Der Telegraph behauptet "Teenager" bekommen geschlechtsangleichende Operationen – Die Fakten im deutschen Kontext

Die britische Zeitung The Telegraph hat behauptet, dass "Teenager" im Vereinigten Königreich regelmäßig geschlechtsangleichende Operationen auf Kosten des NHS (National Health Service) erhalten würden. Diese Behauptungen wurden jedoch von PinkNews schnell widerlegt. Doch wie ist die Situation in Deutschland? Ein Faktencheck zur Gesundheitsversorgung von trans Personen im deutschen Gesundheitssystem.

Die Behauptungen des Telegraph

Im Kern behauptete der Telegraph-Artikel, dass eine "große Anzahl" von Teenagern in Großbritannien geschlechtsangleichende Genitaloperationen erhielten und dass dafür jährlich Millionen an Steuergeldern ausgegeben würden. Nachdem die ursprüngliche Version des Artikels korrigiert werden musste, stellte sich heraus, dass die Daten sich auf junge Erwachsene unter 30 Jahren bezogen – nicht auf Minderjährige. In Großbritannien, ähnlich wie in Deutschland, sind solche Operationen für Personen unter 18 Jahren gesetzlich nicht zulässig.

Altersgrenzen für geschlechtsangleichende Operationen in Deutschland

In Deutschland werden genitalkorrigierende Operationen grundsätzlich nicht vor dem 18. Lebensjahr empfohlen oder durchgeführt. Dies ist eine klare medizinische und rechtliche Richtlinie, die von deutschen Fachgesellschaften für Kinder- und Jugendpsychiatrie unterstützt wird. Die Entscheidung für eine solche Operation wird als ein Schritt betrachtet, der erst im Erwachsenenalter getroffen werden sollte, nachdem eine umfassende Diagnostik und Beratung stattgefunden hat.

Während Jugendliche in Deutschland Zugang zu psychologischer Betreuung, Beratung und in manchen Fällen auch zu pubertätshemmenden Medikamenten haben können, bleiben operative Eingriffe zur Geschlechtsangleichung volljährigen Personen vorbehalten. Eine Namens- und Personenstandsänderung ist hingegen ohne Altersbegrenzung möglich.

Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen

Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland übernehmen unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für geschlechtsangleichende Maßnahmen, einschließlich Operationen. Die geschätzten Kosten für solche Eingriffe liegen zwischen 5.000 und 15.000 Euro, abhängig von der Art und dem Umfang der Operation.

Um eine Kostenübernahme zu erhalten, müssen jedoch mehrere Voraussetzungen erfüllt werden:

  • In der Regel sind zwei Gutachten von Psychiatern oder Psychotherapeuten erforderlich, die die Diagnose "Transsexualität" bestätigen
  • Eine begleitende Psychotherapie ist notwendig, um zu belegen, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden
  • Ein sogenannter "Alltagstest" von mindestens einem Jahr, in dem die Person bereits in der angestrebten Geschlechtsrolle lebt
  • Die medizinische Notwendigkeit muss psychiatrisch/psychotherapeutisch indiziert sein

Diese strengen Voraussetzungen sorgen dafür, dass der Prozess bis zur Genehmigung einer Operation oft Jahre dauern kann und keineswegs leichtfertig durchgeführt wird, wie manche Berichterstattung suggerieren möchte.

Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen

Ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) hat in den letzten Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt. Das Gericht entschied, dass geschlechtsangleichende Operationen als "neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode" zu betrachten sind. Dies führt dazu, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nun die Wirksamkeit und Qualität dieser Methoden prüfen muss, was zu Verzögerungen bei der Kostenübernahme führen kann.

Trotz Fortschritten gibt es weiterhin Herausforderungen in der diskriminierungsfreien Gesundheitsversorgung von trans Personen. Studien zeigen, dass trans Personen im Gesundheitswesen Diskriminierung erfahren, einschließlich der Ignorierung spezifischer Bedürfnisse und unangemessener Neugierde seitens des medizinischen Personals.

Faktencheck statt Panikmache

Die Behauptung des Telegraph, dass "Teenager" regelmäßig geschlechtsangleichende Operationen erhalten, entspricht weder der Realität in Großbritannien noch in Deutschland. Solche Eingriffe unterliegen strengen Altersvorschriften und umfangreichen Genehmigungsverfahren.

Zudem ist die finanzielle Dimension, die in solchen Berichten oft dramatisiert wird, im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Gesundheitssystems minimal. Laut der Analyse von PinkNews betrugen die Ausgaben für entsprechende Operationen in Großbritannien etwa 0,0035 Prozent des NHS-Budgets.

In Deutschland werden geschlechtsangleichende Operationen erst nach einem langen Prozess der Diagnostik, Beratung und Begutachtung durchgeführt und stellen für die betroffenen Personen oft einen lebensrettenden medizinischen Eingriff dar, der ihren Leidensdruck erheblich mindern kann.

Fazit

Die Berichterstattung des Telegraph über Geschlechtsangleichungen bei Teenagern ist ein Beispiel dafür, wie durch ungenaue oder irreführende Darstellungen ein verzerrtes Bild der Realität entstehen kann. In Deutschland wie in Großbritannien gelten strenge Regeln für solche Eingriffe, die dem Schutz aller Beteiligten dienen und sicherstellen sollen, dass diese schwerwiegenden Entscheidungen wohlüberlegt getroffen werden.

Trans Personen verdienen eine sachliche und respektvolle Berichterstattung, die ihre Lebenswirklichkeit anerkennt und nicht durch Sensationalismus und Fehlinformationen weiter stigmatisiert. Faktenbasierte Aufklärung ist ein wichtiger Schritt, um Vorurteile abzubauen und ein besseres Verständnis für die Herausforderungen zu schaffen, mit denen trans Menschen in unserer Gesellschaft konfrontiert sind.

Terug naar blog