Nach 40 Jahren in Utah zieht das renommierte Sundance Film Festival nach Colorado um – eine Entscheidung, die am selben Tag bekannt gegeben wurde, an dem Utah das erste landesweite Verbot von Pride-Flaggen in öffentlichen Gebäuden verkündete. Die ursprüngliche Meldung stammt von PinkNews, doch die zeitliche Übereinstimmung wirft Fragen über den Zusammenhang zwischen kultureller Freiheit und politischen Entscheidungen auf – auch für uns in Deutschland.
Ein symbolträchtiger Umzug
Das Sundance Film Festival, das größte unabhängige Filmfestival der USA, wird ab 2027 seinen neuen Standort in Boulder, Colorado haben. Offiziell begründen die Organisatoren den Umzug mit dem Wachstum des Festivals und den besseren Expansionsmöglichkeiten im 100.000-Einwohner-Städtchen Boulder. Die Acting-CEO des Sundance Institute, Amanda Kelso, betonte: "Boulder ist eine Tech-Stadt, eine Universitätsstadt, eine Kunststadt und eine Bergstadt. Mit 100.000 Einwohnern gibt uns diese größere Stadt im Vergleich zu Park City den Raum, uns zu erweitern."
Bemerkenswert ist jedoch der Zeitpunkt der Ankündigung: Am selben Tag, an dem der republikanische Gouverneur von Utah, Spencer Cox, ein Gesetz in Kraft treten ließ, das das Zeigen von Pride-Flaggen und anderen nicht-offiziellen Flaggen an Schulen und Regierungsgebäuden verbietet. Dieses Gesetz, das am 7. Mai in Kraft tritt, sieht Geldstrafen von bis zu 500 Dollar pro Tag für Verstöße vor.
Kulturelle Werte vs. politische Realität
Obwohl Sundance-Vorstandsvorsitzender Ebs Burnough betonte, dass politische Erwägungen nicht ausschlaggebend für den Umzug waren, hatte das Festival bei der Suche nach einem neuen Standort explizit "Ethos und Gleichheitswerte" als eines der Kriterien genannt. Die Organisation erwähnte auch, dass Boulders "einladende Umgebung mit dem Ethos von Sundance übereinstimmt".
Die Reaktion des republikanischen Senators Trevor Lee, Initiator des Flaggenverbots in Utah, spricht Bände: Er bezeichnete das Festival als Förderer von "Schmutz" und sagte, es "würde nicht vermisst werden". Diese Aussage unterstreicht die ideologische Kluft, die zu solchen Entscheidungen führt.
LGBTQ+ Filme und Festivals in Deutschland
In Deutschland haben wir glücklicherweise eine vielfältige Landschaft von LGBTQ+ Filmfestivals, die jährlich tausende Besucherinnen und Besucher anziehen. Das Hamburg International Queer Film Festival ist mit über 15.500 Besuchern das älteste und größte seiner Art in Deutschland. Auch das Filmfest homochrom in Köln und Dortmund sowie das XPOSED Queer Film Festival Berlin spielen eine wichtige Rolle für die Sichtbarkeit queerer Geschichten und Perspektiven.
Während in Deutschland derzeit keine vergleichbaren Verbote von Pride-Flaggen existieren, gibt es durchaus rechtliche Regelungen und Diskussionen zum Zeigen bestimmter Flaggen. Diese betreffen jedoch primär Flaggen mit verfassungsfeindlichen oder extremistischen Symbolen.
Das Sundance-Erbe und seine Bedeutung für queere Filmkultur
Sundance hat eine bedeutende Geschichte in der Förderung queerer Filme. 2018 wurde beispielsweise "The Miseducation of Cameron Post" mit Chloë Grace Moretz mit dem Grand Jury Prize ausgezeichnet. Der Film thematisiert sogenannte "Konversionstherapien" – ein Thema, das auch in Deutschland relevant ist, wo erst 2021 ein Gesetz zum Verbot solcher Praktiken in Kraft trat.
Robert Redford, Gründer des Sundance Instituts, kommentierte den Umzug mit den Worten: "Während Veränderung unvermeidlich ist, müssen wir uns immer weiterentwickeln und wachsen, was der Kern unseres Überlebens war." Eine Aussage, die auch für die LGBTQ+-Gemeinschaft weltweit Bedeutung hat.
Ein Weckruf für kulturpolitische Entscheidungen
Der Fall des Sundance Film Festivals zeigt exemplarisch, wie kulturelle Institutionen auf politische Entscheidungen reagieren können, die den Werten von Vielfalt und Inklusion entgegenstehen. Für Deutschland ist dies ein Anlass, die eigene Kulturpolitik zu reflektieren und zu überlegen, wie wir kulturelle Freiräume schützen können.
Die Deutsche Kulturrat betont seit langem die Bedeutung kultureller Vielfalt für eine demokratische Gesellschaft. Der Fall in Utah erinnert uns daran, dass kulturelle Institutionen nicht nur Spiegel gesellschaftlicher Werte sind, sondern auch aktive Gestalter sein können, indem sie Haltung zeigen und – wenn nötig – Konsequenzen ziehen.
Das letzte Sundance Film Festival in Park City wird im Januar 2026 stattfinden, bevor es nach Boulder umzieht. Es bleibt abzuwarten, ob dieser symbolische Schritt auch andere kulturelle Institutionen ermutigt, für inklusive Werte einzustehen – sowohl in den USA als auch international.