USA: Baptisten fordern Abschaffung der Ehe für alle – Ein Rückblick auf konservative Kirchenpolitik und ihre Auswirkungen

Die größte protestantische Kirche der USA macht erneut Schlagzeilen mit ihrer rückschrittlichen Haltung zu LGBTQ+-Rechten. Die Southern Baptist Convention (SBC) hat in der vergangenen Woche in Dallas eine Resolution verabschiedet, die die Abschaffung der gleichgeschlechtlichen Ehe fordert. Diese Nachricht wirft wichtige Fragen über die Rolle konservativer Religionsgemeinschaften in der modernen Gesellschaft auf – auch hier in Deutschland.

Rückfall in vergangene Zeiten

Mit überwältigender Mehrheit stimmten die rund 10.000 Delegierten für eine Resolution zur "Wiederherstellung moralischer Klarheit" bei Fragen von Gender, Ehe und Familie. Die Forderung, die "biologische Realität von männlich und weiblich" zu akzeptieren, zeigt deutlich, wohin die Reise gehen soll: zurück in eine Zeit, in der LGBTQ+-Menschen systematisch diskriminiert wurden.

Besonders perfide ist die Verknüpfung mit demografischen Sorgen. Die Resolution bedauert eine "Krise der zurückgehenden Fruchtbarkeitsrate" und fordert Politik auf, "das Aufziehen von Kindern in intakten und verheirateten Familien" zu fördern. Hier wird ein direkter Zusammenhang zwischen LGBTQ+-Rechten und gesellschaftlichen Problemen konstruiert, der jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt.

Parallelen zu Deutschland

Auch wenn die Situation in Deutschland anders ist, kennen wir ähnliche Diskussionen. Die Evangelische Allianz Deutschland und andere konservative religiöse Gruppen lehnen LGBTQ+-Rechte ebenfalls ab. Doch während in den USA eine einzelne Denominationen mit 13 Millionen Mitgliedern enormen politischen Einfluss ausüben kann, ist die Landschaft in Deutschland diverser.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigt eine bemerkenswerte Vielfalt in ihren Positionen. Während einige Landeskirchen bereits gleichgeschlechtliche Ehen segnen, halten andere an traditionellen Interpretationen fest. Diese Pluralität ist ein Zeichen für eine lebendige, demokratische Debatte innerhalb der deutschen Kirchenlandschaft.

Die Macht schwindender Institutionen

Ein wichtiger Aspekt der aktuellen Entwicklung ist der kontinuierliche Mitgliederschwund der Southern Baptist Convention. Seit zwei Jahrzehnten verliert die Kirche an Einfluss und Mitgliedern. Die aggressive Anti-LGBTQ+-Rhetorik kann als verzweifelter Versuch gesehen werden, die eigene Relevanz zu behaupten und die verbliebene Basis zu mobilisieren.

Der wiedergewählte SBC-Präsident Clint Pressley verurteilte in seiner Rede die "Irrationalität der Transgender-Bewegung" – ein Sprachgebrauch, der die Menschenwürde von Transgender-Personen fundamental in Frage stellt. Solche Aussagen befeuern Diskriminierung und Gewalt gegen eine bereits vulnerable Gruppe.

Gesellschaftlicher Fortschritt vs. religiöser Fundamentalismus

Die Forderung nach einem Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die USA bereits eine fast zehnjährige Geschichte der Ehe für alle haben. Die Legalisierung durch den Supreme Court am 26. Juni 2015 war ein Meilenstein für die Gleichberechtigung – ein Fortschritt, den die Southern Baptists nun rückgängig machen wollen.

In Deutschland hingegen wurde die Ehe für alle 2017 eingeführt, trotz Widerstand konservativer Kreise. Das Gesetz genießt breite gesellschaftliche Unterstützung und zeigt, dass religiöse Opposition nicht automatisch gesellschaftlichen Rückschritt bedeutet.

Ein Weckruf für die LGBTQ+-Community

Die Ereignisse in Dallas sind eine deutliche Erinnerung daran, dass LGBTQ+-Rechte nicht selbstverständlich sind. Auch in scheinbar fortschrittlichen Gesellschaften gibt es Kräfte, die diese Rechte wieder einschränken wollen. Die Southern Baptist Convention mag in Deutschland wenig direkten Einfluss haben, aber ihre Haltung spiegelt ein weltweites Netzwerk konservativer religiöser Gruppen wider, die ähnliche Ziele verfolgen.

Umso wichtiger ist es, dass wir als LGBTQ+-Community und als Gesellschaft insgesamt wachsam bleiben. Die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte sind nicht in Stein gemeißelt – sie müssen jeden Tag aufs Neue verteidigt werden. Die Stimmen aus Texas erinnern uns daran, dass der Kampf für Gleichberechtigung noch lange nicht vorbei ist.

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