In Regensburg wurde erstmals in der Geschichte des Christopher Street Days eine Parade aus Sicherheitsgründen abgesagt. Die für den 5. Juli geplante Demonstration musste nach Bekanntwerden einer "abstrakten Bedrohungslage" einer alternativen Veranstaltungsform weichen. Trotz der Absage zeigen die Organisator*innen Mut und Entschlossenheit – die queere Community lässt sich nicht zum Schweigen bringen.
Sicherheit geht vor: Eine schwere Entscheidung
Alexander Irmisch, Organisator des CSD Regensburg und aktiv in SPD und SPDqueer, stand vor einer schweren Entscheidung. Nach einem Krisengespräch mit Ordnungsamt und Polizei wurde ihm eine abstrakte Bedrohungslage mitgeteilt, die das bayerische Landeskriminalamt dazu veranlasste, Ermittlungen aufzunehmen. "Ganz wichtig ist: Es ist keine konkrete Bedrohungslage, sondern eher eine abstrakte", betonte Irmisch gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung.
Die Entscheidung fiel besonders schwer, da die Parade im vergangenen Jahr knapp 3.000 Teilnehmer*innen anzog. Das Problem: Die geplante Route führte an zahlreichen engen Gassen vorbei, die schwer abzusichern gewesen wären. Diese städtebauliche Realität zwang die Organisator*innen zu einem Kompromiss zwischen Sichtbarkeit und Sicherheit.
Alternative Formate: Kreativität in Krisenzeiten
Statt der Parade findet nun eine Kundgebung am Domplatz statt – ein symbolisch kraftvoller Ort im Herzen der Stadt. Von dort aus führt ein kürzerer Demonstrationszug über die Steinerne Brücke nach Stadtamhof, wo das traditionelle Straßenfest mit verstärkten Sicherheitsmaßnahmen stattfindet. Erstmals werden Poller das Fest schützen – ein trauriges Zeichen der Zeit, aber auch ein Beweis für die Entschlossenheit der Community.
Diese pragmatische Lösung zeigt, wie LGBTQ+-Veranstaltungen deutschlandweit mit neuen Sicherheitsherausforderungen umgehen müssen. Vom Cologne Pride bis zur Berliner Pride Week – überall werden Schutzkonzepte überarbeitet und Sicherheitsmaßnahmen intensiviert.
Bedrohung von mehreren Seiten
Besorgniserregend ist Irmischs Einschätzung der Bedrohungslage: Die Gefahr gehe nicht nur von islamistischer Seite aus, sondern auch von religiösem Fanatismus und Rechtsextremismus. "In den USA haben die Evangelikalen gerade beschlossen, dass sie die Ehe für alle wieder abschaffen wollen", warnte er und verwies damit auf internationale Entwicklungen, die auch in Deutschland Nachahmer finden könnten.
Diese Einschätzung gewann traurige Aktualität, als erst am Wochenende vor der Regensburger Absage mutmaßlich rechtsextreme Vermummte mit Schlagstöcken ein Vielfaltsfest im Osten von Brandenburg attackierten. Zwei Menschen wurden dabei leicht verletzt – ein direkter Angriff auf die Werte von Vielfalt und Toleranz.
Ein Zeichen gegen das Verstummen
Trotz aller Herausforderungen sendet der CSD Regensburg ein wichtiges Signal: Die queere Community lässt sich nicht einschüchtern. Die Umwandlung der Parade in eine Kundgebung mit anschließendem Fest zeigt Flexibilität und Widerstandskraft. Es ist ein Kompromiss, der Sicherheit und Sichtbarkeit in Einklang bringt.
Irmisch betonte zu Recht, dass die Absage der Parade keine dauerhafte Lösung sein könne. Die Frage ist: Wie können LGBTQ+-Veranstaltungen in Deutschland künftig ihre Botschaft der Vielfalt und Akzeptanz vermitteln, ohne dabei die Sicherheit der Teilnehmer*innen zu gefährden?
Ein Aufruf zur Solidarität
Der Fall Regensburg steht exemplarisch für eine beunruhigende Entwicklung: LGBTQ+-Veranstaltungen stehen unter zunehmendem Druck. Gleichzeitig zeigt er aber auch die Stärke und Anpassungsfähigkeit der Community. Jede*r, die*der am 5. Juli zur Kundgebung am Domplatz kommt, setzt ein Zeichen für Toleranz und gegen Hass.
In Zeiten wachsender Polarisierung braucht es mehr denn je sichtbare Zeichen der Solidarität. Der CSD Regensburg 2024 mag anders aussehen als geplant – aber er findet statt. Und das ist das Wichtigste.