Coming-out in der Todesanzeige: Die erste lesbische Astronautin

Die Geschichte von Sally Ride, der ersten US-amerikanischen Frau im Weltall, berührt uns noch heute tief – nicht nur als Raumfahrt-Pionierin, sondern auch als lesbische Frau, die erst nach ihrem Tod öffentlich zu ihrer wahren Identität stehen konnte. Der Dokumentarfilm "Sally – Pionierin des Weltalls" erzählt diese bewegende Geschichte einer Frau, die gleich zwei gläserne Decken durchbrechen musste.

Eine Liebe im Verborgenen

Als Sally Ride 1983 an Bord der Raumfähre Challenger Geschichte schrieb, führte sie bereits eine jahrelange Beziehung mit Tam O'Shaughnessy – doch die Öffentlichkeit erfuhr davon erst 29 Jahre später. Die beiden Frauen lernten sich beim Tennis kennen, Tam war 12, Sally 13 Jahre alt. Was als Freundschaft begann, entwickelte sich zu einer lebenslangen Partnerschaft, die 27 Jahre dauern sollte.

Diese Geschichte erinnert an viele deutsche LGBTQ+-Pionier:innen, die ebenfalls jahrzehntelang im Verborgenen leben mussten. Wie Sally Ride wagten auch in Deutschland viele erst spät oder gar nicht den Schritt in die Öffentlichkeit – aus Angst vor beruflichen Konsequenzen oder gesellschaftlicher Ächtung.

Doppelte Diskriminierung in der Raumfahrt

Sally Ride musste sich nicht nur als Frau in der männerdominierten Raumfahrt behaupten, sondern auch ihre sexuelle Identität verbergen. Bei Pressekonferenzen wurde sie gefragt, ob sie im Space Shuttle weinen würde – eine Frage, die ihren männlichen Kollegen nie gestellt wurde. Ihre souveräne Antwort machte die Absurdität solcher Vorurteile deutlich.

Die Astronautinnen ihrer Generation entwickelten Strategien, um ernstgenommen zu werden: Sie "fuhren ihre Weiblichkeit runter" und kleideten sich wie ihre männlichen Kollegen. Diese Anpassungsstrategien kennen auch viele LGBTQ+-Personen in Deutschland – das Verstecken der eigenen Identität, um beruflich voranzukommen oder gesellschaftlich akzeptiert zu werden.

Der Schatten von Billie Jean King

Ein entscheidender Grund für Sally Rides jahrzehntelanges Schweigen war die Erfahrung von Tennis-Legende Billie Jean King, die in den 1980er Jahren zum Coming-out gedrängt wurde und massive Rückschläge erlebte. Diese Angst teilte Sally Ride mit vielen ihrer Generation – eine Furcht, die auch in Deutschland bis in die 1990er Jahre hinein besonders für Menschen in öffentlichen Positionen real war.

Ein posthumes Coming-out mit Wirkung

Als Sally Ride 2012 an Krebs starb, machte Tam O'Shaughnessy ihre 27-jährige Beziehung in der Todesanzeige öffentlich. Dieser Mut zur Wahrheit – wenn auch post mortem – hatte eine enorme Signalwirkung. Plötzlich hatte die LGBTQ+-Community eine Heldin in der Raumfahrt, eine Frau, die bewies, dass queere Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft Außergewöhnliches leisten.

Ihre Geschichte zeigt auch, wie wichtig Sichtbarkeit ist – und wie schmerzhaft das Versteckspiel sein kann. In Deutschland haben wir in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht: Von der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft 2001 bis zur Ehe für alle 2017. Doch Sally Rides Geschichte erinnert uns daran, dass der Weg zur vollständigen Akzeptanz lang war – und noch nicht überall abgeschlossen ist.

Vorbild fĂĽr eine Generation

Nach ihrem historischen Flug wurde Sally Ride zur berühmtesten Person der Welt und inspirierte eine ganze Generation von Mädchen und jungen Frauen. Dass sie auch als lesbische Frau ein Vorbild sein kann, erfuhren viele erst nach ihrem Tod. Diese verzögerte Anerkennung macht ihre Geschichte umso bewegender – und zeigt, wie viele LGBTQ+-Vorbilder möglicherweise noch unentdeckt in der Geschichte verborgen liegen.

Der Dokumentarfilm "Sally – Pionierin des Weltalls" macht deutlich: Wahre Pionier:innen durchbrechen nicht nur eine gläserne Decke, sondern oft mehrere gleichzeitig. Sally Rides Vermächtnis reicht weit über die Raumfahrt hinaus – sie zeigt uns, dass Authentizität und Mut auch posthum inspirieren können.

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