Ungarns neuer Verfassungsschlag gegen LGBTQ+: Binäre Geschlechtsdefinition festgeschrieben

Das ungarische Parlament hat erneut einen schweren Schlag gegen die Rechte queerer Menschen geführt. Mit einer Verfassungsänderung wurde nun festgeschrieben, dass ein Mensch ausschließlich als Mann oder Frau definiert werden kann, wie queer.de berichtet. Diese Entscheidung stellt eine weitere Verschärfung der bereits restriktiven Politik der Orban-Regierung gegenüber der LGBTQ+-Community dar und steht in krassem Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland.

Parlamentarische Mehrheit trotz Protesten

Die Verfassungsänderung wurde mit 140 Ja-Stimmen gegen 21 Nein-Stimmen verabschiedet. Die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit wurde, wie von Kritiker*innen befürchtet, problemlos erreicht. Die vom rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban geführte Regierung setzt damit ihren systematischen Abbau von LGBTQ+-Rechten fort.

Während der Abstimmung protestierten Gegner*innen im Plenarsaal mit Trompeten-Lauten, vor dem Parlamentsgebäude versammelten sich zahlreiche Demonstrant*innen. Doch die symbolischen Proteste konnten die Entscheidung nicht verhindern.

Teil einer systematischen Diskriminierungsstrategie

Diese Verfassungsänderung reiht sich in eine lange Liste von Maßnahmen ein, mit denen die ungarische Regierung die LGBTQ+-Community systematisch ausgrenzt. Erst im März 2024 hat das ungarische Parlament im Eilverfahren die jährlichen Pride-Paraden verboten – Veranstaltungen, die traditionell für die Sichtbarkeit und Rechte queerer Menschen stehen.

Es handelt sich bereits um die 15. Änderung der 2011 unter Orban eingeführten Verfassung, deren Präambel bezeichnenderweise den Titel "Nationales Glaubensbekenntnis" trägt. Seit 2020 definiert diese Verfassung auch, dass "eine Mutter nur eine Frau und ein Vater nur ein Mann sein könne". Im selben Jahr trat ein Gesetz in Kraft, das es trans Menschen unmöglich macht, ihr Geschlecht amtlich ändern zu lassen. Amnesty International kritisiert scharf, dass diese Änderungen die Diskriminierung verstärken und gegen internationale Menschenrechtsstandards verstoßen.

Kontrast zu Deutschland: Selbstbestimmungsgesetz statt Diskriminierung

Während Ungarn queere Rechte systematisch abbaut, hat Deutschland kürzlich mit dem Selbstbestimmungsgesetz einen bedeutenden Schritt in die entgegengesetzte Richtung gemacht. Das am 1. August 2024 in Kraft getretene Gesetz ermöglicht es trans, inter und nichtbinären Menschen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen – ohne die bisher notwendigen psychologischen Gutachten oder medizinischen Nachweise.

Deutschland erkennt damit offiziell an, was Ungarn nun verfassungsrechtlich leugnet: dass Geschlechtsidentität vielfältig ist und über binäre Kategorien hinausgehen kann. Dieser fundamentale Unterschied in der Gesetzgebung spiegelt die tiefe Kluft in den gesellschaftspolitischen Entwicklungen beider Länder wider.

EU-Reaktionen und internationale Kritik

Die fortschreitende Einschränkung der LGBTQ+-Rechte in Ungarn hat zu wachsender Kritik seitens der EU geführt. Das Europäische Parlament betont, dass die diskriminierenden Definitionen in der ungarischen Verfassung gegen EU-Grundwerte verstoßen. Aktuellen Berichten zufolge erwägt die Europäische Union rechtliche Schritte gegen Ungarn wegen dieser fortgesetzten Verstöße gegen die Grundrechte.

Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass die jüngste Verfassungsänderung nichtbinäre Menschen in Ungarn praktisch unsichtbar macht und ihnen rechtlichen Schutz entzieht. Sie fordern eine stärkere internationale Reaktion auf die systematische Diskriminierung durch die Orban-Regierung.

Auswirkungen auf die ungarische LGBTQ+-Community

Für die LGBTQ+-Community in Ungarn wird die Situation zunehmend bedrohlich. Die verfassungsrechtliche Festschreibung binärer Geschlechtsidentitäten verweigert nichtbinären Menschen die offizielle Anerkennung ihrer Identität und verstärkt gesellschaftliche Diskriminierung.

Ungarische LGBTQ+-Aktivist*innen berichten von wachsender Angst und einem zunehmend feindlichen Klima. Viele erwägen, das Land zu verlassen oder ziehen sich aus Sicherheitsgründen ins Private zurück. Die systematische Ausgrenzung durch die Regierung legitimiert in den Augen vieler Ungar*innen homophobe und transphobe Einstellungen und Verhaltensweisen.

Für die deutsche LGBTQ+-Community ist die Entwicklung in Ungarn ein alarmierendes Beispiel dafür, wie schnell erreichte Rechte wieder abgebaut werden können, wenn rechtspopulistische Kräfte an die Macht kommen. Sie unterstreicht die Bedeutung anhaltender Wachsamkeit und Solidarität über Landesgrenzen hinweg.

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