CSD in Gelsenkirchen abgesagt: Wenn Bedrohungen die Vielfalt einschränken

Der für den 17. Mai 2024 geplante Christopher Street Day (CSD) in Gelsenkirchen wurde kurzfristig wegen einer "abstrakten Bedrohungslage" abgesagt, wie queer.de berichtet. Die Entscheidung erfolgte nur eine Stunde vor dem geplanten Start der Veranstaltung, nachdem ein anonymer Hinweis auf eine mögliche Bedrohung bei der Polizei eingegangen war. Laut Angaben der Veranstalter*innen vom queeren Jugendzentrum "Together" war die Warnung nicht konkret auf Gelsenkirchen bezogen, sondern betraf einen CSD in Nordrhein-Westfalen.

Sicherheit hat oberste Priorität

"Eure Sicherheit steht über Allem", erklärten die Organisator*innen auf ihren sozialen Medien. Die Absage traf die Community besonders hart, da die Veranstaltung am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter*- und Trans*feindlichkeit (IDAHOBIT) stattfinden sollte. Statt der Demonstration wurden die Teilnehmenden ins Jugendzentrum eingeladen. Für die Demonstration waren bis zu 600 Teilnehmende angemeldet.

Die Entscheidung zur Absage wurde vom Veranstalter eigenständig getroffen, wie ein Polizeisprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Weitere Details zur Bedrohungslage konnten aufgrund laufender Ermittlungen nicht genannt werden.

Parallele Einschränkungen in Mönchengladbach

Es war nicht die einzige betroffene Veranstaltung an diesem Tag. Auch in Mönchengladbach wurde eine angemeldete Demonstration zum IDAHOBIT aus Sicherheitsgründen in eine stationäre Kundgebung umgewandelt. Laut WDR hatte die Polizei "Kenntnis von verdächtigen Äußerungen in Sozialen Medien erhalten, die sich allgemein gegen die Teilnehmenden der landesweit stattfindenden Kundgebungen richteten". Die Veranstaltung mit rund 100 Personen verlief ohne Zwischenfälle, nachdem die Polizei umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hatte.

Besorgniserregende Entwicklung für die LGBTQ+-Community

Diese Vorfälle reihen sich ein in eine zunehmende Zahl von Bedrohungen gegen queere Veranstaltungen in Deutschland. Sebastian Merkens, Landesgeschäftsführer und queerpolitischer Sprecher der Linken NRW, sprach von einer "dramatischen Zunahme queerfeindlicher Einstellungen, die viele queere Menschen auch in ihrem Alltag als Belästigung, Bedrohung und Gewalt erfahren". Er forderte die schwarz-grüne Landesregierung auf, "umgehend eine Strategie zu entwickeln, wie queeres Leben und queere Communities in NRW wirksam geschützt werden können".

Auch Huesmann Trulsen, Interims-Landesvorsitzende der NRWSPDqueer, äußerte sich bestürzt: "Dass in diesem Jahr ein friedlicher und bunter CSD in Gelsenkirchen nicht stattfinden kann, ist ein bitteres Zeichen – nicht nur für die queere Community, sondern für uns alle, die für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft einstehen."

Zunehmende Bedrohungen bei Pride-Veranstaltungen

Die Absage in Gelsenkirchen ist kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren haben Sicherheitsbedenken bei Pride-Veranstaltungen in Deutschland zugenommen. Wie das ZDF berichtet, wurden bereits andere CSDs aufgrund von Bedrohungen mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt.

Laut Erhebungen des Bundesverbands der Beratungsstellen für LGBTQ+-Personen hat die Zahl queerfeindlicher Übergriffe in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen – eine Entwicklung, die sich auch in der polizeilichen Kriminalstatistik widerspiegelt. Besonders alarmierend: Ein großer Teil der Vorfälle wird gar nicht zur Anzeige gebracht.

Ausblick für kommende Pride-Veranstaltungen

Die Pride-Saison 2024 hat gerade erst begonnen, und viele weitere Veranstaltungen stehen noch an. Die Vorfälle in Gelsenkirchen und Mönchengladbach werfen Fragen auf, wie die Sicherheit bei künftigen CSDs gewährleistet werden kann, ohne dass diese ganz abgesagt werden müssen.

Die LGBTQ+-Community und ihre Unterstützer*innen betonen, dass gerade in Zeiten zunehmender Anfeindungen die Sichtbarkeit durch Pride-Paraden und andere Veranstaltungen besonders wichtig ist. "Wir lassen uns nicht einschüchtern", so der Tenor vieler Statements aus der Community nach der Absage in Gelsenkirchen. Viele Aktivist*innen fordern nun verstärkte Schutzmaßnahmen, ohne dass die Veranstaltungen ihren offenen und einladenden Charakter verlieren.

Für den CSD Gelsenkirchen, der ursprünglich unter dem Motto "Bunte Einheit: Europas Vielfalt feiern!" stattfinden sollte, wird nun nach Möglichkeiten gesucht, die Veranstaltung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen – mit einem klaren Signal: Die Vielfalt lässt sich nicht unterdrücken.

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