Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat sich für ihre falschen Angaben zum Fall des gemobbten schwulen Lehrers Oziel Inácio-Stech entschuldigt. Der ursprünglich bei queer.de berichtete Fall wirft ein Schlaglicht auf ein Problem, das an deutschen Schulen längst nicht gelöst ist: die systematische Diskriminierung queerer Lehrkräfte und Schüler*innen.
Ein Skandal mit System
Was zunächst wie ein Einzelfall erschien, entpuppt sich als symptomatisch für ein größeres Problem. Günther-Wünsch behauptete ursprünglich, den Anwaltsbrief im Auftrag des diskriminierten Lehrers erst im Mai erhalten zu haben. Tatsächlich lag ihr das Schreiben bereits seit dem 4. Dezember 2024 vor – eine Zeitspanne von fünf Monaten, in der nichts geschah.
"Die von mir gemachten Angaben beruhten auf dem damaligen Stand der internen Prüfung", rechtfertigte sich die Bildungssenatorin im Berliner Abgeordnetenhaus. Ein schwacher Versuch der Schadensbegrenzung, der die Frage aufwirft: Wie viele weitere Fälle werden in den Schubladen der Verwaltung verstaubt?
Homophobie im deutschen Schulalltag - ein weit verbreitetes Problem
Der Fall des Berliner Lehrers ist kein Einzelfall. Aktuelle Studien zeigen ein erschreckendes Bild: Fast die Hälfte (48 Prozent) der queeren Menschen in Deutschland berichten von Mobbing in ihrer Schulzeit. Mehr als die Hälfte der LGBTQ+ Lehrkräfte verheimlicht ihre sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz aus Angst vor Diskriminierung.
Besonders problematisch: Wörter wie "schwul" sind nach wie vor gängige Schimpfwörter auf deutschen Schulhöfen. Diese scheinbar harmlosen Beleidigungen schaffen ein Klima der Unsichtbarkeit und Angst, das queere Lehrkräfte und Schüler*innen tagtäglich ertragen müssen.
Politische Konsequenzen und Transparenz
Die Grünen haben einen Missbilligungsantrag gegen die Bildungssenatorin gestellt. Zu Recht, denn es geht hier um mehr als nur "falsche Erinnerungen". Es geht um die Glaubwürdigkeit einer Politik, die Vielfalt und Toleranz predigt, aber im Ernstfall versagt.
Günther-Wünschs Angebot zur Akteneinsicht ist ein erster Schritt. Doch wahre Transparenz bedeutet mehr: Es braucht klare Protokolle für den Umgang mit Diskriminierungsfällen und eine Null-Toleranz-Politik gegenüber queerfeindlichen Übergriffen in Bildungseinrichtungen.
Was sich ändern muss
Initiativen wie "Schule der Vielfalt" zeigen, dass Veränderung möglich ist. Schulen, die sich diesem Projekt anschließen, verpflichten sich aktiv gegen Homophobie und Transphobie einzutreten. Doch solche Programme sind noch viel zu selten.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert verpflichtende Fortbildungen für Lehrkräfte zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Ein längst überfälliger Schritt, der bundesweit umgesetzt werden muss.
- Klare Antidiskriminierungsrichtlinien an allen Schulen
- Verpflichtende Fortbildungen für das gesamte Schulpersonal
- Schnelle und transparente Bearbeitung von Diskriminierungsfällen
- Sichtbare LGBTQ+ Vorbilder in Bildungseinrichtungen
Ein Aufruf zum Handeln
Der Fall Günther-Wünsch zeigt exemplarisch, wie strukturelle Diskriminierung funktioniert: Nicht durch offene Feindseligkeit, sondern durch Verdrängung, Verschleppung und Verwaltungsversagen. Fünf Monate lang blieb der Hilferuf eines diskriminierten Lehrers unbeantwortet – ein inakzeptabler Zustand in einem Land, das sich Toleranz und Vielfalt auf die Fahnen schreibt.
Es reicht nicht, sich zu entschuldigen und "Transparenz" zu versprechen. Die deutsche Bildungspolitik muss endlich ernst machen mit dem Schutz queerer Menschen in Schulen. Jeder Tag des Zögerns ist ein Tag zu viel für diejenigen, die täglich Diskriminierung und Mobbing ausgesetzt sind.