SPDqueer zur schwarz-roten Koalition: Neutralität trotz queerpolitischer Enttäuschung

Der Bundesvorstand der SPDqueer hat sich in einer Pressemitteilung zur aktuellen Mitgliederbefragung über den schwarz-roten Koalitionsvertrag neutral positioniert, während der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano deutliche Ablehnung signalisiert. Die Arbeitsgemeinschaft für queere Menschen in der SPD äußerte sich enttäuscht über die queerpolitischen Aspekte des Vertrags, ruft aber weder zur Zustimmung noch zur Ablehnung auf.

Bewahrung des Erreichten als Minimalziel

In ihrer Stellungnahme mit dem Titel "Queerpolitik im Schatten: Kein Rückschritt, aber auch kein Fortschritt" macht die SPDqueer deutlich, dass bereits nach der Bundestagswahl klar gewesen sei, dass eine Koalition mit den Unionsparteien queerpolitische Fortschritte erschweren würde. "Vielmehr galt es in den Sondierungsgesprächen und bei den Koalitionsverhandlungen keine Rückschritte zuzulassen und Erreichtes zu bewahren", heißt es in der Erklärung. Besonders wichtig war der Erhalt des erst kürzlich verabschiedeten Selbstbestimmungsgesetzes, das trans- und intergeschlechtlichen Menschen eine einfachere Änderung ihres Geschlechtseintrags ermöglicht.

Die Co-Vorsitzende der SPDqueer, Carola Ebhardt, kritisierte den Koalitionsvertrag scharf: "Die grundsätzlich konservative Handschrift des Koalitionsvertrages ist leider mehr als offensichtlich. Dass auf fast 150 Seiten nur 2x das Wort 'queer' zu finden ist und stattdessen völlig veraltete, entwürdigende Begriffe verwendet wurden, sagt viel darüber aus, welchen Stellenwert die Belange und Rechte queerer Menschen in der zukünftigen Koalition haben."

Kritik an mangelnder Berücksichtigung queerer Themen

Oliver Strotzer, Co-Vorsitzender der SPDqueer, bemängelte das Fehlen zentraler queerpolitischer Vorhaben: "Wichtige Themen wie die Ergänzung des Art. 3 GG um das Merkmal der sexuellen Identität, die seit langem geforderte Reform des Abstammungsrechts oder ein Bekenntnis zur Weiterentwicklung des Aktionsplans 'Queer Leben' fehlen komplett." Positiv bewertete er lediglich das Bekenntnis zur Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes als "echten Fortschritt".

Besonders kritisch sieht die SPDqueer die vorgesehenen Einschränkungen für queere Geflüchtete, die Ebhardt als "absolut inakzeptabel" bezeichnete. "Gefährdete Menschen brauchen eine Perspektive auf ein faires Asylverfahren", betonte sie.

Unterschiedliche Positionen innerhalb der SPD

Während der Bundesvorstand der SPDqueer keine klare Abstimmungsempfehlung abgibt, positionierte sich der Berliner Queerbeauftragte Alfonso Pantisano deutlich gegen den Koalitionsvertrag. Mit der Aussage "Nur über meine Leiche" machte er seine Ablehnung unmissverständlich klar. Pantisano, der sich seit Jahren für LGBTQ+-Rechte einsetzt, sieht offenbar die queerpolitischen Errungenschaften der vergangenen Jahre durch die Koalition gefährdet.

Die unterschiedlichen Positionen innerhalb der SPD spiegeln die Herausforderung wider, progressive queerpolitische Ziele in einer Koalition mit den konservativen Unionsparteien durchzusetzen. Die SPDqueer als Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Partei sieht sich in der schwierigen Situation, einerseits kritisch zu bleiben, andererseits aber auch konstruktiv an der Gestaltung der Politik mitwirken zu wollen.

Ausblick für queerpolitische Entwicklungen

Die zurückhaltende Formulierung im Koalitionsvertrag, queeres Leben "weiterhin vor Diskriminierung zu schützen", wird von der SPDqueer als unzureichend angesehen. Die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bietet jedoch einen Ansatzpunkt für weitere Verbesserungen. Ob und wie queerpolitische Anliegen in der neuen Regierungskoalition umgesetzt werden können, wird maßgeblich vom Engagement der SPD-Vertreter:innen und vom Druck der Zivilgesellschaft abhängen.

Die SPD-Mitglieder haben nun das Wort: In der laufenden Mitgliederbefragung entscheiden sie über die Zukunft der schwarz-roten Koalition. Das Ergebnis wird zeigen, ob die queerpolitischen Bedenken bei der Basis auf Resonanz stoßen oder ob andere Themen wie Wirtschaft und Sicherheit höher gewichtet werden.

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