt sich die Koalition in ihrem Vertrag zur "Weiterentwicklung des Landesaktionsplans zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen" und zur "Sicherstellung ausreichender Beratungs- und Unterstützungsangebote". Die Realität der Haushaltsplanung scheint jedoch in eine andere Richtung zu weisen.

Neben dem Antrag für mehr Mittel für queere Projekte versuchen die Grünen auch, Kürzungspläne für Leipziger Kultureinrichtungen abzuwenden. Die Linken setzten ebenfalls eigene Akzente und forderten kurz vor dem Internationalen Kindertag am 1. Juni Maßnahmen gegen Kinderarmut und für eine starke Kinder- und Jugendhilfe.

Ausblick: Zähe Verhandlungen erwartet

Ob die Grünen mit ihrer Forderung nach 1,2 Millionen Euro mehr für queere Projekte Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Die parlamentarische Situation gibt ihnen zumindest einen gewissen Hebel in den Verhandlungen mit der Minderheitsregierung.

Für die queere Community in Sachsen steht viel auf dem Spiel. Die Lebenslagenstudie LSBTIQ*, die während Katja Meiers Amtszeit initiiert wurde, hat den Handlungsbedarf für die Verbesserung der Situation von LGBTQ+-Personen im Freistaat klar aufgezeigt. Eine Kürzung der Mittel würde bedeuten, dass erkannte Probleme nicht angegangen werden können.

Während in anderen Bundesländern die Akzeptanz und Unterstützung queerer Lebensweisen ausgebaut wird, steht Sachsen vor der Frage, ob es bei diesem wichtigen gesellschaftspolitischen Thema zurückfallen will oder den eingeschlagenen Weg der Vielfalt und Akzeptanz weitergehen möchte.

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